Essstörungen und Persönlichkeitsentwicklung Perspektiven für Behandlung und Prävention R.Müller Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Zahlen und Hintergründe - Etwa30%dermännlichenJugendlichenund70%derweiblichen JugendlichensindunzufriedenmitihremKörper. • DatenderKIGGS-Studie(2006):21,9%derKinderu.Jugendlichenhaben eineEssstörung(ProblemerundumsEssen).Verteilung:29,4%weibliche und14,6%männliche KinderundJugendliche. • 7%allerKinderundJugendlichensinddeutlichuntergewichtig,15% dagegenübergewichtig,davonetwadieHälfteadipös. • Etwa10%allerKinderundJugendlichenhabeneineEssstörung,dieals behandlungsbedürftig eingeschätztwird. 08.11.2013 2 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Krankheitsbild(er) HäufigkeitinderBevölkerung: ANOREXIE 0,3-0,9 % BULIMIE 0,8-2,0% Untergewicht 08.11.2013 BINGE-EATING (EDNOS) ca. 1,6-2,3% ADIPOSITAS ca. 8,1-9% NES ca. 1,5% Übergewicht 3 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Formen nach ICD-10 (WHO) • Anorexianervosa F50.0 AtypischeAnorexianervosa • F50.1 Bulimianervosa F50.2 AtypischeBulimianervosa F50.3 • Essattackenbeisonstigenpsych.Störungen F50.4 • SonstigeEssstörungen(PsychogenerAppetitverlust) F50.8 • FütterstörungenimfrühenKindesalter • Adipositas 08.11.2013 F98.2 E66.x 4 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Das Konzept „Persönlichkeit“ DerBegriffPersönlichkeit umfasstdieeinzigartigenpsychischen EigenschafteneinesIndividuums,indenenessichvonanderen unterscheidet(vgl.auchTemperament“ und„Charakter“). EswerdenzahlreichePersönlichkeitseigenschaften unterschieden. KernfragensindinderForschungsindu.a.dieStabilitätoder VeränderungvonPersönlichkeitsmerkmalen,ihredispositionelle Funktion(BedeutungfürzukünftigesVerhalten)oderdieArtihrer Manifestation. 08.11.2013 R.Müller- 2013 5 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung VieleFragenundempirischeForschungsansätzesindgeleitetvonderAbsicht, allgemeinzuerklärenundzuverstehen,wiesicheinePersönlichkeitmitihren EigenschaftenunterbestimmtenAnlage- undUmweltbedingungenentwickelt, wiesiesichverändert,wiesiezutreffendbeschrieben,ineinzelnen Verhaltensweisenvorhergesagtundeventuellbeeinflusstwerdenkann. WegendieserumfassendenBedeutungkannesnichtverwundern,dassesbislang keineüberzeugendeDefinitiondesBegriffs gibt. WichtigeThemenderForschungsinddiePersönlichkeitsentwicklung,die WechselwirkungzwischenPersonundUmwelt ,dieGrundlageninder Biopsychologie,dieGeschlechtsunterschiede(GenderStudies)unddie PersönlichkeitimKulturvergleich(Kulturpsychologie). 08.11.2013 R.Müller- 2013 6 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung WiePersönlichkeitsmerkmaleinderfrühenKindheit undJugend entstehenundwiesie sichüberdieganzeLebensspanneverändernkönnen,isteinwichtigesThemader Entwicklungspsychologie. WichtigeBeiträgekommenausderHumangenetik undEntwicklungsbiologie desMenschen sowiederEthnologie undKulturanthropologie,andererseitsausdenverschiedenen ArbeitsrichtungenderPsychologie. u.a.PsychodynamischeAnsätze(Freud,Adleretc.),Stufenmodellederpsychosozialen EntwicklungundIdentitätsfindung(ErikH.Erikson),Strukturierungdurch EntwicklungsaufgabenundkritischeLebensereignisse(RobertJ.Havighurst,SigrunHeideFilipp),BiografischePersönlichkeitsforschung(HenryA.Murray,HansThomae u.a.),Bindungstheorien(JohnBowlby,MaryD.Ainsworth)etc. 08.11.2013 R.Müller- 2013 7 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung Fazit: GegenwärtigexistiertnochkeineumfassendeTheorieder Persönlichkeitsentwicklung,welchedievielfältigenEinflüsse überzeugenddarstellenbzw.strukturiertundübersichtlich zusammenfassenkann. 08.11.2013 R.Müller- 2013 8 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Mögliche Perspektiven auf das Thema „Persönlichkeitsentwicklung“ • GenetikundEpigenetik • Evolutionsbiologie • NeurophysiologieundNeuropsychologie • Medizin • Psychologie/Entwicklungspsychologie • Soziologie(Gesellschaftlicherund soziokulturellerKontext) Verschiedene Perspektiven und Ansätze zum Thema „Persönlichkeit“ bzw. „Persönlichkeitsentwicklung“ • Ökologie(PlanetErde) 08.11.2013 R.Müller- 2013 9 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Beobachtungen aus dem klinischen Alltag 1)ZunahmeanPatientenmitEssstörungen,diefachlicheHilfein Anspruchnehmen. 2)ZunahmeanKomorbiditätenallerArtbeiPatientenmit Essstörungen(zunehmendseltener:„KlassischeAnorexiepatientin“) 3)Patientenmitdiversenkinder- undjugendpsychiatrischen StörungenzeigenhäufigerauchverschiedenenFormenvon EssstörungenalsKomorbiditäten. 08.11.2013 R.Müller- 2013 10 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie MöglicheFragenrundumdieThematikEssstörungund Persönlichkeitsentwicklung... 1. 2. 3. 4. 5. GibtesbeiEssstörungeneinetyp.prämorbidePersönlichkeitbzw. Persönlichkeitsmerkmale,dieRisikofaktorendarstellen? GibtesbestimmtePersönlichkeitsmerkmale,dieggf.auchprotektive Faktorendarstellen? Obundggf.wieverändertsichdiePersönlichkeitbeiAusbruchder Erkrankung? Wieverläuftggf.diePersönlichkeitsentwicklung a)nachAusbruchderErkrankung b)imKrankheitsverlaufund c)z.B.währendbzw.inderTherapie WieverläuftdieweiterePersönlichkeitsentwicklungnachRemission und/odernachEndederTherapie? 08.11.2013 R.Müller- 2013 11 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie MöglicheFragenrundumdieThematikEssstörungund Persönlichkeitsentwicklung... Zu1.GibtesbeiEssstörungeneinetyp.prämorbidePersönlichkeit? zudieserThematikgibtdiemeisteLiteraturundForschung,allerdings istdieForschungdazuimFluss… Zu2.GibtesbestimmtePersönlichkeitsmerkmale,dieggf.auchprotektive Faktorendarstellen? MitdieserFragestellungbeschäftigensichv.a.LiteraturundForschung, diesichmitdemThemaPräventionbeschäftigen… Zu3.- 5.VerändertsichdiePersönlichkeitbeiAusbruchderErkrankung?Wie verläuftggf.diePersönlichkeitsentwicklungnachAusbruchderErkrankung, imKrankheitsverlaufundz.B.währendbzw.inderTherapieundwie verläuftdieweiterePersönlichkeitsentwicklungnachRemissionund/oder nachEndederTherapie? bislangwenigguteDatenundLiteratur… 08.11.2013 R.Müller- 2013 12 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Weitere mögliche Fragen … • WelcheEntwicklungenundMerkmaleeinerderPersönlichkeitsinderstdurch dieKrankheitbedingtoderverursacht? • IstdieKrankheiteineRessource,dieeineblockierteEntwicklung(Sackgasse) erstwiederinGangbringtoderhemmtbzw.beeinflusstdieErkrankungdie EntwicklungderPersönlichkeit(HemmungderEntwicklungalsFolgeder Erkrankung). • SindVeränderungeninPersönlichkeitundEntwicklungenimVerlaufbedingt durchdieErkrankungoderbedingtdurchTherapieodererfolgtdurch BesserungderErkrankungvorallemwiedereinepositivereEntwicklung? • WasbewirktVeränderung?Verändertggf.dieEntwicklungderPersönlichkeit denKrankheitsverlaufetc.? 08.11.2013 R.Müller- 2013 13 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Mögliche Hypothesen • Hypothese1:EineWeiterentwicklungderPersönlichkeit(nach Erkrankungseintritt)istwichtigfüreineBesserungbzw. „Heilung“ derEssstörung. • Hypothese2:NureineRemission,dieauchaufderGrundlage einerWeiterentwicklungderPersönlichkeitgeschieht,istauch nachhaltig. • Hypothese3:DieErkrankungistaucheine„Ressource“ imdem SinneeinesKatalysators,indemsieEntwicklungs- und Veränderungsprozesse“ anregenkann. 08.11.2013 R.Müller- 2013 14 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 1. PrämorbidePersönlichkeit(Risikofaktorenetc.) 2.VeränderungenundBeeinträchtigungendurchdieErkrankung unddasHungern(Starvationssyndrom) 3. VeränderungenundBeeinträchtigungendurchdieErkrankung ( KrankheitalsEntwicklungshemmeroder Entwicklungsförderer) 08.11.2013 R.Müller- 2013 15 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 1. PrämorbidePersönlichkeit/Risikofaktoren (BeispielAnorexianervosa) • • • • • • • 08.11.2013 HoherbisextremerEhrgeiz/starkeLeistungsorientierung HohesStrebennachPerfektionismus EhergeringerbismäßigerSelbstwert(LeistungalsrelativeinzigeQuelledesSelbstwerts) InternalisierendeProblem- undKonfliktlösestrategienundEmotionsäußerungen Depressiveund/oderzwanghaftePersönlichkeitsanteileundrelativeÄngstlichkeitund hohesKontrollbedürfnis(KontrolledeseigenenKöpersalsKompensation). AusSichtderEltern:„EsgingbeiS.bislangimmeralleswievonselbst…“;„Esgab bislangnieProbleme…“;„Esliefimmeralleswievonselbst…“ Familie:(häufig)BotschafteinesengenfamiliärerenZusammenhalts,starke LoyalitätsbindungenderBetroffenenzueinemElternteil,Geschwisterrivalität R.Müller- 2013 16 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 2.(a)HäufigeVeränderungenundBeeinträchtigungen(vgl.z.T.prämorbide Persönlichkeit)durchdieErkrankung(BeispielPsychischerBefundbeiAnorexia nervosa): • • • • • • • • • StörungderKörperwahrnehmungunddesKörperbildes EinengungdesDenkensaufThemenrundumsEssen,rigideDenkmuster StörungderinterozeptivenAbläufe,wasdieIdentifikationvonHunger,Sattheitund Affektzuständenerschwert. StolzundBefriedigungüberdieLeistungderGewichtsabnahme(Selbstwirksamkeit!) (BefundeausderHirnforschung:AktivierungdesBelohnungssystemsbeiNichtessen!) VerleugnungdesHungers(„ichbrauchenichts“ nichtnurkeineNahrung!) KontaktstörungundsozialerRückzug Zwanghafte,unreifeunddepressivePersönlichkeitsanteile Depressivität,Schlafstörungen NiedrigesSelbstwertgefühl,Stimmungslabilität 08.11.2013 R.Müller- 2013 17 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 2.(b)Dassog.Starvationssyndrom Minnesota-StudievonKeyset.al.(1944/1950): AuswirkungendesHungernswurden untersucht(2.Weltkrieg).Versuchspersonenwarenjunge,gesunde Personen,diedenWehrdienst verweigerten(„Hunger-Camp“,½ JahrreduzierteNahrung,dannwiederallmählicheSteigerung) WesentlicheERGEBNISSE(FolgendesHungerns): - AnpassungdesKörpersandiereduzierteErnährung(Reduktiondesphysiolog. Grundumsatzes,RückgangdesAktivitätsniveaus,erhöhterBewegungsdrang) - VeränderungdesEssverhaltensundzunehmendegedanklicheBeschäftigungmitdem Thema„Essen“ imAlltag - StörungenderSättigungsregulation Heißhungeranfälleundabgeschwächtes HungergefühlimVerlauf - Konzentrationsstörungen,Stimmungsschwankungen,Depression,Schlafstörungen, sozialerRückzugundRückgangdessexuellenInteresses 08.11.2013 R.Müller- 2013 18 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Exkurs: Körperliche Veränderungen und „Nebenwirkungen“ Zerebrale Atrophie 08.11.2013 R.Müller- 2013 19 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Körperliche Veränderungen und „Nebenwirkungen“ Anorexiebeginntheutehäufigim(frühen)Jugendalter,alsoineinemAlter,in demdieGehirnentwicklungnichtabgeschlossenist HungernundUntergewichtbeeinträchtigendieGehirnentwicklung, ziehtu.a.dieEntscheidungsfähigkeitunddieFähigkeitzursozialen KommunikationsowiediekognitiveAufnahmefähigkeitinMitleidenschaft. OftfehltesdenBetroffenendeshalbschonanderEinsichtindie NotwendigkeitderBehandlung (vgl.J.Treasure,U.Schmidt;SectionofEatingDisorders,InstituteofPsychiatry,King´sCollegeLondon) Esistdavonauszugehen,dassesnochdiverseweitereWirkungenaufKörperundGehirn (undSeele)gibt,diewiraktuellnochnichtodernichtgenauerkennen! 08.11.2013 R.Müller- 2013 20 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Anorexie und häufige Komorbiditäten • Depression(15-80%) • ZwanghaftesVerhalten(40-70%) • Angststörungen(20-60%) • Somatisierungsstörungen(30-45%) • (Hinweiseauf)PTSD(ca.10-20%) • Persönlichkeitsstörungen(mind.15%) 08.11.2013 R.Müller- 2013 21 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 3.Essstörungals„Behinderung“ (Falle)oderKatalysatorfür Persönlichkeitsentwicklung… EsgibtHinweise,dassbeideAnnahmenihreBerechtigunghaben; a) DieErkrankungbehindertz.T.etwadasaltersgemäßeBewältigenvon Entwicklungsaufgaben(vgl.KonzeptderEntwicklungsaufgabennach Havighurst) b) GleichzeitigwerdenaberdurchdieErkrankungbestimmte EntwicklungsprozesseerstangestoßenundestretenwichtigeThemenin derEntwicklungdeutlicherzutage… Hierzu fehlen bislang gute Studien und Befunde! 08.11.2013 R.Müller- 2013 22 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … Befunde zum Verlauf • • • • • VerlaufundPrognose:PrognosevonjungenPatientenhatsichverbessert,Mortalitätsratevonca. 2,1%,früher8-10%.GünstigererHeilungserfolg:Heilungsratenvon70-80%beiKindern,bei Erwachsenedeutlichgeringer(20-30%). KrankheitsdauerundGewichtsverlustvorBehandlungsbeginnerlaubengewisseAussageüberden Verlauf,ebensoderVerlaufderersten6WochennachBeginnderBehandlung. HäufigprotrahierterKrankheitsverlaufmitwiederkehrendenRediziven(5-7Jahre),1/5der Anorexie-PatientenentwickelteineBulimianervosa;KomorbiditätmitAngst-undAffektiven Erkrankungenweiterhinvorhanden(vgl.u.a.M.Fichter). AnorektischePersönlichkeit(Merkmale:“zwanghaft,beherrscht”,“risikovermeidend”,“sozial phobisch”.)vs.ehemaligePatienten,diespäter(weitgehend)gesund,sozialbestensintegriert undberuflichsehrerfolgreichsind! Studienu.a.derUniversitätenTübingenundAachen:ca.10-18%derPatientinnenmitAnorexie weisenDefiziteimBereichder„TheoryofMind“ auf,DefiziteimBereich,sichindasDenkenund FühlenandererPersonenhineinzuversetzen.EbensoHinweiseaufDefiziteimBereichder SozialenKompetenzen(10-20%). 08.11.2013 R.Müller- 2013 23 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Möglicher Forschungsansatz Langzeit-StudieüberVerläufebeiPatientenmitEssstörungen z.B.WasunterscheidetPatienten,diegesundwerden,vondenen,diein einenlangen,evtl.chronischenVerlaufeinmünden… WelcheFaktorentragendazubei,dasssichPatientenimVerlauf unterschiedlichentwickeln? HinweisefürneueTherapien/Therapieansätze; HinweisefürwirksamerePrävention; MöglichkeitderDifferenzierungverschiedenerEinflussfaktoren(ggf.auchim BereichderPersönlichkeitsentwicklung) … 08.11.2013 R.Müller- 2013 24 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … 1. PrämorbidePersönlichkeit/Risikofaktoren (BeispielBulimianervosa) • StörungderKörperwahrnehmungunddesKörperbildes:Unzufriedenheitund übermäßigeBeschäftigungmitGewichtundFigur,übermäßigeAngstvor Gewichtszunahme HerabgesetztesSelbstwertgefühl:EngeVerknüpfungmitkörperlicherErscheinung undmitEinhalten/ErreichendessubjektivenIdealgewichtes Affektiv:Depressivität,emotionaleLabilität,ReizbarkeitundImpulsivität Kognitiv:Konzentrationsmangel,Entscheidungsunfähigkeit,ständigegedankliche BeschäftigungmitEssen,teilszwanghaftesKalorienzählen ProblemeinPartnerschaft,Familie,FreundeskreisundBeruf;sozialerRückzug FinanzielleProbleme,Alkohol- undDrogenmissbrauch • • • • • 08.11.2013 R.Müller- 2013 25 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Häufige Komorbiditäten bei Bulimia nervosa • Depression20-70% • • • • • Angststörungen30-70% Impulskontrollstörungen(keineZahlenbis>50%) EmotionaleStörungen(~30%) Zwänge(8-23%) Persönlichkeitsstörungen(>30%) 08.11.2013 R.Müller- 2013 26 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Mögliche Hinweise aus der Ätiologie der Bulimia nervosa … PsychosozialeundPersönlichkeitsfaktorenu.a.: • UnzufriedenheitmitdereigenenFigur,dysfunktionaleDenkschemata • GestörteHunger- undSättigungswahrnehmung • UnzureichendeStressverarbeitungs- undProblemlösefähigkeiten(„copingskills“) undunzureichendesozialeFertigkeiten(„socialskills“) • PersönlichkeitsfaktorenwiegeringesSelbstwertgefühl;Selbstwertextremabhängig vonFigurundGewicht,GefühlederIneffektivität • EmotionaleLabilität,Ängstlichkeit,Erregbarkeit,Depressivität, • KörperlicheBeschwerden • PerfektionismusundhoheAnspruchshaltungen • ErhöhteImpulsivitätbeiBulimie,Binge-EatingundAdipositas 08.11.2013 R.Müller- 2013 27 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Essstörungen und Impulsivität Hyperaktivitätssymptome verursacht durch ADHS geheneinhermitmehrImpulsivität undeinerstärkerenAusprägungderEssstörungbeidenbetroffenenPatienten (Untersuchungan191erwachsenenPatienten). • InderStudie(2013)fandenForscher(BellvitgeUniversitätsklinikund PsychiatrieabteilungderValld'HebronUniversitätsklinik)entsprechende Zusammenhänge:ADHS-SymptomemitImpulsivitätkommenbeibestimmtenPatienten mitEssstörungengehäuftvor(F.Fernández-Aranda).DieseStörungen"zeigensich hauptsächlichbeiPatientenmitBulimie,BingeEatingundunspezifischen Essstörungen.“ • NachdiesenBefundenhabenimpulsivereundälterePatientenhabeneingesteigertes Risiko,eineEssstörungzuentwickeln.Impulsivitätseiauchmiteinemgrößeren SchweregradderStörungverbunden. 08.11.2013 R.Müller- 2013 28 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wechselwirkung zwischen Essstörung und Persönlichkeitsentwicklung … Befunde zum Verlauf VerlaufundPrognosebeiBulimie: • Behandlungbzw.BehandlungsbeginnhäufigerstnachlängeremKrankheitsverlauf. • Remissionsratenvon30-60%,Mortalität2%. • ImweiterenVerlaufleidenPatientengehäuftanaffektivenStörungen, Angsterkrankungen,SubstanzmissbrauchundStörungderImpulskontrolle. 08.11.2013 R.Müller- 2013 29 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Versuche der Erfassung von Entwicklung der Persönlichkeit mit dem FPI-R PatientinnenmitEssstörungen(Anorexie,Bulimie)werdenzuBeginnder ambulantenBehandlung(TherapiegruppefürjugendlicheMädchenmit Essstörungen)mitdemFPI-R untersucht. WeitereInstrumente:EDI-2,FBK,FEV,BDIoderDIKJ NachAbschlussderBehandlungwirdderFPI-Rerneutdurchgeführt. DerFPI-RmisstdieSelbstwahrnehmungderProbandenin8Dimensionenund zweizusammenfassendenDimensionen. BislangsinddiewenigenvorliegendenBefundeuneinheitlichundergebennoch klarenAussagen.Stichprobeauchnochzuklein! 08.11.2013 R.Müller- 2013 30 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Jugendliche mit Essstörungen im FPI-R ErsteBefundeinderbislangnochsehrkleinenStichprobe(N=7): - KeineKorrelationenzwischenWerteninderSkala„Lebenszufriedenheit“ und deutlicherBesserungderSymptomatik. - HinweiseaufZusammenhängezwischenBesserungderSymptomatikund SelbsteinschätzungindenSkalen„Aggressivität“ und„Offenheit“ (in RichtungmehrAggressivitätundOffenheit),auchinderSkala „Gesundheitssorgen“ (inRichtungwenigerGesundheitssorgen). - UneinheitlichesBildindenübrigenSkalen. 08.11.2013 R.Müller- 2013 31 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie PersönlichkeitsentwicklungundPersönlichkeitsdiagnostik: • BildendieMessinstrumenteauchwirklichdiewesentlichenAspektederPersönlichkeit ab?BildendieMessinstrumentevorallemauchdiewesentlichenAspekteder PersönlichkeitundPersönlichkeitsentwicklungbeiPatientenmitEssstörungenab? SindneuespezifischeInstrumentenotwendig? • WelcheFragenwürdenBetroffenestellen?WelcheAspektewürdesieinden MittelpunktderDiskussionstellen?… • Beispiel:EDI Skalen:Schlankheitsstreben,Bulimie,UnzufriedenheitmitderFigur, Minderwertigkeitsgefühle,Perfektionismus,Misstrauengegenüberanderen, WahrnehmungvonGefühlen,AngstvordemErwachsenwerden AnderealswichtigerachteteAspektewieAutonomie,Selbstwert,Aggression, SelbstwirksamkeitserlebenundIch-Durchsetzung,Motivation,Stress- und Emotionsregulation,Kohärenzgefühletc.werdennichterfasst. 08.11.2013 R.Müller- 2013 32 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung und soziokultureller Kontext Entwicklung(Persönlichkeitsentwicklung)undÜbergänge,dieJugendlichezubewältigen haben,unterliegendemgesellschaftlichenWandelundsindhistorischbedingt. EbensounterliegenKulturundGesellschafteinempermanentenWandel.U.Beck(1997) beschreibtdieseVeränderungenalsAuswirkungender„ZweitenModerne“.Darunter meinteru.a.dasGlobalisierungundÖkonomisierung.AuchdasSozialewerde zunehmenddemDiktatderÖkonomieunterworfen. G.Knapp(2012)beklagt:DieseSichtweiseübernimmtsogardieJugendsozial-arbeit selbst,wennausschließlichderÜbergangvonderSchuleindenBerufbzw.die VermittlunginsErwerbslebenimVordergrundstehen.Sieverkürztdamitihre UnterstützungsaufgabeaufdieBegleitunginsErwerbslebenundverengtdamitden BlickaufdieJugendlichen.DieArbeitanderPersönlichkeitsentwicklungscheintso zurückzutreten. 08.11.2013 R.Müller- 2013 33 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung und soziokultureller Kontext JugendlicheentwickelnPersönlichkeitvoralleminAuseinandersetzungenmitder sozialenUmwelt. GrundlegendeDimensionenderPersönlichkeitstabilisierensichimLaufedesLebensu.a. dadurch,dassMenschendieUmweltenaussuchenodergestalten,dieoptimalzuihrer Persönlichkeitpassen. PersönlichkeitsentwicklungistnachHavighurst(1972)einProzess,in demeineaktive PersoneineintegrierendeBearbeitungderausdenunterschiedlichenBereichenauf sietreffendenAnforderungenvornimmt. NachMcCraeundCosta(1996)formtsichPersönlichkeitdurchUmwelteinflüsseunddie WechselwirkungvonPersonundUmweltaus. 08.11.2013 R.Müller- 2013 34 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung und soziokultureller Kontext Kontexte der Persönlichkeitsentwicklung (Familie und Peers) • „DerEinflussvonMütternundVäternentscheidetweitgehendüberdieGrund-musterder PersönlichkeitsentwicklungeinesJugendlichenundhatdirekteAuswirkungenaufdessen Leistungs- undSozialentwicklung“ (Hurrelmann/Quenzel2012,S.25).JungeMenschen entwickelnPersönlichkeitzudemimKontextimKontaktmitGleichaltrigen. Kontexte der Persönlichkeitsentwicklung (Schule & Co) • WirüberfrachtenunsereKindermit„Wissensstoff,densiefürihrLebenkaumbrauchenwerden unddeshalbauchschnellwiedervergessen.Stattihnenzuhelfen,Neugier,Kreativität, Originalität,OrientierungundTeamgeistfüreineimmerkomplexerwerdendeWeltzuerwerben, dressierenwirsiezulangweiligenAnpassern(…)“.SchulesollteKinderundJugendliche„zur aktivenLebensgestaltung(…)befähigenundermutigen.“ (R.D.Precht,2013) Notwendig dazuwärenpersonaleBegegnungenzwischenSchülernundLehrkräften, vertrauensvolleBeziehungenzueinander,individuellesEingehenaufStärkenund SchwächenderBetreuten… • 08.11.2013 R.Müller- 2013 35 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung und soziokultureller Kontext Kontexte der Persönlichkeitsentwicklung (Schule & Co) • „VorallemderschulischeKontextistangelegtaufAnpassungund„Perfektionierung derLernenden“.FehlerwerdenmitschlechtenZensuren„bestraft“ stattsie konstruktivzunutzen.Kinderlernen,dasssieAngsthabenmüssen,Fehlerzumachen. (LustaufLebenvs.AngstvorFehlern!) • ABER:FehlersindderUrsprungdesLebens,QuellevonVeränderungundChancefür dieZukunft(vgl.kosmischerUrknall,EvolutionundgenetischeVeränderungenetc.). R.Kahl,PublizistundLeiterdes„ArchivfürZukunft“ schreibt:„Perfektionistdas EndeeinerEntwicklungundkannzurSackgassewerden.Perfektion istderTod:wenn allesgeklärtist,wenneskeineFragenmehrgibt.AusetwasPerfektemkann nichts Neuesmehrentstehen.Wasperfektist,hatkeineZukunft.“ (R.Kahl,2012) 08.11.2013 R.Müller- 2013 36 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Persönlichkeitsentwicklung und soziokultureller Kontext Kontexte der Persönlichkeitsentwicklung (Kultur und Gesellschaft): • H.Welzer(2013)sprichtaktuellvoneinem„VerlustanZukunft“ fürdieaktuelleund zukünftigeGenerationundbeklagtdasFehleneinertragendenZukunftsvision… (früher:Hoffnung,dassallesinZukunftnochbesserwird,heute:vorallemSorge,dass vielesSchlechterwird…!) • WeiterhinlebenwirineinerKulturdes„Allesimmer“ undderMachbarkeitvonallem (vgl.„anythinggoes“).DieseKulturberuhtaufextremerAusbeutungunserer natürlichenLebensgrundlagen(„Extraktivismus“ und„Ikeaisierung“,vgl.Welzer, 2013)aufKostenzukünftigerGenerationen.DiePolitikpropagiertweiterhin ungehemmtdenMythosvonbeständigem„Wachstum“. 08.11.2013 R.Müller- 2013 37 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Gesellschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Essstörung • Anorexie:EsmussimmernocheinbisschenmehrGewichtsabnahmegeben,Zeichen derStärkeundSelbstkontrolle… (aufKostenderAusbeutungdeseigenenKörpers, vgl.Wirtschaftswachstum,AusbeutungunseresPlaneten) • Bulimie:KeinMaß undkeineGrenzefinden;Essanfällehabenunddannameigenen Essenfastersticken(erstungehemmtzuviel,dannErbrechen,Ausweg,aberwieder aufKostendesKörpers;vgl.Überproduktion,Wegwerfgesellschaft) • AnorexieundBulimie:PropagiertwirdheuteindenMediendermöglichsteperfekte undgestaltbareKörper(Diäten,Schönheitsoperationenetc.,allesistmachbar, entsprechendhochistdergefühlteDruck… ) 08.11.2013 R.Müller- 2013 38 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Die Theorie der Kognitiven Dissonanz (L. Festinger) BeispielefürVersuchezurReduktionderKognitivenDissonanz 08.11.2013 R.Müller- 2013 39 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Gesellschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Essstörung Die Theorie der „Shifting Baselines“ Shifting Baselines sindkollektivgeprägteunderlernteReferenzpunkte,andenenwir definieren,wasvonunsalsselbstverständlichangenommenunddeswegennicht hinterfragtwird.DieseReferenzrahmenverschiebensichschleichend,meistohnedass wiresmerken(vgl.Milgram-Experimente). EinevielzitierteempirischeSchlüsselstudie(Sáenz-Arojau.a.)untersuchtedabeidie WahrnehmungvonFischbeständenanderkalifornischenKüste.Forscherbefragten hierdreiGenerationenvonkalifornischenFischern,wiesichder Fischbestandinihrer Buchtveränderthabe.Allenwarbewusst,dasssichderFischreichtumverschlechtert hat.WährenddieältestenFischersichnochanelf Arten erinnerten,diesiefrühervor derKüstefingenunddieverschwundensind,nanntendiejüngstenFischernurzwei Fischarten,dieesfrühereinmalgegebenhatundjetztnichtmehrgab.Diejüngeren FischermachtensichwenigerSorgenüberdenArtenrückgang,dennihre WahrnehmungvonUmweltveränderungsetzteaneinemganzanderenReferenzpunkt an. 08.11.2013 R.Müller- 2013 40 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Gesellschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Essstörung „Shifting Baselines“ und Kognitive Dissonanz ÄhnlichwiedieFischerimHinblickaufdieFischbeständeverhaltensichPatientinnenmit Anorexianervosa.IhreReferenzpunktfürSchlankseinundSchönheitverschiebensich z.T.schleichendimmermehrinRichtungUntergewicht,ohnedass sieesnochals Verschiebungwahrnehmen. ShiftingbaselinesunddieUmdeutungdeseigenenVerhaltensverhindern,dassPatienten etwasändern,sondernsierechtfertigenihrpathologischesVerhaltenundverringern sodieemotionaleundkognitiveDissonanz(L.Festinger). ParallelePhänomeneinPolitikundGesellschaftund beiPatientenmitEssstörungen; BeispielAnorexie:Betroffenesehennichtmehrwiedünnsiesind,siefindenaber immernochStellenamKörper,diesiezudickfindenunddienochnichtihren Vorstellungenentsprechen…;Hungernwirdgerechtfertigtundverteidigt,bisaufs letzte… 08.11.2013 R.Müller- 2013 41 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie … und noch ein weiteres paralleles Phänomen … • J.DiamondbeschreibtinseinemBuch„Kollaps“ denUntergangderKulturderOsterinsulaner. DabeireagiertendieBewohnerderOsterinselnfolgendermaßen:AlsdenBewohnerder Osterinselnzunehmendklarwurde,dassihreSituationprekärwird,wurdenallebisherigen vertrautenVerhaltensmusternochintensiviert,mitdenenmanjabislangscheinbarerfolgreich war. WenndieBödenschlechterwurden,wurdederAnbauintensiviert,dieErosion derBöden damitabergefördert. ManschlugnochmehrHolz,umnochmehrBootezubauen,ummehrFischefangenzu können… Schlussfolgerung:DasMuster„Weiterwiebisher,nurnochmehr“ wirdzurFalle! InderselbenWeiseverfahrenoftaberauchPatientenmitAnorexie,BulimieoderBingeEating. Wennesengwird,istdieversuchteLösungsstrategie„mehrdesselben“,wasbisherscheinbar „geholfen“ hat.Aber:VeränderteLebensbedingungenerfordernneue(andere) Überlebensstrategien. Therapie… 08.11.2013 R.Müller- 2013 42 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Fragen für Therapie und Prävention … • WokönntenTherapieundPräventionansetzen? • WelcheAngeboteundInterventionenkönnenhelfen,pathologischeMuster aufzudecken,durchkonstruktivereVerhaltensweisenabzulösenund entsprechenddiePersönlichkeitsentwicklungzufördern? • WelcheBedeutungkommtdemTherapeuten/derTherapeutinzu? • WelchegesellschaftlichenEntwicklungengilteskritischzureflektierenund ggf.zuverändern? 08.11.2013 R.Müller- 2013 43 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie S3 Leitlinie 4.3 Behandlungsziele DieZieleinderBehandlungderANsind: a.)eineWiederherstellungunddasHalteneinesfürAlterundGröße angemessenenKörpergewichts b.)eineNormalisierungdesEssverhaltens c.)dieBehandlungkörperlicherFolgenvonEssverhaltenundUntergewicht d.)dieBeeinflussungderdemStörungsbildzugrundeliegendenSchwierigkeiten aufemotionaler, kognitiver und zwischenmenschlicher Ebene e.)eine Förderung der sozialen Integration, die oft mit einem „Nachholen“ verpasster Entwicklungsschritte verbunden ist. (s.auchBehandlungszielebeiBNundBingeEating) 08.11.2013 R.Müller- 2013 44 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Allgemeine Wirkfaktoren von Psychotherapie (1) DieQualität der therapeutischen Beziehung und die Persönlichkeit der Therapeutin/des Therapeuten. Weiterhindie (2)Ressourcenaktivierung:Die Nutzungaller positiven Ressourcen für die Behandlung, diePatientenmitbringen. (3)Problemaktualisierung:DieProbleme,dieinderTherapieverändertwerdensollen, werdenfürdiePatientenunmittelbarerfahrbargemacht,z.Bdurchdasgemeinsame AufsucheneinerProblemsituation. (4)Problembewältigung:Unterstützung,positiveBewältigungserfahrungenimUmgang mitProblemenzumachen,etwadiepositiveBeeinflussungeinesstarkenAngstgefühls durcheineIntervention. (5)Motivationale Klärung:BewusstseinfürdieDeterminantenihresproblematischen ErlebensundVerhaltenszuentwickelnundVeränderungsmotivationfördern. 08.11.2013 FußzeilemitTitelderPräsentation– NamedesAutors 45 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … PatientinnenmitEssstörungenbenötigenzurFörderungihrerPersönlichkeitsentwicklung zumBeispiel… - - eineintensivetherapeutische(undpädagogische)Begleitung verlässliche BeziehungsangebotemitwertschätzenderHaltung,AngebotezurReflexion… eineVertrauensbasiszuerwachsenenBezugspersonenaußerhalbderFamilie,diees Patientenermöglichen,ihreRessourcenzuentdecken/entwickeln(ohneAngst,Fehler zumachen!) Lern- undEntwicklungsräumemitAnforderungen,dieaufdieaktuellenFähigkeiten, BedürfnisseundNotwendigkeitenzugeschnittensind(Passung) (imstationärenSettingeinpositivesentwicklungsförderndesMilieu,dasPatienten „korrigierendeemotionaleErfahrungen“ ermöglicht) HilfebeiderEröffnungsinnvollerFreizeitangeboteinbegleiteterundfreierForm, sinnstiftendeBeschäftigungsangebote,Möglichkeiten,Neues(Fähigkeiten)ansichzu entdeckenundzulernen 08.11.2013 R.Müller- 2013 46 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … PersönlichkeitbildetsichabinGeschichten,diewirüberunserzählen. GeschichtenentstehenimgemeinsamenTunundErleben. „JemehrwirüberunsereFamilie(undunsereGeschichte)wissen,destomehr wissenwirüberunsselbstunddestomehrFreiheithabenwir,zubestimmen, wiewirlebenwollen.“ (M.McGoldrick) Neugier + Vertrauen und Sicherheit Impulse zu Veränderung und Entwicklung (vgl. Bindungsforschung!) 08.11.2013 R.Müller- 2013 47 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … Anamnese=Anamnese Esgehtnichtdarum,AnamnesebögenoderChecklistenabzuarbeiten!Anamnese sollteeinlebendigerdialogischerProzesssein,eineMöglichkeitzu BegegnungundBeziehungsgestaltung,geprägtvoneinerHaltung wertschätzenderNeugierundechtenInteresses,denn… - - wennPatientenihreGeschichte(n)erzählen,gestaltenundschreibensieihre Geschichtevonsichselbstimmerwiederneu…(verändern,wiesiesichselbst wahrnehmenunderleben) TherapeutenkönnendurchFragenneueSichtweisenundInformationeneinbringen, diedazubeitragenkönnen,dieGeschichte(n)konstruktivneuentstehenlassenund damitneuePerspektivenundLösungsimpulseanstoßen… 08.11.2013 R.Müller- 2013 48 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … Anamnese=Anamnese TherapeutensolltendieHaltungdes„Sowohl… alsauch…“ einnehmen,d.h. sowohl traurige,kränkendeundbelastendeErlebnisseanzuerkennenund würdigen,als auch imAnamneseprozesswachsamRessourcen,Potentialeund Kraftquellenaufspüren. AnamneseindiesemSinneisteinreflexiverundtherapeutischerProzess,indem sichPatientenalsselbstwirksamundhandlungskompetent,alsbedeutsamund alsTrägervonSinnerleben. A.Adlersolleinmalgeäußerthaben,dassmaneinegutesTherapiegesprächdaran erkenne,dassPatientengarnichtmerken,dassessichumTherapiehandelt.(nach Fengler2003) 08.11.2013 R.Müller- 2013 49 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … Anamnese=Anamnese Anmerkung:SchonbeimAktdesStillens(=ersteFormder NahrungsaufnahmeimLebeneinesKindes)gehtesumvielmehrals umSättigung.ÜberdieNahrungsaufnahmeerfolgen BeziehungsgestaltungundBeziehungsregulation. eineEssstörungistimmerauchfüreineFormder Beziehungsstörung… (vgl.Bindungstheorien) (n.A.Imman-Steinhauser,in:Gieseman:HungernimÜberfluss,2012) 08.11.2013 R.Müller- 2013 50 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … Esbringtmehr,Neues zu lernen,als Problemezulösen.“ (BenFurman) vgl.Modell der Salutogenese (A.Antonowski) GesundheitundKrankheitsind keinWiderspruch,bestehengleichzeitig. DerOrganismusstrebtdanach,gesundeAnteilezumehrenoderzumindestein Gleichgewichtherzustellen.KrankeAnteilesollennichtinersterLinie gelindertwerden,sondernessollendiegesundenAnteilegestärktwerden, Ressourcengenutztwerdenetc.,ummehrGesundheitzuerreichenundzu erhalten(„Selbstheilungskräfte“) vgl.Ego-State-Arbeit … 08.11.2013 R.Müller- 2013 51 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … VonderWichtigkeit,einepositiveundmotivierendeAtmosphärein derTherapiezuschaffen: „Esistunglaublich,wievielLeidLob ein einzelnerMenschzuertragenimstandeist.“ B.Trenkle (Anmerkung:Esistschonsomancher„zuTode“ kritisiert,abernochniemand„zu Tode“ gelobtworden.) 08.11.2013 R.Müller- 2013 52 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … GeschichtevomaltenBeduinenundseinendreiSöhnen… MetapherfürPsychotherapie (sichalsPersonindieTherapieeinbringen…) 08.11.2013 R.Müller- 2013 53 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie MaiStep - Der Ansatz Präventionsprogramm,dasdenSchwerpunktnichtinder„Warnung“ vorEssstörungen hat,sondernaufRessourcenundKompetenzenfokussiert(SchülerinnenundSchüler der7.und8.Klassen,erlebnisorientiertesProgramm,insgesamt fünfjeweils2stündigeSitzungen) Fertigkeitenlernen Säulen:Achtsamkeit,SolidaritätundKompetenzaufbau 1. 2. 3. 4. Wa(h)reSchönheit– AuseinandersetzungmitdemeigenenSchönheitsideal, „MeinKörperundIch“ – UmgangmitdemeigenenKörperverbessern, UmgangmitGefühlen(Ressourcen-orientierteErarbeitungeinesStimmungstanks), UmgangmitKonflikten– StresstoleranzundzwischenmenschlicheFertigkeitenlernen. FußzeilemitTitelderPräsentation– NamedesAutors Projektteam: Prof.Dr.med.Dipl.-Psych.MichaelHuss Projektleiter:Dipl.-Psych.ArneBürger,Dipl.-Psych.FlorianHammerle Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Einige mögliche Schlussfolgerungen für Therapie und Prävention … VerschiedeneBrillen(„Priming“) undverschiedenePerspektiven veränderndieWahrnehmung, d.h.dasBilddes Beobachters… Vgl.ThemadesSymposiums „AnderSchnittstelle zwischen KörperundSeele“ oder verschiedenePerspektiven desselben… … Entwicklungpassiert,wennjemandinBewegungkommt… 08.11.2013 R.Müller- 2013 55 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Kritik an der modernen „marktorientierten“ Medizin (G.Maio) Marktökonomisch bedingte Veränderungen sindu.a.durchfolgendeAspekte gekennzeichnet: • ProzessesindwichtigeralsInhalte • VorrangvonSchematavorverstehenderBegleitung • VertragsbeziehungstattVertrauensbeziehung • CredoderPlanbarkeitundMachbarkeit • VernachlässigungdesnichtmessbarEigentlichen Gegenmodell: Psychotherapie als Zuwendung zum ganzen Menschen ... nach:GiovanniMaio,InstitutfürEthikundGeschichtederMedizin,Albert-LudwigsUniversitätFreiburg,Psychotherapeutenjournal2/2011 08.11.2013 FußzeilemitTitelderPräsentation– NamedesAutors 56 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ... Was wir vielleicht noch tun könnten ... ...WiderdemGeistdes„Schneller,höher,weiter“,des„immer nochmehr“,des„Allesimmer“ unddes„anythinggoes“... ...dafürvielleichtetwasmehrpersönlicheZuwendung, AchtsamkeitundWertschätzungfüreinander… … mehrGemeinsinn,MiteinanderundSolidarität... WirsinddasModellfürunsereKinder,unsereKollegen,unsere Patienten...! 08.11.2013 57 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 08.11.2013 58