1 Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) Ehlers-Danlos-Syndrom Typen I-VII Allgemeines Beim Ehler-Danlos Syndrom (EDS) handelt es sich um eine heterogene Gruppe genetisch bedingter Erkrankungen, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Subtyp (EDS I-VII), mit einer Häufigkeit von 1:5.000-1:150.000 auftritt und somit die häufigste erbliche Bindegewebserkrankung darstellt. Hervorgerufen wird das EDS durch Veränderungen der Kollagenfibrillen des Bindegewebes bzw. durch eine Störung der Kollagensynthese. Aufgrund der hohen individuellen Variabilität der Erkrankung, sowie unterschiedlicher Erbgänge, wird das EDS in Subtypen unterteilt. Die bisher bekannten elf Subtypen der Erkrankung werden nach einer vereinfachten Klassifikation (Villefranche-Klassifikation) in sechs Haupttypen unterteilt: - Klassischer Typ (Typ I und II) - Hypermobiler Typ (Typ III) - Vaskulärer Typ ( Typ IV) - Kyphoskoliotischer Typ (Typ VI) - Arthrochalasie Typ (Typ VII A/B) - Dermatospraxis Typ (Typ VII C) Der klassische Typ (Typ I und II) stellt mit ca. 90% die am häufigsten auftretene Form des EDS dar. Da bei allen Formen des EDS das Bindegewebe betroffen ist, lassen sich generell folgende Hauptmanifestationen zusammenfassen: Überdehnbarkeit, erhöhte Elastizität und leichte Zerreißbarkeit der Haut, erhöhte Mobilität der Gelenke, Skelettveränderungen (Skoliosen), Neigung zu Hernien. Krankheitsbild/Indikation - - - - - Klassischer Typ (Typ I und II, MIM ID 13000/130010) o Überdehnbare Haut, hypermobile Gelenke, aberrante Narbenbildung, Fragilität von Geweben und Gefäßen Hypermobiler Typ (Typ III, MIM ID 130020) o Hypermobile Gelenke, Dislokationen, Gelenkschmerzen und frühzeitige Arthritis, samtartige Haut Vaskulärer Typ ( Typ IV, MIM ID 130050) o Dünne durchscheinende Haut, überstreckbare kleine Gelenke in der Kindheit, später eher steife Gelenke und straffe Haut, ausgeprägte Gefäß- und Gewebsfragilität, besonders Arterien, Darm, Uterus Kyphoskoliotischer Typ (Typ VI, MIM ID 225400) o Hypotonie, heypermobile Gelenke, kongenitale Skoliose, Augenbetieligung Arthrochalasie Typ (Typ VII A/B, MIM ID 130060) o Ausgeprägte Hypermobilität der Gelenke, kongenitale Dislokationen und Luxationen, milde Hautbeteiligung, Skoliose, Verletzlichkeit Dermatospraxis Typ (Typ VII C, MIM ID 130060) o Ausgeprägte Verletzlichkeit Bei Vorliegen bestimmter der oben beschriebenen Symptome ergänzt die molekulare Diagnostik die Untersuchungsergebnisse der vorangegangenen klinischen, biochemischen und/oder elektronenmikroskopischen (Beurteilung der chemischen Struktur des Kollagens an Hautbiopsien) Diagnostik. Anhand der Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchung kann das Vorliegen eines EDS und auch der jeweils vorliegende Subtyp eindeutig nachgewiesen werden. Genetik Das EDS ist bedingt durch Mutationen in Genen, die an der Kollagensynthese bzw. am Kollagenstoffwechsel beteiligt sind. In Abhängigkeit davon, auf welcher Stufe die Kollagenbiosynthese gestört ist, kommt es zum Vorliegen eines der unterschiedlichen EDS-Subtypen. - Klassischer Typ (Typ I und II, MIM ID 13000/130010) Die Synthese des Bindegewebsprotein Kollagen beginnt in Form einer Vorstufe, dem Prokollagen. Eine Mutation Im COL5A1-Gen (Chromosom 9, MIM ID 120215) führt zur verminderten Synthese des Prokollagens und in Folge zu einer verminderten Synthese von Kollagen. Mutationen im COL5A1-Gen (Chromosom 2, MIM ID 120190) werden autosomal 2012 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN 2 dominant vererbt und sind in 40-50% der Fälle ursächlich für das Vorliegen des klassischen EDS Typ I und II. Außerdem können autosomal dominant vererbte Mutationen im COL5A1 oder COL5A2 ursächlich für eine gestörte Zusammenlagerung der Kollagenmoleküle zu Kollagenfibrillen sein und ebenfalls einen Teil der klassischen EDS TypI und II Fälle bedingen. - Hypermobiler Typ (Typ III, MIM ID 130020) Das EDS Typ III kann durch Mutationen im TenascinX-Gen (Chromosom 6, MIM ID 600985) hervorgerufen werden. Mutationen in diesem Gen werden autosomal rezessiv vererbt und führen zu einer fehlerhaften Anordnung der Kollagenfibrillen im Gewebe bzw. zu einer gestörten Interaktion mit extrazellulären Matrix-Proteinen. Eine Mutation im TenascinX-Gen lässt sich in ca. 5% der Fälle nachweisen. - Vaskulärer Typ ( Typ IV, MIM ID 130050) Mutationen im COL3A1-Gen (Chromosom 2, MIM ID 120180) werden autosomal dominant vererbt und sind ursächlich für eine gestörte Prozessierung bzw. Sekretion von Prokollagenketten aus dem Endoplasmatischen Retikulum. Durch Mutationen in diesem Gen kommt es zum Vorliegen des EDS Typs IV. Die Mutations-Detektionsrate liegt bei bis zu 95%. - Kyphoskoliotischer Typ (Typ VI, MIM ID 225400) Nach der Synthese der Prokollagenketten, werden diese duch Hydroxilierung der in der Eiweißkette enthaltenen Aminosäuren Lysin und Prolin modifiziert. Das Vorliegen von Mutationen im PLOD1-Gen (Chromosom 1, MIM ID 153454) führt zum Verlust oder zur Einschränkung der Aktivität des für diesen Vorgang notwendigen Enzyms (Procollagen-Lysine oxoglutarate dioxygenase) und in Folge zum Vorliegen eines EDS Typ VI. Der Erbgang dieses EDS-Subtypens ist autosomal rezessiv. - Arthrochalasie Typ (Typ VII A/B, MIM ID 130060) Ein weiterer Prozessierungsschritt während der Kollagensynthese ist die Abspaltung (Nterminal) von Propeptiden von den Prokollagenketten. Mutationen in den Genen COL1A1(Chromosom 17, MIM ID 120150) und COL1A2 (Chromosom 7, MIM ID 120160) können die hierfür notwendige Aminosäure-Erkennungssequenz verändern, so dass die für die weitere Synthese grundlegende Abspaltung der Propeptide nicht stattfinden kann. Mutationen in den beiden genannten Genen werden autosomal dominant vererbt und sind ursächlich für den EDS-Subtyp VIIA oder VIIB Die Mutations-Detektionsrate für die beiden Gene liegt bei bis zu 95%. - Dermatospraxis Typ (Typ VII C, MIM ID 130060) Mutationen im ADAMTS2-Gen (Chromosom 5, MIM ID 604539) führen zu einer eingeschränkten oder fehlenden Funktion des Enzyms Prokollagen I-N-Proteinase (NPI), welches die Abspaltung der Propeptide von der Prokollagenkette katalysiert. Mutationen in diesem Gen werden autosomal rezessiv vererbt und führen zum Vorliegen des EDS Typ VIIC. Diagnostik Analyse des COL5A1-, COL5A2-, TenascinX-, COL3A1-, PLOD1-, COL1A1-, COL1A2- oder ADAMTS2-Gens mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Sequenzierung. Anschließend Analyse hinsichtlich großer Deletionen oder Duplikationen mittels MLPA. Untersuchungsmaterial 2 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung 6-8 Wochen Literatur Texte in Anlehnung an: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/GeneTests/review?db=GeneTests GeneTests™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1116 GeneReviews™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed PubMed 2012 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN 3 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®) http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/index.php?lng=EN orphan.net (The portal for rare diseases and orphan drugs) 2012 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN