2.2.3 Drehimpuls des starren Körpers Wir wollen nun die notwendigen Gleichungen zur Beschreibung des Drehimpulses und der Änderung des Drehimpulses herleiten, so dass die Kinetik des starren Körpers vollständig vorliegt. Ausgangspunkt ist wieder ein Massenelement, welches wir als Massenpunkt ansehen können. Für den Drehimpuls bezogen auf einen Punkt A des Körpers erhalten wir (2.2.61) z m S Der Körper besitze momentan eine Winkelgeschwindigkeit φ ⃗˙ . Für einen starren Körper können wir mit Euler die Geschwindigkeit ⃗vdm des Massenpunktes durch x (2.2.62) ausdrücken. Daher folgt für den Drehimpuls des Massenelementes dm (2.2.63) und für den kompletten starren Körper der Masse m (2.2.64) Wegen ⃗vA = const vereinfacht sich das erste Integral (2.2.65) wobei wegen (2.2.66) 151 A rA y der Abstandsvektor des Schwerpunktes ⃗rS,A zum Punkt A auftaucht. Für den Drehimpuls erhalten wir also zunächst (2.2.67) Diese allgemeine Formel können wir für Spezialfälle vereinfachen: Der erste Spezialfall ist offensichtlich derjenige, bei dem der Referenzpunkt A mit dem Schwerpunkt des Körpers identisch ist. In diesem Fall erhalten wir mit ⃗rS,A = ⃗0 (2.2.68) Im zweiten Fall wollen wir den Punkt A als einen festen Punkt in unserem Bezugssystem ansehen. Mit ⃗vA = ⃗0 folgt sofort (2.2.69) In einem dritten Fall soll A ein beliebiger Punkt sein. Wegen ⃗rdm,A = ⃗rS,A + ⃗rdm,S erhalten wir (2.2.70) Der erste Summand stellt den translatorischen Anteil am Drehimpuls des starren Körpers dar, der dem Drehimpuls des im Schwerpunkt konzentrierten Massenpunktes gleicher Gesamtmasse m bezogen auf einen Punkt A entspricht. Der zweite Summand stellt einen zusätzlichen Beitrag dar, der die räumliche Verteilung der Masse berücksichtigt und der bei einer Rotationsbewegung der Massenelemente um den Schwerpunkt mit Winkelgeschwindigkeit φ ⃗˙ hinzutritt. Übungen a) Zeigen Sie, dass der Drehimpuls eines starren Körpers bezogen auf einen beliebigen Punkt A allgemein durch ⃗ A = ⃗rS,A × m ⃗vS + L ⃗S L ausgedrückt werden kann, wobei S den Schwerpunkt, ⃗rS,A den Abstand des Schwerpunktes zum Punkt A sowie ⃗vS die Geschwindigkeit des Schwerpunktes darstellen! Interpretieren Sie die Bedeutung der beiden Terme auf der rechten Seite, indem Sie mit dem Drehimpuls eines Massenpunktes gleicher Masse m vergleichen! 152 b) Zeigen Sie, dass aus vorstehender Formel unmittelbar auch wieder eine Formel für den Drehimpuls um einen festen Punkt A abgeleitet werden kann und dass diese Formel mit dem Ausdruck ∫ ( ) ⃗ LA = ⃗rdm,A × φ ⃗˙ × ⃗rdm,A dm (m) äquivalent ist! In den ersten beiden Fällen finden wir jeweils einen Ausdruck der allgemeinen Form (2.2.71) wobei ⃗r einen vom gewählten Bezugspunkt abhängigen Abstandsvektor zum Massenelement dm darstellt. Dieses doppelte Kreuzprodukt wollen wir weiter umformen und diskutieren. Es gilt folgende Regel50) ( ) ( ) ( ) (2.2.72) ⃗a × ⃗b × ⃗c = ⃗b ⃗a · ⃗c − ⃗c ⃗a · ⃗b , weshalb wir mit ⃗a = ⃗c ≡ ⃗r und ⃗b ≡ φ ⃗˙ bekommen: (2.2.73) Dieser Ausdruck ist linear in der Winkelgeschwindigkeit51) . 50) Die Regel wird auch als Graßmann-Identität sprich bak-zap. Beweisen ( bezeichnet ) (oder als ) ”bac-cab-Regel“( ) Sie mit dieser Regel die Jacobi-Identität: ⃗a × ⃗b × ⃗c + ⃗b × ⃗c × ⃗a + ⃗c × ⃗a × ⃗b = ⃗0. Vergleichen Sie auch das entsprechende Vorgehen bei der Ableitung der kinetischen Energie als die Lagrange-Identität angewandt wurde. 51) Die hier vorgestellte Herleitung ist sinnvoll, wenn wir den bei vielen Problemen auftretenden ebenen Fall ins Auge fassen. Für dreidimensionale Probleme ist es üblich wegen der Linearität des Ausdrucks mit dem Trägheits⃗ tensor J⃗ folgende Schreibweise ⃗· φ ⃗ = J⃗ ⃗˙ L einzuführen. Durch Ausrechnen in kartesischen Koordinaten überzeugt man sich davon, dass ∫ ( ) ⃗ ˙ ⃗ = ⃗ ⃗r × φ ⃗˙ × ⃗r dm = J⃗ · φ L (m) tatsächlich stimmt. Eine rechnerische Herleitung kann mit der Tensoralgebra durchgeführt (werden. Mit )) dem ( ⃗˙ × ⃗r i bei Levi-Civitaschen Tensor ϵijk schreiben sich die Koordinaten des doppelten Kreuzproduktes ⃗r × φ Verwendung der Einsteinschen Summenkonvention - Summation über doppelt auftretende Indizes ( )) ( = ϵijk ϵklm rj φ̇l rm ⃗˙ × ⃗r ⃗r × φ i Dieser Ausdruck kann mit dem Kronecker-Delta δij wegen ϵijk ϵklm = δil δjm − δim δjl umgeformt werden in ( ( )) ( ) ( ) ⃗r × φ ⃗˙ × ⃗r i = δil δjm − δim δjl rj rm φ̇l = δil δjm rj rm φ̇l − δim rm δjl rj φ̇l ( ) 2 − ri rl φ̇l , = δil rm 153 ∫ r2 dm wieder. Im ersten Term erkennen wir das Massenträgheitsmoment J = (m) Analog zur kinetischen Energie liefert der zweite Term einen Beitrag, der für den ebenen Fall wegen φ ⃗˙ · ⃗r ≡ 0 entfällt! Für ebene Probleme ergibt sich also wieder eine wesentliche Vereinfachung, nämlich ∫ ˙ ⃗ (2.2.74) Leben = J φ ⃗ mit J = r2 dm, (m) wobei offensichtlich die Richtung des Drehimpulsvektors mit der Richtung der Drehachse und sein Richtungssinn mit dem Richtungssinn der Winkelgeschwindigkeit zusammenfällt. ⃗ im Allgemeinen Im dreidimensionalen Fall sehen wir, dass die Richtung des Drehimpulsvektors L ˙ nicht mit der Richtung des Winkelgeschwindigkeitsvektors φ ⃗ zusammenfällt (2.2.75) da der Beitrag des zweiten Integrales eine gewichtete Summe der Ortsvektoren ⃗r zu den Massenelementen mit einem Gewichtungsfaktor φ ⃗˙ · ⃗r darstellt. Nur für den ebenen Fall dürfen wir mit unserem Überlegungen folgende einfache Formeln zur Berechnung der Drehimpulsvektoren anwenden: 1. Drehimpuls der ebenen Bewegung bezogen auf den Schwerpunkt S: (2.2.76) so dass wir in Übereinstimmung mit Gl. (2.2.73) für den Drallvektor ∫ ( 2 ) Li = rm δil − ri rl dm φl (m) oder in Vektorschreibweise mit dem dyadischen Produkt ⃗r ⊗ ⃗r ∫ ( 2⃗ ) ⃗ ⃗· φ ⃗ = J⃗ ⃗r I⃗ − ⃗r ⊗ ⃗r dm ⃗˙ mit J⃗ = L (m) erhalten und damit auch die Graßmann-Identität (2.2.72) nachrechnen konnten. Mit dem Trägheitstensor und Drehimpulsvektor können wir auch die kinetische Energie des starren Körpers neu formulieren. Wir hatten für die kinetische Energie in Fußnote ??, S. ?? die Darstellung T = ) ( ) 1 (⃗ 1 2 ⃗˙ . m ⃗vA + ⃗vA · φ ⃗˙ × ⃗rS,A + φ ⃗˙ · J⃗A · φ 2 2 angegeben. Falls der Bezugspunkt A mit dem Schwerpunkt S zusammenfällt, folgt mit dem Drehimpulsvektor für die kinetische Energie ) 1 1 ˙ (⃗ 1 ˙ ⃗ 1 ⃗˙ = m ⃗vS2 + φ ⃗ · J⃗S · φ ⃗ · LS T = m ⃗vS2 + φ 2 2 2 2 und falls A ein ruhender Punkt ist, ergibt sich Energie T = ) 1 ˙ ⃗ 1 ˙ (⃗ ⃗˙ = φ φ ⃗ · J⃗A · φ ⃗ · LA 2 2 154 2. Drehimpuls der ebenen Bewegung bezogen auf einen ruhenden Punkt A (⃗vA ≡ 0): (2.2.77) 3. Drehimpuls der ebenen Bewegung bezogen auf einen beliebigen Punkt A: (2.2.78) Wir sind nun in der Lage die zeitliche Änderung des Drehimpulses zu formulieren. Für das Massenelement dm gilt natürlich sinngemäß der Zusammenhang, den wir für den Drehimpulsänderung eines Massenpunktes mit Gl. (1.2.117) konstanter Masse m abgeleitet haben: z (2.2.79) dm r rdm Wenn wir uns auf ein Inertialsystem beziehen, dürfen wir demnach ⃗ dm des Massenelementes dm die Änderung des Drehimpulses dL aus der Summe der Momente berechnen: x m y dm (2.2.80) Darin sind dF⃗dm die Kräfte, die am Massenelement angreifen52) . Dies integrieren wir über alle Massenelemente. Auf der rechten Seite erhalten wir mit dem Satz vom resultierenden Moment eines Kräftesystems (2.2.81) 52) Sofern man das Massenelement als punktförmig ansieht, sind keine freien Momente (Kräftepaare) zu berücksichtigen. Für den gesamten Körper können dann aber freie Momente auftreten, wenn an verschiedenen Massenelementen entgegengesetzt gleich größe Kräfte auftreten, die nicht zur resultierenden Kraft beitragen, wohl aber als Kräftepaare freie Momente bilden. 155 wobei F⃗ = n ∑ F⃗i die resultierende Kraft, ⃗r die Lage der Wirkungslinie relativ zum Bezugs- i1=1 ⃗ = punkt und M m ∑ ⃗ j das resultierende freie Moment gleichbedeutend mit der Summe aller M j=1 auftretenden Kräftepaare bezeichnen. Alternativ wollen wir für die rechte Seite abkürzend das ⃗ res einführen: sich ergebende resultierende Moment M (2.2.82) Es besteht, wenn wir keine resultierende Kraft einführen wollen, aus dem Momenten aller Einn ∑ zelkräfte r⃗i × F⃗i bezüglich des gewählten Bezugspunktes sowie den freien Momenten, die als i Kräftepaare in der Summe n ∑ r⃗i × F⃗i herausfallen: i (2.2.83) Damit folgt für die Drehimpulsänderung des starren Körpers (2.2.84) Da die Masse m des Körpers konstant ist, dürfen wir auf der linken Seite wieder Differentiation und Integration miteinander vertauschen (2.2.85) Wir erhalten schließlich (2.2.86) Die Änderung des Drehimpulses bezogen auf einen Punkt, der in einem Inertialsystem ruht, ist demnach durch das auf den Körper wirkende resultierende Moment bezüglich dieses Bezugspunktes bestimmt. 156 Wir wollen dieses Ergebnis nun weiter umformen, indem wir die gefundenen Beziehungen für den Drehimpulsvektor und den Schwerpunktsatz (2.2.87) ins Spiel bringen. Für den Drehimpuls hatten wir bezogen auf einen beliebigen Punkt die nützliche Formel (2.2.88) gefunden. Einsetzen in Gl. (2.2.86) liefert mit Gl. (2.2.82) (2.2.89) Die Zeitableitung der ersten Summanden (2.2.90) z Da wir uns auf ein Inertialsystem beziehen, dürfen wir m ⃗as durch F⃗ ersetzen und erhalten (2.2.91) rS x Damit ergibt sich (2.2.92) Darin ersetzen wir noch ⃗r − ⃗rS durch ⃗rF,S , um schließlich (2.2.93) 157 y S m zu erhalten. Unabhängig von einer möglichen Bewegung des Schwerpunkts im Inertialsystem gilt daher, dass die Änderung des Drehimpulsvektors bezogen auf den Schwerpunkt durch das resultierende Moment bzgl. des Schwerpunkts gegeben ist. Auch jetzt werden die Zusammenhänge für den ebenen Fall besonders einfach. ⃗ S,eben = JS φ ⃗˙ Es gilt mit L (2.2.94) Ein ähnlich einfaches Ergebnis erhalten wir, wenn der Ursprung des Inertialsystems in einem Punkt A des Körpers fixiert ist: m (2.2.95) ∫ ⃗A = mit L z ( ) ⃗rdm,A × φ ⃗˙ × ⃗rdm,A dm. x (m) y A Ist der Körper nicht nur punktuell gelagert, sondern im Punkt A eine feste Drehachse vorgegeben, ⃗ A zu wird die Rotation in einer Ebene stattfinden müssen. Dann vereinfacht sich wieder L (2.2.96) und wir erhalten (2.2.97) 158 2.2.3.1 Zusammenfassung zum Drehimpuls oder Drall - Für den Drehimpuls bezogen auf einen beliebigen Bezugspunkt B gilt: ∫ ) ( ⃗ B = ⃗rdm,B × φ (2.2.98) L ⃗˙ × ⃗rdm,B dm (m) Dies schließt den Spezialfall, dass der Punkt B mit dem Schwerpunkt S zusammenfällt, ein. - Zwischen dem Drehimpuls bezogen auf einen beliebigen Punkt B kann mit dem Drehimpuls bezogen auf den Schwerpunkt nach der Beziehung (2.2.99) ⃗ B = ⃗rS,a × m ⃗vS + L ⃗S , L umgerechnet werden, wobei ⃗rS,A den Abstandsvektor des Schwerpunkts S vom Punkt B bezeichnet. ⃗ und momentaner Win- Im allgemeinen dreidimensionalen Fall sind Drehimpunlsvektor L ˙ kelgeschwindigkeitsvektor⃗φ nicht parallel zueinander. Spezialisierung für den ebenen Fall: - Für den Drehimpuls bezogen auf einen beliebigen Bezugspunkt B gilt: ∫ 2 ˙ ⃗ (2.2.100) LB,eben = JB⃗φ mit JB = rdm,B dm (m) Dies schließt wieder den Spezialfall, dass der Punkt B mit dem Schwerpunkt S zusammenfällt ein. ⃗ eben immer parallel zum Winkelgeschwin- Im ebenen Fall ist der Drehimpulsvektor L ˙ Beide stehen senkrecht auf der Ebene der Drehbewegung. digkeitsvektor⃗φ. 159 2.2.3.2 Zusammenfassung zum Drehimpuls- oder Drallsatz - Die Drehimpulsänderung mit dem Körperschwerpunkt S als Bezugspunkt errechnet sich aus ∫ ⃗S ) ( dL ⃗ ⃗ (2.2.101) = Mres,S mit LS = ⃗rdm,S × φ ⃗˙ × ⃗rdm,S dm dt (m) Dabei darf der Schwerpunkt im gewählten Inertialsystem einen beliebige Bewegung ausführen. - Für die Drehimpulsänderung bezogen auf einen Punkt A, der im gewählten Inertialsystem ruht, ⃗vA ≡ ⃗0 , und mit dem Körper fest verbunden ist, gilt (2.2.102) ⃗A dL ⃗ res,A =M dt ∫ ⃗A = mit L ( ) ⃗rdm,A × φ ⃗˙ × ⃗rdm,A dm (m) - Drehimpulsänderung und Momentenvektor sind immer zueinander parallel. Spezialisierung für den ebenen Fall: - Die Drehimpulsänderung für einen in einem Inertialsystem beliebig bewegten Körperschwerpunkt S errechnet sich aus (2.2.103) ⃗S dL ¨ =M ⃗ res,S = JS⃗φ dt ∫ 2 rdm,S dm mit JS = (m) Dabei darf der Schwerpunkt wieder im gewählten Inertialsystem beliebig bewegt sein. - Für die Drehimpulsänderung bezogen auf einen Punkt A, der im gewählten Inertialsystem ruht ⃗vA ≡ ⃗0 und mit dem Körper fest verbunden ist, gilt (2.2.104) ⃗A dL ¨ =M ⃗ res,A = JA⃗φ dt ∫ 2 rdm,A dm mit JA = (m) - Drehimpulsänderung und Momentenvektor sind zueinander parallel und stehen senkrecht auf der Ebene der Bewegung. 160 Erstes Beispiel Wir wollen den Drehimpulssatz nutzen, um die Dynamik der Pirouette zu untersuchen. Mit der Bitte um Verzeihung wird die Pirouettenläuferin zur Vereinfachung als Welle der Masse m1 mit zwei Punktmassen m2 betrachtet. Ihre anfängliche Winkelgeschwindigkeit mit ausgestreckten Armen um die senkrechte Achse soll mit α̇0 gegeben sein. 2R 2r g α0 m1 Geg.: m1 , m2 , R , r , α̇0 , ⃗g Richtungssinn der Vektoren nach Skizze Zahlenwerte: m1 = 36 kg , m2 = 7 kg , R = 0, 6 m , r = 0, 15 m , α̇0 = 2 s−1 Ges.: a) Winkelgeschwindigkeit mit angezogenen Armen, b) Unterschied der kinetischen Energien, c) Arbeitsaufwand der Läuferin! Lösung a) Wir gehen davon aus, dass die Lagerung reibungsfrei ist. Auf das Gesamtsystem wirkt dann kein Moment in Richtung der Drehachse, so dass der Drehimpuls in Achsrichtung erhalten bleiben muss: g Für den Drehimpuls zu Beginn addieren wir die Teildrehimpulse von Rumpf und Armen, da diese wie ein starrer Körper rotieren sollen Nach Anziehen der Arme ergibt sich entsprechend und es folgt für das Verhältnis der Winkelgeschwindigkeiten Die Zahlenwerte ergeben: J0 = 5, 445 m2 kg , J1 = 0, 72 m2 kg m2 m2 ⇒ α̇1 = 7, 56 α̇0 = 15, 1 s−1 b) Für die kinetischen Energien ergibt sich 161 so dass wir erhalten. Die Zahlenwerte ergeben: T0 = 10, 9 Nm , T1 = 82, 4 Nm , T1 − T0 = 71, 5 Nm c) Die Differenz der kinetischen Energien erzeugt die Läuferin durch ihre Arbeit beim Heranziehen der Arme. Der Energiesatz lautet: Der Unterschied der kinetischen Energien und damit die Arbeit sind deutlich größer als die anfangs vorhandene Energie! Wir wollen im Weiteren zwei frühere Beispiel aufgreifen und noch nicht berechnete Kräfte auf die betrachteten Körper ermitteln, da uns nun mit dem Drehimpulssatz die notwendigen Hilfsmittel dazu vollständig zur Verfügung stehen. Zweites Beispiel Für das auf einer feststehenden schiefen Ebene rutschfrei rollende homogene Rad mit Radius r hatten wir mit dem Energieerhaltungssatz die Beschleunigung des Schwerpunkts tangential zur Ebene zu aS = g S r 2 g sin α 3 ermittelt. Bei der Herleitung mussten wir ausnutzen, dass die Arbeit der Reibkraft beim rutschfreien Rollen des Rades Null ist. α G Es ist zu zeigen, dass obiges Ergebnis auch ohne Benutzung des Energieerhaltungssatzes hergeleitet werden kann. Ferner soll der notwendige Haftreibungskoeffizient µH ausgerechnet werden. S m, r α Lösung Die Beschleunigung ⃗aS lässt sich mit dem Schwerpunktsatz aus der Kräftebilanz am Rad angeben durch 162 Wir betrachten die tangentiale Richtung und erhalten mit dem definierten Richtungssinn der Vektoren, Uns fehlt nun eine Beziehung für die Reibkraft. Da das rutschfreie Rollen auf Haftreibung beruht, können wir nur die maximale Reibkraft Rmax mit der Normalkraft N = G cos α auf das Rad verknüpfen Die vorhandenen Information lassen keinen Schluss zu, ob die maximale mögliche Reibkraft ausgeschöpft wird. Stattdessen soll im Nachgang der mindestens notwendige Haftreibungskoeffizient µH ausgerechnet werden. Um die Fragestellung zu lösen, haben wir noch den Drehimpulssatz als weitere Beziehung offen. Für das hier vorliegende ebene Problem gilt Darin taucht eine neue Unbekannte, die Winkelbeschleunigung φ ⃗¨ auf. Mit der im Lageplan getroffenen Definition erhalten wir aus der Abrollbedingung auf der feststehenden Ebene den bereits früher mit Euler hergeleiteten Zusammenhang mit dem wir erhalten. Es gilt also wobei wir wegen das gesuchte Ergebnis erhalten. Daraus errechnet sich die Reibkraft zu 163 und der mindestens notwendige Haftreibungskoeffizient zu Dies ist ein Drittel des statischen Wertes für einen auf der schiefen Ebene haftenden Klotz, der keine rollende Bewegung auszuführen vermag. Es sei hier noch auf die nachfolgende alternative Lösung verwiesen, bei der die Beschleunigung des Schwerpunkts erhalten werden kann, ohne dass im Gleichungssystem die Reibkraft auftritt. Bei der rutschfreien Bewegung der Scheibe fungiert der Berührpunkt B zwischen Scheibe und stehender Unterlage in jedem Moment als ruhender Punkt. Dies erlaubt es den Drehimpulssatz um den Berührpunkt B zu formulieren wobei bei dieser Wahl des Bezugspunktes alleine die Gewichtskraft für das antreibende Moment verantwortlich ist. g S r α Mit dem Satz von Steiner ist ϕ G S aS m, r Wir erhalten deshalb mit der Abrollbedingung aS = r φ̈ wieder das gewünschte Ergebnis: R N α Der Schwerpunktsatz oder der Drallsatz um den Schwerpunkt erlaubt uns dann im nächsten Schritt die Reibkraft zu bestimmen. 164 Drittes Beispiel Für den in der Halfpipe reibungsfrei gleitenden Klotz wollen wir die Auflagerkräfte an den Ecken des Quaders in der Position 2 bestimmen. Aus dem Energieerhaltungssatz ist bereits die Winkelgeschwindigkeit für dieses Beispiel auf S. 147 in der Position 2 zu √ 2g∆h α̇ = JM /m bestimmt worden mit aus der Geometrie bekanntem ∆h. g r M 1 ρ S b ∆h S a 2 Freischnitt M Lösung 1 Mit dem Freischnitt liefert der Schwerpunktsatz in tangentiale Richtung und in normale Richtung α S S G In Normalenrichtung taucht die Winkelgeschwindigkeit auf. Es ist typisch, dass diese aus dem Energie- oder Energieerhaltungssatz bestimmt wird. Das entsprechende Ergebnis ist in der Aufgabenstellung vorweggenommen. Für die unbekannte Winkelbeschleunigung steht der Drehimpulssatz zur Verfügung. Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder die Formulierung um den Schwerpunkt in der Position 2 oder um den festen Punkt M. Letzterer ist vorzuziehen, da die Auflagekräfte kein Moment um den Punkt M aufweisen. Wir erhalten so dass Ausrechnung liefert ) NA m ρ2 ( 2∆h =1+ −1 , mg 2 JM ρ cos α ) NB m ρ2 ( 2∆h = +1 . mg 2 JM ρ cos α Kontrolle: Wir überprüfen dieses Ergebnis an Hand des Drehimpulssatzes um den Schwerpunkt S. Dieser liefert ) ( )(b a g ρ sin α JS α̈ = NA − NB sin α + cos α mit α̈ = − . 2 2 JM /m Mit unserem Ergebnis für NA − NB = m g JM − m ρ 2 JS = mg JM JM und JM = JS + m ρ2 folgt nach Ausrechnung, dass b a cot α − 2 2 gelten muss. Einen Zusammenhang, den wir bei unserer ersten Besprechnug des Beispiels aus √ rein geometrischen Gründen bereits formuliert haben. ! ρ= 165