Doktorarbeit Biesenbach August 2009_Publikation_Internet

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Aus dem Zentrum für Neurologie und Psychiatrie
der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter
Früherkennung der Schizophrenie
Evaluation der deutschsprachigen Version der SIPS
(,Structured Interview for Prodromal Syndromes’)
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde
der Hohen Medizinischen Fakultät
der Universität zu Köln
vorgelegt von
Jörn Biesenbach
aus Wipperfürth
Promoviert am
29. Juli 2009
II
Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln 2009.
III
Dekan:
Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter
1. Berichterstatter:
Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter
2. Berichterstatter:
Universitätsprofessor Dr. med. G. Lehmkuhl
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt
habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind
als solche kenntlich gemacht.
Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten:
Frau Dr. F. Schultze-Lutter, Diplom-Psychologin
Herrn Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter
Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht
beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar
noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit
dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen.
Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in
gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
Köln, den 01.02.2009
Jörn Biesenbach
IV
V
Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten für die Gruppe der Patienten mit Verdacht auf ein schizophrenes Prodrom bzw. mit einer schizophrenen Erstmanifestation
sind nach entsprechender Anleitung durch Frau Dr. F. Schultze-Lutter, DiplomPsychologin, von dem Autor als Teil des DFG-Projekts ‚Prädiktion der Schizophrenie.
Entwicklung eines Instruments zur Vorhersage schizophrener Ersterkrankungen
durch Prodromalsymptomerfassung’ (KL 970/3-1,2) eigenständig erhoben worden.
VI
VII
Danksagung
Den Patienten danke ich für das Vertrauen und ihre kooperative Mitarbeit.
Herrn Prof. Dr. Klosterkötter danke ich sehr herzlich für die Unterstützung und Förderung der vorliegenden Doktorarbeit.
Frau Dr. F. Schultze-Lutter gilt mein ganz besonderer Dank für die intensive Begleitung dieser Arbeit, für die stete Ansprechbarkeit und die hervorragende fachliche
Betreuung sowie für viele motivierende Gespräche auch in nichtmedizinischen Bereichen.
Meiner Mutter und meiner Schwester danke ich ganz herzlich dafür, dass ich mir ihrer Unterstützung in jeglicher Hinsicht immer sicher sein konnte.
Zuletzt gilt mein persönlichster Dank Erik, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite
stand und mich unermüdlich und entschlossen motivierte und unterstützte.
VIII
IX
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung ...............................................................................................................1
2
Theoretischer und empirischer Hintergrund.........................................................3
2.1
Historische Grundlagen .....................................................................................3
2.2
Epidemiologie und Verlauf .................................................................................4
2.2.1
Auftreten und Folgen ...................................................................................4
2.2.2
Frühe Verlaufsdeterminanten ......................................................................5
2.3
Ätiologie.............................................................................................................7
2.3.1
Genetik ........................................................................................................7
2.3.2
Die Vulnerabilitätstheorie.............................................................................8
2.4
2.3.2.1
Das Schizotypie Modell .........................................................................9
2.3.2.2
Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell .........................................11
2.3.2.3
,High-Risk’- und Geburtskohorten-Studien...........................................15
Der Frühverlauf schizophrener Psychosen ......................................................17
2.4.1
Das Prodrom .............................................................................................20
2.4.2
Initiales und Rezidivprodrom......................................................................22
2.4.3
Erfassung des initialen Prodroms ..............................................................25
2.4.4
Modelle zum Frühverlauf ...........................................................................26
2.4.4.1
Verlaufsmodelle und Beschreibungen vor 1980...................................26
2.4.4.1.1
H. S. Sullivan .................................................................................26
2.4.4.1.2
W. Mayer-Gross ............................................................................27
2.4.4.1.3
E. Cameron ...................................................................................29
2.4.4.1.4
K. Conrad ......................................................................................31
2.4.4.1.5
A. Meares ......................................................................................32
2.4.4.1.6
J. Chapman ...................................................................................33
2.4.4.1.7
G. Huber........................................................................................35
2.4.4.1.8
J. Varsamis....................................................................................37
2.4.4.1.9
J. P. Docherty ................................................................................40
2.4.4.1.10 L.J. und J.P. Chapman ..................................................................42
2.4.4.2
Früherkennungsforschung seit 1980....................................................43
2.4.4.2.1
Die Prodromalkriterien des DSM-III und DSM-III-R ........................45
2.4.4.2.2
Der Frankfurter Beschwerdefragebogen, FBF ...............................47
X
2.4.4.2.3
Die Bonner Skala für die Beurteilung von Basissymptomen,
BSABS ..........................................................................................48
2.4.4.2.4
Die ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien .............................................50
2.4.4.2.5
Das ,Structured Interview for Prodromal Syndromes’, SIPS...........54
2.4.4.2.6
Das ,Clinical-High-Risk’ (CHR)-Konzept ........................................55
2.4.4.2.7
PRIME-Studie................................................................................57
2.4.4.2.8
CAARMS (,Comprehensive Assessment of At-Risk Mental
States’) ..........................................................................................59
2.4.4.2.9
2.5
3
Fragestellung...................................................................................................63
Methode .................................................................................................................65
3.1
Versuchsplanung (1)........................................................................................65
3.2
Das Untersuchungskollektiv.............................................................................65
3.2.1
Auswahl der Patienten...............................................................................65
3.2.2
Stichprobe .................................................................................................67
3.3
Erhebungsinstrument.......................................................................................69
3.3.1
3.4
4
Faktorenanalyse ........................................................................................73
Versuchsplanung (2)........................................................................................75
3.4.1
Bedingungsvariationen der unabhängigen Variablen .................................75
3.4.2
Versuchsplananlage ..................................................................................75
3.5
Ableitung von empirischen Vorhersagen..........................................................76
3.6
Ableitung von statistischen Vorhersagen .........................................................78
3.7
Ableitung von statistischen Hypothesen...........................................................79
3.8
Testplanung.....................................................................................................79
Ergebnisse.............................................................................................................85
4.1
Mittelwertvergleiche der Subskalen, Faktoren und Einzelitems........................85
4.1.1
Prodrom versus schizophrene Erstepisode................................................85
4.1.2
Übergegangene versus nicht-übergegangene Prodromalpatienten ...........87
4.2
Korrelationen und univariate Varianzanalysen .................................................90
4.3
Häufigkeitsunterschiede für die ,Ultra-High Risk’-Kriterien APS und BLIPS .....90
4.3.1
Prodrom versus schizophrene Erstepisode................................................90
4.3.2
Übergegangene versus nicht-übergegangene Prodromalpatienten ...........91
4.3.3
Diagnostische Gütekriterien der ,Ultra-High Risk’-Kriterien ........................91
4.4
5
Konzeption des psychosefernen und psychosenahen Prodroms ...60
Regressionsanalyse und ‚Receiver Operating Characteristic’ (ROC)-Kurven ..94
Diskussion .............................................................................................................98
XI
5.1
Studiendesign und Stichprobe ....................................................................... 101
5.2
Der Vergleich der schizophrenen mit der prodromalen Stichprobe ................ 102
5.2.1
Betrachtung der Positivsymptomatik........................................................102
5.2.2
Betrachtung der weiteren Symptomatik ...................................................104
5.2.3
Betrachtung der Regressionsergebnisse und die Vorteile eines
mehrstufigen Verfahrens .........................................................................106
5.2.4
Betrachtung der Subskalen in Abgrenzung zu den Faktoren ...................107
5.2.5
Zusammenfassung ..................................................................................108
5.3
Der
Vergleich der
übergegangenen mit
der
nicht-übergegangenen
Stichprobe ..................................................................................................... 108
5.3.1
Betrachtung der Positivsymptomatik........................................................108
5.3.2
Betrachtung der weiteren Symptomatik ...................................................111
5.3.3
Betrachtung der Subskalen in Abgrenzung zu den Faktoren ...................112
5.3.4
Limitationen und Vorteile der hier untersuchten Stichprobe der
übergegangenen und nicht-übergegangenen Prodromalpatienten...........113
5.4
Ausblick ......................................................................................................... 114
6
Zusammenfassung..............................................................................................116
7
Literaturverzeichnis ............................................................................................119
Anhänge ......................................................................................................................145
Anhang A ....................................................................................................................146
Anhang B ....................................................................................................................149
Anhang C ....................................................................................................................150
Anhang D ....................................................................................................................153
Anhang E.....................................................................................................................154
Anhang F.....................................................................................................................155
Anhang G ....................................................................................................................156
Anhang H ....................................................................................................................158
Anhang I ......................................................................................................................159
Anhang J .....................................................................................................................160
Anhang K ....................................................................................................................161
Anhang L.....................................................................................................................165
Anhang M ....................................................................................................................166
1
1 Einführung
Bis ins 18. Jahrhundert wurden je nach dem vorherrschenden Zeitgeist Menschen mit
psychischen Störungen als krank oder besessen angesehen; eine zusammenhängende
Theorie oder Ordnung der psychischen Erkrankungen fehlte. Diese Situation begann sich
langsam im 18. Jahrhundert zu ändern, als neu gebildete ‚psychiatrische Schulen’ die
Geburt einer systematischen Psychiatrie einleiteten. In den Fokus der Aufmerksamkeit
begann der psychisch kranke Mensch zu rücken; psychopathologische Symptome wurden wahrgenommen, untersucht und zu Syndromen katalogisiert. Am Ende des 18. Jahrhunderts begründeten sich die ersten psychiatrischen Institutionen, die sich zu medizinischen Konzepten bekannten. Die Betrachtung Betroffener als Kranke und nicht als
Schuldige setzte sich in Deutschland jedoch nur verzögert durch, und aus ‚Verwahrhäusern’, ‚Narrentürmen’ und ‚Tollkoben’ entwickelten sich erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich ‚Heilanstalten’.
Die Geschichte der Psychiatrie ist gleichzeitig immer auch die Geschichte der Schizophrenie, die im ausgehenden 19. Jahrhundert mit Emil Kraepelins (1896) Begriff der
‚Dementia praecox’ erstmals als Störungsentität beschrieben wurde. Die bis dahin bestehende Fülle von Krankheitskonzepten vor allem zu psychotischen und affektiven Störungen wurde durch Kraepelin einer strengen, an Krankheitsverläufen empirisch begründeten Einteilung unterworfen (Kraepelin, 1904). Hierin beurteilte Kraepelin die ‚Dementia
praecox’ per definitionem als eine unheilbare Erkrankung mit schlechtem Verlauf. Heilungsversuche oder auch präventive Maßnahmen zur Verhinderung dieses schweren Erkrankungsverlaufs wurden demnach als unsinnig eingeschätzt, da es sich um ein unweigerlich fortschreitendes Leiden handelte (Kraepelin, 1904) – eine Einstellung, die später
als „therapeutischer Nihilismus“ (Alt, 1908, S. 708) bezeichnet wurde. Zwar widersprach
bereits Eugen Bleuler (1908) dem regelhaft schlechten Verlauf der ‚Dementia praecox’
und prägte zur Abgrenzung den Begriff ‚Schizophrenie’, die Präventionsforschung galt
aber dennoch aufgrund der ohnehin schwierigen Differentialdiagnostik und der als uncharakteristisch betrachteten initialen Prodromalphase als nicht umsetzbar.
Auch unter den heute verbesserten Behandlungsbedingungen gehören schizophrene
Störungen noch weiterhin zu den das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen am
meisten belastenden Erkrankungen und sind hinsichtlich des ‚global burden of disease’
mit großen Volksleiden wie Schlaganfall oder Diabetes mellitus vergleichbar (Murray et
al., 2001). Dabei spielt das frühe Erkrankungsalter zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr
sowie der auch heute oft noch ungünstige Langzeitverlauf eine entscheidende Rolle, da
2
etwa die zur Chronifizierung neigenden Symptome häufig zu psychosozialer Behinderung
mit Erwerbsunfähigkeit bereits in jungen Jahren führen. So belaufen sich bei Addition der
resultierenden volkswirtschaftlichen Verluste zu den direkten Kosten der medizinischen
und psychosozialen Versorgung die gesamtwirtschaftlichen Kosten schizophrener Störungen in Deutschland auf etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr (Kissling et al., 1999).
Auch aus diesen Gründen zeichnet sich in der Psychiatrie und insbesondere in der Psychoseforschung wie in vielen anderen medizinischen Disziplinen nun seit Jahren ein Paradigmenwechsel von einem kurativen zu einem präventiven Ansatz ab. Erste Versuche
der Definition von Prodromalsymptomen einer Schizophrenie unternahm 1980 und 1987
die American Psychiatric Association (APA) mit der Vorlage der dritten Fassung und Revision des ,Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders’, DSM-III und DSM-IIIR. Diese konnten jedoch in nachfolgenden Studien nicht bestätigt werden und führten
1992 zu ihrer Streichung im DSM-IV. In der Folge bildeten sich in den Bemühungen um
eine Früherkennung von Psychosen zwei Schulen heraus: das Basissymptomkonzept
und die ‚Ultra-High Risk’-Kriterien, für deren Erfassung unterschiedliche Instrumente vorgeschlagen wurden, darunter das in den USA entwickelte ‚Structured Interview for
Prodromal Syndromes, SIPS’ (McGlashan, 1999; Miller et al., 1999).
Die SIPS für den deutschsprachigen Raum anhand einer größeren Stichprobe von
Prodromalpatienten, die an einer prospektiven Verlaufsuntersuchung des FrühErkennungs- und Therapie-Zentrums für psychische Krisen (FETZ) der Kölner Psychiatrischen Universitätsklinik teilnahmen, zu evaluieren, ist Thema der vorliegenden Arbeit. Eine Neuerung gegenüber bereits vorliegenden Studien ist dabei die unabhängig von den
UHR-Kriterien erfolgte Selektion der Stichprobe nach Basissymptomkriterien.
Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird in Kapitel 2 der theoretische und empirische Hintergrund der Früherkennungsforschung von den Anfängen bis hin zum heutigen Wissensstand ausführlich dargestellt. Dabei wird insbesondere der Unterschied zwischen
dem deutschen und dem angloamerikanischen Forschungsansatz hervorgehoben. In Kapitel 3 wird das der Studie zugrunde liegende Instrument, die Versuchsplanung sowie die
statistischen Vorüberlegungen und Analysen beschrieben. Kapitel 4 beinhaltet die berechneten Ergebnisse, welche daran anschließend in Kapitel 5 diskutiert werden. Im Kapitel 6 wird die Arbeit abschließend zusammenfassend dargestellt.
3
2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1
Historische Grundlagen
Emil Kraepelin unterteilte 1896 erstmals die bis dahin als eine einzige Krankheitsentität
behandelten funktionellen bzw. endogenen Psychosen in zwei Gruppen: Zum einen beschrieb er phasisch verlaufende Psychosen mit vorherrschender affektiver Symptomatik
und prägte hierfür den Begriff des ,manisch-depressiven Irreseins’; zum anderen ging er
von unweigerlich in eine ,Verblödung’ mündenden Psychosen mit vorherrschend katatonen, desorganisierten und/oder paranoid-halluzinatorichen Syndromen und progressivchronischem Verlauf aus. Kraepelin wählte hierfür den Begriff ,Dementia praecox’, um eine Unterscheidung zur senilen, altersbedingten Form der Verblödung bzw. Dementia
aufzuzeigen, weil die Erkrankung ,vorzeitig’ (= praecox), das heißt während oder nach
der Pubertät, einsetze. Während dem postulierten negativen Krankheitsverlauf nach der
ersten psychotischen Exazerbation diagnostische Relevanz beigemessen wurde, fand
der Frühverlauf der Dementia praecox wenig Beachtung. Dabei hielt Kraepelin es für
wahrscheinlich, dass es Symptome im Frühverlauf der Dementia praecox gebe, die allerdings vornehmlich der Patient selbst bemerke, nicht jedoch seine Umwelt. Diese, so seine Annahme, sei wohl mehr auf affektive Abweichungen fixiert und lasse sich später vom
Ungewöhnlichen und dem Schillern der psychotischen Symptomatik blenden (Kraepelin,
1904).
In Abgrenzung zu Kraepelin prägte Eugen Bleuler 1911 den Begriff der ,Schizophrenie’
bzw. ,Gruppe der Schizophrenien’, da er als Kernmerkmal nicht den postulierten Ausgang der Erkrankung ansah, sondern die ,Aufspaltung’ (griech.: schizo = ich spalte) des
,Geistes’ (griech.: phren = Geist), das heißt eine Spaltung des Bewusstseins oder der
Gesamtpersönlichkeit, eine mangelhaften Einheit des Denkens, Fühlens und Wollens
sowie eine elementare Schwäche der Integration der Triebe, der Gefühle und des Denkens. Vorsichtig und keine einheitliche Ätiologie vorwegnehmend sprach er dabei nicht
von einer Krankheit Schizophrenie, sondern von der ,Gruppe der Schizophrenien’ (Bleuler, 1911), die unabhängig von ihrem Ausgang alle endogenen Psychosen mit gleichartigem psychopathologischen Syndrom umfassten. Assoziationsstörungen, Affektstörungen, intellektuelle Ambivalenz und Ambitendenz sowie Autismus als verschiedene Äußerungen der Spaltung der Gesamtpersönlichkeit bilden dabei nach Bleuler die Grundstörungen. Von diesen primären Grundsymptomen, die in ausgeprägten Fällen immer zu
4
beobachten seien, unterschied Bleuler die akzessorischen bzw. sekundären Symptome,
das heißt halluzinatorische, wahnhafte und katatone Symptome, die vorübergehend oder
dauernd hinzukommen könnten und grundsätzlich reversibel seien.
Die drei bereits von Kraepelin für die Dementia praecox definierten Subtypen, Katatonie,
Hebephrenie und Paranoia, erweiterte E. Bleuler um Patienten mit atypischen Manien
und Melancholien, psychotischer Symptomatik und prägnanter nervöser, zwanghafter
oder impulsiver Symptomatik und definierte als weitere Subtype die ,Schizophrenia simplex’ in ihrer heute noch unter F20.6 in der ,International Classification of Diseases’, ICD10 (WHO, 1993) operationalisierten Form.
Da der negative dementielle Verlauf der Krankheit für E. Bleuler nicht per se feststand
und er Patienten mit guter Prognose nicht von vornherein ausschloss, gewann für ihn
auch der Frühverlauf an Bedeutung. Wichtig hierbei erschien ihm vor allem das Schleichende und wenig charakteristische der beginnenden Psychose zu sein, das auch lebenslang auf einem Niveau unterhalb der akuten Psychose verbleiben könne, wofür er
den Begriff der ,latenten Schizophrenie’ prägte. Die latente Schizophrenie, die unter der
Bezeichnung ,schizotype Störung’ (F21) in der ICD-10 berücksichtigt und darin der Schizophrenie und der wahnhaften Störung zur Seite gestellt ist, definierte er dabei als subtilen, oftmals subklinischen psychopathologischen Ausdruck der Disposition zur manifesten Schizophrenie, wie er als sog. ,formes frustes’ insbesondere im familiären Umfeld
schizophrener Patienten, aber auch im individuellen Vorfeld der psychotischen Manifestation vorkomme.
Nach zunächst nur vereinzelten weiteren Beschreibungen und Untersuchungen zum
Frühverlauf der Erkrankung beschäftigten sich im Zuge der Entwicklung effektiver, nebenwirkungsärmerer Interventionen ab Mitte der 90iger zunehmend immer mehr Forscher
mit dem Frühverlauf bzw. dem initialen Prodrom psychotischer Erkrankungen, dem heute
eine zentrale Rolle in der internationalen Psychoseforschung zukommt. Dieser Sachverhalt wird in Kapitel 2.3 genauer erläutert werden.
2.2
2.2.1
Epidemiologie und Verlauf
Auftreten und Folgen
Schizophrene Psychosen treten weltweit mit ähnlichen Inzidenzraten auf, wie die Ergebnisse der in den 60er Jahren durchgeführten ,International Pilot Study of Schizophrenia’
weitgehend bestätigen konnten (WHO, 1973). Dabei kam es unter Berücksichtigung der
5
ICD-9 Schizophrenie-Definition (1975) bei 1,5 bis 4,2 von 100.000 Personen zu einer
Manifestation der schizophrenen Erkrankung. Die daraus resultierende Lebenszeitprävalenz, das heißt die Wahrscheinlichkeit, zumindest einmal im Leben an einer Schizophrenie zu erkranken, betrug hiernach zwischen 0,5% und 1,72%. Damit stellt die Schizophrenie keine seltene Erkrankung dar: Ungefähr 400.000 bis 800.000 Bundesbürger erkranken hieran schätzungsweise einmal in ihrem Leben, wobei das Hauptmanifestationsalter der ersten akuten Episode zwischen dem 18. und dem 35. Lebensjahr und damit in
einer der wohl wichtigsten und sensibelsten Phasen der psychosozialen Entwicklung liegt
(Klosterkötter, 1998).
Aufgrund eines chronischen Verlaufs bei etwa einem Drittel der Erkrankten ist die Belastung für Patient und Familie beträchtlich. Etwa zehn Prozent der Betroffenen suizidieren
sich in den ersten Jahren der Erkrankung (an der Heiden et al., 1996). Mindestens ein
Drittel der Betroffenen kann nicht für den eigenen Unterhalt sorgen, und zwei Drittel der
betreuenden Angehörigen sind selbst psychisch stark beeinträchtigt (Barrowclough et al.,
1996). Damit ist auch die finanzielle Belastung für die Solidargemeinschaft erheblich:
Jährlich werden in Deutschland mehrere Milliarden Euro für eine adäquate Behandlung
und Versorgung von Menschen mit Schizophrenie bereitgestellt, die damit zu den kostspieligsten Erkrankungen überhaupt gehört (Hambrecht, 2003).
2.2.2
Frühe Verlaufsdeterminanten
Eine der möglichen Determinanten eines negativen Krankheitsverlaufs ist die Dauer der
unbehandelten Psychose (DUP). Im Zuge der ,First Episode’-Forschung wurde in der
Mehrheit der Studien hierzu ein zumindest korrelativer Zusammenhang zwischen einem
spät einsetzenden Therapiebeginn und Parametern eines ungünstigen Krankheitsverlaufs deutlich (Norman & Malla, 2001). So korrelierte etwa eine längere DUP positiv mit
-
einer verzögerten und unvollständigen Remission der Symptomatik (Birchwood &
McMillan, 1993; Chakos et al., 1992; Edwards et al., 1998; Johnstone et al., 1986;
Loebel et al., 1992; McGorry et al., 1996)
-
einer längeren stationären Behandlungsbedürftigkeit und einem höheren Rückfallrisiko (Helgason, 1990)
-
einer geringeren Compliance, einer höheren Belastung der Familie und einem höheren ,Expressed Emotion’ (EE)-Niveau (Brown & Birtwistle, 1998; Stirling et al.,
1991, 1993)
6
-
einem erhöhten Komorbiditäts- und Suizidrisiko (Addington & Addington, 1998;
Addington et al., 1998; Hambrecht & Häfner, 1996; Koreen et al., 1993; Rosen et
al., 2006; Strakowski et al., 1995)
-
einer größeren Belastung der Arbeits- und Ausbildungssituation und einem geringeren globalen Funktionsniveau (Bottlender et al., 2002; Johnstone et al., 1990;
Larsen et al., 1996; Mayerhoff et al., 1994)
-
einem schwächeren supportiven sozialen Netzwerk (Larsen et al., 1998)
-
erhöhtem Substanzmissbrauch und delinquentem Verhalten (Humphreys et al.,
1992)
-
möglichen zerebralen pathophysiologischen Veränderungen (Lieberman et al.,
1990; Wyatt, 1991) und
-
höheren Behandlungs- und Folgekosten (Genduso & Haley, 1997; McGorry &
Edwards, 1997; Williams & Dickson, 1995).
Trotz einiger neuerer gegenteiliger Befunde, die keinen Zusammenhang zwischen der
DUP und Verlaufsparametern zeigten (Craig et al., 2000; Haas et al., 1998; Ho et al.,
2000; Hoff et al., 2000; Norman et al., 2001; Robinson et al., 1999), kamen Marshall und
Kollegen (2005) bei einer Literaturübersicht zur DUP und deren Sechs- und ZwölfMonats-Verlauf zu einem positiven Ergebnis. Bei ihrer Literaturrecherche fanden sie
11.458 Artikel zur DUP, wobei von diesen lediglich 619 Artikeln für eine Sichtung der Zusammenfassungen ausgewählt wurden. Von diesen wurden 233 Artikel aus folgenden
Gründen ausgeschlossen: Übersichtsartikel zu Skalen (n = 84), keine Erstepisoden (n =
44), keine prospektive Studie (n = 24), Stichproben nicht angemessen (n = 42), beschränkt auf Neuropsychologie bzw. Bildgebung (n = 13) und Kongressabstrakts mit zu
geringer Informationsbasis (n = 26). So wurden letztlich 377 relevante Artikel von 135
Kohorten für eine genauere Betrachtung ausgewählt, wobei 100 Kohorten ausgeschlossen wurden, da sie keine ausreichenden Angaben zur DUP und/oder Verlauf erhoben
hatten (n = 99) bzw. die Erhebungen noch nicht abgeschlossen waren (n = 1). Die verbliebenen 172 Artikel zu 35 Kohorten bildeten die Grundlage der Meta-Analyse. Aus den
Ergebnissen hierzu schlossen Marshall und Kollegen (2005) auf einen mittleren positiven
Zusammenhang zwischen der Dauer der unbehandelten Psychose und einem schlechteren klinischen Verlauf. Zum gleichen Schluss kam auch eine zweite Übersichtsarbeit, in
der der DUP als potentiell veränderbaren prognostischen Faktor noch einmal ein spezielles klinisches Gewicht zugesprochen wurde (Perkins et al., 2005).
Bei der Beurteilung dieses Ergebnisses ist sicherlich auch zu beachten, dass einige der
Verlaufsparameter, wie etwa die Größe des supportiven Netzwerks, das EE-Niveau oder
7
Substanzmissbrauch, nicht nur die Folge, sondern auch eine Ursache einer längeren
DUP darstellen können. Dennoch wird – wie auch bei den meisten somatischen Erkrankungen – bei der Schizophrenie davon ausgegangen, dass: „Je früher die Behandlung
einsetzt, um so günstiger gestaltet sich der Verlauf“ (Klosterkötter, 1998, S. 367). In dem
Versuch, eine adäquate Behandlung möglichst frühzeitig zu initiieren, rückte daher der
Frühverlauf der Erkrankung immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
2.3
Ätiologie
2.3.1
Genetik
Im Gegensatz zum Lebenszeitrisiko von circa einem Prozent für eine schizophrene Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung, konnte bei Personen mit einer familiären Belastung ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nachgewiesen werden. In einer Vielzahl von Familien- und Zwillingsstudien, die in einem Zeitraum zwischen 1920 und 1987 in Europa erhoben wurden, konnte Gottesmann zeigen, dass das durchschnittliche Risiko, an einer Psychose zu erkranken, abhängig ist vom Verwandtschaftsgrad. Dabei zeigte sich eine Variationsbreite zwischen 2% bei Cousins/Cousinen dritten Grades bis zu 48% bei monozygoten Zwillingen (Gottesmann, 1993; s. Abb. 1).
Ehepartner
Cousin/e 1.Grades
Onkel/Tanten
Nichten/Neffen
Enkel
Halbgeschwister
Eltern
Geschwister
1 schizophrener Elternteil
zweieiige Zwillinge
2 schizophrene Eltern
Eineiige Zwillinge
0%
Abb 1:
5%
10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%
Lebenszeitrisiko für die Entwicklung einer schizophrenen Psychose bei Verwandten
schizophren erkrankter Personen in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad (nach Gottesman, 1993)
8
Dabei scheint auch ein nicht erkrankter eineiiger Zwilling eines schizophren erkrankten
Patienten die genetische Disposition in ähnlicher Weise wie der Patient selbst zu vererben, da die Nachkommen beider etwa gleich häufig erkranken. Da aber die Genpenetranz auch bei monozygoten Zwillingen weit unter 100% liegt, müssen noch andere
Faktoren bei der Entstehung einer schizophrenen Erkrankung eine Rolle spielen, was in
der Entwicklung von Vulnerabilitätsmodellen zum Ausdruck kam (Tienari et al., 1985),
denen gemeinsam ist, dass sie das Vorhandensein einer ausschließlich genetisch determinierten Variablen als nicht ausreichend ansehen, um den schizophrenen Genotyp in
einen schizophrenen Phänotyp umzusetzen. Es muss ein weiteres auslösendes Moment
hinzukommen, das eine bereits vorhandene genetische oder erworbene Vulnerabilität in
eine manifeste Störung umwandelt (Nuechterlein, 1987).
2.3.2 Die Vulnerabilitätstheorie
Eine der wohl frühesten Überlegungen zur Vulnerabilitätshypothese findet sich bei Karl
Friedrich C. Canstatt (1807-1850) und seiner Beschäftigung mit den Ursachen der Psychosen zurück:
„Man beobachtet bei vielen Individuen, die man noch nicht geradezu geisteskrank
nennen kann, einen solchen Hochstand der psychischen Erregung, dass es nur eines geringen Anlasses bedarf, damit wirkliche Alienation entstehe. Wir nennen dies
die psychische Vulnerabilit ät und die meisten Gelegenheitsursachen, welche die
Geisteskrankheit ins Daseyn rufen, finden bereits diese Prädisposition wieder“
(Canstatt, 1841, S. 329).
Der Begriff ,Vulnerabilität’ leitet sich ab von ,vulnus’ (lat.: Wunde, Verletzung, gelegentlich
auch Seelenschmerz) und bezeichnet im psychiatrischen Kontext „die durch genetische,
organische, biochemische, psychische und soziale Faktoren bedingte individuelle Disposition, auf Belastungen überdurchschnittlich stark mit Spannung, Angst, Verwirrung bis
hin zu psychotischen Dekompensationen zu reagieren. Wesentlich für die Vulnerabilität
scheint eine reduzierte affektiv-kognitive Belastbarkeit im Sinne einer Störung der Fähigkeit zu adäquater Informationsverarbeitung zu sein“ (Pschyrembel, 1998, S. 1676).
Vulnerabilitätsmodelle gehen im Gegensatz zu Kraepelins Modell der Dementia praecox
nicht davon aus, dass der Schizophrenie ein unvermeidlicher und progressiver Krankheitsprozess zugrunde liegt. Allerdings vertreten sie die Überzeugung, dass eine gewisse
9
Anzahl von Menschen eine überdauernde Prädisposition dafür besitzt, unter bestimmten
psychosozialen Bedingungen die Entwicklung einer schizophrenen Episode auszubilden.
2.3.2.1 Das Schizotypie Modell
Das Konzept der Schizotypie geht auf den Psychoanalytiker Rado (1953) zurück, der
damit die Kennzeichnung eines ,schizophrenen Phänotyps’ meinte und unter diesem
Begriff Personen klassifizierte, die durch Wahrnehmungsabweichungen und die Unfähigkeit, Freude zu empfinden (Anhedonie), gekennzeichnet sind. Rado unterschied dabei
zwischen dem gut angepassten und stabilen Schizotypen (= schizoid) und dem dekompensierten Schizotypen mit auffälligen Persönlichkeitsveränderungen (= schizophren).
Insbesondere Meehl (1962), Eysenck (Eysenck & Eysenck, 1975) und Claridge (1972)
waren von Rados Konzeption stark beeinflusst und führten seine Forschung im Bereich
der psychometrischen ,High-Risk’-Forschung weiter.
So entwickelte Meehl (1962) sein Schizotaxie-Schizotypie Modell unter Berufung auf Rados Schizotypiekonzept (s. Abb. 2). Als seine Basis postuliert Meehl ein angeborenes
dominantes ,Schizogen’, das einen neuronalen oder biochemischen Defekt, die Schizotaxie, bewirkt. Dieser Defekt führe zu einer Fehlfunktion innerhalb der Synapsen des
zentralen Nervensystems, der Hypokrisia, woraus unter allgemeinen Lern- und Umweltbedingungen die Schizotypie resultiere. Damit sei die Schizotypie als psychologische und
verhaltensmäßige Manifestation der genetischen Disposition für eine Schizophrenie aufzufassen (s. Abb. 2). Alle Schizotypen zeigten dementsprechend ein Muster von kognitivem Gleiten, Abneigungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, Anhedonie und Ambivalenz (Meehl, 1962). Der Großteil von ihnen bleibe das ganze Leben schizotyp, nur
eine kleine Gruppe von etwa 10% zeige im Laufe ihres Lebens unter dem Einfluss polygener Potentatoren und ungünstiger Lebensumstände eine Entwicklung in eine Schizophrenie. Auch die Prävalenz der Schizotaxie in der Gesamtbevölkerung liege bei lediglich
10% (Meehl, 1990).
10
Abb. 2:
Entwicklungsmodell der Schizophrenie nach Meehl (1990)
Meehls Beurteilung der Schizotypie als anhaltende Disposition und damit per definitionem als Persönlichkeitszug bzw. -störung führte in der amerikanischen Psychiatrie zu ihrer diagnostischen Zuordnung im DSM-IV unter die Persönlichkeitsstörungen, während
sie in fast identischer Definition in der ICD-10 wegen ihrer familiär-genetischen Nähe zu
schizophrenen Psychosen unter die Schizophrenie eingeordnet wird. Dabei orientiert sich
die Bezeichnung ,schizotypische Störung’ nach DSM-III an Meehls (1962, 1990) Konzeption der ,Schizotypie’. Die Grundlage für die schizotypische Persönlichkeitsstörung bilden
vor allem die von Spitzer und Kollegen (1979) vorgeschlagenen Kriterien der schizotypen
Persönlichkeitsstörung, die wiederum auf den in der Kopenhagener ,High-Risk’-Studie
formulierten Kriterien einer Borderline-Schizophrenie nach Kety und Kollegen (1968) basieren. Danach sind die weitgehend übereinstimmenden psychopathologischen DSM-IIIR bzw. DSM-IV Kriterien für eine schizotypische Persönlichkeitsstörung folgende:
1. Beziehungsideen
2. Magische Denkinhalte, seltsame Überzeugungen
3. Ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen
4. Seltsame Denk- und Sprechweise
5. Argwohn, paranoide Vorstellungen
11
6. Inadäquater oder eingeschränkter Affekt
7. Seltsames, exzentrisches oder merkwürdiges Verhalten oder äußeres Erscheinungsbild
8. Mangel an engen Freunden oder Vertrauten
9. Ausgeprägte soziale Angst
2.3.2.2 Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell
Im angloamerikanischen Forschungsraum war neben Meehls Schizotaxie-SchizotypieKonzept lange Zeit das von Zubin und Spring (1977) vorgeschlagene Vulnerabilitätsmodell das am weitesten verbreitete. Hierin wird unter Bezugnahme auf genetische Befunde
– ähnlich Meehls Schizotypie – zwischen einer zeitstabilen schizophrenen Vulnerabilität
und traumatisierenden äußeren (Stress-) Faktoren – vergleichbar Meehls postuliertem
Einfluss polygener Potentatoren und ungünstiger Lebensumstände – unterschieden, welche die psychotische Exazerbation einleiteten.
An Einfluss gewannen bei der Entstehung der Vulnerabilitätsmodelle auch die Ergebnisse aus der ,Expressed Emotion’ (EE)-Forschung, die zeigten, dass ein hohes Ausmaß an
emotionaler Spannung in den Familien Schizophrener zu einer erhöhten Rückfallrate
führt (Brown & Birley, 1968). Auch die von Leff und Kollegen (1983) weiter entwickelte
,Life Event’-Forschung machte deutlich, dass bei einem gewissen Maß an äußeren
Stressfaktoren eine Schwelle überschritten wird und die Psychose sich manifestieren
kann. Die Höhe der Schwelle ergibt sich dabei aus der individuell unterschiedlichen Vulnerabilität (Leff, 1987; s. Abb. 3).
12
Schwelle zur Symptommanifestation
Schutzfaktoren
Vulnerabilität
Schwelle zur
Symptommanifestation
Zeit
keine
wenige
viele
Potenzierungs- und Streßfaktoren
Abb. 3: Schwellenmodell der Interaktion zwischen Vulnerabilitäts-,
Schutz- und Potenzierungs- bzw. Stressfaktoren anhand eines hypothetischen Verlaufs mit geringer Vulnerabilität (untere Kurve) und eines mit hoher Vulnerabilität (obere Kurve; in
Anlehnung an Leff, 1987).
Eine Erweiterung des Vulnerabilitätsmodells von Zubin und Spring erfolgte durch Nuechterlein und Dawson, die das Konzept der Vulnerabilität mit einem Diathese-Stress-Modell
zu emotionalen Belastungen als Krankheitsauslöser in Bezug brachten. Daraus entstand
das heute weltweit anerkannteste und die Ergebnisse der Schizophrenieforschung am
besten integrierende Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell für die Entwicklung schizophrener Episoden (Nuechterlein, 1987; Nuechterlein & Dawson, 1984; Nuechterlein &
Zaucha, 1990). Danach hängt es entscheidend von den Vulnerabilitätsfaktoren ab, ob eine Person anfällig für eine schizophrene Psychose ist oder nicht.
Die ersten drei von insgesamt vier persönlichen Vulnerabilitätsfaktoren beziehen sich dabei auf psychophysiologisch messbare Abweichungen: dopaminerge Dysfunktionen,
verminderte Informationsverarbeitungskapazität und autonome Überreaktion auf aversive
Stimuli. Mit dem vierten Faktor, den schizotypen Persönlichkeitsmerkmalen, wird hingegen die psychometrische Untersuchungsebene angesprochen. Zu den schizotypen
Merkmalen rechnet Nuechterlein neben subklinischen kognitiven Gleitvorgängen auch
feine selbst wahrgenommene Denk-, Perzeptions- und Propriozeptionsstörungen im Sinne der Chapman'schen Wisconsin-Skalen (vgl. Kap. 2.3.2.1).
Unter diese persönlichen Vulnerabilitätsfaktoren wären nach heutigem Kenntnisstand
auch neuere Befunde zu zählen. So gingen Tuulio-Henriksson und Mitarbeiter 2003 von
13
Defiziten im räumlichen Arbeitsgedächtnis aus, deren Ausprägung mit der Anzahl an
Schizophrenie erkrankter Verwandter zunahm. Diese Defizite und damit assoziierte strukturelle und funktionelle Auffälligkeiten im präfrontalen Cortex legten die Annahme nahe,
dass diese als zusätzliche Vulnerabilitätsindikatoren für eine schizophrene Psychose in
Betracht gezogen werden mussten (Cannon, 2005). Als weitere Vulnerabilitätsmarker
wurden strukturelle und funktionelle Auffälligkeiten des Temporallappens mit den zugrunde liegenden genetischen Faktoren diskutiert. Volumenreduktionen im temporalen Cortex
und im Hippokampus fanden unter anderen Seidman und Mitarbeiter (2002). Als weitgehend ungeklärt galt die Frage, wie der schizophrene Genotyp in einen schizophrenen
Phänotyp mit manifesten Symptomen übergehen konnte. Man nahm an, dass eine genetisch determinierte Vulnerabilität zu einer neuronalen Fehlentwicklung während der
Schwangerschaft führte (Lewis & Murray, 1987), welche schließlich zu einer erhöhten Anfälligkeit des Fötus für neuronale Schädigungen durch Stressoren wie virale oder bakterielle Infektionen beitrug. Von den risikosteigernden Suszeptibilitätsgenen der Schizophrenie erwiesen sich bislang Dysbindin, Neuregulin und G72 als besonders viel versprechende Kandidatengene (Harrison & Weinberger, 2005; Numakawa et al., 2004; Talbot et
al., 2004). Insbesondere in jüngeren Studien (Cannon, 2005; Cannon et al., 2003; van Os
& Sham, 2003) konnte ein Synergismus genetischer und umweltbedingter Faktoren gezeigt werden. So stellte sich beispielsweise 2005 in einer Geburtskohorten-Studie von
Caspi und Mitarbeiter ein funktioneller Polymorphismus im Catechol-O-Methyltranferase(COMT)-Gen sowie der Beginn eines Cannabiskonsums in der Adoleszenz als prädiktiv
für die spätere Entwicklung einer Psychose im Erwachsenenalter dar. Zu einer genetischbiologischen Vulnerabilität des neuronalen Systems addierten sich im Laufe der Zeit weitere externe Risikofaktoren der sozialen Umwelt und entwicklungsbedingte Veränderungen, wie etwa dem ,synaptic pruning’, welche zu einer fortschreitenden Vulnerabilität und
zu einer Verminderung des Funktionsniveaus führten, woraus sich in der Gesamtheit
schließlich prodromale und letztendlich psychotische Symptome entwickeln konnten
(Cannon, 2005).
Diese individuell unterschiedlichen Vulnerabilitätsfaktoren treten ihrerseits nun in Interaktion mit persönlichen sowie umweltbedingten Schutzfaktoren, aber auch mit umweltbedingten Potentatoren und Stressoren (s. Abb. 4).
14
Abb. 4:
Das Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell für die Entwicklung schizophrener Episoden (nach Nuechterlein, 1987)
Im Wechselspiel dieser Faktoren entscheidet sich dann, ob es über so genannte intermediäre ,states’ zu Prodromalsymptomen kommt und ob diese wiederum in eine manifeste schizophrene Episode übergehen. Nuechterlein und Dawson (1984; s. Abb. 5) unterscheiden dabei in ihrem Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell zudem zwischen so
genannten state- und trait-Merkmalen. State-Merkmale variieren hiernach in ihrer Ausprägung in Abhängigkeit von dem Erkrankungsgrad, das heißt sie sind ausgeprägt vorhanden während der manifesten Erkrankung und kehren während der Remission wieder
auf ein durchschnittliches, der Allgemeinbevölkerung entsprechendes Niveau zurück.
Trait-Merkmale hingegen zeigen ein phasenunabhängiges, dauerhaft erhöhtes Ausprägungsniveau im Vergleich zu unbelasteten Personen. Vulnerabilitätsfaktoren weisen nach
dieser Konzeption somit trait-Charakter auf, da in ihnen eine generelle Anfälligkeit für
schizophrene Erkrankungen zum Ausdruck kommt, die zeitlich unabhängig existiert (s.
Abb. 5). Charakteristisch für die Prodromalphase einer Schizophrenie sind hingegen sowohl state- als auch trait-Charakter besitzende Symptome (Klosterkötter, 1996; Nuechterlein & Dawson, 1984; Parnas, 1999).
15
“Basisprozeß in Latenz”
“Schizophrenietypische
Endphänomene”
Stabiler
Vulnerabilitätsindikator
Intermediärer
Vulnerabilitätsfaktor
Episodenindikator
(Traitmarker)
(Marker mit Trait- und
Stateeigenschaften)
(Statemarker)
außerhalb
innerhalb
psychotischer Episoden
Abhängige Variable
Schizophrene Episode
“Prozeßaktive
Durchgangsphasen”
Abhängige Variable
Prodromalphase
Abhängige Variable
Prämorbide oder
Remissionsphase
außerhalb innerhalb
psychotischer Episoden
Schizophrene Patienten
Abb. 5:
außerhalb
innerhalb
psychotischer Episoden
Normale Kontrollen
Trait-state-Kontinuum (modifiziert nach Nuechterlein & Dawson, 1984)
2.3.2.3 ,High-Risk’- und Geburtskohorten-Studien
Basierend auf der Annahme einer auch genetisch vermittelten Vulnerabilität und gestützt
auf die Ergebnisse von Chapman (1966) widmet sich die so genannte ,High Risk’ (HR)Forschung der Identifikation grundlegender, überdauernder sowie später hinzutretender
präpsychotischer Auffälligkeiten bei Personen mit einem bekannten erhöhten Schizophrenierisiko, das heißt bei biologischen Verwandten, insbesondere Nachkommen, bereits manifest erkrankter Personen. Die experimentelle Neuropsychologie sowie die prospektive HR-Forschung an Kindern eines schizophrenen Elternteils rückten hierbei in den
Mittelpunkt der Betrachtung. Neben J. Chapman legten im späteren Verlauf auch die Arbeitsgruppen um Asarnow (1988) und Parnas (1986), vor allem aber die frühen HRStudien von Mednick und Schulsinger (1965) Schwerpunkte in diesen Bereichen. In dem
dänisch-amerikanischen Projekt von Mednick und Schulsinger (1965) zeigte sich, dass
folgende Merkmale als Prädiktoren für eine spätere Schizophrenie aussichtsreich sein
könnten (Parnas & Mednick, 1990):
-
links betonte Defekte im limbisch-paralimbischen System,
-
Verzögerungen und Abweichungen in der neuromotorischen Entwicklung,
-
Passivität (,abnormally quiet state’) im Säuglingsalter,
-
kurze Aufmerksamkeitsspanne im Kleinkindesalter,
-
frühe Unterbringungsnotwendigkeit in Heimen o.ä.,
16
-
Kommunikationsstörungen (,communication deviance’) und negativer affektiver
Umgangsstil in der Familie,
-
Fremdeinschätzung als unkonzentriert, konfus, geistesabwesend und vage im
Denken,
-
geringe Frustrationstoleranz, inadäquates Überdauern von Ärger, disziplinarische
Probleme, gestörter emotionaler Rapport, Exzentrizität in der späteren Kindheit.
Allen Untersuchungen gemeinsam ist die Beschreibung einer kognitiven Irritierbarkeit mit
feinen Denkstörungen sowie einer emotionalen Irritierbarkeit mit Verhaltensauffälligkeiten, die bei HR-Kindern von der Pubertät bis in die psychotische Erstmanifestation hinein
nachweisbar war. Somit war die schizophrene Erkrankung nicht als neu hereinbrechender Prozess, sondern als eine stetige Zunahme dieser vorbestehenden Defizite im Sinne
des postulierten trait-state-Charakters prodromaler Symptome anzusehen (Parnas &
Schulsinger, 1986).
In weitgehender Übereinstimmung zu den Ergebnissen der HR-Forschung zeigten auch
prospektive Geburtskohortenstudien, deren Vorteil in der Erfassung von Personen nicht
nur mit genetisch, sondern auch mit anderweitig erworbener Vulnerabilität liegt, dass bereits weit im Vorfeld des Erkrankungsausbruchs, nämlich bereits im Kindesalter und der
frühen Jugend, eine Vielzahl von qualitativen und quantitativen Merkmalen existieren, die
die später an Schizophrenie erkrankenden Individuen gegenüber Kontrollgruppen hervorheben. In einer Übersicht zu den Geburtskohortenstudien der letzten Jahrzehnte fasste P.B. Jones (2002) die Ergebnisse zusammen und kam zu dem Schluss, dass sämtliche Faktoren, die einen schädigenden Einfluss auf die frühkindliche Reifung und die
Entwicklung höherer kognitiver Funktionen haben, auch ein wachsendes Risiko für die
Ausbildung einer psychischen Störung aufweisen. Sie postulierten eine Dosis-WirkungsBeziehung zwischen dem Risiko an Schizophrenie zu erkranken und dem Vorhandensein
von nicht regelgerechten Auffälligkeiten während der präpsychotischen Phase. So sahen
Jones und Kollegen (1998) in einem Vergleich der Ergebnisse der Britischen Geburtskohorten-Studien von 1946 (Jones, 1997; Jones et al., 1994) und 1958 (Done et al., 1991,
1994) und der nordfinnischen Geburtskohortenstudie von 1966 (Rantakallio et al., 1997)
übereinstimmend eine Verzögerung von motorischen und verbalen Entwicklungsstufen
im Kindesalter sowie Verhaltensauffälligkeiten und kognitive Defizite während der Kindheit und der Jugend bei später an Schizophrenie erkrankten Patienten. Darüber hinaus
konnte gezeigt werden, dass auch vorgeburtlich schädigende Ereignisse, wie etwa ZNSInfektionen oder aber mütterliche Infektionen mit dem Influenzaerreger mit dem späteren
Auftreten einer Schizophrenie assoziiert waren (McGrath et al., 1995; Mednick et al.,
17
1988; Morgan et al., 1997; Rantakallio et al., 1997). Auch andere Geburtskohortenstudien
wie die schwedische Geburtskohortenstudie (Malmberg et al., 1998), die Dunedin-Studie
(Cannon et al., 2002) und die israelische Wehrpflichtigen Studie (Davidson et al., 1999;
Weiser, 2002) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Nach Jones (2002) weist diese Fülle
von biologischen trait-Merkmalen zwar auf Auffälligkeiten in Bezug auf eine sich möglicherweise entwickelnde Schizophrenie hin, jedoch scheinen sie für sich allein genommen
einen sehr geringen prädiktiven Wert zu haben, weshalb sie als auslösende Ursache nur
bedingt anzusehen seien. Ferner scheint dieses Muster von Auffälligkeiten nicht schizophreniespezifisch zu sein, da sie – wenn auch nur in geringer Ausprägung – auch mit der
Entwicklung von anderen psychischen Erkrankungen im Zusammenhang stehen. Der
Suche nach Schizophrenie- oder zumindest Psychose-spezifischen Prädiktoren einer
späteren Erstepisode mit state-Anteil wird daher heute hauptsächlich in klinischen Populationen von Personen, die wegen psychischer Probleme bereits Hilfe suchen und sich
vermutlich bereits im Frühverlauf bzw. Prodrom einer Psychose befinden, fortgeführt.
2.4
Der Frühverlauf schizophrener Psychosen
Im Rahmen der Mannheimer ,A(ge)-B(eginning)-C(ourse) Study’ (Häfner, 1993; Häfner et
al., 1990, 1995; Maurer & Häfner, 1995) entwickelte die Arbeitsgruppe Schizophrenieforschung des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit in Mannheim mit dem Interview zur
retrospektiven Einschätzung des Erkrankungsbeginns bei Schizophrenie – ,Instrument for
the Retrospective Assessment of the Onset of Schizophrenia’ (IRAOS; Häfner et al.,
1990, 1992) – ein Untersuchungsinstrument, das die retrospektive Erfassung von Beginn,
Entwicklung und Verlauf psychotischer, insbesondere schizophrener Erkrankungen erlaubt (Häfner et al., 1990). In dieser epidemiologisch angelegten retrospektiven Studie an
allen 232 zwischen 1987 und 1989 wegen einer Erstmanifestation einer schizophrenen
Psychose hospitalisierten Patienten aus einer halbländlichen, halbstädtischen deutschen
Bevölkerung von ca. 1,5 Mio. in der Region Heidelberg, Mannheim, Rhein-Neckar-Kreis
und der östlichen Pfalz konnte gezeigt werden, dass die schizophrene Erkrankung nicht
erst akut mit erstmalig auftretenden psychotischen Symptomen beginnt, sondern schon
weitaus früher, wobei der psychotischen Erstmanifestation in etwa 73% der Fällen kontinuierliche oder häufig wiederkehrende Schizophrenie-uncharakteristische Symptome
und/oder Negativsymptome vorausgehen. Bei den 73% der Patienten mit einem nichtakuten Beginn ließ sich zeigen, dass dem ersten Behandlungskontakt unter den damaligen Versorgungsbedingungen gut ein Jahr psychotische Symptome und im Mittel weitere
18
fünf Jahre nichtpsychotische uncharakteristische Prodromalsymptome vorausgehen (s.
Abb. 6). Damit konnte gezeigt werden, dass neben der DUP, die sich nur auf den Zeitraum vom Beginn der Psychose bis zur ersten Behandlung bezieht, noch ein weiterer
Verlaufzeitraum existiert, der die ersten uncharakteristischen Prodromalsymptome bis hin
zur ersten adäquaten Therapie bezeichnet, die so genannte DUI (,Duration of Untreated
Illness’; McGlashan & Johannessen, 1996; s. Abb. 6). Diese Ergebnisse hatten sich im
Jahre 2001 auch unter zwischenzeitlich veränderten Behandlungsbedingungen kaum geändert und wurden innerhalb des Awareness-Programms des Kompetenznetzes Schizophrenie weitgehend repliziert (Köhn et al., 2004): So lag hier die durchschnittliche Dauer
der Prodromalphase in der Gruppe mit Schizophrenie (n = 82) bei 4,4 (±4,8) Jahren bzw.
bei 4,9 (±4,8) Jahren bei alleiniger Berücksichtigung der Patienten, die ein Prodrom schilderten (89,5%); die DUP betrug durchschnittlich 1,6 (±2,5) Jahre.
Abb. 6:
Frühverlauf schizophrener Erstepisoden nach Ergebnissen der Mannheimer
ABC-Studie (modifiziert nach Häfner et al., 1995)
Bei Männern begann die prodromale Phase analog zu der Erstmanifestation im Schnitt
drei bis vier Jahre früher als bei Frauen (s. Abb. 7); bei 77% aller Fälle setzte die Symptomatik vor dem dreißigsten Lebensjahr ein, in 4% sogar vor dem zehnten Lebensjahr.
Als am häufigsten selbst wahrgenommene unspezifische erste Anzeichen der Störung
19
fanden sich in der ABC-Studie in durchschnittlich 20% der Fälle Konzentrations- und subjektive Denkstörungen, Antriebsverlust und Verlangsamung, Misstrauen und sozialer
Rückzug sowie Angst im Sinne einer Veränderung gegenüber der prämorbiden Phase
(Häfner et al., 1995).
Abb. 7:
Geschlechtsunterschiede im Frühverlauf schizophrener Erstepisoden nach Ergebnissen der Mannheimer ABC-Studie (modifiziert nach Häfner et al., 1992)
Doch nicht nur der im Durchschnitt fünf Jahren währende Zeitraum der Prodromalphase
legte den Fokus auf den Frühverlauf, sondern auch die im Rahmen der ABC-Studie eruierten Ergebnisse, dass im Mittel zwei bis vier Jahre vor Erstaufnahme und mehr als ein
Jahr vor dem ersten Auftreten eines psychotischen Positivsymptoms, also bereits in der
Prodromalphase, der soziale Abstieg der erst später als schizophreniekrank diagnostizierten Menschen beginnt (Häfner, 1996; Häfner et al., 1996; s. Abb. 8).
Da die Schizophrenie eine Erkrankung des jungen Erwachsenenalters ist und in diese
Zeit die Hauptperiode des sozialen Aufstiegs und der Konsolidierung der persönlichen
Lebenssituation fällt, ist das Risiko des Beginns sozialer Folgen bereits in der Prodromalphase sehr hoch. Bei erkrankten Männern zeigte sich im Vergleich zu Frauen ein sozial eher ungünstigerer Verlauf im Vorfeld der Ersthospitalisation (Biehl et al., 1986; Salokangas et al., 1987; Shepherd et al., 1989). So fand sich zum Beispiel eine signifikant erhöhte Prävalenz von Alkohol- und Substanzmissbrauch bei Männern in der Krankheitspe-
20
riode vor Erstaufnahme. Der ungünstigere Verlauf bei Männern lässt sich aber auch auf
den im Vergleich zu Frauen früheren Beginn der Schizophrenie und die dadurch bedingten drastischeren Einbrüche in der sozialen Entwicklung sowie auf das möglicherweise
dadurch ebenfalls mit bedingte sozial negativere Krankheitsverhalten der Männer zurückführen (Häfner et al., 1998). Eine frühe Behandlung bereits im Prodromalstadium der
Psychose ist daher heute neben dem Präventionsaspekt auch mit der Hoffnung auf eine
positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch eine Vermeidung bzw. Reduzierung
sozialer Defizite und ein Hinauszögern der psychotischen Dekompensation verbunden
(Häfner et al., 1995).
Abb. 8:
2.4.1
Beginn sozialer Defizite vor der ersten stationären Aufnahme wegen einer schizophrenen Psychose nach Ergebnissen der Mannheimer ABC-Studie (modifiziert nach
Häfner et al., 1996) Die IRAOS-Items korrespondieren mit dem ,Disability Assessment Schedule’ (DAS)
Das Prodrom
Der Begriff ,Prodrom’ leitet sich von dem griechischen Wort ,prodromos’ her und bezeichnet den Vorläufer eines Ereignisses (Fava & Kellner, 1991). In der Medizin sind damit Symptome in der Frühphase einer Krankheit gemeint. So gehen einer Reihe von viralen oder bakteriellen Infektionskrankheiten, zum Beispiel den Masern, häufige, jedoch
21
nicht zwangsläufig vorhandene Symptome voraus, bevor es letztendlich zu den charakteristischen Hauteffloreszenzen kommt. Bei Masern etwa wäre ein drei bis fünf Tage dauerndes Prodromalstadium mit Symptomen wie Rhinitis, Konjunktivitis oder Bronchitis typisch (Pschyrembel, 1998).
Bei psychiatrischen Krankheitsbildern, insbesondere der Schizophrenie, beschreibt das
Prodrom einen ganz ähnlichen Sachverhalt. Auch hier gehen die prodromalen Symptome
der eigentlichen, als schizophren diagnostizierbaren psychotischen Erstmanifestation
voraus, um dann nach einer Dauer von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren kontinuierlich in die psychotische Erstmanifestation überzugehen. Der Begriff des Prodroms in
der Schizophrenie- bzw. Psychoseforschung bezieht sich somit auf die Zeitspanne, in der
der Patient bereits präpsychotische Störungen entwickelt hat, welche Veränderungen zu
prämorbiden Persönlichkeitszügen und Verhaltensweisen darstellen. Das Erkennen
prodromaler Symptomprofile vor psychotischen Erst- und Remanifestationen könnte,
wenn diese uncharakteristischen Vorläufersyndrome als solche erkannt werden, eine frühe Behandlung vor Entwicklung einer produktiv-psychotischen Exazerbation ermöglichen
(Gross et al., 1992). Zudem könnte es gerechtfertigt sein,
„falls ein Prodrom als typisch und spezifisch für eine Schizophrenie angesehen und
zuverlässig beschrieben werden kann und es sich von einem Vorstadium anderer
psychiatrischer Störungen oder von einem nicht-krankhaften Zustand eindeutig unterscheidet, […] so ein Prodrom zu den operationalen Kriterien für eine Schizophrenie zu zählen“ (WHO, 1993, S. 23).
Mit diesem Fokus auf Präventionsmöglichkeiten vollzieht die Psychiatrie Entwicklungen
nach, wie sie beispielsweise in der Inneren Medizin im Rahmen der Früherkennung von
Malignomen oder kardiovaskulären Erkrankungen schon vor Jahren etabliert wurden. Der
Grund für das verzögerte Aufgreifen des präventiven Ansatzes in der Psychiatrie, insbesondere der Schizophrenieforschung, ist vor allem in der Tatsache zu sehen, dass die
Anzeichen der beginnenden schizophrenen Erkrankung lange Zeit als sehr unspezifisch
angesehen wurden und zudem eine große interindividuelle Varianz aufweisen.
Die Schwierigkeit des prospektiven Gebrauchs des in seiner Konzeption retrospektiven
Prodrombegriffs liegt nun darin, dass aus einer Vielzahl der vorhandenen potentiell
prodromalen Symptomen nicht zwangsläufig die Entwicklung einer manifesten Schizophrenie folgen muss. So ist bislang aus prospektiver Sicht nicht sicher zu sagen, ob eine
Person mit Anzeichen einer psychischen Störung, die sich häufig im Vorfeld einer schizophrenen Erstepisode finden, in eine Psychose übergeht oder nicht; und selbst bei Patienten mit einer bekannten Schizophrenie lässt sich nicht sicher prognostizieren, ob für
22
sie typische präpsychotische Symptome letztlich zu einem Rückfall führen oder nicht
(Herz & Lamberti, 1995).
Zur Vermeidung der mit der retrospektiven Begriffsdefinition verbundenen Schwierigkeiten wurden inzwischen einige Alternativtermini vorgeschlagen, etwa ,early signs’ (Birchwood et al., 1989), ,early symptoms’ (Chapman, 1966), ,precursor syndrome’ (Eaton et
al., 1995), ,at-risk mental state’ (McGorry & Singh, 1995) oder auch ,Ultra-High Risk’
(UHR; Phillips et al., 2000). Der Begriff des ,ultra-hohen Risikos’ (UHR) erschien besonders treffend, da hierdurch das individuell unterschiedliche Risiko für die Entwicklung einer Psychose zum Zeitpunkt der Erfassung hervorgehoben und nicht ausnahmslos der
Übergang in eine manifeste Erkrankung prädiziert wird (Yung & McGorry, 1997).
Von Prodromen bzw. Vorläufersyndromen abzugrenzen sind zudem die sogenannten
,Vorpostensyndrome’, mit denen sich Huber (1966) und Gross (1969) intensiv beschäftigten. Hiernach geht dem initialen Prodrom einer manifesten Erstepisode nicht selten phasenhaft abgegrenzte und wenige Tage bis zu Jahren anhaltende, spontan und vollständig
remittierende Vorpostensyndrome voraus, wobei der Zeitabstand zwischen Vorpostensyndrom und Prodrom extrem variieren kann. In ihrer Symptomatik unterscheiden sich
Vorpostensyndrome nicht von den kontinuierlich in die Psychose einmündenden initialen
Prodromen und können auch bei später akut einsetzenden Psychosen ohne eigentliches
Prodrom vorkommen.
2.4.2
Initiales und Rezidivprodrom
Im angloamerikanischen Raum wurde der Begriff Prodrom von einigen Forschern auch
verwendet, um das bereits durch unspezifische Beschwerden gekennzeichnete Intervall
vor einem schizophrenen Rezidiv bei Patienten mit einer bekannten psychotischen Erkrankung zu charakterisieren (Birchwood et al., 1989; Herz & Melville, 1980; Malla &
Norman, 1994). Da davon ausgegangen wird, dass kein prinzipieller Unterschied zwischen initialem und Rückfallprodrom besteht (Cutting, 1985; Docherty et al., 1978; Johannessen et al., 2001; Keith & Matthews, 1991), können die Ergebnisse der Rückfallforschung bedingt auch auf das Prodrom einer schizophrenen Erstmanifestation übertragen
werden, wobei empirische Untersuchungen, die das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen initialem und Rezidivprodrom in Einzelfällen untersuchen, bislang noch ausstehen.
Yung und McGorry (1996) haben bereits früh einen Unterschied zwischen beiden Formen
recht klar herausgestellt: Prodrome eines psychotischen Rezidivs sind mit einer durchschnittlichen Dauer von einigen Wochen erheblich kürzer als das initiale Prodrom einer
23
Psychose, das bis zu Jahrzehnten andauern kann. Ursache für diesen wichtigen und
prägnanten Unterschied kann zum einen eine erhöhte Vulnerabilität für eine psychotische
Dekompensation nach der ersten Episode sein, zum anderen kann auch ein erniedrigter
Schwellenwert nach dem Beginn einer psychotischen Störung die Manifestation von
Symptomen begünstigen (Yung & McGorry, 1996a,b).
In diversen, zumeist retrospektiven Untersuchungen nannten Patienten als auch Angehörige als häufigste Frühwarnzeichen eines Rückfalls schizophrenieunspezifische Symptome wie Nervosität, Unruhe, Verstimmung, Anhedonie, Konzentrations-, Schlaf- und Appetitstörungen (etwa Wiedemann et al., 1994). Da die Erkrankung bei diesem Personenkreis jedoch bereits bekannt ist, stellt hierbei die Unspezifität der Symptome im Gegensatz zur Erfassung des initiales Prodroms ein vernachlässigbares Problem dar und muss
daher auch nicht bei der Konstruktion von Skalen zur Erfassung potentieller Rückfallprodrome berücksichtigt werden. Die bekanntesten speziellen Fragebögen oder strukturierten Interviews hierfür sind der ,Early Signs Questionnaire’ (Herz et al., 1982), die
,Early Signs Scale’ (Birchwood et al., 1989) oder die ,Idiosyncratic Prodromal Scale’
(Marder et al., 1991). Einer Vielzahl von Untersuchungen mit diesen Skalen ergaben jedoch für diese bzw. die hierin aufgenommenen Symptome nur eine geringe Sensitivität,
das heißt ein geringes Auftreten während des Rezidivprodroms bei Patienten mit späterem Rückfall, und mäßige Spezifität hinsichtlich eines psychotischen Rückfalls, das heißt
vielfach ein positives Ergebnis bei Patienten, die keinen Rückfall erlitten (Birchwood et
al., 1989; Gaebel et al., 1993; Hirsch & Jolley, 1989; Malla & Norman, 1994; Marder et
al., 1991, 1994; Tarrier et al., 1991).
Viele der im Vorfeld von Rückfällen geschilderten unspezifischen Symptome wurden ebenfalls als häufige Symptome des initialen Prodroms in retrospektiven Untersuchungen
an Patienten mit einer schizophrenen Erstepisode berichtet (s. Tab. 1).
24
Tab. 1:
Prodromalsymptome schizophrener Erkrankungen (nach einer Literaturübersicht von
Yung & McGorry, 1996b)
Symptombereich
Symptom
Neurotisch anmutende Ängstlichkeit *; Unruhe; erhöhte Reizbarkeit; erhöhte Irritierbarkeit *
Symptome
Affektbezogene
Symptome
Veränderung
Willensstärke
Kognitive
Denkstörungen
depressive Stimmungslage *; Anhedonie; Schuldgefühle; Misstrauen
*; suizidale Gedanken; Stimmungsschwankungen; allgemeinere Affektveränderungen
der Apathie; Verlust des Antriebs und der Motivation *; Gefühle von
Langeweile und Verlust von Interessen; Müdigkeit und Verlust von
Energie *
Aufmerksamkeitsstörungen *; Konzentrationsstörungen *; vermehrte
gedankliche Beschäftigung mit einem Thema; vermehrte Tagträume;
reduziertes Abstraktionsvermögen (Konkretismus); Denkblockaden
Körperliche Symptome somatische Beschwerden; Gewichtsverlust; Appetitlosigkeit; Schlafstörungen *
Andere Symptome
zwanghafte Phänomene; dissoziative Phänomene; erhöhte interpersonelle Beeindruckbarkeit und Empfindsamkeit; Veränderungen in
der Wahrnehmung der eigenen Person, anderer Personen und/oder
der Welt im allgemeinen; motorische Störungen; Sprachstörungen;
Wahrnehmungsstörungen
Beobachtbare
Einbrüche in der Bewältigung von schulisch-beruflichen AnforderunVerhaltensänderungen gen und in der sozialen Rollenanpassung *; sozialer Rückzug *; impulsives Verhalten; ungewöhnliches, bizarres Verhalten; aggressives, störendes Verhalten
* am häufigsten beschriebene Symptome in retrospektiven Erstepisoden-Studien
Die bis etwa Mitte der 90er Jahre rein retrospektive Erfassung des initialen Prodroms
brachte jedoch auch methodologische Probleme mit sich. Diese betreffen zum Beispiel
die Standardisierbarkeit und reliable retrospektive Erfassung subtiler prodromaler Symptome nach der ersten Manifestation der akuten Erkrankung. Dafür verantwortlich werden
in erster Linie Gedächtniseffekte gemacht (Markowitsch, 1994); so wird argumentiert,
dass es zu immer ungenaueren Informationen, wie etwa Über- oder Untertreibungen,
kommen könne, je länger der erfragte Zeitraum zurückliegt. (Hurst, 1979). Folglich sei
grundsätzlich darauf zu achten, dass die Anamnese und Untersuchung schizophrener
Patienten zeitnah nach Ausbruch der Erkrankung einsetze, jedoch nach Abklingen der
psychotischen Symptome erfolge (Fava et al., 1981).
25
2.4.3
Erfassung des initialen Prodroms
Heute kommt der Untersuchung des initialen Prodroms vor Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose immer größere Bedeutung zu. Neben dem Spezifitätsproblem ist
hierbei die grundlegende Frage zu klären, durch welche Zeitspanne ein initiales Prodrom
zu definieren ist. Die Wahl der hierfür herangezogenen Kriterien, die Anfang und Ende
des Prodroms bestimmen, gibt dem Untersucher große Einflussmöglichkeiten, wie Abbil-
Dysfunktionalität / Symptomschwere
dung 9 verdeutlicht.
erste Behandlung wegen einer Psychose
erste selbst wahrgenommene
psychotische
Symptome
erste selbst wahrgenommene
Veränderungen
erste von Bezugsper-
Prodromdauer nach
Selbstschilderung des
Patienten
Prodromdauer nach
Schilderung von
Bezugspersonen
sonen bemerkte
psychotische Symptome
erste von Bezugspersonen bemerkte Veränderungen
Zeit
Abb. 9:
Zeitpunkte der selbst- oder fremdbeobachtete Veränderungen bei der Entwicklung
einer Psychose (modifiziert nach Yung & McGorry, 1996b)
In Abbildung 9 bezeichnet der früheste Punkt (Punkt 1) die ersten vom Patienten selbst
bemerkten subtilen Veränderungen. So kann für den Patienten zum Beispiel eine im Vergleich zu früher erhöhte Stressintoleranz im Vordergrund stehen oder aber eine eher depressiv gefärbte Stimmung oder Antriebslosigkeit. Darauf folgend beschreibt der nächste
Punkt (Punkt 2) die ersten von der Umwelt bemerkten Veränderungen im Verhalten des
Patienten. So können nicht zur Primärpersönlichkeit gehörende Handlungsweisen, wie
zum Beispiel übermäßiges Geldausgeben oder erhöhte Reizbarkeit für Familie und
Freunde auffällig werden. Auf der dritten Stufe (Punkt 3) kommt es zu ersten vom Patienten bemerkten eindeutig psychotischen Veränderungen, etwa akustischen Halluzinationen oder Ich-Störungen. Beim nächsten Punkt (Punkt 4) kommen noch die ersten von
der Umwelt bemerkten eindeutig psychotischen Veränderungen hinzu. Dies kann sich
26
zum Beispiel in wachsendem Misstrauen gegenüber der Familie aufgrund der Angst äußern, sie könne die Gedanken des Patienten lesen. Der letzte Punkt zeigt schließlich die
erste psychiatrische Intervention auf, wie zum Beispiel die erste stationäre Behandlung.
Dieser Therapiebeginn ist meist auch der einzige wirklich eindeutige Zeitpunkt während
der Entwicklung einer Erstmanifestation.
Krankheitssymptome können aber nur dann als Prodrom gelten, wenn sie gemäß der ursprünglichen Wortbedeutung des Begriffes Prodrom vor den definitiv psychotischen Symptomen einsetzen. Somit scheiden die Punkte 3 und 4 eindeutig aus, wenn es darum
geht das Prodrom zeitlich zu definieren. Sie können aber wohl als „the offset of the
prodrom and onset of psychosis“ (Yung & McGorry, 1996b, S. 355) bezeichnet werden.
Die zeitliche Definition des Prodroms ist also zwischen den Punkten 1 und 3 oder den
Punkten 2 und 4 anzusetzen, je nachdem ob die Angaben des Patienten oder der Angehörigen im Vordergrund stehen (Yung & McGorry, 1996b).
2.4.4
Modelle zum Frühverlauf
2.4.4.1 Verlaufsmodelle und Beschreibungen vor 1980
2.4.4.1.1 H. S. Sullivan
Eine der ersten speziellen Abhandlungen über ,The Onset of Schizophrenia’ wurde 1927
im Zuge einer Studie zur schizophrenen Motivation von dem amerikanischen Psychoanalytiker Harry Stack Sullivan verfasst. Darin rückte er den bis dato kaum beachteten
präpsychotischen Zeitraum in den Mittelpunkt des Interesses und brachte sein Anliegen
mit folgendem Satz auf den Punkt: „The psychiatrist sees too many end states and deals
professionally with too few of the pre-psychotic” (Sullivan, 1927, S. 135). Als typische
Symptome in Vorfeld einer Psychose beschrieb Sullivan psychoneurotisches Verhalten,
wie etwa ausgeprägte zwanghafte Handlungsweisen oder das hysterische Gefühl des
Nicht-in-der-Lage-sein-Könnens bis hin zu neurasthenischem Verhalten. Auch affektive
und kognitive Einbußen, wie etwa eine gedankliche Verstrickung in Zweifel und Skrupel,
sowie zunehmende Angstzustände bis hin zu Panikattacken seien zu Beginn der Psychose anzutreffen. Sullivan ging davon aus, dass die Störungen einer beginnenden Schizophrenie erst spät in Erscheinung träten. Der psychoanalytischen Tradition verhaftet
wehrte er sich gegen die dominierende wissenschaftliche Meinung, dass die Schizophrenie ein unabwendbares Schicksal sei, das seit Geburt prädisponierte Menschen befiele.
Auch die bis dahin gängige Aufteilung in eine rein psychoneurotische, eine rein psycho-
27
pathologische und eine rein psychotische Entität bewertete Sullivan als eine zu statische
Betrachtungsweise, die den dynamischen Aspekt der Erkrankung ignoriere.
Einen Schwerpunkt legte Sullivan (1927) auf interpersonelle Faktoren, die die wirksamen
Elemente bei der Behandlung von Schizophrenie seien. Aus seiner Beobachtung etwa,
dass diese Störung nicht Menschen mit einer befriedigenden Einstellung gegenüber einem Sexualobjekt beträfe, leitete er diese Einstellung als einen protektiven Faktor ab. Die
Wichtigkeit interpersoneller Faktoren betonend schrieb er zwei Jahre später unter dem Titel ,Research of Schizophrenia’:
„Es ist für die Lösung des Schizophrenieproblems wie für die Erhellung vieler sozialer Schwierigkeiten unbedingt erforderlich, die Entstehung und die Eigenart der
Selbstachtung und vergleichbarer Erlebensarten zu verstehen, die zu diesem Zusammenbrechen von Sicherheit führen können. Es gibt eine ganze Psychologie der
Panik, die noch nicht erforscht ist. Und es gibt eine ganze Menge vergleichbaren
Materials, das sich auf sozial nicht angepasste Menschen bezieht, Exzentriker und
ähnliche, das, obwohl von unmittelbarer Relevanz, noch nicht erforscht ist“ (Sullivan, 1929, S. 199; Übersetzung von R. Funk, 1995).
2.4.4.1.2 W. Mayer-Gross
Eine frühe Beschäftigung mit dem individuellen Vorfeld der psychotischen Erstmanifestation aufgrund klinischer Beobachtungen erfolgte auch durch Mayer-Gross (1932) in seinem Handbuch der Geisteskrankheiten. Dabei stellte er den kennzeichnenden Primärsymptomen eines schleichenden Beginns die uncharakteristischen Prodrome gegenüber.
Insgesamt war Mayer-Gross der Überzeugung, dass die Erkennung der Erkrankung in
dem Vorstadium, welches sich oft über eine lange Zeit hinziehen könne, die größten
Schwierigkeiten mache. Daher sei die Betrachtung des Verlaufs der Erkrankung von hoher Wichtigkeit, da dieser vor allem beim Einbruch der Erkrankung in die gesunde Persönlichkeit diagnostisch wichtige Merkmale liefere. Aus diesem Grunde maß MayerGross der Selbstwahrnehmung der ersten Krankheitszeichen durch die noch erhaltende
Persönlichkeit einen hohen Wert bei, um Einblicke in die Symptomatologie zu erhalten.
Die Frage, warum von dem eindrucksvollen Erlebnis der Selbstwahrnehmung so wenig
Gebrauch gemacht würde, erklärte sich Mayer-Gross mit der Annahme, dass diese Stadien des chronischen Beginns dem Fachmann nur selten vor Augen kämen, da sie sich
oft der Fremd- und Selbstbeobachtung entziehen oder wegen ihrer anscheinenden Geringfügigkeit nicht beachtet würden. Da Mayer-Gross jedoch im Rahmen seiner klinischen
28
Beobachtungen immer wieder auf Menschen traf, die das Einsetzen der Störung bei sich
auch nachträglich noch gut schildern konnten, war er sich sicher, dass gerade in der Analyse des Beginns die kennzeichnenden Symptome unverfälscht und rein zu erfassen seien (Mayer-Gross, 1932).
Zu den kennzeichnenden Primärsymptomen der Schizophrenie im schleichenden Verlauf
zählte Mayer-Gross die Denkstörung, die mit einer Konzentrationserschwerung beginnend zu einer ausgebildeten Zerfahrenheit und Gedankenleere führen könne und auch
die gedankliche Flüchtigkeit, Unabgeschlossenheit und fehlende Spannweite des intentionalen Bogens beinhaltet. Ein weiteres Primärsymptom sei der unter eine Impulsstörung
fallende Aktivitätsnachlass des Patienten, der ggf. objektiv beobachtet werden könne, vor
allem aber subjektiv erlebt werde. Neben dieser ,Hypofunktion’ könne es auch zu einer
,Hyperfunktion’, einer Impulsvermehrung, kommen. Als drittes führendes Symptom sah
Mayer-Gross eine Störung des Gefühlslebens an, im Sinne einer Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Unfähigkeit könne sich in zweierlei Richtung
auswirken: einmal als generelle Erkaltung der Sympathiegefühle, zum anderen im Rahmen einer wahnhaften Eigenbeziehung. Aufgrund der weiten Verbreitung und der von
Patienten geschilderten Gleichförmigkeit könne davon ausgegangen werden, dass der
Beziehungswahn a priori ein kennzeichnendes Primärsymptom der Schizophrenie darstelle. Die Schwierigkeit im Erkennen dieser Primärsymptome sah Mayer-Gross (1932)
darin, dass in den meisten Fällen mehrere dieser Erscheinungen gemeinsam aufträten
und jedes einzelne vom klinischen Gesamtbild nicht immer zu differenzieren sei.
Als letztes Primärsymptom wurden von Mayer-Gross (1932) andere Störungen der Affektivität zusammengefasst, welche in ihrer klinischen Bedeutung unentbehrlich seien, da
sie bei der Erkennung der uncharakteristischen, scheinbar psychopathischen Vorboten,
der Prodrome, aufträten. Neben depressiven und manischen Prodromen, bei denen affektive Regungen inadäquat erschienen, zeigten auch reaktiv-psychopathische Prodrome
Vorbotencharakter, welche sich durch Klagen ohne gefühlsmäßiges Mitschwingen, sowie
völlig unbeeinflussbares, hypochondrisches Selbstmitleid auszeichnen. Ebenfalls initial
vorhandene hysterische Einzelsymptome und Zwangsphänomene seien ungemein häufig, wobei gerade letztere im Sinne von Zwangsgedanken als Vorboten von Wahngedanken vorkämen (Mayer-Gross, 1932).
Neben den klar umrissenen Symptomen des akuten Beginns der schizophrenen Erkrankung, wie etwa den Sinnesanomalien, den psychomotorischen Störungen und Automatismen, sowie den primären Wahnerlebnissen, räumte Mayer-Gross (1932) den vorläufigen und schwankenden Charakter des Prodrombegriffs ein, mit der Hoffnung verbunden,
29
dass, je weiter die psychophysiologischen Kenntnisse in Zukunft fortschritten, um so klarer auch die noch unspezifischen Symptome erscheinen würden.
2.4.4.1.3 E. Cameron
Als ein weiterer wichtiger früher Vertreter der Früherkennungsforschung gilt ferner der
Kanadier Ewen Cameron, der in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts die Frühphase der Schizophrenie in der Fremdwahrnehmung untersuchte (Cameron, 1938a,b). Er
befragte Angehörige und Freunde eines Kollektivs aus 100 Patienten, die erstmals stationär wegen einer Schizophrenie behandelt wurden, nach den frühesten Veränderungen
im Verhalten des jeweiligen Patienten (Cameron, 1938a). Für 83 Patienten wurden hierbei unspezifische Symptome vor Einsetzen der typischen psychotischen Symptome berichtetet, die über einen Zeitraum von Wochen bis hin zu Jahren andauern konnten. Diese fremdbeobachteten Symptome unterteilte Cameron in zwei Hauptgruppen, wobei er –
ähnlich wie im Falle der von Mayer-Gross (1932) beschriebenen ebenfalls der Fremdbeobachtung gut zugänglichen Impulsstörungen – eine durch eine Unterfunktion (hypofunction), die andere durch eine Überfunktion (hyperfunction) geprägt sah. Für die erste
Gruppe wurden vorherrschend Antriebsschwäche, depressive Verstimmung, vermehrte
Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten berichtet. Als Folge kam es zu sozialer Zurückgezogenheit mit Verlust von Interessen und dem Bruch von Freundschaften. In der
zweiten Gruppe dominierten vermehrte Nervosität und Ungeduld, aber auch Schlaflosigkeit verbunden mit Albträumen bis hin zu Wutanfällen. Häufig wurden körperliche Beschwerden bis hin zu hypochondrischen Wahnerleben berichtet (s. Tab. 2). Hinsichtlich
des zeitlichen Verlaufs stellte Cameron fest, dass Symptome einer verminderten Aktivität
(hypofunction) früher einzusetzen schienen als Symptome einer Aktivitätssteigerung (hyperfunction). Von besonderer Bedeutung waren für ihn vier Prodromalsymptome: ein
Rückzugsverhalten, eine verminderte Leistungsfähigkeit, eine emotionale Abstumpfung
und eine erst im späteren Frühverlauf einsetzende Tendenz zu situativen Fehleinschätzungen mit beginnendem wahnhaften Erleben (Cameron, 1938b).
30
Tab. 2:
Unspezifische Symptomunterteilung in der Frühphase der Schizophrenie
(nach Cameron, 1938a)
,hypofunction’
,hyperfunction’
Rückzugsverhalten
Nervosität
Tagträume
Schlaflosigkeit
Gedankliche Abwesenheit
Beunruhigende Ahnung
Verlust von Freunden
Albträume
Irritierbarkeit
Hypochondrie
Interessensverlust
Körperliche Beschwerden
Niedergeschlagenheit
Gereiztheit
Antriebslosigkeit
Ungeduld
Konzentrationsschwäche
Wutanfälle
Müdigkeit
Nörgelei
Appetitlosigkeit
Prinzipienreiterei
Auch bei den frühen Schizophrenie-typischen Symptomen, die von Patient zu Patient
weniger stark variierten als die Schizophrenie-untypischen prodromalen Symptome unterschied Cameron (1938a) zwei Gruppen. In der ersten Gruppe waren die Symptome
eher wahnhaft-halluzinatorischer Natur und wurden vor allem durch Äußerungen des Patienten für den Angehörigen bzw. Freund deutlich, etwa Beobachtungs- und Beziehungserleben, Vergiftungsängste, paranoide Schuld- oder Versündigungsideen sowie diese
Wahnideen stützende Halluzinationen. Die zweite Gruppe war charakterisiert durch abnorme körperliche Wahrnehmungen, wie etwa Schwindel- oder Taubheitsgefühle, Derealisationserleben oder dem Gefühl, innere Organe seien nicht am richtigen Platz. Hinzu
traten psychosomatische Verhaltensauffälligkeiten wie Schrei-, Lach- oder Wutanfälle
sowie die Weigerung, zu essen, zu reden oder sich zu bewegen. Auch diese typischen
Symptome schwankten in der Dauer und lagen vor der Hospitalisierung bereits für Tage
oder Monate vor, in einigen Einzelfällen sogar für Jahre (Cameron, 1938a). Insgesamt
kam Cameron (1938b) für die Schizophrenie zu dem Schluss, „…that most patients suffering from this disorder are brought to hospitals at an astonishingly late stage“ (S. 221)
und plädierte für die Förderung einer früheren Erkennung der Krankheit auch in ihren frühen Stadien durch Hausärzte und einen damit verbundenen früheren Behandlungsbeginn.
31
2.4.4.1.4 K. Conrad
Eine der wenigen frühen empirischen retrospektiven Arbeiten über den Frühverlauf der
Schizophrenie aus dem Jahr 1958 wurde von Klaus Conrad durchgeführt, der damit als
erster ein empirisch begründetes Stadienmodell des Frühverlaufs entwickelte (s. Abb.
10).
Abb. 10: Stadienmodell von Conrad
Diese phänomenologische Beschreibung des Krankheitsbeginns basierte auf der Untersuchung von 107 jungen Soldaten, die während der Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges psychotisch dekompensiert waren, und wurde 1958 als Monographie mit dem Titel
,Die beginnende Schizophrenie’ (Conrad, 1958) veröffentlicht. Conrad postulierte hierin
32
als erste Stufe der Krankheitsentwicklung ein initiales ,Lampenfieber’ (Trema) mit Depressivität, Ängsten und Schulderleben, das in einer Wahnstimmung mit dem Eindruck
einer existenziell bedrohlichen Umweltveränderung kulminiere, woran sich in der
,Apophänie’ das wahnhafte Bewusstwerden der Bedeutung dieser Veränderungserlebnisse anschlösse, welches schließlich in der ,Apokalypse’ in psychotisches Verhalten,
etwa in Form katatoner Symptome, mündete (s. Abb. 10).
Wegen der damaligen Zeitumstände und der hoch selektierten Untersuchungsgruppe
lassen sich Conrads Ergebnisse jedoch nicht ohne Einschränkung generalisieren. Eine
Replikation seines Stadienmodells anhand der Daten der retrospektiven ,Age-BeginningCourse’ (ABC)-Studie (vgl. Kapitel 2.4) zum Frühverlauf schizophrener Erstmanifestationen in den 80iger Jahren des 20. Jh. gelang nicht (Schultze-Lutter et al., 2002).
2.4.4.1.5 A. Meares
Auch der australische Psychiater A. Meares beschäftigte sich in den 50er Jahren mit der
Diagnose und dem Verlauf vor allem der präpsychotischen Schizophrenie. Als besonders
wichtig betrachtete auch er das möglichst frühe Einsetzen der Behandlung schon vor Beginn der Erkrankung: „The thought must come to all of us – if only the patient had been
brought to consultation earlier, we might have been able, […], to ward off the illness without the development of psychosis, without the stigma of insanity …” (Meares, 1959, S.
55).
Meares beobachtete bei den Patienten im Frühverlauf der Schizophrenie Veränderungen
im Bereich des Affekts, der Kognition und des Verhaltens. So bezeichnete er als typisch
affektive Symptome einen im Vergleich zur prämorbiden Persönlichkeit gesteigerten inneren Rückzug, eine unbegründbare Ängstlichkeit, unangebrachte emotionale Reaktionsweisen und eine Veränderung der Stimmungslage mit depressiver oder auch euphorischer Ausrichtung. Gedankliche Veränderungen beobachtete Meares in vielfältigen Ausprägungen; so seien für die Frühphase der Schizophrenie symbolisches, überabstraktes,
aber auch sehr wortgetreues, konkretistisches Denken typisch, so dass die Patienten
häufig in Rätseln sprächen oder den tieferen Sinn von Gesprochenem nicht verstünden.
Diese bizarr anmutenden Denkweisen könnten manchmal sogar soweit gehen, dass daraus Vorstufen zum wahnhaften Denken resultierten, die Meares als ,predelusional thinking’ bezeichnete. Weiterhin komme es vielfach zu einer Umgewichtung inhaltlicher
Denkweisen, etwa zu einer Aufwertung von religiösen und politischen Überzeugungen
oder einer Fokussierung auf biologische Ereignisse, so dass etwa eine übermäßige Be-
33
schäftigung mit Leben und Tod in den Mittelpunkt der Gedanken träte. Gleichzeitig führe
dies zu einer Abwertung der Realität mit zunehmenden Schwierigkeiten, sich im Alltag
zurechtzufinden. Auch Änderungen im Verhalten im Vergleich zur gesunden Zeit seien
häufig zu beobachten. So könnten sowohl eine gesteigerte als auch eine verminderte
Introversion im Vergleich zu früher auffällig sein, wenn sich etwa vom Primärcharakter
her eher schüchterne Menschen plötzlich exaltiert und egozentrisch verhielten oder vice
versa. Des Weiteren könne es auch zu einem Verlust von Anständigkeit und Schicklichkeit kommen, zum Beispiel im äußeren Erscheinungsbild, und zur Entwicklung von eigentümlichen Freizeitbeschäftigungen und Angewohnheiten. Dabei legte Meares größeren
Wert auf die Ausprägung und Stärke der einzelnen Symptome im Vorfeld der Schizophrenie als auf die Symptome selbst. Außerdem, so betonte er, seien alle Veränderungen immer in Bezug zur Gesamtpersönlichkeit zu setzen und stünden niemals für sich alleine. Die richtige Frühdiagnose vor Einsetzen der Psychose betrachtete Meares als den
ersten Schritt, diese „Geißel der Menschheit“ zu verringern (Meares, 1959, S. 58).
2.4.4.1.6 J. Chapman
Als richtungweisender Vertreter einer wissenschaftlichen Strömung, die nicht eine Entwicklung von unspezifischen über zunehmend spezifischeren prodromalen Symptomen
bis hin zu psychotischen postuliert, sondern spezifische prodromale Symptome zu Beginn der Erkrankung sieht, auf deren Basis sich erst unspezifische Symptome entwickeln,
ist James Chapman anzusehen (Chapman, 1966; McGhie & Chapman, 1961). In seinem
Übergangsmodel stehen frühe spezifische, meist im subjektiven Erleben verbleibende,
Hubers Basissymptomen (vgl. Kap. 2.4.4.1.7) phänomenologisch nahe stehende Veränderungen im Vordergrund (vgl. Tab. 3, Kap. 2.4.4.1.8), die ihrerseits unspezifische neurotische Symptome hervorrufen, bevor es im späteren Verlauf zur psychotischen Dekompensation komme (s. Abb. 11). Chapman (1966) interviewte 40 Patienten mit bekannter
Schizophrenie zu den selbst wahrgenommenen Frühsymptomen ihrer Erkrankung. Dabei
fand er vor allem Beschwerdeschilderungen in folgenden Bereichen:
1.) Störungen der Aufmerksamkeit als eines der am häufigsten geschilderten Symptome. Der Patient hat Schwierigkeiten unwichtige, ihn nicht betreffende Informationen
im alltäglichen Leben heraus zu filtern und zu ignorieren. Er fühlt sich überwältigt von
der Fülle an Informationen, was in eine totale Zerrüttung der Aufmerksamkeit mündet.
34
2.) Störungen der Wahrnehmung, die vor allem Abweichungen in der visuellen Wahrnehmung beinhalten. So werden etwa Dinge in der Größe, Form, Farbe oder Helligkeit vom Patienten verändert wahrgenommen.
3.) Blockierungsphänomene in Form plötzlicher Unterbrechungen in der Aufmerksamkeit, in Denkprozessen, bei Gedächtnis- oder Sprachprozessen. Dieser Symptombereich wurde von Chapman (1966) als Folge der Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit zu
fokussieren, und seinerseits als mögliche Vorstufe von Bewusstseinsstörungen angesehen.
4.) Störungen der expressiven und rezeptiven Sprache in Form von Schwierigkeiten in
der verbalen Ausdrucksfähigkeit, zum Beispiel Wortfindungsstörungen oder Probleme, Gesprochenes richtig zu verstehen und einzuordnen.
5.) Störungen der Motorik beinhalten einen Verlust im flüssigen Ablauf von Bewegung
und Koordination. Dies sei oft Folge von visuellen oder akustischen Wahrnehmungsveränderungen, welche eine gehemmte Motorik nach sich zögen, da „Motility and
perceptions are intimately linked, motility being dependent upon the stability of the
perceptual field” (McGhie & Chapman, 1961, S. 107).
primäre spezifische Symptome
kognitive
Blockierungen
Aufmerksamkeitsstörungen
Wahrnehmungsstörungen
Störungen der
rezeptiven und
expressiven
Sprache
Motorische
Störungen
psychotische
Symptome
unspezifische, neurotisch
anmutende Symptome als
Reaktion auf die primären
spezifischen Symptome
Verhaltensveränderungen
Abb. 11: Übergangsmodell nach Chapman (1966); McGhie & Chapman (1961).
Direkter Übergang von spezifischen Prodromalsymptomen in schizophrene Erstepisode. Unspezifische Symptomatik als Folge des
Prodroms.
Tönung indiziert Anteil anderer primärer Prodromalsymptome an
der Entwicklung des entsprechenden Symptomkomplexes: hell = gering, dunkel = hoch.
35
2.4.4.1.7 G. Huber
Einen der am besten ausgearbeiteten Früherkennungsansätze stellt das in den 60er Jahren von Gerd Huber entwickelte Basissymptom-Konzept dar, welches in den folgenden
Jahrzehnten vor allem die deutsche Früherkennungsforschung maßgeblich beeinflusste
(Huber, 1966, 1968, 1983, 1986, 1995; Huber & Gross, 1989). Dieses Konzept wird im
Kern durch die so genannten ,Basissymptome’ gebildet (Süllwold & Huber, 1986). Dieser
Terminus technicus wurde ursprünglich von Huber geprägt und sollte die postulierte besondere Nähe dieser Beschwerden zum organischen Substrat bzw. den zugrunde liegenden organischen Prozessen zum Ausdruck bringen. Nach dieser Auffassung finden
die bei der Schizophrenie beteiligten hirnorganischen Abweichungen primär ihren psychopathologischen Ausdruck in Form feiner, selbst wahrnehmbarer Defizite – eben den
Basissymptomen. Erst sekundär kommt es hiernach bei Fortbestehen ungünstiger Lebensbedingungen und/oder Bewältigungsmechanismen durch normalpsychologische
Verarbeitung der Basissymptomatik zu produktiv psychotischen Symptomen, wie etwa
den von E. Bleuler definierten akzessorischen Symptomen (Huber, 1966; s. Abb. 12). In
der ursprünglichen Basissymptom-Konzeption werden die Basissymptome zudem phänomenologisch in drei Stufen bei der Entstehung einer schizophrenen Psychose unterteilt. Die neurotisch anmutenden Stufe-1-Basissymptome seien ihrem Wesen nach uncharakteristisch und kämen vereinzelt auch bei Gesunden vor. Daraus entwickelten sich
dann die schon leidlich charakteristischen Stufe-2-Basissymptome (Basissymptome im
engeren Sinne), die sich durch eine gewisse Eigentümlichkeit auszeichneten. Aus diesen
gingen dann – sofern es sich nicht um ein remittierendes Vorpostensyndrom, sondern um
eine Prodromalphase handele – die Stufe-3-Endphänomene mit florider psychotischer
Symptomatik hervor (Gross & Huber, 1989; s. Abb. 12). Übergänge zwischen verschiedenen Symptomstufen sind in beliebiger Richtung möglich und in Studien bereits entsprechend nachgewiesen worden (Klosterkötter, 1988). So kann es zu einer Umkehr von
der dritten Stufe über Stufe-2- und Stufe-1-Basissymptomen (sog. ,Postpsychotische reversible Basisstadien’) in die vollständige Remission kommen, so lange es in der akuten
Episode nicht zu einer „Strukturverformung mit Fixierung und Automatisierung“ (Gross &
Huber, 1989, S. 656) kommt (s. Abb. 12). Bleibt die Basissymptomatik im Anschluss an
eine Psychose bestehen, so entwickelt sich nach Gross & Huber (1989) ein irreversibles
reines Defizienzsyndrom bzw. ein reines Defektsyndrom.
36
Prodrom
dynamische Defizienzen, Erschöpfbarkeit,
Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsund Gedächtnisstörungen, sensorische Überempfindlichkeiten, Verschwommensehen,
Appetitlosigkeit, Libido- und Potenzverlust,
substanzbezogene Intoleranzen
Vorpostensyndrom
unspezifische ‘Stufe 1’-Basissymptome:
relativ charakteristische ‘Stufe 2’-Basissymptome:
Fixierung, Automatisierung
psychotische Endphänomene
(‘Stufe 3’)
Psychose
qualitativ eigenartige kognitive Denk-, Wahrnehmungs- und
Handlungsstörungen, Coenästhesien
Abb. 12: Entwicklungsmodell schizophrener Psychosen nach der ursprünglichen Basissymptom-Konzeption.
Die Beschreibung von Basissymptomen hatte ihren Ursprung in der Beobachtung von
Defizienzen, die sowohl Jahre oder Jahrzehnte vor der ersten akuten Episode als auch
im Vorfeld schizophrener Rezidive und, sogar postpsychotisch und intrapsychotisch bei
fluktuierender akut-psychotischer Symptomatik auftreten und von den Betroffenen selbst
wahrgenommen und retrospektiv berichtet werden können (Huber, 1997; Huber et al.,
1979, 1980). Diese Defizienzen betreffen milde, meist subklinische, aber nichtsdestotrotz
häufig starken Beschwerdedruck verursachende Selbstwahrnehmungen, die sich in Störungen des Antriebs, des Affekts, der Denk- und Sprachprozesse, der Wahrnehmung,
der Propriozeption, der Motorik und zentral-vegetativer Funktionen äußern, wie sie etwa
zeitgleich auch von Chapman (1966; vgl. Kap. 2.4.4.1.6) und etwas später von Varsamis
und Adamson (1971; vgl. Kap. 2.4.4.1.8) nach Auswertung der Schilderungen von Patienten über die Zeit vor der ersten psychotischen Episode zum Teil übereinstimmend beschrieben wurden (vgl. Tab. 3, Kap. 2.4.4.1.8).
Da Basissymptome mit objektiv messbaren neuropsychologischen Defizienzen und,
wenn auch weniger stark, mit der Intensität frontaler neurologischer Auffälligkeiten assoziiert sind (Cuesta et al., 1996; Klosterkötter et al., 1997a), können sie als Teil der subjektiv wahrgenommenen Vulnerabilität aufgefasst werden, und somit lassen sich das Basissymptom-Konzept und das Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell leicht miteinander
integrieren (s. Abb. 13). Dabei finden sich die Basissymptome zum einen als Teil der
psychometrisch erfassbaren persönlichen Vulnerabilitätsfaktoren wieder, zum anderen
37
können sie den Platz bei den von Nuechterlein nur grob definierten Prodromalsymptomen
einnehmen (Klosterkötter, 1996).
Vulnerabilitätsfaktoren
Limbischparalimbische
Substanzmängel
u.a. biologische
Anomalien
Experimentell
faßbare Aufmerksamkeits- und
Informationsverarbeitungsstörungen
Selbstwahrnehmbare
kognitiv-affektive
Störanfälligkeit
Basissymptome
Intermediäre “states”
Zusammenbruch der
normalpsychologischen
Informationsverarbeitung
Interaktion
Hirnfunktionelle,
elektrophysiologische,
neurobiochemische u.a.
Korrelate
“outcome”
Prodromale
Basissymptome
Manifeste
schizophrene
Psychose
Psychosoziale Faktoren
Kritische oder
emotional
überengagierte
signifikante
Andere
Bewältigungspotential,
Persönlichkeitsvoraussetzungen,
soziale
Umgebung
Alltagsstreß,
kritische
Lebensereignisse
Abb. 13: Die Entwicklung schizophrener Psychosen nach dem integrativen Ansatz von Basissymptom-Konzept und Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell (nach
Klosterkötter, 1996)
Zur differenzierten Erhebung der Basissymptome standen bis vor Kurzem im Wesentlichen zwei Instrumente zur Verfügung: der Frankfurter Beschwerdefragebogen (Süllwold,
1977, 1986, 1991) als Selbstbeurteilungsinstrument und die ,Bonn Scale for the Assessment of Basic Symptoms’ (BSABS, Gross et al., 1987) als Fremdbeurteilungsinstrument.
Auf beide wird in Kapitel 2.4.4.2 näher eingegangen.
2.4.4.1.8 J. Varsamis
Eine weitere Untersuchung der prodromalen Phase bei Schizophrenie aus den frühen
70er Jahren geht auf die Forschungsgruppe um John Varsamis und Kollegen (1971,
1972, 1976) vom Psychiatrischen Institut in Winnipeg, Kanada, zurück. Varsamis untersuchte ein Patientenkollektiv aus 44 Personen eine Woche nach Krankenhausaufnahme
hinsichtlich der selbst wahrgenommenen Symptome im Vorfeld der Erkrankung. 33 (75%)
38
der Patienten berichteten über eine im Durchschnitt 30 Monate andauernde Prodromalphase mit einer im Vordergrund stehenden Störung der Stimmung und des Antriebs.
Weiterhin berichteten 18 Patienten über kognitive Störungen im Sinne eines verlangsamten Gedankenflusses oder Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Daraus folgten bei
einem Großteil der Patienten Veränderungen in der sozialen Rollenanpassung, wie etwa
eine Minderung der schulischen/beruflichen Leistungen oder aber sozialer Rückzug. Einen Überblick über die Symptome gibt Tabelle 3.
Basierend auf ihren Untersuchungen postulierten Varsamis & Adamson (1971) eine
prodromale Triade bestehend aus Verschlechterung der Leistungsfähigkeit, schizoider
Persönlichkeitsstruktur und Inaktivität. Der Übergang in eine manifeste Psychose erfolge,
so Varsamis & Adamson (1971), sehr plötzlich innerhalb weniger Tage nach einer unterschiedlich lange andauernden Prodromalphase. Der Beginn der Psychose werde häufig
durch ein ,complex state’ mit einer Vielzahl von verschiedenen Symptomen eingeleitet,
wobei eine emotionale, meist dysphorische Erregung neben Wahrnehmungsstörungen
oder Wahnvorstellungen immer vorhanden sei (Varsamis & Adamson, 1971). Als plausibles Modell, das ihre Beobachtungen gut zusammenfasst und auch individuellen Verlaufsunterschieden gerecht wird, postulierten sie das in Abbildung 14 dargestellte interaktive
Modell.
Abb. 14: Das interaktive Modell des initialen Prodroms einer Schizophrenie nach Varsamis und Adamson (1971).
39
Tab. 3:
Vergleich der im Vorfeld schizophrener Erstepisoden von J. Chapman, G. Huber und J.
Varsamis beschriebenen frühen selbst wahrgenommenen prodromalen Beschwerden
Symptombereich
Chapman (1966); McGhie & Chapman (1961)
Kognition
plötzliches Unterbrechen von
Denkprozessen und Erinnerungen
erhöhte Ablenkbarkeit,
Unfähigkeit Aufmerksamkeit zu fokussieren
verbale Ausdrucksschwierigkeit
Reizüberflutung
Motorik
Perzeption
veränderte
Wahrnehmung
selbst, anderer und der Welt
Huber (1966, 1968, 1983, 1986,
1995); Huber & Gross (1989)
Varsamis & Adamson (1971,
1976); Varsamis et al. (1972)
Verlangsamung u. Erschwerung der
Denkvorgänge, Gedankenblockaden,
-interferenzen, -drängen und
-perseverieren
gestörter Gedankenfluss, verlangsamtes Denken
Störung der Denkinitiative
umnebelter Geist
Konzentrations-, Kurz- u. Langzeitgedächtnisstörung
Konzentrations- u. Gedächtnisstörung
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit
Verschlechterung der Leistungsfähigkeit
Störung der rezeptiven u. expressiven
Sprache
sensorische Überwachheit
des erhöhte Beeindruckbarkeit durch Verhaltensweisen anderer
Abweichungen der visuellen Wahr- diverse optische Wahrnehmungsvernehmung (Größe, Form, Farbe)
änderungen
optische Intensitäts-, Qualitätsund Größenveränderungen
Verschwommensehen
verminderte Sehschärfe
Veränderung der olfaktorischen und
gustatorischen Wahrnehmung
Geschmacks- u. Geruchshalluzinationen
Entfremdungserlebnisse am eigenen
Körper
Körpermissempfindung, Kränklichkeitsgefühl
somatische Beschwerden
umschriebene Schmerzsensationen
gehemmte Motorik
motorische Blockierung
Rücken-, Bauch-, u. Kopfschmerzen
Schwächlichkeit
Verlust flüssiger Bewegungsabläufe Verlust automatisierter Fertigkeiten
Affekt/Antrieb
Angst/Furcht
Apathie
Veränderung der Grundstimmung/phasenhafte depressive Verstimmungen
Depression
erhöhte Erregbarkeit/Reizbarkeit
Misstrauen/Gereiztheit
Minderung an Ausdauer und Energie
reduzierter Antrieb/Motilität
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit
verminderte schulische/
berufliche Leistungen
Minderung des Kontaktbedürfnisses/der Kontaktfähigkeit
sozialer Rückzug
Reduktion/Steigerung der Libido
Reduktion/Steigerung der Libido
40
In einer weiteren Studie an 64 akut an einer Schizophrenie erkrankten Patienten fokussierten sich Varsamis & Adamson (1976) im Folgenden auf die Häufigkeit von körperlichen Symptomen und Wahrnehmungsstörungen. Dabei identifizierten sie zwei Patientengruppen. Die erste Gruppe sei charakterisiert durch Geschmacks- und/oder Geruchshalluzinationen, litte unter Vergiftungsängsten und sei sehr anfällig für somatische Beschwerden. Bei der zweiten Gruppe stünde eine ausgeprägte Zurückgezogenheit mit
selbst empfundener Schwächlichkeit im Vordergrund; Schmerzen oder körperliche Symptome bestünden hier nur in geringerem Maße (Varsamis & Adamson, 1976). Als Entwicklungsmodell, vor allem der empfundenen Körpersensationen und Wahrnehmungsveränderungen, postulierten Varsamis und Adamson (1976) neurophysiologische Auslöser, vor allem Störungen des limbischen Systems, wie etwa eine Überstimulation des
limbischen Kortex. Diese Annahme sei begründet in der Beobachtung, dass geschilderte
prodromale Symptome vergleichbar seien mit der empfundenen Aura vor einem epileptischen Anfall, welche ihren Ursprung in der zum limbischen System zugehörigen Insula
habe.
2.4.4.1.9 J. P. Docherty
Ein im angloamerikanischen Raum einflussreiches Stufenmodell der psychotischen Dekompensation wurde von Docherty und Kollegen (1978) basierend auf einer Literatursichtung und einigen eigenen Fallbeispielen entwickelt, wobei fünf Stufen postuliert wurden,
die auf der ersten Stufe mit der Phase der ,overextension’ beginnen (s. Abb. 15). Hierbei
kommt es aufgrund einer vorliegenden Informationsverarbeitungsstörung zu einer Reizüberflutung mit dem Gefühl der Überbeanspruchung. Kompensatorisch bedarf es einer
vermehrten Anstrengung zum Ausgleich dieses Defizits auf Kosten von erhöhter Ablenkbarkeit, Leistungseinbußen und anhaltender Angst. Die folgende Stufe, ,restricted consciousness’, wird bestimmt aus einem daraus folgenden sozialen Rückzug sowie Antriebsund Interessenverlust. Die dritte Stufe der ,disinhibition’ beschreibt dann den Übergang in
die psychotische Dekompensation. Charakteristisch hierfür ist ein eher gehobener Affekt,
mit dem Beginn von ersten, noch wenig ausgeformten Beziehungsideen. Im darauf folgenden, vierten Stadium der ,psychotic disorganisation’ kommt es zu einem Strukturverlust, der sowohl die äußere Welt als auch das Selbst betreffen und zu einem vollständigen Verlust des Selbst und der Kontrolle führen kann. Dieser Prozess mündet letztlich in
das fünfte Stadium der ,psychotic system resolution’, in dem es zu einem Abbau der
Angstsymptomatik um den Preis einer zunehmenden psychotischen Organisation und
41
der weiteren Ausformung eines stabilen Wahnsystems kommt (Docherty et al., 1978; s.
Abb. 15).
“Equilibrium”
Prämorbide Phase guter Anpassung an das soziale und Umgebungsmilieu,
optimistische Grundhaltung, Gefühl eigener Kontrolle, minimale Ängstlichkeit,
ausreichende Bewältigungsmechanismen für situative Anforderungen
Gefühl der Überbeanspruchung in Folge äußerer Anforderungen oder ungelöster
Konflikte, erhöhte Anstrengung zur Bewältigung auch alltäglicher Aufgaben.
Überstimulation, persistierende Angst, Irritierbarkeit, Parapraxien, Ablenkbarkeit,
Leistungs- und Effizienzeinbußen
“Restricted consciousness”
gedankliche Einschränkung, Antriebs- und Interessenverlust, sozialer Rückzug,
zwanghafte und phobische Symptome, negativistische Grundstimmung,
somatische Beschwerden
unspezifische, neurotisch anmutende Symptome
“Overextension”
Auseinanderbrechen der Struktur der äußeren Welt:
zunehmende perzeptuelle und kognitive Desorganisation, expressive und rezeptive
Sprachstörungen, Beziehungsideen
Auseinanderbrechen der Struktur des Selbst:
Verlust des Gefühls für die eigene Identität, extrem sprunghaftes Verhalten, starke
Angstgefühle, Panik- und Horrorattacken, Eindringen ‘primitiver’ sexueller und
aggressiver Impulse in das Bewußtsein, halluzinatorische Phänomene
Totale Fragmentierung:
vollständiger Verlust des Selbst und der Kontrolle, katatone Symptome
“Psychotic resolution”
Verringerung der Angstsymptomatik, zunehmende psychotische Organisation mit
Entwicklung eines ausgeformten Wahnsystems (paranoider Typus) oder massiver
Verdrängung negativer Affekte und Verantwortungen (hebephrener Typus)
Verhaltensveränderungen
“Psychotic disorganization”
psychotische Symptome
Störung der Impulskontrolle, hypomanische Symptome, dissoziative Phänomene,
z.T. gehobene Stimmung, erste wenig ausgeformte Beziehungsideen, Verlust
gedanklicher Kontrolle und Leitbarkeit
attenuierte psychotische
Symptome
“Disinhibition”
Abb. 15: Übergangsmodell nach Docherty und Kollegen (1978). Unspezifischen Veränderungen
folgen spezifische präpsychotische Symptome bevor es zur psychotischen Erstmanifestation kommt.
42
Dieses Übergangsreihenmodell steht damit wie auch das Basissymptom-Konzept (vgl.
Kap. 2.4.4.1.7) in der Tradition derer, die zunächst ein Auftreten unspezifischer, neurotisch anmutender Symptome (,overextension’, ,restricted consciousness’) postulieren, die
dann über immer spezifischere Symptombildungen in abgeschwächte psychotische
Symptome übergehen (,disinhibition’) und schließlich ein manifestes psychotisches
Krankheitsbild zur Folge haben (,psychotic disorganisation’, ,psychotic resolution’). Alle
diese Phasen beinhalten kompensatorisch oder als Folge eine von Dritten wahrnehmbare
Veränderung des Verhaltens (Bowers, 1968; Cameron, 1938a,b; Cutting, 1985; Docherty
et al., 1978; Donlon & Blacker, 1973; Heinrichs & Carpenter, 1985; Herz & Melville, 1980;
Kubie, 1967; Meares, 1959; Stein, 1967). Eine Replikation dieses lange Zeit populärsten
Stufenmodels anhand der Daten der retrospektiven ,Age-Beginning-Course’ (ABC)Studie (vgl. Kapitel 2.4) zum Frühverlauf schizophrener Erstmanifestationen in den 80iger
Jahren des 20. Jh. gelang ebenso wenig wie die des Conrad'schen Stadienmodells
(Schultze-Lutter et al., 2002).
2.4.4.1.10 L.J. und J.P. Chapman
Loren J. und Jean P. Chapman entwickelten 1978 anhand Meehls deskriptiver Checkliste
der schizotypen Merkmale sowie unter Berücksichtigung von Hochs’ Beschreibung der
pseudoneurotischen Schizophrenie (1966) ein Instrumentarium zur Erhebung psychoseähnlichen Erlebens sowie verschiedene Selbstbeurteilungsskalen, die so genannten
,Wisconsin Scales of Psychosis Proneness’ (Chapman et al., 1978). Sie nehmen unter
den insgesamt 19 derzeit verfügbaren Schizotypieskalen (Vollema & van den Bosch,
1995) eine gewisse Sonderstellung ein: So erfassen die ,Physical Anhedonia Scale’
(PhA; Chapman et al., 1976), die ,Social Anhedonia Scale’ (SAN; Chapman et al., 1976),
die ,Perception Aberration Scale’ (PER; Chapman et al., 1978), die ,Magical Ideation
Scale’ (MAG; Eckblad & Chapman, 1983) und die ,Impulsivity Non Conformity Scale’
(IMP; Chapman et al., 1984) feine, von den Betroffenen selbst registrierte, subklinische
Wahrnehmungs- und Propriozeptionsstörungen sowie ungewöhnliche Denkweisen. Im
Gegensatz zu anderen Skalen, die sich auf die DSM-III-Kriterien der Schizotypie (Claridge & Broks, 1984; Raine, 1991; Venables et al., 1990) oder Eysencks Persönlichkeitspsychologie (Eysenck & Eysenck, 1975) stützen, ermöglichen die ,Wisconsin Scales’ eine
deutlich differenziertere psychometrische Erfassung von Auffälligkeiten und zielen konzeptionell eher auf die kategoriale Differenzierung zwischen High- und Low-Risk-
43
Individuen ab (Moldin et al., 1990a,b), das heißt auf eine Abschätzung des individuellen
Risikos für die Entwicklung einer Psychose.
Im Rahmen des ,Wisconsin Psychosis Proneness’-Projekts, einer prospektiven Evaluationsstudie zu den Skalen, zeigte vor allem die mit einer Kombination aus PER und MAG
identifizierte Subgruppe von 500 Collegestudenten 25 Monate nach der Indexuntersuchung signifikant häufiger produktiv-psychotische, psychoseähnliche und schizotypische
Symptome als die Kontrollgruppe (Chapman et al., 1994). Doch auch schizophreniekranke Verwandte ersten Grades kamen in dieser psychosenahen Stichprobe vermehrt vor
(Chapman & Chapman, 1987). In einem 10-Jahres Follow-up boten 14 Probanden der
500 Collegestudenten eine Psychose nach DSM-III-R, neun Probanden hatten eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und die übrigen fünf eine affektive Psychose
im Katamnesezeitraum entwickelt. Die PER und die MAG zeigten sich hierbei als gute Indikatoren für eine spätere Psychose, waren aber nicht spezifisch für eine Schizophrenie
(Chapman et al., 1994). 55 bis 60 Prozent der mit Hilfe dieser Skalen identifizierten ,HighRisk’-Individuen wiesen jedoch gleichzeitig eine familiäre Belastung mit Schizophrenie
auf. Aufgrund der konzeptuellen Bedeutung der erfassten Phänomene und der guten internen und externen Validität erschienen Lenzenweger (1994) die PER und MAG besonders für den Einsatz in der ,High-Risk’-Forschung geeignet. Andere Autoren (Franke et
al., 1993; Iacono et al., 1991) beschreiben dagegen die PhA als besonders aussagekräftig hinsichtlich des Psychoserisikos.
2.4.4.2 Früherkennungsforschung seit 1980
In den 80er Jahren kam es zu einer Neuorientierung auf dem Gebiet der Früherkennungsforschung. Die Versuche, Modelle zur Charakterisierung der Prodromalphase und
ihres Verlaufs zu entwickeln, traten zugunsten der Suche nach prädiktiven Symptomen in
den Hintergrund des wissenschaftlichen Interesses. Der Vielfalt des Erscheinungsbildes
präpsychotischer Verläufe Rechnung tragend fassten Yung & McGorry daher 1996 die
bestehenden Modelle in ihrem Hybrid-, bzw. Interaktionsmodell zusammen, in dem der
Krankheitsprozess sowohl – im Sinne Chapmanns (Chapman et al., 1976, 1978, 1984) –
mit spezifischen als auch – etwa im Sinne Dochertys (1978) und Hubers (Huber, 1966,
1968, 1983, 1986, 1995; Huber & Gross, 1989) – mit unspezifischen Symptomen beginnen kann und entsprechend der Beschreibung des Vorpostensyndroms (Gross, 1969;
Huber, 1966) auch zunächst wieder vollständig remittieren kann (s. Abb. 16).
44
symptomfreie
Phasen
unspezifische, neurotisch
anmutende Symptome
(primär oder reaktiv)
attenuierte psychotische
Symptome
(primär oder reaktiv)
psychotische
Symptome
Verhaltensveränderungen
Abb. 16: Hybrides bzw. interaktives Übergangsmodell nach Yung &
McGorry (1996b)
Nach dem Hybridmodell kann es im Vorfeld der ersten Episode einer schizophrenen Erkrankung zu einem Wechsel zwischen symptomatischen und asymptomatischen Phasen
kommen, wobei die symptomatischen Intervalle sowohl durch unspezifische, als auch
durch spezifische attenuierte Symptome geprägt sein können. Sowohl unspezifische als
auch attenuierte Symptome können primär existieren, oder aber sie gehen der psychotischen Exazerbation direkt voran. Reaktive Beschwerdebilder wie Angst oder Depression
entwickeln sich dabei aufgrund von prodromaler und/oder akut-psychotischer Symptomatik als auch primär als Folge bestimmter Lebensumstände. Aus der Symptomatik resultierende beobachtbare Verhaltensveränderungen können durch jeden dieser Symptomkomplexe hervorgerufen werden (Yung & McGorry, 1996b).
Das Hybrid- bzw. Interaktionsmodell stellt weitgehend den bisherigen Abschluss von Bemühungen um die Formulierung einheitlicher, generalisierter Verlaufsmodelle der Entwicklung der Schizophrenie in der Früherkennungsforschung dar. In den Mittelpunkt der
Betrachtung rückte statt dessen vielmehr der Versuch reliable und valide Instrumente und
Kriteriensätze zu entwickeln, die Prodromalsymptome erfassen und die Entstehung einer
sich später daraus entwickelnden Psychose mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen können. Die Schwierigkeit bei der Entwicklung solcher Messinstrumente liegt
allerdings auch hier in der variablen Natur der im Prodrom auftretenden Symptomatik, bei
der es sich oftmals um uncharakteristische Phänomene handelt, die nicht notwendiger-
45
weise von späterem psychotischen Erleben gefolgt sind (Birchwood et al., 1989; Klosterkötter, 1985). Es ist daher wichtig, Instrumente zu verwenden, die eigens zur Erhebung
von Prodromalsymptomen konstruiert und prospektiv evaluiert wurden, um ein Mindestmaß an Sensitivität und Validität bzw. Spezifität sicherzustellen (McGlashan & Johannessen, 1996; Yung & McGorry, 1996a,b).
2.4.4.2.1 Die Prodromalkriterien des DSM-III und DSM-III-R
Die beiden heute weltweit gebräuchlichsten Diagnosesysteme psychiatrischer Erkrankungen, ICD-10 (WHO, 1993) und DSM-IV (APA, 1994), bieten keine Richtlinien zur Diagnose eines schizophrenen Prodroms, obwohl in beiden die Prodromalphase als Bestandteil der schizophrenen Erkrankung erwähnt wird bzw. sogar als Teil der für die Diagnose notwendigen Erkrankungsdauer Berücksichtigung findet. Der Grund hierfür liegt
in der geringen Spezifität in Frage kommender Symptome und der ungesicherten Reliabilität ihrer Erfassung (Jackson et al., 1994, 1995, 1996; Keith & Matthews, 1991; McGorry
et al., 1995). Dennoch war zuvor im DSM-III und DSM-III-R (APA, 1980, 1987) der Versuch gemacht worden, prodromale Symptome einer schizophrenen Störung zu spezifizieren, die phänomenologisch mit residualen Symptomen gleichgesetzt wurden und sich
dadurch von diesen nur durch ihr Auftreten im klinischen Verlauf definitorisch unterschieden. Diese Kriterien sollten zu einer verbesserten Reliabilität (Andreasen & Flaum, 1991)
führen, obwohl sie nicht durch empirische Untersuchungen, sondern über einen Konsensentscheid des Komitees der American Psychiatric Association festgelegt wurden. Die
Liste prodromaler bzw. residualer Symptome im DSM-III-R enthielt neun beobachtbare
Verhaltensveränderungen, die eher attenuierten Formen positiver und negativer Symptome bzw. Merkmalen der schizotypischen Persönlichkeitsstörung (SPD) entsprechen,
jedoch keine subjektiv geschilderten Beschwerden, wie sie in den frühen Modellen (Kap.
2.4.4.1.) oftmals als besonders wichtig erachtet wurden:
1. soziale Isolierung oder Zurückgezogenheit
2. ausgeprägte Beeinträchtigung der Rollenerfüllung
3. ausgeprägt absonderliches Verhalten
4. ausgeprägte Beeinträchtigung der persönlichen Hygiene
5. abgestumpfter verflachter oder inadäquater Affekt
6. abschweifende vage oder umständliche Sprache
7. eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken
46
8. ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse
9. erheblicher Mangel an Initiative, Interesse oder Energie
Für die DSM-III-R-Diagnose einer schizophrenen Psychose war das Vorliegen von mindestens zwei der neun Symptome vor der floriden Phase als Prodromalsymptome
und/oder nach der floriden Phase als Residualsymptome über einen Zeitraum von insgesamt sechs Monaten notwendig, wobei in diesem Zeitraum das Auftreten einer akutpsychotischen Phase von mindestens einwöchiger Dauer mit florider Symptomatik obligat
enthalten sein musste, es sei denn, die psychotischen Symptome wurden erfolgreich behandelt.
Die Arbeitsgruppe, die sich wohl am intensivsten mit der Eignung der neun im DSM-III-R
definierten Prodromalsymptome zur Früherkennung schizophrener Psychosen beschäftigt hat, ist die Melbourner Gruppe um Patrick D. McGorry und Henry J. Jackson (Jackson
et al., 1994, 1995, 1996; McGorry et al., 1995). Untersuchungen zur Spezifität und Prävalenz der DSM-Prodromalsymptome (Jackson et al., 1995; McGorry et al., 1995) an Patienten mit verschiedensten psychotischen Erstmanifestationen bzw. an durchschnittlich
16-jährigen High-school Schülern zeigten hierbei trotz höherer Prävalenzraten der
Prodromalsymptome bei Patienten mit schizophrener Erstmanifestation, dass diese zum
einen kaum zwischen Patienten mit schizophrenen und anderen psychotischen Erstmanifestationen hinsichtlich ihrer Häufigkeit differierten, zum anderen aber auch bei psychisch
unauffälligen High-school Schülern mit Prävalenzraten zwischen 8,1% für ,ausgeprägte
Beeinträchtigung der persönlichen Hygiene’ und 51,0% für ,eigentümliche Vorstellungen
oder magisches Denken’ vorlagen.
Die Melbourner Arbeitsgruppe (Jackson et al., 1996) zog daher aus ihren Untersuchungen den Schluss, dass die Streichung der DSM-III-R-Prodromalkriterien bei der Erstellung des DSM-IV (APA, 1994) berechtigt gewesen sei, da trotz bestehender Unklarheit
über deren Validität die Erfassung zumindest bei Patienten mit schizophrener Erstmanifestation nur relativ unreliabel (Jackson et al., 1994, 1996) erfolgen könne. Gründe dafür
lagen ihres Erachtens besonders in der unzureichenden Abgrenzbarkeit zu positiven und
negativen Symptomen und in der Schwierigkeit, die Prodromalsymptome ausreichend
von der Symptomatik bei schizoiden, paranoiden und insbesondere schizotypischen Persönlichkeitsstörungen zu unterscheiden. Da jedoch den meisten schizophrenen Erkrankungen unzweifelhaft eine lange Prodromalphase vorangehe, müsse in der zukünftigen
Prodromalforschung nach einer alternativen Konzeptualisierung von Prodromen gesucht
47
werden (Jackson et al., 1996). So hätten etwa einige Forscher auf diesem Gebiet nichtpsychotische, neurotisch anmutende Symptome mit Augenmerk auf eine ängstliche und
depressive Symptomatik (Birchwood et al., 1989; Malla & Norman, 1994) und darüber
hinaus feine, selbst berichtete, der Fremdbeobachtung nicht zugängliche Störungen der
Denk- und Wahrnehmungsprozesse und Propriozeption (Huber, 1986; Varsamis & Adamson, 1971; Varsamis et al., 1972) vorgeschlagen, andere zögen auch Symptome in
Betracht, die als frühe Ausprägungen florider Symptomatik erscheinen (Carpenter &
Heinrichs, 1983; Heinrichs & Carpenter, 1985; Herz et al., 1989; vgl. Tab. 3, Kap.
2.4.4.1.8). Daher müsse zukünftig in breit gefächerten empirischen Untersuchungen an
klinischen und allgemeinen Populationen geklärt werden, ob irgendeines der in Frage
kommenden Symptome prädiktive Validität besitzt, ob es eventuell nur Ausdruck einer
generellen Psychopathologie ist und/oder ob es möglicherweise spontan zurückgeht, ohne in eine psychotische oder andere psychische Erkrankung überzugehen (Jackson et
al., 1996).
2.4.4.2.2 Der Frankfurter Beschwerdefragebogen, FBF
Basierend auf dem Basissymptom-Konzept (Kap. 2.4.4.1.7) wurden im deutschen
Sprachraum zunächst zwei Instrumente erstellt: zum einen der ,Frankfurter Beschwerdefragebogen – FBF’ (Süllwold, 1977), zum anderen die ,Bonner Skala für die Beurteilung
von Basissymptomen – BSABS’ (Gross et al., 1987). Der FBF ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, besteht aus 98 Items und fand als einfach einzusetzendes Verfahren breite
Anwendung. Studien, die seine Schizophreniespezifität untersuchten, hatten als Vergleichsgruppen Patienten mit kurzen psychotischen Episoden, sowie Patienten mit neurotischen, hirnorganischen, substanz-induzierten, bipolaren und Zwangsstörungen, als
auch Strafgefangene und Patienten mit Alkoholabhängigkeit eingeschlossen. Dabei war
eine Spezifität der anhand des FBF erhobenen Basissymptome nicht gefunden worden,
da sie in den Vergleichsgruppen in einer ähnlichen Häufigkeit auftraten, so dass Basissymptome – zumindest die in der reinen Selbstbeurteilung erhobenen – oft als Ausdruck
einer generellen und unspezifischen psychophysiologischen Desorganisation angesehen
wurden (Kryspin-Exner & Lutterotti, 1982; Maß et al., 1995; Mundt & Kasper, 1987; Ricca
et al., 1997; Rösler et al., 1985,1986; Teusch, 1984, 1985).
48
2.4.4.2.3 Die Bonner Skala für die Beurteilung von Basissymptomen, BSABS
Neben dem FBF liegt für die Erhebung von Basissymptomen in Form der BSABS ein
halbstandardisiertes Instrument vor, mit dem sehr subtil die bereits langjährig vor der ersten akuten Episode und auch im weiteren Verlauf auftretenden selbst wahrgenommenen
Defizienzen erfasst werden können. Während die ursprüngliche BSABS noch aus 98
Hauptitems bzw. 142 Einzelitems bestand, basieren die meisten Vergleichsstudien neueren Datums (Bechdolf et al., 1998; Ebel et al., 1989; Klosterkötter, 1994; Klosterkötter et
al., 1994, 1996, 1997a,b; Schultze-Lutter & Klosterkötter, 1995) auf einer BSABSKurzfassung von 66 Items (vgl. Anhang A), die seit Anfang der 90er Jahre an der Psychiatrischen Klinik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen verwandt
wurde. Diese Fassung stellt eine zeitlich ökonomischere Variante dar und bietet die Möglichkeit, nach damaligen Erkenntnissen spezifischere Basissymptome fokussierter zu erheben. So wurde die Kategorie der zentral-vegetativen Störungen (E) vollständig eliminiert, während die Kategorien der dynamischen Defizienzen (A und B) teilweise gekürzt
und zusammengefasst wurden, indem auf eine Unterscheidung von dynamischen Defizienzen hinsichtlich direkter (A) und indirekter Minussymptomatik (B) verzichtet wurde.
Vollständige Aufnahme in die Kurzfassung fanden jedoch die Kategorien der kognitiven
Denk-, Wahrnehmungs-, und Handlungsstörungen (C) sowie die der Coenästhesien (D).
Eine Vergleichbarkeit zwischen FBF und BSABS wird als eher zweifelhaft angesehen, da
eine 1997 vorgelegte Studie zeigte, dass die Korrelationen zwischen den beiden Skalen
bzw. zwischen ihren übereinstimmenden Basissymptomen überraschend gering waren
und selbst bei recht klar definierten Symptomen, wie etwa Veränderungen des Farbensehens (BSABS-Item C.2.3. Subtyp 4; FBF-Item 24: ,Zeitweilig haben die Farben von
vertrauten Dingen verändert ausgesehen.’), nicht mehr als 25% Übereinstimmung zwischen den beiden Erhebungsformen aufwiesen (Maß et al., 1997). Es steht daher nicht
im Widerspruch zu Ergebnissen zum FBF, dass Studien mit der BSABS durchaus auf eine Schizophreniespezifität zumindest einiger Kategorien bzw. Subsyndrome hinweisen
(Bechdolf et al., 1998; Ebel et al., 1989; Klosterkötter, 1994; Klosterkötter et al., 1994,
1996, 1997a,b, 2001; Schultze-Lutter & Klosterkötter, 1995). Eine Schizophreniespezifität
einiger mit der BSABS erhobener Basissymptome konnte insbesondere in der prospektiven ,Cologne Early Recognition’ (CER)-Studie gezeigt werden, die die Basissymptome
auf ihre Vorhersagefähigkeit für schizophrene Psychosen untersuchte (Klosterkötter et
al., 2001). Dabei zeigte sich vor allem eine Untergruppe von kognitiv-perzeptiven Basis-
49
symptomen als prädiktiv hinsichtlich der Übergangswahrscheinlichkeit in das Vollbild einer schizophrenen Psychose.
Klosterkötter und Kollegen (2001) untersuchten in der CER-Studie 160 von 385 Patienten
im Durchschnitt 9,6 Jahre später auf die zwischenzeitliche Ausbildung einer Schizophrenie hin nach. Alle Patienten waren mit dem Verdacht auf eine beginnende Schizophrenie
vorstellig geworden und hatten zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung noch niemals psychotische Symptome gezeigt. Die 160 nachuntersuchten Personen unterschieden sich
weder in ihrer Psychopathologie noch in ihren soziodemographischen Merkmalen von der
Gesamtstichprobe und wurden daher für diese als repräsentativ angesehen. 79 Patienten
hatten nach einer durchschnittlichen Prodromalphase von 5,6 Jahren und durchschnittlich
1,9 Jahre nach der Erstuntersuchung eine schizophrene Erkrankung entwickelt, und mit
Ausnahme von zwei Patienten hatten alle später manifest schizophren erkrankten Patienten in der Erstuntersuchung mindestens ein Basissymptom berichtet. Dabei zeigten zehn
kognitiv-perzeptive Basissymptome neben einer für diagnostisch relevante Symptome als
ausreichend anzusehenden Häufigkeit bei der Erstuntersuchung von mindestens 25%
und einer positiven prädiktiven Stärke von mindestens 70% auch ansonsten gute Gütekriterien, wie etwa eine Schizophreniespezifität von 0,85 und höher (s. Tab. 4).
Damit erscheinen diese sich phänomenologisch von psychotischen Symptomen klar unterscheidbaren und nach Erkenntnissen der ABC-Studie (Häfner et al., 1990, 1995) bereits auch in sehr frühen Abschnitten des initialen Prodroms auftretenden Symptome gut
für eine Früherkennung schizophrener Psychosen geeignet und die Möglichkeit zu eröffnen, Prodromalzustände bereits zu einem Zeitpunkt erfassen zu können, wo Funktionseinbußen etwa im sozialen und beruflichen Bereich noch nicht oder erst in geringen
Ausmaß aufgetreten sind (Bechdolf et al., 2002; Klosterkötter et al., 2001; Ruhrmann et
al., 2003; Schultze-Lutter, 2006; Schultze-Lutter et al., 2007b).
50
Tab. 4:
1
Basissymptome mit hinlänglicher Häufigkeit (Sensitivität ≥ 0,25) und Sicherheit der Vorhersage des Krankheitsausbruchs (positive prädiktive Stärke ≥ 0,70) nach Klosterkötter
und Kollegen (2001).
BSABSProdromalsymptom
Sensi-
Spezi-
Positive
Negative
% falsch-
% falsch-
tivität
fität
prädiktive
prädiktive
positive
negative
Stärke
Stärke
Vorhersagen
Gedankeninterferenz
0,42
0,91
0,83
0,62
4.4%
28.8%
Zwangähnliches Perseverieren bestimmter Gedanken
0,32
0,88
0,71
0,57
6.3%
33.8%
Gedankendrängen, Gedankenjagen
0,38
0,96
0,91
0,62
1.9%
30.6%
Blockierung des jeweiligen Gedankenganges
0,34
0,86
0,71
0,57
6.9%
32.5%
Störung der rezeptiven
Sprache
0,39
0,91
0,82
0,61
4.4%
30.0%
Störung der Diskriminierung von Vorstellungen
und Wahrnehmungen
bzw. Phantasie- und Erinnerungsvorstellungen
0,27
0,95
0,84
0,57
2.5%
36.3%
Eigenbeziehungstendenz
0,39
0,89
0,78
0,60
5.6%
30.0%
Derealisation
0,28
0,90
0,73
0,56
5.0%
35.6%
Veränderungen der optischen Wahrnehmung
0,46
0,85
0,75
0,62
7.5%
26.9%
Veränderungen der akustischen Wahrnehmung
0,29
0,89
0,72
0,53
5.6%
35.0%
1
nach Kriterien von Andreasen & Flaum (1991)
2.4.4.2.4 Die ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien
Gegenüber den früh auftretenden Basissymptomen zielen die im angloamerikanischen
Raum konzipierten Prodromalkriterien explizit auf einen späteren Abschnitt des initialen
Prodroms ab, zu dem ein Übergang in eine manifeste Psychose bereits nahe bevor steht
(Phillips et al., 2000). Nicht nur in der Früherkennung und bei Studien zur Frühbehandlung, sondern auch bei der Studiendefinition eines initialen Prodroms einer Psychose
51
sind die Ergebnisse der Melbourner Arbeitsgruppe richtungweisend. So ist heute die
Kombination aus Risikofaktoren und Einbussen im psychosozialen Funktionsniveau sowie das Vorliegen eines attenuierten oder transienten psychotischen Symptoms für die
Definition eines Prodroms vor der ersten psychotischen Episode maßgeblich (s. Tab. 5).
Kriterien des 'Ultra-High Risk’-Ansatzes der Früherkennung (nach Phillips et al.,
2000)
A. Vorliegen mindestens eines der folgenden attenuierten psychotischen Symptome, mehrfach über mindestens eine Woche auftretend
Tab.5
–
Beziehungsideen
–
Eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken
–
Ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse
–
Eigenartige Denk- und Sprechweise
–
Paranoide Ideen
B. Vorliegen mindestens eines der folgenden kurzfristigen psychotischen Symptome
(BLIPS) mit einem Auftreten von weniger als sieben Tagen und nicht häufiger als zweimal
pro Woche in einem Monat sowie spontaner Remission
–
Halluzinationen
–
Wahn
–
Formale Denkstörungen
C. Vorliegen eines Risikofaktors (familiäre Belastung mit einer schizophrenen Spektrumstörung
oder schizotype Persönlichkeitsstörung beim Patienten) und einem Absinken des globalen
Funktionsniveaus (Abfall im GAF-Gesamtwert um mindestens 30%).
Vorausgegangen sind dieser Prodromdefinition Untersuchungen an der Melbourner
,Personal Assessment and Crisis Evaluation (PACE) Clinic’ hinsichtlich der Identifikation
einer ,Ultra-High Risk’ (UHR) genannten Gruppe, die ein erhöhtes Risiko im Vergleich zur
Normalbevölkerung besitzt eine Psychose zu entwickeln (Phillips et al., 2000). Erste Bemühungen diese Gruppe über die neun im DSM-III-R vorhandenen Prodromalsymptome
zu definieren, scheiterten aufgrund der zu geringen Schizophreniespezifität (vgl. Kap.
2.4.4.2.1). Phillips und Mitarbeiter (2000) kamen zu dem Schluss, dass das DSM-III-RKonzept zwar hilfreich sei die Entwicklung psychischer Erkrankungen allgemein zu beschreiben, jedoch unzureichend für die Früherkennung einer Psychose. Um bei der Identifikation der UHR-Gruppe die Anzahl der falsch-positiven Probanden möglichst gering zu
halten, wurde bei den Einschlusskriterien auf unspezifische Symptome, wie etwa depressiv gefärbte Stimmung, Schlafstörungen oder übermäßige Ängstlichkeit verzichtet. Stattdessen wählten Phillips und Kollegen (2000) zunächst den Begriff des ,at-risk mental state’ und definierten als Einschlusskriterien eine abgeschwächte psychotische Symptomatik
52
(APS) oder eine weniger als eine Woche bestehende, spontan remittierende voll entwickelte psychotische Symptomatik (BLIPS) (Phillips et al., 2000). Unter attenuierten psychotischen Symptomen (APS) werden die an die DSM-IV-Kriterien einer schizotypischen
Persönlichkeitsstörung angelehnten abgeschwächten psychotischen Symptome, das
heißt Beziehungsideen, eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken, ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse, eine eigenartige Denk- und Sprechweise sowie paranoide Ideen subsumiert. Diese Symptome treten am Ende der initialen Prodromalphase
auf und ähneln bereits der Symptomatik der ersten psychotischen Episode. Der Begriff
geht zurück auf Carpenter und Heinrichs (1983), die zur Identifizierung von Risikopersonen auch Symptome in Betracht zogen, die als frühe Ausprägungen florider psychotischer Symptomatik in Frage kamen. Yung und McGorry (1996) hatten zudem in der Revision ihrer 1994 formulierten Prodromkriterien über attenuierte psychotische Symptome
eine zweite Gruppe von Risikopersonen definiert, die mehr als ein DSM-III-R-Kriterium für
das positive Prodrom einer schizophrenen Psychose erfüllten. Später wurden die Kriterien für attenuierte psychotische Symptome noch dahingehend modifiziert, dass die Anlehnung an die DSM-III-R-Prodromalsymptome aufgehoben wurde und stattdessen nun
die Kriterien der schizotypen Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV in einer Ausprägung
von ,2 = sehr gering’ auf der Thought Content Scale’ des BPRS für mehr als eine Woche
erfüllt sein musste (Phillips et al., 2000).
Mit transienten psychotischen Symptomen sind die so genannten ,Brief Limited and Intermittent Psychotic Symptoms – BLIPS’ gemeint, zu denen Wahnideen, Halluzinationen
oder formale Denkstörungen zählen, die nur vorübergehend und nicht länger als eine
Woche vorhanden sind und spontan remittieren. Somit gibt es keinen phänomenologischen, sondern lediglich einen Unterschied hinsichtlich ihrer Dauer von psychotischen
Symptomen, die für die Diagnose einer manifesten Psychose herangezogen werden
(Phillips et al., 2000).
Neben diesen im Vorfeld einer Psychose zeitnah auftretenden Symptomen legten Phillips
und Kollegen (2000) noch ein weiteres Einschlusskriterium zur Identifikation der UHRGruppe fest: die Vulnerabilitätsgruppe mit einer Kombination aus trait- und stateRisikofaktoren. Der trait-Risikofaktor meint dabei ein existierendes Charaktermerkmal bei
Patienten mit der Vulnerabilität für die Entwicklung einer schizophrenen Psychose; darunter könne eine vorhandene Familienanamnese aber auch eine bereits vorhandene schizotypische Persönlichkeitsstörung fallen. State-Risikofaktoren bezeichnen eine wenigstens einen Monat andauernde signifikante Veränderung des mentalen Zustandes im Ver-
53
gleich zu der prämorbiden Persönlichkeit, der sich in einer deutlichen Verschlechterung
des globalen Funktionsniveaus manifestiert (Phillips et al., 2000).
Mit diesen durch die Melbourner Arbeitsgruppe definierten Kriterien von APS, BLIPS und
der Kombination von Risikofaktor und Funktionseinbußen gelang es Prodromalkriterien
zu entwickeln, die, im Gegensatz zu den Basissymptomen, während eines späteren Abschnitts des initialen Prodroms einsetzen. So konnten prospektive Studien zeigen, dass
die UHR-Kriterien – insbesondere die APS, die übereinstimmend für die Mehrheit der
Studieneinschlüsse verantwortlich waren – auch in unterschiedlichen Operationalisierungen geeignet sind eine spätere Psychose binnen zwölf Monaten vorherzusagen (Schultze-Lutter, 2006; s. Abb. 17). Während die Melbourner Gruppe (McGorry et al., 2002; Phillips et al., 2000; Yung et al., 2004) die ,Brief Psychiatric Rating Scale’ (Overall & Gorham,
1962) nutzte, um Übergangsraten in eine akute Psychose vorauszusagen, arbeitete die
,Early Detection and Intervention Evaluation’ (EDIE)-Gruppe (Morrison et al., 2004) in
Manchester, England, mit der ,Positive And Negative Syndrome Scale’ (PANSS) (Kay et
al., 1987) und die ,Prevention through Risk Identification, Management and Education’
(PRIME)-Gruppe in New Haven, Nordamerika (McGlashan et al., 2004; Miller et al.,
2002c), mit dem eigens für diesen Zweck konstruierten ,Structured Interview for Prodromal Syndromes/Scale Of Prodromal Symptoms’ (SIPS/SOPS) (Miller et al., 1999). In einer weiteren naturalistischen Verlaufsstudie am University College London (UCL) zu den
UHR-Kriterien stieg die durchschnittliche 12-Monats-Vorhersagerate von 38,2% sogar
noch auf 50% an, wenn die Katamnesedauer mindestens ein Jahr, durchschnittlich aber
bereits 26,3 (±9,2) Monate betrug (Mason et al., 2004; s. Abb. 17), wobei keine Angaben
zum Erhebungsmodus der UHR-Kriterien erfolgten.
54
Abb. 17: 12-Monats-Übergangsraten in nicht spezifisch antipsychotisch behandelten Patientenkollektiven, die nach den UHR-Kriterien definiert sind (Schultze-Lutter, 2006).
2.4.4.2.5 Das ,Structured Interview for Prodromal Syndromes’, SIPS
Mit der SIPS/SOPS kam der Arbeitsgruppe um Thomas H. McGlashan der Verdienst zu,
als erste Gruppe mit einem eigens für diesen Zweck entwickelten Instrument die UHRKriterien gezielt zu erheben (Miller et al., 1999). Dafür konstruierten sie ein zunächst
zweiteiliges Instrument, wobei die SOPS (,Scale of Prodromal Symptoms’) zur Bestimmung des Ausprägungsgrades prodromaler Symptomatik konzipiert wurde und die SIPS
(,Structured Interview for Prodromal Syndromes’) zur Erhebung und Klassifizierung der
Symptomatik diente (McGlashan, 1999; Miller et al., 1999).
McGlashan (1999) stützte sich bei der Entwicklung auf die Ergebnisse der australischen
Forschungsgruppe, die bei der Identifikation von prodromalen Patienten drei Stadien des
Prodroms mit einer hohen prädiktiven Validität und Aussagekraft festlegten (Yung et al.,
1996, 1998). Im ersten Stadium berichteten Patienten über unspezifische Angstzustände
und/oder über depressive Symptome, verbunden mit deutlichen Funktionseinbußen gemessen anhand der ,Global Assessment Scale’ (Endicott et al., 1976) und ersten assoziierten Schizophrenie-Spektrum-Störungen nach DSM IV. Im zweiten Stadium kam es zu
55
APS und im dritten Stadium zu den weniger als eine Woche andauernden, spontan remittierenden transienten psychotischen Symptomen, den BLIPS. Mit Bezug auf diesen Ansatz wurden vorhandene retrospektive und prospektive Instrumente auf ihre Eignung als
Ausgangspunkt zur Entwicklung eines Instruments zur prospektiven Prodromalsymptomerfassung gesichtet und teilweise in die SIPS/SOPS integriert, der weitestgehend die
1987 von Kay et al. entwickelte ,Positive and Negative Syndrom Scale’ (PANSS) zugrunde liegt. Die SIPS/SOPS erlaubt dabei eine feinere Erfassung der unteren Kodierungsbereiche der PANSS und integriert auch Resultate der in Kap. 2.4.4.1 beschriebenen Studien. Weitere Validierungs- und Evaluationsschritte erfolgten im Rahmen klinischer Studien in der zur Universität von Yale gehörenden ,PRIME Research Clinic (Prevention
through Risk Identification, Management, and Education)’.
2.4.4.2.6 Das ,Clinical-High-Risk’ (CHR)-Konzept
Neben dem UHR-Ansatz legte das daran angelehnte ,Clinical-High-Risk’ (CHR)-Konzept
den Fokus auf die Erkennung erster Anzeichen einer sich entwickelnden manifesten Psychose und einer sich daraus ableitenden Einführung von möglichst früh einsetzenden Interventionsstrategien, um der Zunahme von Positivsymptomen auf der Basis bestehender unspezifischerer Defizite entgegenzuwirken (Cornblatt, 2002; Cornblatt et al., 2001,
2002, 2003; Lencz et al., 2004). Dabei wurden vor allem neurokognitive Defizite, insbesondere Störungen der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses, diskutiert, welche
bereits seit der frühen Kindheit als Veränderungen im neuronalen System und als Vorläufer weiterer psychischer Beschwerden zugrunde lagen (Cornblatt et al., 1999; Erlenmeyer-Kimling et al., 2000). Am ehesten der Negativsymptomatik entsprechende Symptome
wie affektive Störungen, vor allem Depressionen, sowie soziale Isolation stellten sich als
häufige und früh auftretende Beschwerden im Vorfeld einer schizophrenen Psychose ein
(Häfner et al., 1999; Schultze-Lutter et al., 2007c).
56
Abb. 18: ,Neurodevelopmental’ Modell im Rahmen des ,Recognition and Prevention Program’ (RAP) (modifiziert nach Cornblatt et al., 2003; Lencz et al., 2004)
In diesem Zusammenhang war von besonderem Interesse, dass im Rahmen des
,Recognition and Prevention Program’ (RAP) für Kinder und Adoleszente am Zucker Hillside Hospital in New York ein Arbeitsmodell generiert wurde (s. Abb. 18), welches einerseits die Dimensionen ,biologische Vulnerabilität’ und ,Psychoseentwicklung’ unterschied,
andererseits aber bei Zugrundelegen der SIPS-Subskalen und in Fortschreibung der
UHR-Kriterien ,Clinical-High-Risk’ (CHR)-Untergruppen zu entwickeln versuchte, die ebenfalls für die Vorzüge eines mehrstufigen Verfahrens sprachen (Cornblatt et al., 2003;
Lencz et al., 2004).
Dabei wurden zwei Gruppen mit attenuierten Positivsymptomen (CHR+) in mäßiger bzw.
starker Symptomausprägung sowie eine Gruppe mit attenuierten Negativsymptomen,
aber ohne APS (CHR-; s. Abb. 18) postuliert. Bei der CHR- Gruppe handelte es sich um
Personen, die mindestens ein attenuiertes Negativsymptom mit einem Wert auf der SIPS
zwischen ,3’ (mäßig) und ,5’ (schwer) aufwiesen (Cornblatt et al., 2003). Das Einschlusskriterium in die CHR+ Gruppe entsprach einer Ausprägung der fünf Positivsyndrome von
mäßig bis schwer, wobei anders als bei den attenuierten psychotischen Symptomen
57
(APS) der UHR-Kriterien keine Vorannahmen über die Verlaufsdauer der Symptome in
die Definition eingingen (Lencz et al., 2003, 2004).
Die dem RAP-Programm zugrunde liegenden einzelnen Verlaufsphasen basierten auf
der Annahme einer schizophrenen Entwicklung von anfänglich eher unspezifisch attenuierten Negativsymptomen über zunehmend stärker ausgeprägte Positivsymptome bis hin
zu psychotischen Symptomen mit einer Ausprägung von ,6’ (schwer und psychotisch) auf
der SIPS. In die letzte Verlaufsphase gingen darüber hinaus alle subsyndromalen Psychosen ein, die nicht die Schizophrenie-Kriterien nach DSM-IV erfüllten, so dass diese
Gruppe als schizophrenieartige Psychosen (,schizophrenialike psychosis’, SLP) bezeichnet wurde (Lencz et al., 2004). Damit war diese Kategorie deutlich breiter gefasst als im
UHR-Ansatz und somit im eigentlichen Sinne nicht mehr als prodromal, sondern bereits
als psychotisch anzusehen.
2.4.4.2.7 PRIME-Studie
An der Universität von Yale wurde unter Leitung von Thomas McGlashan in Zusammenarbeit mit den Universitäten von North Carolina, Toronto und Calgary seit 1997 eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde und parallelisierte klinische Studie durchgeführt,
um bei Hochrisiko-Patienten mit Prodromalsymptomatik die Wirksamkeit von Olanzapin
versus Placebo hinsichtlich der Möglichkeit, den Beginn einer Psychose verhindern oder
hinauszögern zu können, zu testen (McGlashan et al., 2003, 2006; Miller et al., 2003). In
der ersten Phase wurde innerhalb von zwei Wochen bezüglich der Psychopathologie und
des Funktionsniveaus mit der SIPS/SOPS und weiterer Untersuchungsinstrumente eine
Ausgangserhebung durchgeführt. Danach wurden in der zweiten Phase 31 Patienten über ein Jahr mit Olanzapin in einer Tagesgesamtdosierung von 5 bis 15 mg behandelt,
während 29 Patienten der Placebogruppe zugeordnet wurden. Während der dritten Phase erfolgte die Begleitung und regelmäßige Nachexploration der Patienten unter Auslassen der Medikation. Patienten, die zu irgendeinem Zeitpunkt während der beiden Behandlungsphasen in eine manifeste Psychose übergegangen waren bekamen über sechs
Monate Olanzapin in einer Dosierung von 5 bis 20 mg/die. Patienten, die aus anderen
Gründen, wie zum Beispiel unerwünschten Nebenwirkungen, die Phasen 2 und 3 abbrechen mussten wurden durch die Untersucher im Verlauf noch zweimal nachexploriert.
Neben der medikamentösen erhielten alle Patienten und deren Familien psychosoziale
Interventionen in Form von Psychoedukation und Techniken zur Problemlösung
(D’Zurilla, 1986).
58
Bei einer Gesamtstichprobe von n = 60 erfüllten im Vorfeld 95% (n = 57) die Kriterien der
attenuiert psychotischen Symptome (APS). Bei insgesamt 13 Patienten lag ein Risikofaktor und ein Absinken des globalen Funktionsniveaus vor (vgl. Tab. 5, Kap. 2.4.4.2.4), wobei davon auch zehn Patienten APS aufwiesen. Kein Patient wurde hingegen mit kurzfristig auftretenden psychotischen Symptomen (BLIPS) eingestuft. Das häufigste Positivsymptom war mit 60% ,Misstrauen/Verfolgungsideen’, mit 17% am wenigsten kamen
,Größenideen’ vor (Miller et al., 2003).
Während der zweiten Phase entwickelten insgesamt fünf Patienten (16,1%) der Olanzapingruppe eine manifeste Psychose, wobei alle bereits in den ersten vier Wochen übergegangen waren. In der Placebogruppe zeigten hingegen elf Patienten (37,9%) eine psychotische Symptomatik, so dass das Risiko überzugehen zweieinhalb mal so groß wie in
der Vergleichsgruppe war, jedoch mit p = 0,08 keine Signifikanz erzielt werden konnte.
Auffällig ist die hohe drop-out Rate im ersten Behandlungsjahr, wobei mit 17 Patienten
die Olanzapingruppe gegenüber der Placebogruppe mit zehn Patienten überwiegt, jedoch mit p = 0,13 ebenfalls kein signifikanter Unterschied besteht (McGlashan et al.,
2006). Die Ergebnisse der dritten Phase, in der bei insgesamt fünf Übergängen (Olanzapin 3 und Placebo 2) niemand ausschied, waren aufgrund der nur geringen Anzahl der
Patienten nicht aussagekräftig. Somit gingen 35% (n = 21) aller Prodromalpatienten im
Verlauf von zwei Jahren in eine Psychose über, während 20% (n = 12) die Studie ohne
Symptomverschlechterung abschlossen.
Beim Rückgang der Schwere der Symptomatik gab es im Gruppenvergleich keinen signifikanten Unterschied, lediglich in der Positivsymptomatik bestand mit p = 0,06 ein annähernd signifikanter Gruppenunterschied. In der Olanzapingruppe konnte im ersten Jahr
jedoch ein signifikanter Rückgang im Gesamtscore aller Symptombereiche (p = 0,04),
und in der Positiysymptomatik (p = 0,002) aufgezeigt werden. Auffallend war in beiden
Gruppen eine signifikante Verbesserung im globalen Funktionsniveau (GAF). In der medikamentösen Auslassphase wiederum zeigte sich bei den neun Patienten der Olanzapingruppe eine mit p = 0,02 signifikante Verschlechterung der Positivsymptomatik, diese
konnte ohne Signifikanz auch in der Placebogruppe festgestellt werden.
Bezüglich auftretender Nebenwirkungen stellten sich in der medikamentösen Behandlungsphase signifikante Gruppenunterschiede in den Bereichen Müdigkeit und Gewichtszunahme dar, nicht jedoch in der Angabe von extrapyramidalen Nebenwirkungen. Auch
in der dritten Phase bestanden keine Gruppenunterschiede. Müdigkeit berichteten 29%
(n = 9) der Patienten aus der Olanzapingruppe und 3,4% (n = 1) der Patienten nach Placeboeinnahme (p = 0,01). Eine Gewichtszunahme konnte bei 61,3% (n = 19) der Olan-
59
zapinpatienten und 17,2% (n = 5) der Placebopatienten registriert werden (p = 0,001)
(McGlashan et al., 2006).
Bei Auswertung der Studie fiel der in den ersten vier Wochen sehr frühzeitige psychotische Übergang der fünf Patienten aus der Olanzapingruppe auf. Es könnte sein, dass
diese Patienten bereits zur Ausgangserhebung psychotisch waren, ihre Symptome dissimulierten oder erst die Einnahme der Medikation es ihnen möglich machte, Gedanken
und Veränderungen der Wahrnehmung adäquat wiederzugeben. McGlashan und Kollegen (2006) kamen nach Beendigung der Studie zu dem Schluss, dass aufgrund der sehr
geringen Anzahl von nur 17 Patienten im zweiten Jahr der Studie eine fundierte Aussage
zur Prävention einer psychotischen Episode mittels medikamentöser Behandlung nicht
getroffen werden kann. Auf der anderen Seite erlaubt jedoch der nahezu signifikante
Gruppenunterschied hinsichtlich eines Übergangs in eine Psychose im ersten Jahr die
Annahme, dass durch Olanzapingabe die Übergangsrate reduziert und der Beginn der
Psychose verzögert werden kann.
2.4.4.2.8 CAARMS (,Comprehensive Assessment of At-Risk Mental States’)
Neben der SIPS wurde durch die Forschergruppe um Alison Yung in Melbourne ein weiteres Instrument zur Erfassung der UHR-Kriterien entwickelt, welches seit 1996 einer
fortwährenden Weiterentwicklung unterliegt, das ,Comprehensive Assessment of At-Risk
Mental States’ (CAARMS) (Yung & McGorry, 1996a,b, 1997; Yung et al., 1996, 1998,
2003, 2004). Im Gegensatz zu den von der Melbourner Arbeitsgruppe zunächst verwandten Erhebungsinstrumenten, wie zum Beispiel der ,Brief Psychiatric Rating Scale’ (BPRS)
(Overall & Gorham, 1962) oder des ,Comprehensive Asessment of Symptoms and History’ (CASH) (Andreasen, 1987) wurde bei der CAARMS neben der auf Frühstadien der
Psychose ausgerichteten Symptomatik der Schwerpunkt auf die Beurteilung von Intensität, Häufigkeit, Dauer und erstmaligem Auftreten der Symptome gelegt (Yung et al.,
2005). Aufgeteilt in acht Subskalen mit einer der SIPS/SOPS vergleichbaren Schweregradskalierung von 0 bis 6 werden darin Defizite, bzw. Beeinträchtigungen in folgenden
Bereichen erhoben:
•
Gedankeninhalt (1)
•
Wahrnehmung (2)
•
konzeptionelle Fähigkeiten (3)
•
Motorik (4)
•
Konzentration und Aufmerksamkeit (5)
60
•
Stimmung und Affekt (6)
•
Tatkraft/Antrieb (7)
•
Stresstoleranz (8)
Dabei konnte in einer Studie von Yung und Kollegen (2005) gezeigt werden, dass in einer
untersuchten Stichprobe von 34 Patienten eine gute bis exzellente Interrater-Reliabilität
von 85% für den Gesamtpunktwert der CAARMS besteht. Ferner zeigte sich eine übereinstimmende Validität bezüglich der Identifikation von Patienten mit UHR-Kriterien anhand der CAARMS verglichen mit der BRPS bzw. CASH. Aus einer Gruppe von 150 Patienten erfüllten in der CAARMS 43 Patienten die UHR-Kriterien, wobei nach einem Beoabachtungszeitraum von sechs Monaten davon fünf in eine manifeste Psychose übergingen, so dass die prädiktive Validität gegenüber der Gruppe von Patienten, die die UHRKriterien nicht erfüllten mit einem relativen Risiko von 12,44 (95% CI = 1,5–103,41, p =
0,0025) signifikant höher lag (Yung et al., 2005). In einer Diskriminanzanalyse konnten
darüber hinaus hoch-signifikant höhere Punktwerte in allen Subskalen der CAARMS bei
UHR-Patienten verglichen mit einer Kontrollgruppe nachgewiesen werden. Als interessantes Ergebnis konnten Yung und Kollegen (ebd.) festhalten, dass die vermeintlich negativen Subskalen (5) bis (8) eine höhere prädiktive Validität in der Vorhersage eines
Übergangs in eine Psychose aufwiesen als die für den Einschluss in eine Prodromalgruppe festgelegten Positivsymptome (1) bis (4), die nicht mehr signifikant zwischen
Risikopersonen mit und ohne Übergang in eine Psychose unterscheiden konnten. Eine
mögliche Erklärung dessen könnte sein, dass Patienten mit UHR-Kriterien per se attenuiert psychotische Symptome vorweisen und sich daher bezüglich eines Übergangs in eine floride Psychose am ehesten in den Basissymptomen, die ebenfalls in der CAARMS
Berücksichtigung finden, von der Kontrollgruppe unterscheiden (Yung et al., 2005). Insgesamt kamen die Autoren (ebd.) zu dem Schluss, dass in diesen ersten vorläufigen
Analysen „the CAARMS displayed good to excellent concurrent, discriminant and predictive validity and excellent inter-rater reliability [and; Einfügung vom Autor] provides a useful platform for monitoring subthreshold psychotic symptoms for worsening into fullthreshold psychotic disorder” (ebd., S. 965).
2.4.4.2.9 Konzeption des psychosefernen und psychosenahen Prodroms
In Erweiterung der internationalen Forschung wird im Kompetenznetzwerk Schizophrenie
(KNS) im Projektverbund I zur Früherkennung und -intervention in Anlehnung an die Melbourner Befunde und die CER-Studie zwischen einem psychosenahen und einem psy-
61
chosefernen Prodrom unterschieden (Häfner et al., 2004; Ruhrmann et al., 2003; Schultze-Lutter, 2006), womit natürlich ein einfaches Stadienmodell impliziert werden kann (s.
Abb. 19).
Abb. 19: Modellvorstellung des psychosenahen und psychosefernen Prodroms und daraus resultierender Interventionsüberlegungen.
Während sich die Definition des psychosenahen Prodroms über APS und BLIPS eng an
die international gebräuchlichen Definitionskriterien der Melbourner PACE-Gruppe anlehnt, stützt sich die Definition des psychosefernen Prodroms auf die Ergebnisse der
CER-Studie. Dementsprechend fallen die im Sinne von Basissymptomen erhobenen
Prodromalsymptome in ein psychosefernes Stadium (Häfner et al., 2004; Ruhrmann et
al., 2003). Außerdem wird die in den Melbourner Kriterien enthaltene symptomatisch unspezifische Risikogruppe mit der Kombination von Risikofaktor und Funktionseinbußen
ebenfalls hierunter gefasst wobei im KNS als Risikofaktoren die genetische Belastung
und zusätzlich Geburts- und Schwangerschaftskomplikation definiert wurden (s. Tab. 6).
62
Tab. 6: Definition des psychosenahen und psychosefernen Prodroms
Kriterien eines psychosefernen Prodroms:
I. Prodromalsymptome:
a. Mindestens eines der folgenden Basissymptome:
-
Gedankeninterferenz
Zwangähnlicher Perseverieren bestimmter Bewusstseininhalte
Gedankendrängen, Gedankenjagen
Gedankenblockierung
Störung der rezeptiven Sprache
Störung der Diskriminierung von Vorstellungen und Wahrnehmungen, Phantasieinhalten und
Erinnerungen
- Eigenbeziehungstendenz (,Subjektzentrismus’)
- Derealisation
- Optische Wahrnehmungsstörungen
- Akustische Wahrnehmungsstörungen
b. Mehrfaches Auftreten über einen Zeitraum von mindestens einer Woche
II. Psychischer Funktionsverlust und Risikofaktoren:
a. Reduktion des GAF-M-Scores (,Global Assessment of Functioning’ gemäß DSM-IV) um mindestens 30 Punkte über mindestens einen Monat
plus
b. Mindestens ein erstgradiger Angehöriger mit Lebenszeitdiagnose einer Schizophrenie oder präund perinatale Komplikationen
Kriterien eines psychosenahen Prodroms
I. Attenuierte psychotische Symptome:
a. Mindestens eines der folgenden Symptome:
- Beziehungsideen
- Eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken
- Ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse
- Eigenartige Denk- und Sprechweise
- Paranoide Ideen
b. Mehrfaches Auftreten über einen Zeitraum von mindestens einer Woche
II. Brief Limited Intermittent Psychotic Symptoms (BLIPS):
a. Mindestens eines der folgenden Symptome:
- Halluzinationen (PANSS P3 ≥ 4)
- Wahn (PANSS P1, P5 oder P6 ≥ 4)
- Formale Denkstörungen (PANSS P2 ≥ 4)
b. Dauer der BLIPS weniger als 7 Tage und nicht häufiger als 2 mal pro Woche in 1 Monat
c. Spontane Remission
63
Im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Schizophrenie wird bei Hinweisen auf ein psychosefernes Prodrom die Teilnahme an einer symptomorientierten psychologischen Interventionsstudie angeboten, die eine zwölfmonatige multimodale psychologische Intervention vergleicht mit einem unspezifischen klinischen Management. Befinden sich die
Patienten bereits in einem psychosenahen Stadium wird ihnen die Teilnahme an einer
pharmakologischen Interventionsstudie angeboten (s. Abb. 19). Hierbei wird eine alleinige supportive psychologische Intervention verglichen mit einer zusätzlichen Kombination
einer Pharmakotherapie mit dem niedrig dosierten atypischen Neuroleptika Amisulprid
über einen Zeitraum von zwei Jahren (Klosterkötter et al., 2003). Erste Ergebnisse zeigen
gute Effekte der jeweiligen Behandlungsbedingungen in beiden Therapiearmen (Bechdolf
et al., 2005; Ruhrmann et al., 2007).
2.5
Fragestellung
Im Rahmen der CER-Studie (Klosterkötter et al., 2001, vgl. Kap. 2.4.4.2.3) wurde der
Hauptschwerpunkt auf die Betrachtung des psychosefernen Prodroms mit seinen oftmals
eher unspezifisch anmutenden Basissymptomen gelegt, wie sie mit der ,Bonner Skala für
die Beurteilung von Basissymptomen’ (BSABS) (Gross et al., 1987), und neuerdings
auch mit dem ,Schizophrenia Proneness Instrument, Adult version’ (Schultze-Lutter et al.,
2007a), erhoben werden. Eine genauere Betrachtung der das psychosenahe Prodrom
charakterisierenden attenuierten psychotischen Symptome (APS) und kurzfristigen psychotischen Symptome (BLIPS) erfolgte im Rahmen der CER-Studie nicht, insbesondere
da diese Symptome zusammen mit der Kombination aus bestehendem psychischen
Funktionsverlust und vorhandenen Risikofaktoren erst im Laufe der 90er Jahre von der
australischen Forschungsgruppe um Patrick D. McGorry aufgrund ihrer hohen prädiktiven
Validität als ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien etabliert wurden (Phillips et al., 2000; Yung
et al., 1996, 1998). Zur Erfassung der UHR-Kriterien wurden mit dem ,Comprehensive
Assessment of At-Risk Mental States’ (CAARMS) (Yung et al., 2005), und dem
,Structured Interview for Prodromal Syndromes/Scale of Prodromal Symptoms’
(SIPS/SOPS) (Miller et al., 1999), bereits zwei Instrumente vorgeschlagen.
Demgegenüber wurde bislang das anfängliche, unspezifische prodromale Stadium mit
seinen oftmals dominierenden unspezifischen Angstzuständen, depressiven sowie neurotisch anmutenden Symptomen und/oder seiner abgeschwächten Negativsymptomatik nur
unzureichend berücksichtigt. Einer der Gründe hierfür war, dass gerade für die leichteren
Ausprägungsgrade die vorhandenen Erhebungsinstrumente, insbesondere die ,Brief
64
Psychiatric Rating Scale’ (BPRS; Overall & Gorham, 1962) und die ,Positive And Negative Syndrome Scale’ (PANSS; Kay et al., 1987), nur sehr grobe Einschätzungen der
Schwere erlaubten. Daher war mit der SIPS/SOPS auch der Versuch unternommen worden in Anlehnung an die PANSS über APS und BLIPS hinaus auch die feineren,
unspezifischen Symptome zu erfassen, die ihren Ausdruck vor allem in den drei
Subskalen der negativen, desorganisierten und generellen Symptome fanden.
Die SIPS/SOPS war insbesondere im amerikanischen Raum bereits hinsichtlich ihrer Reliabilität und Validität untersucht worden, wobei sich allerdings durch die vorrangige Fokussierung auf Patienten mit UHR-Kriterien Probleme bei der Abschätzung der prognostischen Güte, insbesondere der Spezifität und negativen prädiktiven Stärke, ergaben. Untersuchungen unter Berücksichtigung dieser Gütekriterien zur SIPS/SOPS stehen bislang
noch aus.
Anhand der dieser Arbeit zugrunde liegenden größeren Stichprobe von Prodromalpatienten, die über einen längeren Beobachtungszeitraum nachuntersucht wurde, stellt sich
nun die Frage, ob die SIPS/SOPS als prospektives Untersuchungsinstrument geeignet
ist, bei Patienten, die nach den Basissymptomkriterien selektiert wurden, den diagnostischen Gütekriterien standhaltende Vorhersagen einer späteren manifesten Psychose zu
treffen.
Auf der anderen Seite sollte davon auszugehen sein, dass die Symptomatik der Stichprobe der schizophrenen Patienten am ehesten in der zu der SIPS/SOPS gehörenden
Subgruppe der Positivsymptomatik abgebildet werden kann. Darüber hinaus implizieren
dann aber die Forschungsergebnisse der UHR-Kriterien, dass man auch bei Prodromalpatienten in einem psychosenahen Stadium erwarten kann, dass diese sich auf der Subskala der Positivsymptomatik mit höherer Vorhersagekraft darstellen lassen.
65
3 Methode
3.1
Versuchsplanung (1)
In der vorliegenden Studie wird die Vorhersagekraft der SIPS für eine Erstmanifestation
einer Psychose über Gruppenvergleiche evaluiert. Diese sollen sowohl einzeln für die 19
erhobenen psychopathologischen Items der SIPS als auch für die vier daraus zusammengefassten Subskalen bzw. die drei nach Faktorenanalyse gebildeten Gruppen erfolgen. Im ersten Teil erfolgt diese Gegenüberstellung in der Gruppe für Patienten mit mindestens einem der zehn nach den Ergebnissen der CER-Studie hoch psychoseprädiktiven Prodromalsymptomen auf der einen und Patienten mit der Diagnose einer Erstmanifestation einer schizophrenen Störung gemäß DSM-IV-Kriterien auf der anderen Seite. Im
zweiten Teil wird die Gruppe der Prodromalpatienten unterteilt in übergegangene versus
nicht-übergegangene Patienten, auch hier erfolgt der Gruppenvergleich über die Vorhersagekraft der SIPS-Items. Hierbei soll jeweils der Einfluss der unabhängigen Variable
,Gruppe’ (UV 1A und UV 1B) auf die abhängige Variable ,SIPS’ mit ihrer Ausprägung auf
Itemebene (AV A1) und auf Subskalen- bzw. Faktorenebene (AV A2) geprüft werden.
3.2
3.2.1
Das Untersuchungskollektiv
Auswahl der Patienten
In der vorliegenden Studie fanden Patienten Eingang, die in der Region Köln-Bonn zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 31. Dezember 2001 an einer prospektiven Verlaufsuntersuchung vom Früh-Erkennungs- und Therapie-Zentrum für psychische Krisen (FETZ)
der Kölner Psychiatrischen Universitätsklinik teilnahmen. Das FETZ ist eine Anlaufstelle
für junge Menschen mit psychischen Problemen, welches eine Vermittlung in eine geeignete Behandlung ermöglicht. Ziel ist hierbei vor allem an einer beginnenden Psychose
leidende Personen bereits im Prodromalstadium der Erkrankung zu identifizieren und einer qualifizierten frühen Behandlung zuzuführen.
Für die potentiell prodromale Stichprobe wurden Patienten rekrutiert, die zumeist von kooperierenden Allgemein-, Facharzt- und Psychotherapiepraxen, schulpsychologischen
Diensten, Erziehungs- und Studienberatungsstellen sowie von Ambulanzen der kooperierenden psychiatrischen Versorgungskrankenhäusern zur Abklärung einer möglicherweise
beginnenden psychotischen Ersterkrankung überwiesen worden waren und bei denen
66
sich der Verdacht eines initialen Prodromalstadiums durch das Vorliegen von mindestens
einem der zehn nach den Ergebnissen der CER-Studie (vgl. Kap. 2.4.4.2.3; Klosterkötter
et al., 2001) hoch psychoseprädiktiven Prodromalsymptomen (vgl. Tab. 4, Kap. 2.4.4.2.3)
von mindestens mäßiger Ausprägung und einjähriger Dauer erhärtet hatte (COPERKriterium; Schultze-Lutter et al., 2007b). Diese Patienten wurden im Weiteren verabfolgt.
Die zweite Stichprobe umfasste Patienten mit einer Erstmanifestation einer schizophrenen Störung, die entweder stationär in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln behandelt oder ambulant in dem FETZ gesehen worden waren. Im Gegensatz zu den potentiell prodromalen Patienten erfolgte in dieser
Gruppe lediglich eine Querschnittsuntersuchung.
Ziel der Befragung beider Stichproben war eine möglichst präzise Erhebung und Analyse
präpsychotischer psychopathologischer Auffälligkeiten. Daher war bei der zweiten Stichprobe die Notwendigkeit gegeben, die Untersuchung nach Abklingen der produktiv psychotischen Symptome durchzuführen, da ansonsten eine Verzerrung der Ergebnisse
durch eingeschränkte kognitiv-mnestische Prozesse zu erwarten gewesen wäre.
Im Einzelnen wurden folgende Ein- und Ausschlusskriterien für die Auswahl der Patienten definiert:
Für beide Stichproben wurde für den Einschluss vorausgesetzt, dass eine schriftliche
Einverständniserklärung für die freiwillige Teilnahme an der Studie nach ausführlicher Information über deren Aufbau und Ziel vorhanden war. Ferner sollte das Alter der Patienten zwischen dem begonnenen 16. und dem abgeschlossenen 40. Lebensjahr liegen,
und die Patienten sollten über für die Exploration ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.
Für die erste Stichprobe war die Prodromalphase einer schizophrenen Störung Voraussetzung mit mindestens einem der zehn nach den Ergebnissen der CER-Studie (Klosterkötter et al., 2001; vgl. Tab. 4, Kap. 2.4.4.2.3) hoch psychoseprädiktiven Prodromalsymptomen. Die Dauer des jeweiligen einschlussrelevanten Prodromalsymptoms sollte mindestens ein Jahr betragen mit einem kontinuierlichen oder aber episodischen, in den vergangenen drei Monaten zumindest wöchentlichem Auftreten.
Die zweite Stichprobe musste die Diagnosekriterien einer Erstmanifestation einer schizophrenen Störung gemäß DSM-IV-Kriterien erfüllen.
Für beide Gruppen galt als Ausschluss die Diagnose eines Delirs, einer Demenz, amnestischer oder anderer kognitiver Störungen, einer geistigen Behinderung, psychischer
Störungen aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors oder im Zusammenhang mit
psychotropen Substanzen gemäß DSM-IV-Kriterien. Auch andere Erkrankungen des
67
Zentralnervensystems entzündlicher oder traumatischer Genese oder aber eine Epilepsie
durften nicht vorhanden sein.
Weiterhin galt in der prodromalen Stichprobe die derzeitige oder Lebenszeitdiagnose einer schizophrenen, schizophreniformen, schizoaffektiven, wahnhaften oder bipolaren
Störung gemäß DSM-IV-Kriterien als Ausschlusskriterium ebenso wie die Diagnose einer
Kurzen Psychotischen Störung gemäß DSM-IV-Kriterien mit einer Dauer von mehr als einer Woche gegenwärtig oder früher oder innerhalb der letzten vier Wochen. Für die schizophrene Stichprobe galt ebenfalls, dass keine frühere Lebenszeitdiagnose einer psychischen Störung gemäß DSM-IV-Kriterien erfüllt sein durfte.
3.2.2
Stichprobe
Die Gesamtstichprobe besteht aus 60 Patienten mit Verdacht auf ein Prodrom einer schizophrenen Erkrankung und 60 Patienten mit einer schizophrenen Erstepisode. Da es sich
um klinische Stichproben handelt, konnte die ursprünglich vorgesehene Parallelisierung
nach Alter, Geschlecht und Schulbildung nicht in jedem Fall vollzogen werden, so dass
sich in den soziodemographischen, nicht miteinander korrelierten Kontrollvariablen Alter
und Schulbildung (rs = 0,15, p = 0,109) signifikante Gruppenunterschiede ergaben (s. Tab
7, vgl. Anhang B).
Da aufgrund der Fragestellung vor allem interessierte, mit welcher Wahrscheinlichkeit die
Stichprobe der Patienten mit Prodromalsymptomatik in eine anschließende Psychose
übergehen würde, wurden diese Patienten über einen mindestens zweijährigen Zeitraum
nachuntersucht. Dabei zeigten 18 der 60 Prodromalpatienten (30%) im bisherigen Beobachtungszeitraum einen den Studienkriterien entsprechenden Übergang in eine psychotische Erstmanifestation durchschnittlich 12,7 (2 bis 27) Monate nach der Erstuntersuchung. Ein Übergang in eine Psychose wurde hierbei in Anlehnung an Phillips und Kollegen (2000) über das Auftreten eines der folgenden Positivsyndrome gemessen und mit
der ,Positive And Negative Symptom Scale’, PANSS (Kay et al., 1987) mit einer mindestens siebentägigen Dauer definiert: Halluzinationen (P3 ≥ 4), Wahn (P1 oder P5 ≥ 4; P6 ≥
4 im Falle paranoider Denkinhalte bzw. P6 ≥ 5 im Falle von Misstrauen ohne paranoide
Denkinhalte) und/oder formale Denkstörungen (P2 ≥ 4).
68
Tab. 7:
Soziodemographische Daten der Stichproben
Prodrom
(n = 60)
Schizophrenie
(n = 60)
24,38 ± 5,22
15–39
24,5
27,95 ± 6,73
18–43
26,5
Geschlecht: m : w
34 : 26
41 : 19
0,187 2)
Nationalität:
deutsch : andere
54 : 6
48 : 12
0,125 2)
Familienstand:
ledig
verheiratet
getrennt lebend
geschieden
anderes
55
4
0
0
1
45
11
1
3
0
Schulbildung:
Schule abgebrochen
Hauptschulabschluss
Realschulabschluss
Fachschulabschluss
Abitur
andere
noch in der Schule
nicht bekannt
0
5
11
6
31
1
6
0
3
23
6
3
24
0
0
1
Alter in Jahren:
Mittel ± s
Minimum–Maximum
Median
1)
Signifikanzniveau
(p)
0,002 1)
0,055 2)
0,001 2)
(t-Test); 2) (2×k-χ2-Test)
Bei der Beschreibung innerhalb der Prodromalstichprobe konnte im Vergleich der soziodemographischen Daten kein signifikanter Unterschied zwischen den in eine manifeste
Psychose übergegangenen und nicht-übergegangenen Patienten festgestellt werden (s.
Tab. 8).
69
Tab. 8:
Soziodemographische Daten der in eine manifeste Psychose übergegangenen und
nicht-übergegangenen Prodromalpatienten
Übergegangen
(n = 18)
NichtÜbergegangen
(n = 42)
23,56 ± 5,92
17–39
22,5
24,74 ± 4,92
15–35
25,0
Geschlecht: m : w
11 : 7
23 : 19
0,649 2)
Nationalität:
deutsch : andere
16 : 2
38 : 4
1,000 2)
Familienstand:
ledig
verheiratet
getrennt lebend
geschieden
anderes
16
1
0
0
1
39
3
0
0
0
Schulbildung:
Schule abgebrochen
Hauptschulabschluss
Realschulabschluss
Fachschulabschluss
Abitur
andere
noch in der Schule
0
3
2
3
7
0
3
0
2
9
3
24
1
3
Alter in Jahren:
Mittel ± s
Minimum–Maximum
Median
1)
Signifikanzniveau
(p)
0,426 1)
0,301 2)
0,269 2)
(t-Test); 2) (2×k-χ2-Test)
3.3
Erhebungsinstrument
Die SIPS (,Structured Interview for Prodromal Syndromes’; Miller et al., 1999) ist ein
halbstandardisiertes Verfahren zur Erhebung und Dokumentation psychopathologischer
Beschwerden bei Patienten, bei denen die Diagnose einer Psychose bereits gestellt wurde oder aber der Verdacht auf ein Prodrom einer Psychose besteht. Die SIPS umfasst
fünf verschiedene Teilbereiche. Als wichtigstes Beurteilungsinstrument für die Befunde
dient die aus 19 Items bestehende ,Scale of Prodromal Symptoms’ (SOPS). In diesem
Zusammenhang wurde ursprünglich ein Unterschied zwischen SIPS und SOPS gemacht.
Während die SIPS im Sinne eines Fragenmanuals als Interviewleitfaden diente, gab die
SOPS anhand des Auswertungsbogens einen Syndromüberblick und zusätzlich eine
Schweregradeinteilung und Beurteilung hinsichtlicht des Vorliegens einer Psychose oder
70
eines der UHR-Kriterien des Prodroms (vgl. Kap. 2.4.4.2.4). In der aktuellen dritten Version wurde der Auswertungsbogen der SOPS in die SIPS integriert, so dass als Erhebungsinstrument heute eine erweiterte SIPS zur Verfügung steht.
Neben den vier psychopathologischen Hauptskalen, die weiter unten genauer dargestellt
sind, enthält die SIPS eine Version der ,Global Assessment of Functioning’ (GAF)-Skala
(Endicott et al., 1976), die bei der Bewertung neben der Psychopathologie das psychologische, soziale und beschäftigungsbezogene Funktionsniveau berücksichtigt. Dabei werden Funktionseinbußen aufgrund von Einschränkungen der physischen Gesundheit oder
aufgrund von Umweltfaktoren ausgeschlossen (vgl. Anhang C, modifiziert nach Hall,
1995). Ein weiterer Bestandteil der SIPS ist eine Checkliste, die die DSM-IV-Kriterien für
eine schizotypische Persönlichkeitsstörung abfragt und hinsichtlich der Diagnose einstuft
(vgl. Anhang D). Als Einordnung in den biographischen Kontext dient eine zu erhebende
familiäre Vorgeschichte psychischer Erkrankungen, die über die Verwandtschaftsbeziehung, die Art und Dauer der psychischen Erkrankung und die unternommenen Behandlungsversuche Aufschluss gibt (vgl. Anhang E). Zuletzt werden die ursprünglich der
SOPS zugehörigen POPS (,Presence of Psychotic Syndromes’) und COPS (,Criteria of
Prodrome Syndromes’) unter die SIPS subsumiert, mit deren Hilfe das Vorhandensein
psychotischer und/oder prodromaler Symptome beurteilt werden kann (vgl. Anhang F).
In der COPS werden die drei für ein Prodrom derzeit meistverwandten und auf die australische Forschungsgruppe um Yung & McGorry zurückgehenden, sogenannten ,UltraHigh Risk’ (UHR)-Kriterien zusammengefasst (Miller et al., 2002a,b; Phillips et al., 2000;
Yung & McGorry, 1996a,b). Diese umfassen sowohl attenuierte (APS) und transiente
psychotische Symptome (BLIPS) als auch das ,Genetic Risk and Recent Deterioration
Syndrome’ (GRD), welches eine erhöhte familiäre und persönlichkeitsakzentuierte Prädisposition in Kombination mit rezenten, signifikanten Funktionseinschränkungen im Sinne des GAF-Scores beinhaltet.
Bei der Entwicklung der SIPS wurden existierende Ansätze zusammengetragen, die sowohl retrospektive als auch prospektive Versuche bei der Erfassung eines initialen
Prodroms beinhalteten (Chapman, 1980; Häfner et al., 1992; Klosterkötter et al., 1997a,b;
Yung & McGorry, 1996a,b; Yung et al., 1996), wobei sich die derzeitige Fassung der
SIPS insbesondere im Bereich der positiven Syndrome eng an die ,Positive and Negative
Syndrome Scale’, PANSS (Kay et al., 1987) anlehnt und dabei um eine feinere, detailliertere Erfassung der schwächeren präpsychotischen Symptomausprägungen bemüht ist
(Miller et al., 1999). Die SIPS erhebt dabei fünf attenuierte bzw. in der stärksten Ausprägung auch bereits manifest psychotische Positivsyndrome, sechs Negativsyndrome, vier
71
Syndrome desorganisierten Verhaltens und vier generelle psychopathologische Syndrombereiche, die das Schlafverhalten, die Stimmung, die Motorik und die Stresstoleranz
betreffen.
Im Einzelnen gehören zum ersten Syndromkomplex (Positivsyndrome P.1.–5.) folgende
Unterpunkte:
P.1. Ungewöhnliche Denkinhalte und wahnhafte Ideen
P.2. Misstrauen und Verfolgungsideen
P.3. Größenideen
P.4. Abweichungen in der Wahrnehmung und Halluzinationen
P.5. Konzeptuelle Desorganisation
Da eine Psychose vor allem und vorrangig durch Positivsymptome definiert wird, unterscheidet sich die Skala dieses Auswertungsbogens von den Skalen der drei übrigen
Syndrombereiche hinsichtlich ihrer Schweregradbeurteilung. Anhand der Sieben-PunkteSkala (0–6) werden in den Ausprägungen ,3’ bis ,5’ Symptome im subpsychotischen oder
abgeschwächten psychotischen Bereich,die attenuierten psychotischen Symptome (APS)
erhoben. Ausprägung ,6’ steht hingegen bereits für ein schweres und psychotisches
Symptom; anhand der zeitlichen COPS-Kriterien zu beurteilen gilt für diese Ausprägung
das Vorliegen eines möglichen transienten psychotischen Symptoms (BLIPS) in Abgrenzung zum Vorliegen einer bereits manifesten Psychose.
Diese Fokussierung auf eine detaillierte Erfassung der subklinischen Bereiche macht den
größten Unterschied zu Skalen wie der BPRS (Overall & Gorham, 1962), der PANSS
(Kay et al., 1987) oder der SANS und SAPS (Andreasen, 1984a,b) aus, wo der Schweregrad der Symptome im psychotischen Bereich detailliert beurteilt wird. Die Items der Positivskala werden anhand der folgenden ordinalskalierten Kategorien beurteilt:
0=
nicht vorhanden
1=
fraglich vorhanden
2=
leicht
3=
mäßig
4=
mäßig schwer
5=
schwer aber nicht psychotisch
6=
schwer und psychotisch
Dabei werden für jedes der fünf Positivitems die Ausprägungen der einzelnen Kategorien
inhaltlich über Ankerpunkte definiert, die psychopathologische und funktionale Aspekte
berücksichtigen (vgl. Anhang G).
72
Die Komplexe der Negativsyndrome (N.1.–6.) und der Syndrome desorganisierten Verhaltens (D.1.–4.) sowie der generelle psychopathologische Syndromkomplex (G.1.–4.)
unterteilen sich wie folgt in ihre Einzelitems:
Negativsyndrome:
N.1. Soziale Isolation oder Rückzug
N.2. Antriebsschwäche
N.3. Verminderter Ausdruck von Emotionen
N.4. Vermindertes Erleben von Emotionen und Selbst
N.5. Verringerte gedankliche Vielfalt
N.6. Verminderung des Funktionsniveaus
Syndrome desorganisierten Verhaltens:
D.1. Eigenartiges Verhalten oder Auftreten
D.2. Bizarres Denken
D.3. Schwierigkeiten in der Ausrichtung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit
D.4. Einbussen der persönlichen Hygiene und sozialen Aufmerksamkeit
Generelle psychopathologische Syndrome:
G.1. Schlafstörungen
G.2. Dysphorische Stimmungslage
G.3. Bewegungsstörungen
G.4. Verringerte Stresstoleranz gegenüber alltäglichen Anforderungen
Die Skalen dieser drei Gruppen orientieren sich in ihrer Schweregradeinteilung der ersten
SIPS-Versionen, inklusive der in der vorliegenden Arbeit verwandten (Version 2.0), nicht
an einer inhaltlich definierten Ausprägung, sondern wie folgt an der zeitlichen Intensität
der vorhandenen Syndrome:
0=
nicht vorhanden, niemals
1=
fraglich vorhanden, selten (weniger als einmal im Monat)
2=
leicht, sporadisch (monatlich)
3=
mäßig, wiederholt auftretend (wöchentlich)
4=
mäßig schwer, häufig (mindestens zweimal pro Woche)
5=
schwer, täglich (aber nicht kontinuierlich)
6=
extrem, täglich und kontinuierlich
Auch wenn Symptome wie etwa eine objektive und/oder subjektive Affektverflachung, eine verminderte Erfüllung der Rollenfunktion, Schlafstörungen oder eine beeinträchtigte
Stresstoleranz als relativ unspezifisch für psychotische Erkrankungen angesehen werden
73
müssen, so wurde doch von den Autoren um Miller, McGlashan und Kollegen angenommen, dass sie vor allem im Zusammenspiel untereinander neben den APS und BLIPS
ebenfalls zu der Vorhersage des Ausbruchs einer Psychose beitragen können, da sie
häufig bereits als in der Prodromalphase auftretend beschrieben wurden (vgl. Kap.
2.4.4.2.4). Der Schweregrad des prodromalen Verlaufs ergibt sich dementsprechend aus
der Summe aller Wertungen der gesamten Items und kann zwischen 0 und 114 schwanken (Miller et al., 1999; vgl. Anhang H).
In Jahr 2002 wurde eine Studie von Miller und Kollegen publiziert, in der in einem Zeitraum von 1998 bis 2000 mehrere Patienten mit der SIPS befragt worden waren, um anhand der Daten die Interrater-Reliabilität und die Validität der SIPS zu untersuchen. Dabei waren 18 Patienten von verschiedenen Interviewern unabhängig voneinander entweder durch ein Zweiergespräch oder mit Hilfe einer Videoaufnahme mittels der SIPS hinsichtlich des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins der Items geratet worden. Es
fand sich eine Überstimmung im Sinne der Interrater-Reliabilität von 93% zwischen allen
Interviewern (ebd.).
Die Validität der SIPS wurde erstmalig an insgesamt 29 Patienten untersucht, von denen
13 zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung prodromale Symptome aufwiesen. Zwölf von ihnen erfüllten die APS-Kriterien, lediglich ein Patient zeigte transiente psychotische Symptome, BLIPS. Nach sechs Monaten konnte bei sechs der 13 Patienten (46%) die Entwicklung einer Psychose, nach zwölf Monaten bei 54% der Patienten gezeigt werden
(Miller et al., 2002c). Zusammenfassend konnte für die SIPS somit in kleinen Patientengruppen eine zufriedenstellende Interrater-Reliabilität und eine prädiktive Validität gezeigt
werden (Miller et al., 2002c).
3.3.1
Faktorenanalyse
Hawkins und Kollegen führten 2004 eine als Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation und Normalisierungsfaktor angelegte explorative Faktorenanalyse der 19 SIPS-Items
an einer Stichprobe von 94 Patienten durch, die in drei Faktoren resultierte (s. Tab. 9).
Die Auswahl der Faktorenzahl erfolgte dabei nach dem ,scree plot’-Verfahren. Unter dem
Faktor 1 wurden fünf der in der SIPS als Negativsyndrome bezeichneten Items subsumiert zuzüglich der Items ,Eigenartiges Verhalten oder Auftreten’ und ,Einbußen der persönlichen Hygiene und sozialen Aufmerksamkeit’ (Desorganisiertes Syndrom D.1. und
D.4.) und des Items ,Konzeptuelle Desorganisation’ (Positives Syndrom P.5.). Syndrome
74
dieses Faktors waren also in der Hauptsache auf psychopathologischer Ebene negativer
Natur.
Der Faktor 2 beinhaltete alle generellen Syndrome der SIPS in Kombination mit dem Item
,Schwierigkeiten in der Ausrichtung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit’ (Desorganisiertes Syndrom D.3.), wodurch die Syndrome dieses Faktors in ihrer Natur einen
eher unspezifischen Charakter annahmen und nach Ansicht der Autoren die Demoralisierung der Patienten bei Erkennen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit zum Ausdruck
brachten (Hawkins et al., 2004).
Faktor 3 letztendlich fasste alle Positivsyndrome der SIPS mit Ausnahme der
,Konzeptuellen Desorganisation’ (Faktor 1) zusammen und schloss zusätzlich das Item
,Bizarres Denken’ (Desorganisiertes Syndrom D.2.) mit ein. Somit drückte Faktor 3 die
Dimension der Positivsymptomatik psychotischer Vulnerabilität aus (s. Tab. 9).
Tab. 9:
Faktorenanalyse nach Hawkins und Kollegen (2004)
Faktor 1
Faktor 2
D.1.: Eigenartiges Verhalten
oder Auftreten
G.2.: Dysphorische
Stimmungslage
N.3.: Verminderter Ausdruck
von Emotionen
G.1.: Schlafstörungen
N.2.: Antriebsschwäche
N.1.: Soziale Isolation
oder Rückzug
N.5.: Verringerte gedankliche
Vielfalt
P.5.: Konzeptuelle
Desorganisation
Faktor 3
P.1.:
Ungewöhnliche
Denkinhalte/
Wahnhafte Ideen
P.4.:
Abweichungen
in der Wahrnehmung/
Halluzinationen
P.3.:
Größenideen
G.4.: Verringerte Stresstoleranz
gegenüber alltäglichen
Anforderungen
D.3.: Schwierigkeiten in der
Ausrichtung und
Aufrechterhaltung
der Aufmerksamkeit
D.2.: Bizarres Denken
P.2.:
Misstrauen/
Verfolgungsideen
G.3.: Bewegungsstörungen
N.4.: Vermindertes Erleben von
Emotionen und Selbst
N.6.: Verminderung des
Funktionsniveaus
D.4.: Einbußen der persönlichen
Hygiene und sozialen
Aufmerksamkeit
Obwohl keine Angaben über die erklärte Varianz der einzelnen Faktoren bzw. der Gesamtlösung sowie Angaben zur Modellanpassung und zu den Gütekriterien von den Autoren (Hawkins et al., 2004) gemacht wurden, wurde .die Drei-Faktor-Lösung empirisch
als eine gute Alternative zu den theoretisch erstellten SIPS-Subskalen gesehen, so dass
75
im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit auch eine Evaluation der drei Faktoren nach
Hawkins und Kollegen (2004) erfolgte.
3.4
3.4.1
Versuchsplanung (2)
Bedingungsvariationen der unabhängigen Variablen
Die unabhängige Variable ,Gruppe’ (UV 1) kann zwei voneinander unabhängige Bedingungsvariationen annehmen, UV 1A und UV 1B, die jeweils zwei kategoriale Ausprägungen besitzen können. Hierbei kann die UV 1A die Ausprägungen ,schizophrene Erstmanifestation’ und ,potentielles initiales Prodrom’ annehmen, die UV 1B die Ausprägungen
,Übergang in eine manifeste Psychose’ und ,kein Übergang in eine manifeste Psychose’.
Bei der abhängigen Variable ,SIPS’ (AV A) kommt es zum einen auf Itemebene (AV A1)
zu 19 und zum anderen auf Subskalen- bzw. Faktoren-Ebene (AV A2) zu sieben Bedingungsvariationen. Dabei können die 19 Einzelitems die Ausprägungen ,0 = nicht vorhanden’ bis ,6 = schwer bzw. extrem’ annehmen und sind somit ordinalskaliert. Die vier Subskalen bzw. drei Faktoren nehmen Werte zwischen 0 und der Summe der jeweiligen
Ausprägung der in ihnen enthaltenen Items an; diese auf Ordinaldaten basierten Summenwerte sind ebenfalls ordinalskaliert, zumal sie nicht als normalverteilt in der Bevölkerung gelten können, sondern in einer linkssteilen Verteilung angenommen werden müssen, da die Mehrheit keine oder nur wenige und schwach ausgeprägte Symptome aufweisen wird.
Es wird der Einfluss der unabhängigen Variable ,Gruppe’ (UV 1) auf die abhängige Variable ,SIPS’ (AV A) untersucht.
3.4.2
Versuchsplananlage
Aus den Operationalisierungen der abhängigen und unabhängigen Variablen ergeben
sich vier uni-faktorielle Versuchsplan-Anlagen VPL-A1 mit jeweils einer unabhängigen
und einer abhängigen Variable, die wegen der systematischen Zuordnung der Beobachtungen zu den einzelnen Bedingungen quasi-experimentellen Charakter haben. Hierbei
kann die unabhängige Variable (UV 1x) jeweils zwei Stufen, die Bedingungsvariationen
der abhängigen Variablen (AV Ay), A1 und A2, k = 7 bzw. k = 19 Stufen annehmen. In
Tabelle 10 ist eine allgemeine Form der VLP-A 1QQ nach Hager (1987) dargestellt.
76
Tab. 10: Quasi-experimentelle zwei-faktorielle Versuchsplan-Anlage VPL-A 1QQ zur Messung
der Haupteffekte (HE) der UV 1x.
UV 1x ,Gruppe’
1x1
1x2
Ay1
Ay11x1
Ay11x2
AV Ayk
Ay2
Ay21x1
Ay21x2
,SIPS’
…
Ayk
3.5
HE 1x
Ayk1x1
Ayk1x2
Ableitung von empirischen Vorhersagen
Durch zahlreiche Studien ist das Auftreten prodromaler Symptome im Vorfeld einer ersten manifesten Psychose beschrieben worden, wobei unterschiedliche Ansätze existieren, von denen insbesondere das Basissymptomkonzept (vgl. Kapitel 2.4.4.2.3) und das
Konzept des ,Ultra-High Risk (UHR) mental state’ (vgl. Kapitel 2.4.4.2.4) bereits gut belegt sind. Letzteres wurde insbesondere in Studien aus dem angloamerikanischen Raum
eingesetzt, die ihren Schwerpunkt auf die Beobachtung der Symptome im späteren Stadium des initialen Prodroms legen, in dem der Übergang in eine manifeste Psychose bereits nahe bevor steht. Das von Phillips und Kollegen 2000 beschriebene UHR-Konzept
ist in der Hauptsache durch das Vorliegen von attenuierten psychotischen Symptomen
(APS) und/oder kurzfristig auftretenden, spontan remittierenden psychotischen Symptomen (BLIPS) gekennzeichnet. Zur Erhebung der UHR-Kriterien dient die oben beschriebene, eigens für diesen Zweck von der PRIME-Gruppe in New Haven konstruierte SIPS
(McGlashan et al., 2004; Miller et al., 1999, 2002c). Im Kompetenznetzwerk Schizophrenie (KNS) wurde mit den Begriffen des psychosefernen und psychosenahen Prodroms
versucht beide Ansätze zu vereinbaren, wobei die Basissymptome der CER-Studie sowie
alternativ die den UHR-Kriterien entstammende Kombination von Funktionsverlust und
Risikofaktor dem psychosefernen und die symptomatischen UHR-Kriterien, APS und
BLIPS, dem psychosenahen Prodrom entsprechen (Häfner et al., 2004; Ruhrmann et al.,
2003; Schultze-Lutter, 2006).
Zur Überprüfung der nun folgenden Annahmen werden in dieser Arbeit potentielle
Prodromalpatienten (G1) mit einer gleich großen Gruppe von Patienten mit einer schizophrenen Erstepisode (G2) hinsichtlich der Ausprägung der vorhandenen Symptome verglichen. Darüber hinaus kommt es zu einem Vergleich der im Beobachtungszeitraum in
77
eine manifeste Psychose übergegangenen Prodromalpatienten (G1A) mit den nicht übergegangenen Patienten (G1B). Entsprechend des angenommenen bereits weiter fortgeschrittenen Krankheitsverlaufs war die Gruppe der Patienten mit schizophrener Erstmanifestation (G2) älter im Vergleich zu der Gruppe der potentiellen Prodromalpatienten
(G1) und hatte die Schule bereits auf häufig eher niedrigem Niveau abgeschlossen (vgl.
Tab. 7, Kap. 3.2.2). Alter und Schulbildung sind damit bei den geplanten Vergleichen als
mögliche Kovariaten zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Vergleichs der übergegangenen
und nicht übergegangenen Prodromalpatienten zeichneten sich hingegen keine soziodemographischen Einflussvariablen ab (vgl. Tab. 8, Kap. 3.2.2).
Mit dem vorliegenden Untersuchungsinstrument lassen sich die UHR-Kriterien in der
Gruppe der Positivsyndrome (SIPS-P) abbilden, es handelt sich also um psychosenahe
Kriterien, welche sich in der Ausprägung ,3’ bis ,5’ als APS und in der Ausprägung ,6’ als
BLIPS bzw. als manifest psychotische Symptome widerspiegeln. Da die BLIPS in der
Ausprägung ,6’ bereits ein schweres und psychotisches Symptom darstellen, ist in der
vorliegenden Arbeit von einer größeren Häufigkeit bei den fünf Items der Positivsektion
(P1 bis P5) in der Schizophreniegruppe (G2) als in der Prodromalgruppe (G1) auszugehen. Darüber hinaus ist dementsprechend zu erwarten, dass das Positivsyndrom (SIPSP) ebenso wie der in erster Linie aus Positivitems bestehende Faktor 3 schwerer ausgeprägt in der Schizophreniegruppe vorkommt.
In den drei weiteren Subskalen SIPS-N (Negativsyndrome), SIPS-D (Syndrome desorganisierten Verhaltens) und SIPS-G (genereller psychopathologischer Syndromkomplex)
werden insgesamt weniger bzw. keine signifikanten Gruppenunterschiede auf Einzelitemebene als auch in den Summenwerten zwischen G1 und G2 erwartet, da aufgrund der
bisherigen Studien zum Prodrom einer psychotischen Erstmanifestation (vgl. Kapitel 2.4)
davon ausgegangen wird, dass bereits bei Prodromalpatienten eine hohe psychopathologische Belastung durch unspezifische bzw. attenuierte negative Symptome vorhanden
ist, die der Schizophreniegruppe durchaus entsprechen kann. Entsprechend sollten auch
die Faktoren 1 und 2 mit ihren eher unspezifischen und negativen Syndromen ähnliche
Ausprägungen in beiden Gruppen (G1 und G2) besitzen.
In der Gruppe der übergegangenen Prodromalpatienten (G1A) wird im Vergleich zu den
nicht übergegangenen Patienten (G1B) von einer höheren Ausprägung bei den Einzelitems und in allen Subskalen bzw. Faktoren ausgegangen, da angenommen wird, dass
die übergegangenen Patienten bereits zum Zeitpunkt der Ersterhebung psychopathologisch belasteter sind.
78
3.6
Ableitung von statistischen Vorhersagen
Aus den empirischen Vorhersagen ergeben sich folgende gerichtete statistische Vorhersagen für die abhängige Variable (AV) ,Ausprägung der Einzelitems bzw. Subskalen und
Faktoren der SIPS’:
Hinsichtlich der einzelnen auf die Positivsymptomatik bezogenen Syndrome (P1 bis P5)
wird angenommen, dass sich diese bei der unabhängigen Variable UV 1A in der Gruppe
der Schizophrenen (G2) in stärkerer Ausprägung als in der Gruppe der Prodromalpatienten (G1) finden, so dass sich folgende statistische Vorhersage (SV) für die erwarteten
mittleren Ränge, e mR(X), der fünf SIPS-Items xi als Bedingungsvariation der AV ergibt:
SV a.
e mR(G1) < e mR(G2)
für mindestens eines der fünf SIPS-P-Items xiP
Aufgrund der Annahme, dass sich die Ausprägung ,6’ in der SIPS-P als psychosenahes
Kriterium (BLIPS) darstellt und als solches auch in der Gruppe der Prodromalpatienten
(G1) vorkommen kann, lässt diese Ausprägung xi folgende Häufigkeit, e f(xi), in der Bedingungsvariation SIPS-P der AV erwarten:
SV b.
e f[xi I G1] < e f[xi I G2]
für mindestens eines der fünf SIPS P-Items xiP mit
xiP = {6}
Da nicht damit gerechnet werden kann, dass die leichtere attenuierte Ausprägung psychotischer Symptomatik ,3’ bis ,5’ (APS) häufiger in der prodromalen Gruppe (G1) zu finden ist, wird hier zwar immer noch ein Häufigkeitsunterschied, jedoch ein ungerichteter
zwischen beiden Gruppen erwartet:
SV c.
e f[xi I G1] ≠ e f[xi I G2]
für mindestens eines der fünf SIPS P-Items xiP
mit xiP = {3,4,5}
Zudem kann erwartet werden, dass der Gesamtwert der die Positivsymptomatik beschreibenden Subskala SIPS-P bzw. des entsprechenden Faktor 3 bei Schizophrenen
(G2) höher als bei Prodromalpatienten (G1) ist, so dass sich die nachfolgende gerichtete
statistische Vorhersage für die erwarteten mittleren Ränge, e mR, ergibt:
SV d.
e mR(G1) < e mR(G2)
für die Subskala SIPS-P und den Faktor 3
Im Gegensatz dazu stellen sich die Einzelitems der übrigen Sektionen sowie die Subskalen SIPS-N, SIPS-D und SIPS-G, als auch die Faktorengruppen 1 und 2 in ihrer statistischen Vorhersage für die erwarteten mittleren Ränge, e mR, wie folgt dar:
79
SV e.
e mR(G1) ≤ e mR(G2)
für mindestens ein Item xik der Subskalen N, D
und G sowie eine Subskala oder einen Faktor si,
si ∈ S mit S = {SIPS-N, SIPS-D, SIPS-G, Faktor 1,
Faktor 2}
Bei der unabhängigen Variable 1B mit UV 1B = {Übergang (G1A), Nicht-Übergang (G1B)}
werden gerichtete Unterschiede in den erwarteten mittleren Rängen, e mR, aller Bedingungsvariationen der abhängigen Variable mit höheren Werten in G1A angenommen:
SV f.
e mR(G1A) > e mR(G1B)
für mindestens ein Einzelitem, eine Subskala oder
einen Faktor
3.7
Ableitung von statistischen Hypothesen
Die statistischen Vorhersagen (SV) lassen sich in die folgenden inferenzstatistisch direkt
prüfbaren statistischen Hypothesen (SH) überführen:
SH a./SH d.
H1A: z > 1,65
für mindestens eines der SIPS-P-Items xiP, sowie für die Subskala SIPS-P und den Faktor 3
SH b.
H1B: P[xi I G1] < P[xi I G2]
für mindestens eines der fünf SIPS-P-Items xiP
mit xiP = {6}
SH c.
H1C: P [xi I G1] ≠ P [xi I G2]
für mindestens eines der fünf SIPS-P-Items xiP
mit xiP = {3,4,5}
SH e.
H0A: z ≥ 1,65
für mindestens ein Item xik der Subskalen N, D
und G sowie eine Subskala oder einen Faktor si,
si ∈ S mit S = {SIPS-N, SIPS-D, SIPS-G, Faktor
1, Faktor 2}
SH f.
H1D: z > 1,65
für mindestens ein Einzelitem, eine Subskala
oder einen Faktor
3.8
Testplanung
Alle statistischen Analysen wurden mit dem Programmpaket SPSS 11,5 durchgeführt.
Für die Überprüfung der sieben ungerichteten und 19 gerichteten statistischen unter den
SH a., d. und e. subsumierten Hypothesen zu den erwarteten mittleren Rängen der
80
betreffenden Diagnosen werden aufgrund des vorliegenden Ordinalskalenniveaus der
Daten ein- bzw. zweiseitige Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben mit ε =
5% und ϕ = 10% gerechnet. Eine Adjustierung für multiples Testen erfolgt hierbei für die
voneinander unabhängigen Vergleiche der vier Subskalen bzw. drei Faktoren, jedoch
aufgrund der hierfür zu geringen Stichprobengröße nicht für die Einzelitemvergleiche, die
somit rein deskriptiver Natur sind. Unter der Vorgabe eines schwachen Kriteriums nach
Hager (1987) wird hierbei für den Vergleich SH a. α adjustiert, während für die unter SH
e. aufgeführten Vergleiche die Power bzw. β adjustiert wird. β ist ebenfalls hinsichtlich
des unter SH d. aufgeführten Vergleichs nach dem strengen Kriterium zu adjustieren.
Damit ergeben sich folgende kritische Fehlerwerte für die Subskalen αkrit = 0.05 und βkrit =
0.025 bzw. für die Faktoren αkrit = 0.05 und βkrit = 0.033.
Die Effektstärke für Mann-Whitney-U-Tests lässt sich weder mit dem Programm SPSS
SamplePower 2.0 berechnen noch ist eine Berechnungsformel für die Effektgröße von
Mann-Whithney-U-Tests in einem der Standardwerke zur Versuchsplanung (Bortz, 1999;
Bortz & Döring, 1995; Hager, 1987) zu finden. Aus diesem Grund muss als grober Anhaltspunkt die Tatsache herangezogen werden, dass Rangtests bei gleichen Testparametern eine größere Stichprobe als t-Tests benötigen, dementsprechend also nur vergleichsweise größere Effekte bei gleichem Stichprobenumfang aufdecken. Für die Testungen der vier Subskalen ergibt sich jeweils ein ungefährer mittlerer Effekt nach Cohen
(1977) von δ = 0,48 und für die der Faktoren ebenfalls ein ungefährer mittlerer Effekt von
δ = 0,44, für die 19 Einzelitems hingegen jeweils ein schon größerer Effekt von δ = 0,60
selbst bei Verzicht auf eine Fehleradjustierung.
Darüber hinaus erfolgt für diese Hypothesen auch eine Abschätzung des Einflusses der
im Gruppenvergleich signifikant gewordenen soziodemographischen, nicht miteinander
korrelierten Variablen Alter und Schulbildung (vgl. Kap. 3.2.2) durch univariate Varianzanalysen mit der Gruppenzugehörigkeit Prodrom bzw. Schizophrenie als festem Faktor,
dem Alter und der Schulbildung jeweils als Kovariate und der jeweiligen Subskala bzw.
dem jeweiligen Faktor als abhängiger Variable. Für den Fall, dass sich hierbei signifikante Einflüsse beider oder einer der beiden Kovariaten auf die Psychopathologie zeigen,
werden entsprechende univariate Varianzanalysen auch für die weiteren Vergleiche zur
Abschätzung des Einflusses von Alter und/oder Schulbildung gerechnet; ergeben sich
keine Anhaltspunkte für einen solchen Einfluss, entfallen entsprechende Analysen im
Weiteren.
81
Die statistische Überprüfung der Hypothese SH f. zur Gegenüberstellung von bislang bereits in eine Psychose übergegangenen und nicht übergegangenen potentiellen Prodromalpatienten erfolgt analog der Gegenüberstellung der schizophrenen Patienten und potentiellen Prodromalpatienten mit dem Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben mit ε = 5% und ϕ = 10%. Wegen der schon bei n = 120 verhältnismäßig großen maximal aufdeckbaren mittleren Effekte für die Subskalen bzw. Faktoren und der bei den
unter SH f. geplanten Vergleichen geringeren Gruppengröße von n = 60 mit einem noch
größeren Effekt nach Cohen (1977) von δ = 0,85 wird hierbei auf eine Fehleradjustierung
verzichtet, da die einzelnen aufdeckbaren Effekte bereits die bei einem multifaktoriellen
Entwicklungskonzept (vgl. Kap. 2.3) für einzelne Faktoren zu erwartende kleine bis moderate Effektstärke überschreiten. Die hierbei erzielten Ergebnisse verbleiben somit auf
einem deskriptiven Niveau.
Über die einzelnen Gruppenvergleiche hinaus werden schrittweise logistische Regressionsanalysen nach der Wald-Methode über die Subskalen bzw. Faktoren gerechnet, wobei zur Abschätzung eines potentiellen Einflusses der Selektionsrichtung jeweils sowohl
die Vorwärts- als auch die Rückwärtsselektion verwandt wird. Ziel dieser Analysen ist eine Abschätzung des Anteils der einzelnen Subskalen bzw. Faktoren bei der Klassifizierung in Prodrom- versus Schizophreniepatienten bzw. in Prodromalpatienten mit versus
ohne zwischenzeitlichen Übergang in eine Psychose. Bei jeder dieser Analysen ist die
Schwellenwahrscheinlichkeit für den Einschluss einer Variablen auf p = 0,05 und für den
Ausschluss auf p = 0,10 festgelegt; der Schwellenwert zur Gruppenzuordnung auf 0,5.
Der Hosmer-Lemeshow-Test wird hierbei zur Prüfung der Modellanpassung verwandt, er
prüft mit einer χ²-Größe die Nullhypothese, dass alle Differenzen zwischen geschätzten
und beobachteten Y-Werten gleich 0 sind, so dass Werte von p > 0,05 auf eine gute Modellanpassung hinweisen.
Eine Abschätzung der diskriminativen Stärke der Regressionsergebnisse unabhängig
vom gewählten Schwellenwert wird über einen nonparametrischen Ansatz zur Bestimmung der Fläche unter der ,Receiver Operating Characteristic’ (ROC)-Kurve, AUC (engl.:
,area under the curve’), erfolgen. Hierbei wird unter Angabe der Gruppe ,Schizophrenie’
zum einen, sowie der Gruppe ,Übergang’ zum anderen als Zielausprägung der unabhängigen Variablen ,Gruppe’ und der Annahme, dass die sog. Wahrheitsfläche einen Wert
von c = 0,05 annimmt, gegen die Nullhypothese H0: ∆ = 0 getestet.
Zur statistischen Prüfung der unter SH b. und c. aufgeführten fünf SIPS-P-Items xiP in ihrer dichotomisierten Form von BLIPS und APS werden ein- bzw. zweiseitige 2x2-χ²-Tests
82
mit einem Freiheitsgrad sowie alternativ bei Unterschreiten mindestens einer erwarteten
Zellhäufigkeit der kritischen Anzahl von fünf Beobachtungen (e f(Zelle i) < 5) Fishers exakter
Test auf einem generellen Niveau der Fehlerwahrscheinlichkeiten von ε = 5% und ϕ =
10% gerechnet. Während beide Häufigkeitshypothesen dem schwachen Kriterium von
Hager (1987) folgen, zeigt sich SH b. gerichtet im Gegensatz zu der ungerichteten SH c..
Aufgrund des postulierten Gruppenunterschieds bzw. des Vorliegens von Alternativhypothesen wird in beiden Fällen α adjustiert. Bei einer Power von 90% ergibt sich nach einer
Adjustierung der Fehlerwahrscheinlichkeiten für SH b. αkrit = 0,02, für SH c. αkrit = 0,01 bei
n = 120, so dass zum einen ein eher mittlerer Effekt nach Cohen (1977) von Φ2x2 = 0,33
(SH b.), zum anderen ein eher großer Effekt von Φ2x2 = 0,50 (SH c.) aufgedeckt werden
kann.
Zur Abschätzung der diskriminativen Stärke der fünf Positivsyndrome in ihrer für die Einschätzung von BLIPS bzw. APS dichotomisierten Form werden in Anlehnung an die
quantitative Abschätzung der diagnostischen Güte medizinischer Testverfahren für einzelne qualitative, insbesondere binäre Symptome so genannte diagnostische Gütekriterien herangezogen: Sensitivität, Spezifität, positive prädiktive Stärke (PPS) und negative
prädiktive Stärke (NPS), die sich alternativ als Wahrscheinlichkeiten p mit Werten zwischen 0 und 1 (s. Tab. 11) oder in Prozentwerten mit Werten zwischen 0% und 100%
ausdrücken lassen (zum Beispiel Leisenring & Pepe, 1998). Darüber hinaus werden auch
positive und negative Likelihood Ratios (+LR, -LR) berechnet, die Maße für die Veränderung
der
Post-Test-Erkrankungswahrscheinlichkeit
gegenüber
der
Prä-Test-
Wahrscheinlichkeit (zum Beispiel Jaeschko et al., 1994; Leisenring & Pepe, 1998) angeben. Obwohl die diagnostischen Gütekriterien ursprünglich für den Vergleich von Testverfahren entwickelt wurden (Begg & Greenes, 1983; Boyko, 1994; McNeil et al., 1975; Sackett, 1991), wurde ihre Anwendung später auch auf die Beschreibung der diagnostischen Güte einzelner Symptome ausgedehnt (Andreasen & Flaum, 1991; Jackson et al.,
1995; Klosterkötter et al., 2000; Olin & Mednick, 1996; Schultze-Lutter, 2001). Die formalen Definitionen der einzelnen Gütekriterien, die sich aus den unterschiedlichen Relationen von Zellbesetzungen in Kontingenztafeln ergeben, etwa einer Vier-Felder-Tafel mit y
= {Erkrankung aufgetreten bzw. zur Zielpopulation gehörig; Erkrankung nicht aufgetreten
bzw. nicht zur Zielpopulation zugehörig} und xi = {Symptom/Störung vorhanden; Symptom/Störung nicht vorhanden}, sind in Tabelle 11 wiedergegeben.
83
Tab. 11: Definitionen der diagnostischen Gütekriterien für binäre Merkmale ausgedrückt als
Wahrscheinlichkeiten p.
Gütekriterium
Definition
Sensitivität
= p(Symptom | Erkrankung)
Spezifität
= p(¬ Symptom | ¬ Erkrankung)
positive prädiktive Stärke (PPS)
= p(Erkrankung | Symptom)
negative prädiktive Stärke (NPS)
= p(¬ Erkrankung | ¬ Symptom)
positive Likelihood Ratio (+LR)
= Sensitivität / (1 - Spezifität)
negative Likelohood Ratio (-LR)
= (1 - Sensitivität) / Spezifität
Symptom: Symptom vorhanden;
¬ Symptom: Symptom nicht vorhanden
Erkrankung: Erkrankung aufgetreten
¬ Erkrankung: Erkrankung nicht aufgetreten
Bei der Abschätzung der diagnostischen Güte von Testverfahren, die der Zuordnung von
Probanden/Patienten zu bestimmten Erkrankungsbildern bzw. Risikogruppen dienen,
wird darüber hinaus den Anteilen falsch-positiv (%FP) und falsch-negativ beurteilter Patienten (%FN) besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei werden die Mitglieder einer
Risikogruppe, die nicht erkranken als Falsch-Positive (%FP; engl.: „false positives“; Bell
1992, p. 372) bezeichnet, die nicht der Risikogruppe zugerechneten, jedoch erkrankten
Personen als Falsch-Negative (%FN; engl.: „false negatives“; Bell 1992, S. 372). Sie ergeben sich aus folgender Verrechnung der Randsummen einer Vier-Felder-Tafel:
%FP = 100 × Σ(¬Erkrankung ∩ Symptom) / N
%FN = 100 × Σ(Erkrankung ∩ ¬Symptom) / N
Zusätzlich wird die heute auch vielfach verwandte Odds Ratio (OR) berechnet, die wie
die positive Likelihood Ratio den relativen Anteil an Risikosteigerung angibt, aber durch
die starke Betonung hoher Werte bei Spezifität oder Sensitivität zu einer Überschätzung
der tatsächlichen Risikoanreicherung neigt und zudem nicht als unabhängig von der Prävalenz der Störung in der Stichprobe anzusehen ist (Kraemer, 1992). Die Odds Ratio berechnet sich auf eine Vier-Felder-Tafel bezogen wie folgt:
OR = (Sensitivität - Spezifität) / [(1 - Sensitivität) × (1 - Spezifität)]
Richtlinien zur Beurteilung der Gütekriterien wurden bislang nur für die Likelihood Ratios
von Jaeschko und Kollegen (1994) für somatische Erkrankungen vorgeschlagen. Diese
nachfolgend aufgeführten Leitlinien, die bedingt auch auf die als Zielkriterium weniger
84
eindeutig definierten psychiatrischen Erkrankungen angewandt werden können (Schultze-Lutter et al., 2006), werden daher maßgeblich bei der Beurteilung der prädiktiven Güte
der APS und BLIPS sein:
positive Likelihood Ratio 1–2:
zeigt geringe (selten wichtige) Veränderungen in der
Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit (engl.: ,pretest probability’), das heißt der angenommenen Erkrankungswahrscheinlichkeit
vor
Kenntnis
des
Testergebnisses, an
positive Likelihood Ratio 2–5:
zeigt geringe (aber teils wichtige) Veränderungen in
der Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit an
positive Likelihood Ratio 5–10:
zeigt mittlere Veränderungen in der Vortest- und
Nachtestwahrscheinlichkeit an
positive Likelihood Ratio ≥ 10:
zeigt beträchtliche und häufig eindeutige Veränderungen in der Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit an
negative Likelihood Ratio ≥ 0,5:
zeigt geringe (aber selten wichtige) Veränderungen
in der Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit an
negative Likelihood Ratio 0,5–0,2:
zeigt geringe (aber teils wichtige) Veränderungen in
der Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit an
negative Likelihood Ratio 0,1–0,2:
zeigt mittlere Veränderungen in der Vortest- und
Nachtestwahrscheinlichkeit an
negative Likelihood Ratio ≤ 0,1:
zeigt beträchtliche und häufig eindeutige Veränderungen in der Vortest- und Nachtestwahrscheinlichkeit an
85
4 Ergebnisse
4.1
4.1.1
Mittelwertvergleiche der Subskalen, Faktoren und Einzelitems
Prodrom versus schizophrene Erstepisode
Die in den statistischen Hypothesen SH d. (vgl. Kap. 3.7) erwarteten Häufigkeitsunterschiede zwischen Prodrom und schizophrener Erstepisode bildeten sich entsprechend
der Hypothese vor allem in der Subskala der Positivsyndrome und dem damit weitgehend
korrespondierenden Faktor 3 ab (s. Abb. 20, Abb. 21). Wie in Abbildung 20 dargestellt
waren die Positivsyndrome (SIPS-P) hoch signifikant stärker bei den Patienten mit einer
schizophrenen Erstepisode (18,95 ± 5,08; Streuung 5–30; Md = 20,0) als bei denen mit
einem Prodrom (9,6 ± 4,56; Streuung 0–19; Md = 10,0) ausgeprägt (Mann-Whitney U =
319,5; p = 7,3 x 10-15).
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001; **** p < 0,0001
Abb. 20: Mittelwerte der unabhängigen Variable ,Gruppe’ (UV 1A) bezogen auf die vier
Subskalen: Überprüfung von Gruppenunterschieden gemäß H0A und H1A mit dem
Mann-Whitney-U-Test
86
Auch der hauptsächlich Positivsyndrome umfassende Faktor 3 war hoch signifikant stärker bei der schizophrenen Patientengruppe (18,37 ± 4,89; Streuung 5–28; Md = 18,0) als
bei der Prodromalgruppe (8,55 ± 4,29; Streuung 0–20; Md = 8,0) ausgeprägt (MannWhitney U = 263,0; p = 6,7 x 10-16; s. Abb. 21).
Ein noch deutlich signifikanter Unterschied entsprechend der statistischen Hypothese
,SH e.’ (vgl. Kap. 3.7) konnte auch für die desorganisierten (SIPS-D) und generellen
Syndrome (SIPS-G) festgestellt werden (s. Abb. 20). Im Einzelnen zeigten sich auf der
Subskala SIPS-D für die Schizophreniestichprobe (SZ: 9,33 ± 5,41; Streuung 0–20; Md =
9,0) im Vergleich zu der Prodromalstichprobe (P: 5,93 ± 4,16; Streuung 0–17; Md = 5,5)
signifikant höhere Werte (U = 1140,5; p = 0,001), ebenso auf der Subskala SIPS-G (SZ:
14,73 ± 5,15; Streuung 0–24; Md = 15,0 sowie P: 12,12 ± 4,06; Streuung 2–22; Md =
12,0; U = 1152,0; p = 0,001). Bei ebenfalls leicht erhöhter Negativsymptomatik (SIPS-N)
in der schizophrenen Gruppe fand sich hier jedoch kein signifikanter Gruppenunterschied
zu der prodromalen Gruppe (s. Abb. 20).
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001; **** p < 0,0001
Abb. 21: Mittelwerte der unabhängigen Variable ,Gruppe’ (UV 1A) bezogen auf die drei Faktoren: Überprüfung von Gruppenunterschieden gemäß H0A und H1A mit dem
Mann-Whitney-U-Test
87
Wie in Abbildung 21 ersichtlich konnten für die Faktoren 1 und 2 hingegen noch schwach
signifikante Häufigkeitsunterschiede gefunden werden (Faktor 1: U = 1319,0 und p =
0,012 / Faktor 2: U = 1355,5 und p = 0,019).
Gemäß der statistischen Hypothese SH a. (vgl. Kap. 3.7) zeigten sich auf der Ebene der
Einzelitems die größten Ausprägungsunterschiede zwischen der schizophrenen und
prodromalen Gruppe mit jeweils höheren Werten in der schizophrenen Gruppe in den
fünf SIPS-P-Items (,ungewöhnliche Denkinhalte/wahnhafte Ideen’: U = 205,0 mit p = 1,3
x 10-18; ,Misstrauen/Verfolgungsideen’: U = 633,5 mit p = 3,0 x 10-10; ,Größenideen’: U =
1418,0 mit p = 0,006; ,Abweichung in der Wahrnehmung/Halluzinationen’: U = 765,0 mit
p = 3,2 x 10-8; ,konzeptuelle Desorganisation’: U = 1225,0 mit p = 0,002; vgl. Anhang I).
In den übrigen Subskalen SIPS-N, SIPS-D und SIPS-G wiesen im Einzelitemvergleich
nur noch einzelne Items signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit schizophrener
Erstepisode und solchen mit der Verdachtsdiagnose eines Prodroms auf (vgl. Anhang I).
Im Gruppenvergleich traten vor allem die desorganisierten Syndrome ,Eigenartiges Verhalten oder Auftreten’ (U = 1023,5; p = 1,0 x 10-5) und ,Bizarres Denken’ (U = 1025,0; p =
9,6 x 10-6), die generellen Syndrome ,Dysphorische Stimmungslage’ (U = 1042,0; p = 3,2
x 10-5) und ,Verringerte Stresstoleranz gegenüber alltäglichen Anforderungen’ (U =
1171,0; p = 0,001) sowie das Negativsyndrom ,Verminderung des Funktionsniveaus’ (U =
943,0; p = 3,2 x 10-6) in der Schizophreniegruppe hoch signifikant ausgeprägter als in der
Prodromalgruppe auf. Während das Negativsyndrom ,Verringerte gedankliche Vielfalt’ (U
= 1383,5; p = 0,024) und das generelle Syndrom ,Schlafstörungen’ (U = 1247,5; p =
0,003) zumindest noch signifikante Unterschiede in die gleiche Richtung zeigten, lag bei
dem Negativsyndrom ,Soziale Isolation/sozialer Rückzug’ (U = 1468,0; p = 0,074) nur
noch ein statistischer Trend hierzu vor. Die übrigen Einzelitems, vier aus SIPS-N, zwei
aus SIPS-D und eines aus SIPS-G, wiesen darüber hinaus keine Häufigkeitsunterschiede
mehr auf (vgl. Anhang I). Unter diesen Einzelitems ohne signifikanten Gruppenunterschied waren auch die einzigen beiden anzutreffen, die zumindest rein deskriptiv gegenüber Schizophreniepatienten leicht erhöhte Werte in der prodromalen Gruppe aufwiesen:
,Antriebsschwäche’ aus SIPS-N und ,Schwierigkeiten in der Ausrichtung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit’ aus SIPS-D (vgl. Anhang I).
4.1.2
Übergegangene versus nicht-übergegangene Prodromalpatienten
Die in der statistischen Hypothese SH f. postulierten Häufigkeitsunterschiede für die unabhängige Variable UV 1B ,Übergang versus Nicht-Übergang’ (vgl. Kap. 3.7) fanden sich
88
sowohl auf Subskalen- bzw. Faktorenebene (s. Abb. 22, Abb. 23) als auch auf Einzelitemebene (vgl. Anhang J) nur sehr vereinzelt, bestätigten aber dennoch die SH f. insgesamt.
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001; **** p < 0,0001
Abb. 22: Mittelwerte der unabhängigen Variable ,Gruppe’ (UV 1B) bezogen auf die vier
Subgruppen: Überprüfung von Gruppenunterschieden gemäß H1D mit dem MannWhitney-U-Test
Hinsichtlich der Positivsymptomatik fanden sich weder für die SIPS-P (s. Abb. 22) noch
für den Faktor 3 (s. Abb. 23) oder eines der fünf Positivsyndrome auf Einzelitemebene
(vgl. Anhang J) ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen der potentiellen
Prodromalpatienten mit und ohne Übergang in eine manifeste Psychose. Entgegen den
Vorannahmen fielen bei Betrachtung des Faktor 3 rein deskriptiv sogar höhere Mittelwerte und Häufigkeiten auf Seiten der nicht übergegangenen Patienten auf (Übergang: 8,39
± 4,02; Streuung 0–14; Md = 8,5 und kein Übergang: 8,62 ± 4,46; Streuung 2–20; Md =
8,0; Mann-Whitney U = 370,0; p = 0,897). Ein entsprechendes Bild fand sich auch für drei
der fünf P-Syndrome: ,Misstrauen/Verfolgungsideen’, ,Größenideen’ und ,Abweichung in
der Wahrnehmung/Halluzinationen’ (vgl. Anhang J).
89
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001; **** p < 0,0001
Abb. 23: Mittelwerte der unabhängigen Variable ,Gruppe’ (UV 1B) bezogen auf die drei Faktoren: Überprüfung von Gruppenunterschieden gemäß H1D mit dem Mann-Whitney-UTest
Von den anderen drei Subskalen bzw. zwei Faktoren (s. Abb. 22, Abb. 23) waren nur die
desorganisierten Syndrome (SIPS-D) noch schwach signifikant stärker bei den Patienten
mit einem Übergang in eine manifeste Psychose (7,11 ± 2,72; Streuung 0–11; Md = 7,5)
als bei denen ohne Übergang (5,43 ± 4,58; Streuung 0–17; Md = 3,5) ausgeprägt (MannWhitney U = 255,0; p = 0,046).
Auf Ebene der Einzelitems fand sich nur das Syndrom ‚Schwierigkeiten in der Ausrichtung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit’ (U = 239,0; p = 0,02) signifikant stärker
zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bei Prodrompatienten mit späterem Übergang in
eine manifeste Psychose (vgl. Anhang J). Zudem ergaben sich für die drei der SIPS-N
zugehörigen Items ,Verminderter Ausdruck von Emotionen’, ,Vermindertes Erleben von
Emotionen und Selbst’ und ,Verringerte gedankliche Vielfalt’ jeweils ein statistischer
Trend hin auf eine stärkere Ausprägung in der später psychotisch erkrankten Gruppe
(vgl. Anhang J).
90
4.2
Korrelationen und univariate Varianzanalysen
Bei denen im Gruppenvergleich signifikant gewordenen soziodemographischen, nicht
miteinander korrelierten Variablen Alter und Schulbildung (vgl. Tab. 7, Kap. 3.2.2, Anhang B) erfolgten zur Überprüfung, ob die gefundenen Gruppenunterschiede möglicherweise durch diese Variablen vermittelt wurden, univariate Varianzanalysen mit der jeweiligen Subskala bzw. dem jeweiligen Faktor als abhängiger Variablen (vgl. Anhang K).
Dabei zeigten die Kovariaten Alter und Schulbildung jeweils keinen signifikanten Einfluss
auf die Psychopathologie, so dass weiterhin davon ausgegangen wurde, dass die Diagnose ,Prodrom’ bzw. ,Schizophrenie’ als fester Faktor für die gefundenen Gruppenunterschiede in den Subskalen bzw. Faktoren maßgeblich war. Einzig der ohnehin nur
schwach signifikante Unterschied in Faktor 2 (vgl. Abb. 21, Kap. 4.1.1) reduzierte sich in
der univariaten Varianzanalyse auf das Niveau eines statistischen Trends sowohl bei der
Berücksichtigung der Schulbildung (p = 0,099 für den festen Faktor ,Diagnose’) als auch
des Alters (p = 0,068 für den festen Faktor ,Diagnose’), obwohl auch hier weder die Kovariate ,Alter’ mit p = 0,882 noch die Kovariate ,Schulbildung’ mit p = 0,656 signifikant
wurden (vgl. Anhang K).
4.3
4.3.1
Häufigkeitsunterschiede für die ,Ultra-High Risk’-Kriterien APS und BLIPS
Prodrom versus schizophrene Erstepisode
Bei der Betrachtung der Häufigkeiten von attenuierten (APS) und transienten psychotischen Symptomen (BLIPS) gemäß den statistischen Hypothesen SH b. und c. (vgl. Kap.
3.7) zeigten sich insgesamt hoch signifikante Häufigkeitsunterschiede zwischen Schizophrenie und Prodrom hinsichtlich aller fünf bereits manifest psychotischen, mit ‚6’ kodierten Positivsyndrome (vgl. Anhang L), die bei keinem der prodromalen Patienten hingegen
bei insgesamt 57 (95,0%) der schizophrenen Patienten zu finden waren (2×2-χ² =
108,571, df = 1, p = 2,0 x 10-25). APS als solche fanden sich hingegen insgesamt mit 53
Prodromalpatienten (88,3%) in dieser Gruppe häufiger als in der schizophrenen Gruppe
mit insgesamt 45 Patienten (75,0%) mit APS, wobei dieser Unterschied auf dem Niveau
eines statistischen Trends verblieb (2×2-χ² = 3,562, df = 1, p = 0,059). Dabei waren sowohl ,Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen’, ,Misstrauen/Verfolgungsideen’ als
auch ,Abweichungen in der Wahrnehmung’ signifikant häufiger in der prodromalen Gruppe vertreten; nur die Unterschiede der zwei erstgenannten hielten der Fehleradjustierung
stand (vgl. Anhang L). Attenuierte ,Größenideen’ und ,konzeptuelle Desorganisation’ wa-
91
ren hingegen häufiger in der schizophrenen Gruppe vertreten, ohne dabei einen signifikanten Häufigkeitsunterschied zur prodromalen Gruppe aufzuweisen (vgl. Anhang L).
4.3.2
Übergegangene versus nicht-übergegangene Prodromalpatienten
Auch wenn mindestens ein ,Ultra-High Risk’-Kriterium in Ausprägung eines APS bei immerhin 15 der 18 übergegangenen Patienten (83,3%) vorgekommen war, bestand kein
signifikanter Unterschied zur prodromalen Patientengruppe ohne Übergang, wo 38 von
42 Patienten (90.5%) mindestens ein APS zeigten (2×2-χ² = 0,624, df = 1, p = 0,419);
BLIPS waren ja in keinem Fall bei den potentiell prodromalen Patienten zu verzeichnen
gewesen (s.o.). Auch auf Einzelitemebene zeigten sich nur minimale Unterschiede im
Auftreten der fünf APS zwischen der Gruppe mit und ohne Übergang in eine Psychose,
die für kein Einzelitem signifikant wurde (vgl. Anhang L).
4.3.3
Diagnostische Gütekriterien der ,Ultra-High Risk’-Kriterien
Innerhalb der in den ,Ultra-High Risk’-Kriterien berücksichtigten fünf Positivsyndrome in
ihrer für die Einschätzung von BLIPS bzw. APS dichotomisierten Form zeigten gemessen
an den positiven Likelihood Ratios (+LR) für die Trennung des Prodroms im Vergleich zu
der Schizophrenie nur die Syndrome ,Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen’ und
,Misstrauen/Verfolgungsideen’ eine vergleichsweise gute diagnostische Güte (s. Tab.
12). Neben sehr hohen Spezifitäten und positiv prädiktiven Stärken (PPS) zeigten hierbei
vor allem die Vortestwahrscheinlichkeit eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, der
prodromalen Gruppe und nicht bereits der Psychosegruppe zugehörig zu sein, um den
Faktor 10,45 bzw. 4,14 bei Vorliegen des jeweiligen APS-Symptoms.
Weniger gute Werte erreichten die genannten Positivsyndrome in APS-Ausprägung jedoch
hinsichtlich
des
Ausschlusses
eines
Prodroms.
Während
das
Syndrom
,Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen’ bei einer negativ prädiktiven Stärke
(NPS) von 0,76 lag, darüber hinaus in der Nachtestwahrscheinlichkeit eine Verringerung
der prodromalen Gruppenzugehörigkeitswahrscheinlichkeit auf 32% der Vortestwahrscheinlichkeit vorlag, und sich somit gute Werte für den Ausschluss eines Prodroms bei
Abwesenheit
dieses
Syndroms
zeigten,
waren
die
Werte
für
das
Syndrom
,Misstrauen/Verfolgungsideen’ weniger aussagekräftig: Mit einer NPS von 0,66 noch im
oberen Bereich, zeigte die negative LR mit 0,52 nur mäßige Veränderungen zu der Vortestwahrscheinlichkeit an.
92
0,55
0,05
0,43
0,32
0,88
Misstrauen/Verfolgungsideen
Größenideen
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
Konzeptuelle Desorganisation
Vorhandensein mindestens eines APS
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
Misstrauen/Verfolgungsideen
Größenideen
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
Konzeptuelle Desorganisation
Vorhandensein mindestens eines BLIPS
0,05
0,87
0,45
0,90
0,32
0,12
0,25
0,55
0,77
0,85
0,87
0,93
SP
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
1,18
0,70
1,86
0,33
4,14
10,45
+LR
20,00
1,15
2,22
1,11
3,15
8,55
0,47
1,24
0,74
1,12
0,52
0,32
-LR
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,54
0,41
0,65
0,25
0,81
0,91
PPS
0,05
0,46
0,31
0,47
0,24
0,10
0,68
0,45
0,58
0,47
0,66
0,76
NPS
47,5
6,7
27,5
5,0
34,2
44,2
37,5
22,5
11,7
7,5
6,7
3,3
%FP
50,0
50,0
50,0
50,0
50,0
50,0
5,8
34,2
28,3
47,5
22,5
15,0
%FN
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
2,52
0,57
2,51
0,30
7,97
32,49
OR
SE: Sensitivität, SP: Spezifität, +LR: positive Likelihood Ratio, -LR: negative Likelihood Ratio, PPS: positive prädiktive Stärke,
NPS: negative prädiktive Stärke, %FP: Prozentsatz falsch-positiver Vorhersagen, %FN: Prozentsatz falsch-negativer Vorhersagen, OR: Odds Ratio
0,00
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
BLIPS (,6’)
0,70
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
APS (,3’–,5’)
SE
Tab. 12: Diagnostische Gütekriterien der ,Ultra-High Risk’-Kriterien zur Trennung eines Prodroms gegenüber einer Schizophrenie
Syndrome
0,44
0,06
0,39
0,39
0,83
Misstrauen/Verfolgungsideen
Größenideen
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
Konzeptuelle Desorganisation
Vorhandensein mindestens eines APS
Für die Abkürzungen siehe Erläuterungen zu Tabelle 12
0,78
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
APS (,3’–,5’)
SE
0,10
0,71
0,55
0,95
0,41
0,33
SP
0,92
1,36
0,86
1,17
0,75
1,17
+LR
1,76
0,86
1,11
0,99
1,37
0,67
-LR
0,28
0,37
0,27
0,33
0,24
0,33
PPS
0,57
0,73
0,68
0,70
0,63
0,78
NPS
Tab. 13: Prognostische Gütekriterien der APS zur Trennung eines Übergangs gegenüber eines Nicht-Übergangs
Syndrome
63,3
20,0
31,7
3,3
41,7
46,7
%FP
5,0
18,3
18,3
28,3
16,7
6,7
%FN
0,52
1,59
0,77
1,18
0,54
1,75
OR
93
94
Auch hinsichtlich der diagnostischen Güte bei der Beurteilung des Vorhandenseins mindestens eines Positivsyndoms in APS-Ausprägung ergaben sich für die spezifische Abgrenzung
von Prodromalphasen gegenüber psychotischen Erstmanifestationen nur unbefriedigende
Werte (s. Tab. 12).
Die in Tabelle 12 aufgeführten diagnostischen Gütekriterien des ,Ultra-High Risk’-Kriteriums
BLIPS zeigten sich für die Zielausprägung des Prodroms in Abgrenzung zu einer Schizophrenie als nicht relevant, da in der Prodromalstichprobe keines der Positivsyndrome in der
Ausprägung ,6’ (BLIPS) aufgetreten war. Daher konnte auf die Berechnung der prognostischen Güte von BLIPS zur Vorhersage eines Übergangs gegenüber eines Nicht-Übergangs
in der Prodromalstichprobe ganz verzichtet werden (s. Tab. 13).
Hinsichtlich der prognostischen Güte der APS ergab sich keine scharfe Trennung der in eine
manifeste Psychose übergegangenen Prodromalpatienten gegenüber denen ohne Übergang
(s. Tab. 13). In der Zusammenschau als auch bei der alleinigen Betrachtung der Likelihood
Ratios erlaubten die APS sowohl als Einzelitems als auch als Gesamtkriterium nur wenig
verlässliche Aussagen darüber, ob das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit von Positivsyndromen in APS-Ausprägung in der zugrunde liegenden Stichprobe die Wahrscheinlichkeit
für den Übergang in eine Psychose signifikant erhöht (s. Tab. 13). Damit zeigten sich APS in
der SIPS-Definition in der gegebenen Stichprobe und den gegebenen Beobachtungszeiträumen eher wenig für die Vorhersage einer ersten psychotischen Episode geeignet.
4.4
Regressionsanalyse und ‚Receiver Operating Characteristic’ (ROC)-Kurven
Bei der schrittweisen logistischen Regressionsanalyse zur Abgrenzung von potentiell
prodromalen und erstmanifesten schizophrenen Patienten zeigten sich sowohl in der Vorwärts- als auch in der Rückwärtsselektion identische Ergebnisse in der Abschätzung des Anteils der einzelnen Subskalen bei dieser Klassifizierung (s. Tab. 14). Dabei konnte mit den
Subskalen SIPS-P, SIPS-N und SIPS-G die mit 103 (85,8%) korrekt klassifizierten Patienten
am besten geeignete Zuordnung in Prodrom- und Schizophreniepatienten erfolgen. Dabei
wurden 85,0% der Prodrompatienten und 86,7% der Schizophreniepatienten korrekt zugeordnet.
Zur Prüfung der Modellanpassung konnte der Hosmer-Lemeshow-Test zeigen, dass das generierte Modell mit χ² = 10,497 bei df = 8 und p = 0,232 signifikant wurde, da keine signifikanten Unterschiede zwischen geschätzten und beobachteten Werten vorlagen. Das Modell konnte zudem 68,3% der Varianz über die aufgenommenen Subskalen erklären.
95
Tab. 14: Schrittweise logistische Regressionsanalysen nach der Wald-Methode über die Subskalen
bzw. Faktoren
Subskalen/
Faktoren
Regressionskoeffizient B
Standardfehler
Exp (B)
95% Konfidenzintervall für
Exp (B)
unterer Wert
oberer Wert
Analyse über die Subskalen
SIPS-P
0,440
0,078
1,553
1,332
1,811
SIPS-N
-0,145
0,050
0,865
0,785
0,954
SIPS-G
0,172
0,072
1,188
1,031
1,369
Konstante
-5,777
1,230
0,003
–
–
Analyse über die Faktoren
Faktor 3
0,417
0,072
1,518
1,319
1,747
Konstante
-5,586
1,000
0,004
–
–
Die schrittweise logistische Regressionsanalyse über den Faktoren zog nur den die Positivsyndrome subsumierenden Faktor 3 für die Klassifikation von Prodrom und Schizophrenie
heran (s. Tab. 14). Auch hierbei entsprachen sich die Werte der Vorwärts- und Rückwärtsselektion. Zudem zeigte sich allein auf der Basis dieses einen Faktors eine mit der SubskalenLösung übereinstimmende Klassifizierungsleistung, wobei die Raten in den beiden Gruppen
genau gegenläufig waren: 86,7% der Prodrompatienten und 85,0% der Schizophreniepatienten wurden korrekt zugeordnet.
Bei der Prüfung der Modellanpassung mit dem Hosmer-Lemeshow-Test bestand hingegen
bei der Faktoren-Lösung mit χ² = 15,917 bei df = 8 und p = 0,044 eine weniger gute Übereinstimmung und somit eine schlechte Modellanpassung, obwohl hierüber 67,5% der Varianz
der Daten erklärt werden konnte.
Entsprechend den guten dichotomen Klassifizierungsleistungen in den Regressionsanalysen, zeigten auch die beiden über die Ergebnisse der Regressionsgleichungen gerechneten
‚Receiver Operating Characteristic’ (ROC)-Kurven hochsignifikante Werte (s. Abb. 24, Abb.
25) gemessen an ihrer Fläche unter der ROC-Kurve (s. Tab. 15) und waren somit in der Lage die Patienten überzufällig häufig der richtigen Zielgruppe zuzuordnen. Bei der Darstellung
der ROC-Kurven wurde die Gruppe mit Psychose als Zielausprägung gewählt, da zu erwarten war, dass diese höhere Werte zeigen würde als die Gruppe mit Prodrom. Sowohl die
Subskalen als auch die Faktoren zeigten eine signifikante allgemeine diagnostische Güte (s.
Tab. 15).
96
Abb. 24: Darstellung der ROC-Kurve zur Subskalenabbildung anhand der
Zielausprägung Psychose
Abb. 25: Darstellung der ROC-Kurve zur Faktorenabbildung anhand der
Zielausprägung Psychose
97
Tab. 15: Globale diagnostische Güte der unabhängigen Variable ,Gruppe’ bezogen auf die abhängige
Variable ,SIPS’ bezogen auf Ergebnisse der Regressionsanalysen
Zielgruppe /
p-Werte der Regressionsanalyse
über …
Fläche
unter der
ROCKurve
σ(Fehlers)
Schizophrenie /
… die Subskalen
0,931
0,023
Schizophrenie /
… die Faktoren
0,927
0,024
asymptotische
Signifikanz p
asymptotisches 95%
Konfidenzintervall
3,6 x 10-16
unterer
Wert
0,886
oberer
Wert
0,977
7,2 x 10-16
0,880
0,974
In den schrittweisen logistischen Regressionsanalysen der Subskalen bzw. Faktoren zur Ermittlung der prädiktivsten Skalen für den Übergang in eine manifeste Psychose in der
Prodromalstichprobe zeigten sich weder Subskalen noch Faktoren als aussagekräftig, da sie
in den jeweiligen Gleichungen keine weitere Berücksichtigung fanden, so dass als Lösungsgleichung lediglich die Konstante aufgenommen wurde. Diese mangelhafte Zuordnung fand
sich auch in den ROC-Kurven wieder, in denen die Flächen unter der ROC-Kurve mit jeweils
0,500 mit einer asymptotischen Signifikanz bei p = 1,000 angegeben wurden und somit einen
absoluten Zufall in der Zuordnung abbildeten.
98
5 Diskussion
Die vorliegende Arbeit widmete sich der Frage nach der Eignung des ,Structured Interview
for Prodromal Syndromes – SIPS’ (Miller et al., 1999) für die Vorhersage psychotischer
Erstmanifestationen.
Die Frage nach Psychose-prädiktiven Kriterien bzw. Instrumenten gewann zunehmend an
Relevanz, nachdem es in der Früherkennungsforschung im Verlauf der 1990er Jahre zu einem Paradigmenwandel von einer rein kurativen hin zu einer auch präventiven Intervention
bei psychischen Störungen gekommen war. Dies ging von Versuchen aus, den typischen
prodromalen Verlauf einer schizophrenen bzw. psychotischen Erstepisode retrospektiv
nachzuzeichnen, und führte zu Bemühungen, prädiktive Prodromalsymptome frühzeitig also
prospektiv zu charakterisieren und auf diejenigen mit der höchsten Vorhersagekraft für die
Entwicklung einer späteren Psychose einzugrenzen (Klosterkötter, 1998).
Bei der zunächst vorwiegend retrospektiven Erfassung eines initialen Prodroms war eine generelle Schwierigkeit die mangelnde Gewährleistung der Güte der Befragung nach subtilen
prodromalen Symptomen gewesen; vor allem hinsichtlich der Standardisierbarkeit und der
Reliabilität der Datenerfassung. Dabei spielte der von Markowitsch 1994 beschriebene Gedächtniseffekt eine entscheidene Rolle, der umso stärker zum Tragen kommt, je länger der
erfragte Zeitraum zurückliegt. Hiernach war etwa eine ungenaue Wiedergabe der Symptome
mit Über- oder Untertreibungen zu befürchten (Hurst, 1979). Hinzu kam, dass ein Symptom
in der Vergangenheit auch zunächst spontan als ein solches bemerkt und als bedeutsam im
Gedächtnis abgespeichert werden musste, damit es überhaupt erinnert werden konnte; womit möglicherweise auch individuelle Merkmale, wie etwa das intellektuelle Niveau, die retrospektiven Schilderungen beeinflussen konnten (Schultze-Lutter et al., 2008b). Daher empfahlen Fava und Kollegen bereits 1981 eine zeitnahe Anamnese und Untersuchung der jeweiligen Patientengruppe, etwa die retrospektive Erfassung des Frühverlaufs direkt im Anschluss an das Abklingen der produktiven Symptomatik.
Dieser Empfehlung wurde in der vorliegenden Arbeit bei der Befragung der schizophrenen
Stichprobe hinsichtlich ihrer Prodromalsymptomatik Rechnung getragen. Hingegen erfolgte
in der prodromalen Stichprobe eine Erhebung der aktuellen Symptomatik in Form eines prospektiven Untersuchungsdesigns, so dass hier davon ausgegangen werden kann, dass Gedächtniseffekte kaum einen Einfluss auf die vorliegenden Ergebnisse nahmen.
Als mögliche Ansätze zur Vorhersage von Psychosen im Vorfeld ihrer ersten manifesten Exazerbation hatten sich im Lauf der Jahre zwei Schulen herausgebildet, die Schwerpunkte
auf die Betrachtung unterschiedlicher Zeitabschnitte während der durchschnittlich fünf bis
99
sechs Jahre währenden Prodromalphase (Häfner et al., 1995; Schultze-Lutter et al., 2008b)
legten: das Basissymptomkonzept und der ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Ansatz (vgl. Kap.
2.4.4.2.3 und 2.4.4.2.4). Innerhalb der ersten Schule konnte durch die ,Cologne Early Recognition’ (CER)-Studie (Klosterkötter et al., 2001) gezeigt werden, dass eine Subgruppe von
kognitiv-perzeptiven Basissymptomen, die bereits früh im prodromalen Verlauf auftraten, eine hohe Schizophreniespezifität über den durchschnittlich fast zehnjährigen Katamnesezeitraum aufwiesen. In Gegenüberstellung zu dieser Gesamtbetrachtung des Prodromverlaufs wurde im angloamerikanischen Raum schwerpunktmäßig der Zeitraum untersucht, in
dem der Übergang in eine manifeste Psychose bereits nahe, innerhalb eines Jahres bevorstand (Phillips et al., 2000). Die mit diesem Ziel formulierten UHR-Kriterien unterschieden
dabei auf Symptomebene attenuierte psychotische Symptome (APS) von kurzfristig auftretenden, voll ausgeprägten psychotischen Symptomen (BLIPS), wobei man beide Formen typischerweise dem psychosenahen Prodrom zurechnete (vgl. Tab. 5, Kap. 2.4.4.2.4). Die
zeitlichen Verläufe beider Ansätze wurden vom Kompetenznetzwerk Schizophrenie (KNS)
anschaulich in ein psychosefernes und ein psychosenahes Prodrom aufgeteilt (vgl. Kap.
2.4.4.2.9; Häfner et al., 2004; Ruhrmann et al., 2003; Schultze-Lutter, 2006). Erste retrospektive Befunde scheinen das Konzept auch weitgehend zu stützen (Schultze-Lutter et al.,
2008b).
Zur Erfassung der von ihnen entwickelten UHR-Kriterien wurde durch die Forschergruppe
um Patrick McGorry und Alison Yung in Melbourne bis 2004 mit der ,Comprehensive Assessment of At-Risk Mental States’ (CAARMS) ein Instrument entwickelt (Yung et al., 2005).
Zuvor war im Zuge der multizentrischen nordamerikanischen PRIME-Studie (McGlashan et
al., 2006), die ebenfalls die UHR-Kriterien als Einschlusskriterien verwandte, das dieser Arbeit zugrunde liegende Untersuchungsinstrument, das ,Structured Interview for Prodromal
Syndromes’ (SIPS; Miller et al., 1999), entwickelt worden (vgl. Kap. 2.4.4.2.5 und 2.4.4.2.7).
Beide Instrumente, SIPS und CAARMS, sind sich in ihrer Einschluss-relevanten Positivsymptomatik sehr ähnlich, differieren hingegen stark in der zusätzlich erfassten Psychopathologie. Die SIPS kam erstmals in den späten 1990er Jahren zur Anwendung und war konstruiert
worden durch die in New Haven arbeitende PRIME-Gruppe um McGlashan und Miller mit
dem Ziel, die UHR-Kriterien präziser zu erheben, als dies mit zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Instrumenten möglich war (eine Gegenüberstellung findet sich in Schultze-Lutter,
2006; vgl. Abb. 17, Kap. 2.4.4.2.4). Im Gegensatz zu den von anderen Gruppen in Ermangelung spezifischer Verfahren verwandten Skalen, wie etwa der ,Brief Psychiatric Rating Scale’
(BPRS; Overall & Gorham, 1962) oder der ,Positive and Negative Syndrom Scale’ (PANSS;
Kay et al., 1987), gab es mit der SIPS erstmalig die Möglichkeit, die UHR-Kriterien fein ab-
100
gestuft zu erfassen und darüber hinaus auch negative, desorganisierte und generelle psychopathologische Syndrome in schwächeren Ausprägungen detaillierter abzubilden.
Bisherige Untersuchungen zur prädiktiven diagnostischen Güte der SIPS erfolgten ausschließlich in bereits anhand der SIPS bzw. der UHR-Kriterien selektierten potentiell prodromalen Stichproben (vgl. Kap. 3.3). Die hier untersuchte, nach dem Basissymptomkriterium
COPER selektierte Prodromalstichprobe erwies sich gegenüber vorherigen Studien
(McGlashan, 1999; McGlashan et al., 2006; Yung et al., 2005), die die SIPS oder die
CAARMS als Einschlussinstrument verwendeten, von Vorteil hinsichtlich der ausgeführten
Fragestellung: bei der Betrachtung der Vorhersagestärke von UHR-Kriterien in nach diesen
bereits vorselektierten Stichproben war etwa die Betrachtung von Spezifität und negativer
prädiktiver Stärke aufgrund der mangelnden Zellbesetzung für Personen, die die UHRKriterien nicht erfüllten, nicht möglich. Daher ergab sich durch die hier untersuchte Prodromalstichprobe die Möglichkeit, bislang noch nicht berücksichtigte Teilaspekte zur Beurteilung
der prospektiven und differentiellen Güte der SIPS zu betrachten.
Zur Abschätzung der Psychose-prädiktiven Validität der SIPS sollte prospektiv untersucht
werden, ob auch innerhalb der nach Basissymptomkriterien selektierten Prodromalstichprobe
Vorhersagen hinsichtlich möglicher Übergange in eine manifeste Psychose getroffen werden
konnten (vgl. Kap. 3.2.1). Dabei wurde erwartet, dass bereits bei Baseline die Prodromalpatienten, die im weiteren Verlauf eine manifeste psychotische Störung entwickeln, auf den untersuchten Einzelitems und den daraus zusammengefassten SIPS-Subskalen eine höhere
Ausprägung vorweisen würden als die Patienten, die im Beobachtungszeitraum keine manifeste Psychose entwickelten. Diese Annahme galt gleichermaßen für die drei Faktoren, die
sich in der von Hawkins und Kollegen 2004 durchgeführten Hauptkomponentenanalyse aus
den neunzehn Einzelitems der SIPS herausgebildet hatten.
Für den Vergleich der schizophrenen und prodromalen Patienten wurde eine höhere Ausprägung in der Subskala der Positivsyndrome und in dem in erster Linie aus Positivsyndromen zusammengesetzten Faktor 3 innerhalb der bereits erstmalig schizophren erkrankten
Patientengruppe postuliert. Auch positive Symptome in der bereits schweren und psychotischen Ausprägung ‚6’ wurden in der Gruppe der schizophrenen Erstepisode eher erwartet,
obwohl diese Ausprägung im Sinne von kurzfristigen psychotischen Symptomen (BLIPS), die
allerdings definitionsgemäß innerhalb einer Woche spontan und vollständig remittieren
mussten, auch in der prodromalen Gruppe auftreten konnten. Bei den attenuierten psychotischen Symptomen (APS) in der Ausprägung ,3’ bis ,5’ wurde ebenfalls ein Häufigkeitsunterschied, jedoch ungerichteter Art, erwartet, da hier die vorliegende Literatur keine Erwartungen darüber zuließ, wie häufig APS neben manifest psychotischer Symptomatik bei psychotischen Erstepisoden zu erwarten sei. Zuletzt wurde angenommen, dass die drei Subskalen
101
der negativen (SIPS-N), desorganisierten (SIPS-D) und generellen (SIPS-G) Syndrome sowie die hieraus hauptsächlich bestehenden Faktoren 1 und 2 insgesamt weniger bzw. keine
signifikanten Häufigkeitsunterschiede zwischen der Stichprobe schizophrener Patienten und
der Prodromalstichprobe aufweisen würden, da anhand der vorliegenden Literatur durchaus
von einer vielfach stark ausgeprägten nicht-psychotischen Symptomatik bereits im Prodrom
auszugehen war, die auch schon zu gravierenden psychosozialen Funktionseinbußen führen
konnte (Häfner et al., 1995).
Insgesamt fanden sich die genannten Annahmen nur partiell bestätigt (vgl. Kap. 4).
5.1
Studiendesign und Stichprobe
Dem Studiendesign dieser Arbeit lag eine nur mittlere Stichprobengröße zugrunde, die jedoch mit jeweils 60 untersuchten Patienten innerhalb der prodromalen und der schizophrenen Stichprobe durchaus der Datenlage bis 2007 (zur Übersicht siehe Schultze-Lutter &
Ruhrmann, 2008) vergleichbar ausfiel. Es konnte daher bei dem vorhandenen Stichprobenumfang nur ein mittlerer bis größerer Effekt nach Cohen (1977) aufgedeckt werden. Kleinere,
aber möglicherweise dennoch bedeutsame Effekte waren somit von vornherein aufgrund der
Stichprobengröße nicht auf dem gängigen Signifikanzniveau von 5% nachweisbar (vgl. Kap.
3.8).
Die soziodemografischen Unterschiede in den Patientengruppen mit potentiellem Prodrom
und schizophrener Erstmanifestation beschränkten sich auf die Faktoren Alter und Schulbildung, die daher in Kovarianzanalysen Berücksichtigung fanden (vgl. Kap. 5.2). Aufgrund des
bereits fortgeschrittenen Krankheitsverlaufs war die Patientengruppe mit einer schizophrenen Erstepisode naturgemäß älter; sie zeigte zudem hinsichtlich der Schulbildung ein niedrigeres Niveau im Vergleich zu der Gruppe der potentiellen Prodromalpatienten, was sicherlich auch einen im Kölner Früh-Erkennungs- und Therapie-Zentrum für psychische Krisen
(FETZ) beobachteten generellen Effekt im Hilfesuchverhalten in frühen Krankheitsstadien
zugunsten von Personen mit höherem Bildungsniveau reflektierte (Schultze-Lutter et al.,
2008a). Aufgrund des insgesamt recht frühen Krankheitsbeginns und des damit verbundenen niedrigen Alters war die überwiegende Anzahl der Patienten im Familienstand ledig, unabhängig davon, ob sie ein potentielles Prodrom oder eine schizophrene Erstepisode aufwiesen. In Übereinstimmung mit sich schon zuletzt in neueren epidemiologischen Studien
zur Inzidenz von Psychosen abzeichnenden Geschlechtsunterschieden (Scully et al., 2002),
überwogen auch in der vorliegenden Arbeit die männlichen gegenüber den weiblichen Patienten in beiden untersuchten Gruppen.
Bei der weiteren Untersuchung des Einflusses soziodemopgraphischer Gruppenunterschiede, zeigte sich eine negative Korrelation zwischen der Positivsymptomatik, welche vor allem
102
durch die Subskala der Positivsyndrome (SIPS-P) und durch den Faktors 3 abgebildet wurde, und der Schulbildung (vgl. Anhang B). Die daraus ableitbare Annahme, dass Patienten
mit geringerer Schulbildung bei Diagnosestellung bereits eine ansonsten eher im späteren
Krankheitsverlauf auftretende, produktiv-psychotische Symptomatik aufwiesen und somit im
Gesundheitssystem erst später auffielen, konnte auch in einer israelischen Studie belegt
werden, in der Ärzte psychische Erkrankungen bei Personen mit geringerem Intelligenzbzw. Bildungsniveau erst später diagnostizierten (Kanyas et al., 2004). Erschwerend tritt hinzu, dass Personen mit niedriger Schulbildung seltener bzw. später gesundheitsbezogene
Angebote, wie etwa auch Früherkennungsuntersuchungen aufsuchten (Lampert, 2005;
Schultze-Lutter et al., 2008a). Beide Effekte trugen damit vermutlich zu dem korrelativen Befund bei.
In den durchgeführten univariaten Varianzanalysen mit den Kovariaten Alter und Schulbildung über die jeweiligen Subskalen bzw. die jeweiligen Faktoren konnte jedoch kein signifikanter Einfluss dieser beiden soziodemographischen Kovariaten auf die Psychopathologie
gefunden werden, so dass die gefundenen Gruppenunterschiede hinsichtlich der Psychopathologie nicht durch das Alter und/oder die Schulbildung erklärt wurden, sondern von diesen
unabhängig bestanden. Dies entsprach vorangegangenen Studien mit der ,Bonner Skala für
die Beurteilung von Basissymptomen’ (BSABS), die ebenfalls den Schluss nahe legten, dass
der Effekt von Alter und/oder Schulbildung auf die vorhandene aktuelle Symptomatik vernachlässigbar schien (Klosterkötter, 1994; Klosterkötter et al., 2001; Schultze-Lutter &
Klosterkötter, 1995).
Soziodemographische Unterschiede hatten sich innerhalb der potentiell prodromalen Gruppe, also im Stichprobenvergleich der 18 übergegangenen und 42 nicht übergegangenen
Prodromalpatienten, erwartungsgemäß aufgrund der vergleichbaren Lebensumstände nicht
gefunden.
5.2
5.2.1
Der Vergleich der schizophrenen mit der prodromalen Stichprobe
Betrachtung der Positivsymptomatik
Die Ergebnisse der fünf Positivitems im Einzelnen und die der Positivsymptomatik im Gesamten, die durch die Subskala der Positivsyndrome und durch den entsprechenden Faktor
3 abgebildet wurden, fielen im Vergleich der Prodromalpatienten zu den Patienten einer
schizophrenen Erstepisode hypothesenkonform aus: In allen Gegenüberstellungen fanden
sich signifikante Unterschiede entsprechend der allgemeinen Studienergebnisse dahingehend, dass die Positivsymptomatik in höherer Ausprägung – und vor allem bereits in psychotischer Ausprägung ,6’ – in der Gruppe der Schizophrenen vorkam (vgl. Kap. 2.4.4.2).
103
Bei genauerer Betrachtung einzelner Positivsyndrome waren vor allem diejenigen, welche in
attenuierter Ausprägung (APS) vorkamen, von besonderem Interesse, und die Hypothese
eines ungerichteten Häufigkeitsunterschieds zwischen der schizophrenen und der prodromalen Gruppe konnte innerhalb der Gesamtheit der fünf Positivsyndrome in APS-Ausprägung
bestätigt werden, auch wenn sich dort nur ein statistischer Trend zugunsten des häufigeren
Auftretens von APS innerhalb der Gruppe der Prodromalpatienten abbilden ließ (vgl. Anhang
L). Insbesondere die beiden Positivsyndrome ,Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen’
sowie ,Misstrauen/Verfolgungsideen’ zeigten sich in APS-Ausprägung signifikant häufiger bei
den Prodromalpatienten. Auch mit Hilfe der positiven Likelihood Ratios war bei diesen beiden Syndromen eine den diagnostischen Gütekriterien standhaltende Abgrenzung zu der
Gruppe der Schizophrenen möglich. Beim Vorliegen dieser signifikanten Items erhöhte sich
anders als bei den übrigen drei Positivsyndromen die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein eines Prodroms um das gut vier- bis knapp elffache. Bei den anderen P-Items fand sich
jedoch nicht einmal eine Verdopplung des Risikos bzw. sogar eine Abnahme desselben, was
für die diagnostisch eher unspezifische Schärfe der Syndrome ,Größenideen’, ,Abweichung
der Wahrnehmung/Halluzinationen’ und ,Konzeptuelle Desorganisation’ sprach, zumindest
hinsichtlich der Abgrenzung eines Prodroms gegenüber einer manifesten Schizophrenie.
Bei Betrachtung der Ergebnisse stach besonders die Tatsache heraus, dass bereits manifeste und psychotische, mit ,6’ kodierte Positivsymptome bei keinem der Prodromalpatienten in
der Eingangsuntersuchung aufgetreten waren. Dies zeigte eine klare Abweichung zu bereits
veröffentlichten Studien (McGlashan, 1999; Phillips et al., 2000; Yung et al., 1996, 1998) und
zu der aufgestellten Hypothese ,SH b.’ (vgl. Kap. 3.7), die zwar von einem Häufigkeitsunterschied der mit ‚6’ kodierten P-Items zugunsten der Gruppe der Schizophrenen ausgegangen
war, darüber hinaus aber kurzfristige psychotische Symptome (BLIPS) mit Ausprägung ‚6’
auch in der Prodromalstichprobe erwartet hätte.
Innerhalb des angloamerikanischen ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Ansatzes galt der Grundsatz,
dass auch die als psychosenah anzusehenden transienten psychotischen Symptome
(BLIPS) bereits während eines Prodroms auftreten könnten (vgl. Kap. 2.4.4.2.4). Definiert
wurden BLIPS als bereits voll entwickelte, weniger als eine Woche bestehende, psychotische Symptomatik, die im Verlauf spontan remittieren musste (Phillips et al., 2000). Bestehend aus Wahnideen, Halluzinationen und formalen Denkstörungen lassen sich BLIPS psychopathologisch damit nicht von einer manifesten psychotischen Symptomatik abgrenzen.
Ein Unterschied liegt hier ausschließlich in der zeitlichen Dimension, was für die grundsätzliche Einordnung der Symptome, etwa auch bei Erhebung der hier abgebildeten Ergebnissen,
eine Schwierigkeit darstellte, da es oftmals für die Patienten schwierig war, genau zu
bestimmen, wann und wie lange ein Symptom in psychotischer Ausprägung, etwa mit unzweifelhaftem Beharren auf eine Wahnidee, vorlag. Und wann, in Abgrenzung dazu, in nur
104
schwerer prodromaler Ausprägung, etwa mit der Möglichkeit an Wahnideen zu zweifeln. In
diesen Fällen wurde eher ein längerer zeitlicher Verlauf angenommen und damit nicht mehr
nur von BLIPS ausgegangen.
Ohne dass Beschreibungen hierzu aus anderen Studien vorliegen, kann hierin eine mögliche
Ursache für die Unterschiede liegen, indem dort möglicherweise eher dazu tendiert wurde,
einen Patienten mit psychotischer Symptomatik noch als prodromal zu sehen, also die Positivsymptomatik im Sinne von BLIPS zu interpretieren. Hierfür spricht, dass etwa in der EDIEStudie zwei Patienten nachträglich ausgeschlossen wurden, weil sie bereits zum Zeitpunkt
des Einschlusses in ihrer Positivsymptomatik über BLIPS hinausgegangen waren (Morrison
et al., 2004) oder dass 50% der Übergänge der PRIME-Studie (McGlashan et al., 2003,
2006) im ersten Monat nach Einschluss erfolgten, was deren tatsächlichen Prodromalstatus
bei Einschluss ebenfalls fraglich erscheinen lässt. So könnte das Fehlen von BLIPS innerhalb der Prodromalstichprobe der Überlegung geschuldet sein, dass der Datenerhebung ein
eher konservativer Ansatz hinsichtlich der symptomatischen Schweregradeinschätzung
zugrunde lag und im Zweifel eher eine bereits über die Definition eines BLIPS hinausgehende Dauer angenommen wurde.
Doch selbst in Studien, in denen die untersuchten prodromalen Stichproben nach UHRKriterien selektiert wurden, führte vor allem das Vorhandensein von APS zu einem Einschluss, während BLIPS, insbesondere für sich allein genommen, eher selten blieben (Mason et al., 2004; Miller et al., 2002c; Phillips et al., 2000). Auch in dem Patientenklientel, welches vom Früh-Erkennungs- und Therapie-Zentrum für psychische Krisen (FETZ) der Psychiatrischen Universitätsklinik in Köln zwischen 1998 und 2003 untersucht wurde, konnten
BLIPS nur bei insgesamt 20,6% der Prodromalpatienten erhoben werden, bei gerade mal
1,5% dieser Patienten dienten BLIPS als alleiniges Prodromkriterium (Schultze-Lutter et al.,
2008a). Insofern konnte bei der vorliegenden Studie ein unspezifischer Selektionsaspekt
zum Tragen gekommen sein, der mit dazu geführt hatte, dass Patienten mit BLIPS nicht berücksichtigt wurden. Dabei ist jedoch auch möglich, dass Patienten mit höherer Symptomausprägung bzw. einem fortgeschrittenerem Krankheitsverlauf eine geringere Bereitschaft
zur Studienteilnahme aufwiesen und insofern ein spezifischer Selektionseffekt wirksam war.
Dies ist allerdings anhand der Daten nicht zu entscheiden; am wahrscheinlichsten wirkte ein
Kombinationseffekt.
5.2.2
Betrachtung der weiteren Symptomatik
Den Subskalen zur Erfassung der negativen (SIPS-N), desorganisierten (SIPS-D) und generellen psychopathologischen Syndrome (SIPS-G), die den Schwerpunkt auf die im Vergleich
zu Skalen wie der BPRS oder PANSS feineren Erhebung unspezifischerer Symptome legen,
kam in den von Yung und Mitarbeitern 2005 mit Hilfe der CAARMS gewonnenen Ergebnis-
105
sen eine besondere Relevanz zu. Hier konnte gezeigt werden, dass vor allem die Subskalen
ohne Positivsymptomatik in einer bereits mit ihrer Hilfe identifizierten klinischen Risikostichprobe im prodromalen Verlauf besonders wichtig erschienen und eine hohe prädiktive Validität in der Vorhersage eines Übergangs in eine manifeste Psychose aufwiesen.
Bei Berechnung der hier diskutierten Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass in der Stichprobe der Patienten mit schizophrener Erstepisode gegenüber den prodromalen Patienten
signifikant höhere Mittelwerte, vor allem bei den Subskalen der generellen und desorganisierten Syndrome, abgebildet werden konnten. Auch innerhalb der Subskala der negativen
Syndrome ließen sich noch Unterschiede in gleicher Richtung nachweisen, eine Signifikanz
bestand jedoch nicht mehr. Wie zu erwarten unterstrich dies die Ausgangshypothese, dass
die aussagekräftigsten psychopathologischen Symptome, die im Vergleich von potentiell
prodromalen Patienten und solchen mit schizophrener Erstepisode in der Lage waren, zwischen diesen zu trennen, vor allem innerhalb des Positivsyndroms zu finden waren. Zudem
zeigte sich bei Betrachtung der weiteren, unspezifischeren Einzelitems, abweichend von der
gesamten Subskala der Negativsyndrome, bei dem Syndrom ,Verminderung des Funktionsniveaus’ ein signifikanter Häufigkeitsunterschied zugunsten der schizophrenen Stichprobe.
Weitere Unterschiede verloren sich bei den übrigen Negativsyndromen gänzlich bzw. konnten nur noch auf dem Niveau eines statistischen Trends abgebildet werden.
Dieses prägnanteste Einzelitem korrelierte mit den vorliegenden Daten der Früherkennung.
In der Genese der Schizophrenie wurden mit Hilfe multifaktorieller Erklärungsmodelle und
unterschiedlichster Vulnerabilitätsfaktoren mögliche Ursachen einer Schizophrenie untersucht und gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass ein Zusammenspiel verschiedenster genetischer, neurobiologischer und bildgebender Befunde zu einer fortschreitenden Vulnerabilität und einer Verminderung des Funktionsniveaus führte (vgl. Kap. 2.3.2.2). Auch in der Definition der für die SIPS verantwortlichen Einschlusskriterien der ,Ultra-High Risk’ (UHR)Kriterien kamen neben dem Vorliegen attenuierter oder transienter psychotischer Symptome
Kombinationen aus Risikofaktoren (familiäre Belastung mit einer psychotischen Störung oder
schizotype Persönlichkeitsstörung beim Patienten) und Einbußen im psychosozialen Funktionsniveau, wie etwa dem Abfall des ,Global Assessment of Functioning’ (GAF)Gesamtwertes um mindestens 30% hinzu (Phillips et al., 2000, vgl. Anhang C–E).
Bei den Ergebnissen dieser Arbeit konnte zwar ein signifikanter Häufigkeitsunterschied für
das Negativsyndrom ,Verminderung des Funktionsniveaus’ abgebildet werden. In Übereinstimmung mit Ergebnissen der ABC-Studie, die ja bereits ein Auftreten erster funktionaler
Defizite in der Prodromalphase aufgezeigt hatte (vgl. Kap. 2.4), fanden sich hohe Werte – also deutliche Funktionsminderungen – bereits in der Gruppe der prodromalen Patienten, die
in der Gruppe der Schizophreniepatienten noch einmal schwerwiegender waren. Während
des langjährigen prodromalen Verlaufs lagen Einbußen in diesem Bereich also bereits häufig
106
vor und zeigten sich im weiteren Verlauf in entsprechend potenzierter Ausprägung nach
Ausbruch der manifesten Psychose.
5.2.3
Betrachtung der Regressionsergebnisse und die Vorteile eines mehrstufigen
Verfahrens
Obwohl die Subskala der Negativsyndrome am wenigsten zwischen potentiellem Prodromalstadium und schizophrener Erstepisode zu trennen vermochte, konnte unter Berücksichtigung der berechneten Regressionsergebnisse hingegen gezeigt werden, dass im Zusammenspiel mit anderen Subskalen auch die Negativsyndrome in der Lage waren eine ausreichende Varianz zu erklären. Dabei konnte im Zusammenspiel der Subskalen der positven,
negativen und generellen Syndrome die am besten geeignete Zuordnung von 103 (85,8%)
korrekt klassifizierten Patienten in die prodromale und die schizophrene Stichprobe erfolgen.
Bei alleiniger Betrachtung der Regressionsergebnisse blieb hingegen die im Mittelwertvergleich noch signifikant gewordene Subskala der desorganisierten Syndrome unberücksichtigt, was für eine gewisse Redundanz der desorganisierten Syndrome im Zusammenspiel aller Subskalen sprechen könnte. Die insgesamt guten Klassifizierungsleistungen in den Regressionsanalysen zeigten sich vor allem in den gerechneten ,Receiver Operating Characteristic’ (ROC)-Kurven mit hohen signifikanten Werten und einer entsprechenden allgemeinen
diagnostischen Güte, wobei hier natürlich ein gewisser ‚Over-Fit’, eine Überanpassung der
Daten an das Modell, nicht ausgeschlossen werden kann, da keine unabhängige Validierungsstichprobe zur Verfügung stand.
Damit konnten Vorteile in der Anwendung eines mehrstufigen Verfahrens herausgestellt
werden, so dass auch die Einbeziehung von unspezifischen Symptomen im Sinne einer Risikoanreicherung bei bereits nach ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien selektierten Patienten auf
späteren Stufen berücksichtigt werden sollte, wie dies ja auch schon in der NAPLS-Studie
(Cannon et al., 2008) und der PACE-Gruppe (Yung et al., 2004) herausgestellt worden war.
Solchen Überlegungen zur Risikoanreicherung bzw. sich über mehrere Stufen entwickelnden
Verlaufsmodellen wurde auch zuvor in der Literatur schon konzeptuell Rechnung getragen,
etwa im ‚Clinical-High-Risk’ (CHR)-Konzept (vgl. Kap. 2.4.4.2.6).
Es sollte daher für ein mehrstufiges Verfahren plädiert werden, welches unterschiedlichste
Symptome von unspezifisch-subtiler bis hin zu positiv-produktiver Ausprägung berücksichtigt. Dies wurde unlängst durch die vom deutschen Kompetenznetzwerk Schizophrenie
durchgeführte multizentrische ,AWARENESS’-Studie unterstrichen, in der mittels retrospektiver Datenerhebung 126 Patienten mit einer schizophrenen Erstepiosode untersucht wurden
(Schultze-Lutter et al., 2008b). Darin zeigten sich in Abhängigkeit vom Bildungsniveau bzw.
bei Berücksichtigung eines sog. ‚recognition’ und ‚recall bias’ im zeitlichen Verlauf aufeinander aufbauende Syndromkomplexe, die beginnend bei unspezifischen Symptomen (UN) über
107
Basissymptome (BS) hin zu den im ,Ultra-High Risk’-Ansatz postulierten attenuierten psychotischen Symptomen (APS) und letztlich transienten psychotischen Symptomen (PS) auftraten (Schultze-Lutter et al., 2008b).
5.2.4
Betrachtung der Subskalen in Abgrenzung zu den Faktoren
Im Vergleich der Subskala der Positivsyndrome mit dem entsprechenden Faktor 3 konnten
beide ähnlich signifikante Unterschiede zwischen der prodromalen und der schizophrenen
Stichprobe aufdecken. Die Ergebnisse der übrigen drei Subskalen bzw. zwei Faktoren erwiesen sich hinsichtlich der statistischen Hypothesen ,SH e.’ und ,SH f.’, die gerichtete Unterschiede in den mittleren Rängen innerhalb der Subskalen der negativen (SIPS-N), desorganisierten (SIPS-D) und generellen Syndrome (SIPS-G) und ihrer zugehörigen Einzelitems,
sowie der weitgehend entsprechenden Faktoren 1 und 2 postulierten (vgl. Kap. 3.7), ebenfalls hypothesenkonform. Bei Betrachtung der desorganisierten (SIPS-D) und generellen
Syndrome (SIPS-G) konnten sogar signifikante Mittelwertsunterschiede zugunsten der Schizophreniestichprobe gezeigt werden. Dabei waren die untersuchten Subskalen überlegen
gegenüber den in der Faktorenanalyse neu zusammengestellten Einzelitems. Die in den
Faktoren 1 und 2 aufgegangenen Syndrome konnten im Vergleich der prodromalen und der
schizophrenen Stichprobe nur schwach signifikante Häufigkeitsunterschiede darstellen. Bei
näherer Betrachtung waren genau die Einzelitems, die signifikant zwischen den beiden
Gruppen trennen konnten (innerhalb der desorganisierten Syndrome ,Eigenartiges Verhalten
oder Auftreten’ und ,Bizarres Denken’ sowie innerhalb der generellen Syndrome
,Dysphorische Stimmungslage’ und ,Verringerte Stresstoleranz gegenüber alltäglichen Anforderungen’) auf die neu entstandenen Faktoren aufgeteilt worden oder aber sie wurden
durch neu hinzukommende Items in den vorher bestehenden signifikanten Unterschieden
unschärfer; so etwa bei dem Faktor 2, der vor allem die signifikant gewordenen generellen
Syndrome beinhaltete.
In der Gesamtbeurteilung erwiesen sich demnach die 2004 von Hawkins und Kollegen neu
berechneten Faktoren gegenüber den aus der PANSS genommenen theoretischen Subskalen als weniger gut geeignet in der Unterscheidung eines Prodroms gegenüber einer schizophrenen Erstepisode bzw. in der Vorhersage eines möglichen Übergangs in eine manifeste
Psychose. Dies zeigte sich insbesondere auch bei Betrachtung der methodischen Grundlagen beider Ansätze: Zwar waren bei der initialen Erstellung der SIPS und ihrer Syndrome vor
allem theoretische und konzeptuelle, auf Befunden zur PANSS beruhende Überlegungen
ausschlaggebend gewesen, während die Entwicklung der Faktoren empirisch, also datenbasiert erfolgte, doch waren hierfür neben fehlenden Gütekriterien auch keine Hinweise für eine
erfolgte Modellanpassung der Faktorenlösung angegeben worden, so dass die Qualität der
Faktoren von vornherein unklar blieb. Da es daher durchaus auch möglich ist, dass die Qua-
108
lität der Faktorenlösung mangelhaft war, überrascht es weniger, dass die empirische der
konzeptuellen Lösung unterlegen war. Für die hier untersuchten Vorhersagen kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die neu zusammengesetzten Faktoren bereits signifikant gewordene Unterschiede, die in den Subskalen der SIPS noch zum Tragen kamen, zu
verwischen scheinen.
Zur Abgrenzung von Prodromal- und Schizophreniepatienten zeigten die Ergebnisse aus den
über den Subskalen bzw. Faktoren gerechneten logistischen Regressionsanalysen Vorteile
bei Anwendung der Subskalen gegenüber den Faktoren. Es ließen sich innerhalb der für die
Subskalen und die Faktoren übereinstimmenden Klassifizierungsleistung insgesamt gute Ergebnisse erzielen. Die Regressionsanalysen über den Faktoren ermöglichten mit 86,7% sogar eine höhere Zuordnung der Prodromalpatienten, dieses Ergebnis bezog sich jedoch ausschließlich auf den Faktor 3, so dass durch die Faktoren 1 und 2 keine weitere Verbesserung
der Ergebnisse zu erreichen war. Ähnlich gute Ergebnisse waren jedoch auch in den Regressionsanalysen über den Subskalen zu erreichen, welche aufgrund der Möglichkeit des
mehrstufigen Einschlussverfahrens daher insgesamt eine bessere Zuordnung ermöglichen.
5.2.5
Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung der dargestellten Ergebnisse konnte insgesamt gezeigt werden, dass
hauptsächlich die Ausprägungen der Positivsymptomatik und somit auch das Vorhandensein
von bereits psychotischen Symptomen in der Ausprägung ‚6’ mit dem zeitlichen Kriterium eines transienten psychotischen Symptoms (BLIPS) am besten geeignet waren zwischen
prodromalen Verläufen und einer schizophrenen Erstepisode zu unterscheiden. Darüber hinaus wiesen vor allem die übrigen Subskalen, aber auch die in APS-Ausprägung erhobenen
Positivsyndrome wenig signifikante Unterschiede auf, was noch einmal als Anhaltspunkt gewertet werden kann, dass die potentiell prodromale Gruppe phänomenologisch der manifest
schizophrenen Gruppe nahe steht und zu Recht in ihr Spektrum eingeordnet werden kann.
Die weitgehend fehlenden Unterschiede zwischen beiden Gruppen in den unspezifischeren
Symptombereichen der negativen, desorganisierten und generellen Syndrome unterstreicht
zudem die Behandlungsbedürftigkeit der potentiell prodromalen Patienten jenseits jeder Diskussion um ihr Psychoserisiko.
5.3
5.3.1
Der Vergleich der übergegangenen mit der nicht-übergegangenen Stichprobe
Betrachtung der Positivsymptomatik
Unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden angloamerikanischen Literatur war das Vorhandensein von APS am besten geeignet die Entwicklung einer späteren manifesten Psy-
109
chose anhand der symptomatischen UHR-Kriterien vorherzusagen (Mason et al., 2004;
McGlashan et al., 2004; Morrison et al., 2004; Yung et al., 2004).
Bei Betrachtung der hier ausgeführten Ergebnisse fiel jedoch auf, dass sich im Vergleich der
nach dem Basissymptomkonzept selektierten potentiellen Prodromalpatienten mit und ohne
psychotischen Übergang die Hypothese ,SH f.’ (vgl. Kap. 3.7), welche gerichtete Unterschiede zwischen übergegangenen und nicht-übergegangenen Prodromalpatienten erwartete,
hinsichtlich der Positivsymptomatik im Allgemeinen nicht bestätigte. Die erwarteten Mittelwertsunterschiede hinsichtlich einer stärkeren Ausprägung der Positivsymptomatik auf Einzelitemebene sowie auf Ebene der Subskala SIPS-P und des Faktor 3 innerhalb der prodromalen übergegangenen Patientengruppe traten nicht nur nicht auf, sondern es wurden bei
rein deskriptiver Betrachtung des Faktor 3 und der drei Positivsyndrome ,Misstrauen/Verfolgungsideen’, ,Größenideen’ und ,Abweichung in der Wahrnehmung/Halluzinationen’ sogar
höhere Mittelwerte bei den nicht übergegangenen Patienten deutlich. Das Vorhandensein
von attenuierten psychotischen Symptomen (APS), welche bei immerhin 83,3% der übergegangenen aber auch bei 90,5% der nicht übergegangenen Patienten vorlagen, konnte ebenfalls nicht die erwarteten, wenn möglich signifikanten Häufigkeitsunterschiede offen legen.
Die Erkrankungswahrscheinlichkeit hinsichtlich des Ausbruchs einer Psychose wurde durch
die in der SIPS subsumierten Positivsyndrome bzw. der neu zusammengefassten Syndrome
in Faktor 3 zusätzlich zum vorliegenden Erkrankungsrisiko durch das Vorhandensein der
Einschluss-relevanten Basissymptome nicht erhöht.
Bereits zu Beginn des betrachteten Untersuchungszeitraums zeigte sich in der Prodromalstichprobe bei bereits 88,3% der Patienten das Vorhandensein mindestens eines attenuierten psychotischen Symptoms, womit dieses UHR-Kriterium für sich allein genommen nur
eine geringe Spezifität bei der Vorhersage eines Übergangs in eine manifeste Psychose
aufwies.
Diese Ergebnisse waren vergleichbar mit den Studien, in denen die UHR-Kriterien und insbesondere die APS für die Mehrheit der Studieneinschlüsse verantwortlich waren (Mason et
al., 2004; Morrison et al., 2004; Yung et al., 2005). Auch in der von McGlashan und Kollegen
veröffentlichten PRIME-Studie erfüllten 95% der untersuchten UHR-Patienten die Kriterien
der attenuierten psychotischen Symptome (McGlashan et al., 2003, 2006; Miller et al., 2003).
Das in der PRIME-Studie mit 60% am häufigsten vorkommende Positivsyndrom
,Misstrauen/Verfolgungsideen’ zeigte eine hohe Prodromspezifität und beinhaltete somit eine
höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit im weiteren Verlauf. Das mit 17% am seltensten vorkommende Positivsyndrom ,Größenideen’ (Miller et al., 2003), besaß auch in den hier diskutierten Ergebnissen die geringste Schizophrenievorhersagekraft. Bei alleiniger Betrachtung
schien die Bedeutung dieses Syndroms für die Vorhersage einer schizophrenen Psychose
sogar vernachlässigbar, das hier untersuchte Instrument schien, wie auch erwartet, nicht ge-
110
eignet das Erkrankungsrisiko einer affektiven Psychose mit zu erfassen, welche in manischer
Ausprägung häufig durch Größenideen und megalomanes Denken geprägt ist.
Der Grund, dass sich bei Betrachtung der Ergebnisse kein signifikanter Unterschied im Auftreten von attenuierten psychotischen Symptomen (APS) innerhalb der übergegangenen gegenüber der nicht übergegangenen Patientengruppe einstellte, mag mit der durch die SIPS
vorgegebenen Definition von APS auf das Ausprägungsniveau ,3’ bis ,5’ zu tun haben. Mit
dieser festgelegten Einschränkung war eine möglichst hohe Varianz in der weiteren Vorhersage nur begrenzt vorhanden. Es stellte sich daher die Frage ob der festgelegte ,Cut-off’ in
der Ausprägung ,3’ bis ,5’ gut gewählt wurde und sich innerhalb der nach Basissymptomen
selektierten Stichprobe bestätigen ließ. Bei Betrachtung der logistischen Regressionsanalysen über die Subskalen bzw. Faktoren zeigte sich jedoch keine prädiktivere psychopathologische Symptomzusammenfassung, die eine genauere Vorhersage für den Übergang in eine
manifeste Psychose ermöglichte. Gerade in der Subskala der Positivsyndrome bzw. bei dem
Faktor 3 ergab sich kein Anhalt für einen günstiger zu wählenden ,Cut-off’, was sich anhand
der Regressionsergebnisse in einer absolut zufälligen Zuordnung ausdrückte bei einer Fläche unter der ROC-Kurve von jeweils 0,5 und einer mangelnden Signifikanz von p = 1,0.
Durch diese sehr unspezifischen Ergebnisse zeigte sich unter anderem, dass der Aufbau der
SIPS mit den vorhandenen Subskalen zunächst einmal theoretischer Natur war, bei der Beschreibung hauptsächlich der syndromale Charakter im Vordergrund stand und eine genauere Schärfung einzelner Items nur schwer zu erreichen war, was somit auch die Suche nach
verbesserten Unterteilungen und Zusammenfassungen erschwerte.
Der Vergleich mit dem von Alison Yung und Kollegen entwickelten Erhebungsinstrument
,Comprehensive Assessment of At-Risk Mental States’ (CAARMS) erwies sich bedingt aussagekräftig, da sich beide Skalen hinsichtlich des Aufbaus in psychopathologische Gesichtspunkte berücksichtigende Subskalen und der zugrunde liegenden Schweregradskalierung
von 0 bis 6 teilweise einander glichen, auch in Bezug auf die mit 30% ähnlich ausfallenden
Übergangsraten. Weitgehende Übereinstimmung besteht dabei in den einschlussrelevanten
Positivitems beider Skalen, die nahezu deckungsgleich formuliert sind. Dieser Vergleich galt
daher insbesondere für die Betrachtung der attenuierten psychotischen Symptome (APS)
und der transienten psychotischen Symptome (BLIPS). Die veröffentlichten Ergebnisse der
CAARMS waren die bis 2005 einzige Studie, welche eine nach UHR-Kriterien selektierte
Stichprobe auf Gütekriterien hin untersuchte (Yung et al., 2005), die Einzelbetrachtung der
APS und BLIPS erfolgte im Unterschied zu den hier diskutierten Ergebnissen jedoch nicht. In
der mit der CAARMS untersuchten Stichprobe (n = 150) kam es bei der, die UHR-Kriterien
erfüllenden Patientengruppe (n = 43) nach einem Beobachtungszeitraum von sechs Monaten
zu einem Übergang bei gerade mal fünf Patienten. Dennoch zeigte sich die prädiktive Validi-
111
tät bezüglich der Identifikation von Patienten mit UHR-Kriterien anhand der CAARMS signifikant erhöht gegenüber der die UHR-Kriterien nicht erfüllenden Vergleichsgruppe.
Es konnte in Übereinstimmung mit den hier vorgestellten Daten als Ergebnis festgehalten
werden, dass die die Positivsymptomatik beinhaltenden Subskalen mit Betrachtung von Gedankeninhalten, Wahrnehmung, konzeptionellen Fähigkeiten und Motorik nicht signifikant
zwischen übergegangenen und nicht übergegangenen Patienten unterscheiden konnten
(Yung et al., 2005) – vermutlich auch, weil sie nach diesen Kriterien ja bereits selektiert worden waren. Bei alleiniger Betrachtung der Positivsyndrome zeigte sich demnach eine unzureichende Klassifizierungsleistung der SIPS, was für ein multifaktorielles Zusammenspiel
sprach.
Darüber hinaus wurde in den hier diskutierten Ergebnissen deutlich, dass bei drei (16,7%)
der später übergegangenen Patienten bei Einschluss in die Studie keine attenuierten psychotischen Symptome nachgewiesen werden konnten. Sie wiesen nur die Einschlussrelevanten feineren und subtileren Symptome auf, die innerhalb des Basissymptomkonzepts
beschrieben wurden. Diese sich phänomenologisch von psychotischen Symptomen klar unterscheidbaren Basissymptome konnten in der von Klosterkötter und Kollegen 2001 durchgeführten CER-Studie eingegrenzt werden, vor allem auf eine Untergruppe aus kognitivperzeptiven Basissymptomen, die sich besonders prädiktiv hinsichtlich der Übergangswahrscheinlichkeit in eine schizophrene Psychose erwiesen. Zu diesen sich durch ihre Gütekriterien auszeichnenden Basissymptomen zählten unter anderem feinere Denkstörungen wie
selbst wahrgenommene Gedankeninterferenz, zwangähnliches Perseverieren bestimmter
Gedanken sowie Gedankendrängen und Gedankenblockade, aber auch erste subtile Wahrnehmungsveränderungen in Form von Störungen der Diskriminierung von Vorstellungen und
Wahrnehmungen sowie sofort kognitiv revidiertes Beziehungserleben (Klosterkötter at al.,
2001). Hier wird deutlich, dass die SIPS in der jetzigen Form sicherlich nicht die Gesamtheit
der Risikopersonen zu erfassen vermag.
5.3.2
Betrachtung der weiteren Symptomatik
Im Vergleich der übergegangenen versus der nicht-übergegangenen Prodromalpatienten
anhand der drei Subskalen der negativen (SIPS-N), desorganisierten (SIPS-D) und generellen Syndrome (SIPS-G) erfüllten sich die Ergebnisse der statistischen Hypothese ,SH f.’, die
gerichtete Unterschiede in den mittleren Rängen mit höheren Werten in der Stichprobe der
übergegangenen Prodromalpatienten formuliert hatte (vgl. Kap. 3.7). Sie blieben jedoch insgesamt hinter den Erwartungen zurück, die durch die Ergebnisse der CAARMS angenommen werden konnten. Die in der CAARMS vorhandenen negativen Subskalen (Konzentration/Aufmerksamkeit, Stimmung/Affekt, Tatkraft/Antrieb und Stresstoleranz), die in den Studien von Yung und Kollegen im Vergleich zur Positivsymptomatik eine höhere prädiktive Va-
112
lidität in der Vorhersage eines Übergangs in eine Psychose aufwiesen (Yung et al., 2005),
konnten also nur bedingt auf die in der SIPS subsumierten Subskalen von negativen, desorganisierten und generellen psychopathologischen Syndromen übertragen werden.
Schwach signifikante Unterschiede zeigte lediglich die Subskala der desorganisierten Syndrome (SIPS-D) hinsichtlich der Vorhersage eines Übergangs in eine manifeste Psychose.
Dies konnte aufgrund der zuvor berechneten Regressionsanalysen beim Vergleich der
prodromalen mit der schizophrenen Stichprobe nicht erwartet werden, da sich dort die SIPSD noch als die am unspezifischsten verwertbare Subskala gezeigt hatte. Als das am stärksten prägnante Einzelitem erwies sich das zu der SIPS-D gehörige Syndrom ,Schwierigkeiten
in der Ausrichtung und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit’, welches zu eher unspezifischen Symptomen gezählt werden konnte, wie im Grunde die gesamte Subskala der desorganisierten Syndrome. Wenn man die einen statistischen Trend aufzeigenden Negativsyndrome ,Verminderter Ausdruck von Emotionen’, ,Vermindertes Erleben von Emotionen und
Selbst’ und ,Verringerte gedankliche Vielfalt’ mit unter den Oberbegriff der unspezifischsubtilen Syndrome subsumierte, erwiesen sich diese in ihrer Gesamtheit als spezifischer in
der Vorhersage eines Übergangs in eine manifeste Psychose im Vergleich zu den nicht signifikant gewordenen Positivsyndromen. Beim Vergleich mit der CAARMS und ihren acht
Subskalen, welche nur in die zwei Gruppen der positiven (1) bis (4) und negativen Subskalen
(5) bis (8) unterteilt waren, zeigten sich die Inhalte der negativen Subskalen am ehesten vergleichbar mit den drei Subskalen der negativen, desorganisierten und generellen Syndrome
der SIPS. Demzufolge trug die in der SIPS vorgenommene genauere Differenzierung von
unspezifisch-subtileren Symptomen in drei Subskalen für signifikantere Ergebnisse in der
Voraussage eines möglichen Übergangs nicht bei.
Bei Betrachtung der Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Ermittlung der prädiktivsten
Skalen für den Übergang in eine manifeste Psychose zeigte sich infolgedessen keine der
Subskalen aussagekräftig, so dass eine Individualzuordnung einzelner Patienten einem absoluten Zufall unterlag.
5.3.3
Betrachtung der Subskalen in Abgrenzung zu den Faktoren
Hinsichtlich der Gruppenunterschiede zwischen Prodromalpatienten mit und ohne Übergang
wandten sich die nicht signifikanten, jedoch immer noch zugunsten der übergegangenen Patientengruppe gerichteten Mittelwertunterschiede bei Betrachtung des Faktor 3, der das Gros
der attenuierten Positivsyndrome beinhaltete, überraschend sogar ins Gegenteil; hier fanden
sich höhere Mittelwerte in der Gruppe der nicht übergegangenen Patienten. In der durch
Hawkins und Kollegen 2004 durchgeführten Faktorenanalyse wurden unter den Faktor 3 mit
Ausnahme der ,Konzeptuellen Desorganisation’ alle Positivsyndrome sowie das ursprünglich
der Subskala der desorganisierten Syndrome zugeordnete Syndrom ,Bizarres Denken’ zu-
113
sammengefasst. Bei Betrachtung der Einzelitemergebnisse zeigte sich jedoch, dass das
Syndrom ,Konzeptuelle Desorganisation’ innerhalb der Positivsyndrome noch am ehesten im
Sinne der Ausgangshypothese zwischen den prodromalen Gruppen mit und ohne Übergang
zu trennen vermochte, so dass der erwartungsdiskonforme Unterschied in Faktor 3 durch
das Herausfallen dieses Items möglicherweise erklärbar wurde. Insgesamt bot daher der
Faktor 3 keinen Vorteil gegenüber der ursprünglichen Subskala der Positivsyndrome, die allerdings ebenfalls entgegen der statistischen Hypothese ,SH f.’ keine signifikant höheren
Werte in der Gruppe der Patienten mit Entwicklung einer Psychose im Beobachtungszeitraum aufweisen konnte.
5.3.4
Limitationen und Vorteile der hier untersuchten Stichprobe der übergegangenen und nicht-übergegangenen Prodromalpatienten
Bei dem zugrunde gelegten 30-monatigen Katamnesezeitraum der zwischen dem 1. Juli
2000 und dem 31. Dezember 2001 untersuchten prodromalen Stichprobe zeigten sich Übergänge in eine manifeste Psychose nach frühestens zwei und spätestens 27 Monaten. Der
insgesamt als eher kurz zu betrachtende Beobachtungszeitraum gab somit auch die Limitationen der berechneten Daten wieder. Als wahrscheinlich anzusehen war auch der Einschluss
von falsch-falsch-positiven Patienten innerhalb der nicht-übergegangen Stichprobe, mit möglichen Übergängen über den hier dargestellten Beobachtungszeitraum hinaus.
Im Vergleich zu den angloamerikanischen Studien zum UHR-Konzept wiesen die hier diskutierten Ergebnisse der nach den COPER-Kriterien selektierten Stichprobe vor allem hinsichtlich der Güteindizes der attenuierten psychotischen Symptome (APS) Vorteile auf. Innerhalb
des zwölfmonatigen Katamnesezeitraums zeigten sich dort bei den nicht pharmakologisch
bzw. psychotherapeutisch behandelten Patienten durchschnittliche Übergangsraten in eine
Psychose von 38,2% (McGlashan et al., 2004; McGorry et al., 2002; Miller et al., 2002c; Morrison et al., 2004; Phillips et al., 2000). Dabei bezogen sich diese Ergebnisse jedoch nur auf
Patienten, die an der Interventionsstudie teilnahmen und der Kontrollgruppe zugewiesen
worden waren (McGlashan et al., 2004; McGorry et al., 2002; Morrison et al., 2004; Yung et
al., 2004) bzw. Patienten, die einer reinen Beobachtungsstudie zugestimmt hatten (Mason et
al., 2004; Miller et al., 2002c; Phillips et al., 2000) und so im Kontakt mit den jeweiligen Früherkennungszentren geblieben waren. Hingegen wurden Übergangsraten von Patienten, die
zwar die Prodromkriterien erfüllten, aber nicht innerhalb eines Jahres mit den Untersuchern
in Kontakt blieben und zumeist weniger ausgeprägte Symptome aufwiesen, sowie von Patienten, die die Kriterien nur partiell oder gar nicht erfüllten, bislang nicht beschrieben. Eine
Abschätzung der prädiktiven diagnostischen Güte der UHR-Kriterien war daher hinsichtlich
der Sensitivität und der positiven Likelihood Ratio nur bedingt möglich bzw. hinsichtlich der
auf Patienten ohne UHR-Kriterien bezogenen Güteindizes Spezifität, negative prädiktive
114
Stärke, Prozentsatz falsch-negativer Vorhersagen und negative diagnostische Likelihood Ratio gar nicht möglich.
Demgegenüber war in der hier untersuchten Stichprobe die Abschätzung der diagnostischen
Gütekriterien für das UHR-Kriterium APS deutlich vorteilhaft (vgl. Tab. 13, Kap. 4.3.3). Hinsichtlich der in der Prodromalstichprobe fehlenden transienten psychotischen Symptome
(BLIPS) waren die Güteindizes in ihrer diagnostischen Vorhersage hingegen eingeschränkt
verwertbar (vgl. Tab. 12, Kap. 4.3.3). Welchen Stellenwert das Vorliegen von ,Ultra-High
Risk’-Kriterien, vor allem in der Schwere der attenuierten psychotischen Symptomen (APS),
bei der Früherkennung der Schizophrenie einnahm, zeigte sich auch in der Häufigkeit der
vorliegenden APS. Anders ausgedrückt wiesen lediglich 16,7% der übergegangenen und
9,5% der nicht-übergegangenen Prodromalpatienten keine APS auf. Hinsichtlich der höheren
Anzahl von APS innerhalb der nicht-übergegangenen Stichprobe sprach dies auch für das
Vorliegen von falsch-falsch-Positiven prodromalen Verläufen mit späteren Übergängen über
den hier beobachteten Zeitraum hinaus. Vergleichbare Ergebnisse zeigte auch die 2007 publizierte Kölner Studie, in der Stichproben mit vorhandenen attenuierten psychotischen Symptomen schneller in eine manifeste Psychose übergingen, vor allem im Zusammenspiel mit
kognitiv-perzeptiven Basissymptomen (Schultze-Lutter et al., 2007b).
5.4
Ausblick
In der Schizophrenieforschung wird die multifaktorielle Genese der Erkrankung auch zukünftig die größte Schwierigkeit hinsichtlich einer verlässlichen Voraussage möglicher prodromaler Verläufe mit späterem Übergang in eine manifeste psychotische Erstepisode darstellen.
Gleichzeitig bieten diese sehr vielschichtigen Forschungsansätze auch die Chance zu einer
weiteren Verbesserung der Früherkennungsforschung, mit der Möglichkeit der frühzeitigen
therapeutischen Intervention und dem gleichzeitigen Rückgang psychosozialer bzw. ökonomischer Folgen, beizutragen. Eine indizierte Prävention setzt jedoch immer – neben der
Entwicklung geeigneter therapeutischer Verfahren – die zuverlässige Identifikation von Personen mit der bereits beginnenden, aber noch nicht akuten Erkrankung voraus (Mrazek &
Haggerty, 1994).
Für die Zukunft ist daher eine weiter zu forcierende Annäherung der beiden existierenden
Ansätze aus UHR-Kriterien, die auf die Erfassung der Endstrecke des Prodromalstadiums
abzielen, auf der einen Seite sowie dem Basissymptomkonzept auf der anderen Seite von
Bedeutung. Bei Betrachtung der drei bislang vorgelegten Instrumente zur Erfassung der
UHR-Kriterien, der ,Structured Interview for Prodromal Syndromes – SIPS’ (Miller et al.,
1999), der ,Comprehensive Assessment of At-Risk Mental State – CAARMS’ (Yung et al.,
2005) sowie der ,Early Recognition Instrument based on the Instrument for the retrospective
Assessment of the Onset of Schizophrenia – ERIraos’ (Maurer et al., 2006), sollten auch zu-
115
künftig die feineren unspezifischen Syndromkomplexe so weit geschärft werden, dass sie
hinsichtlich ihrer Spezifität in der Vorhersage eines Übergangs in eine manifeste Psychose
auch bei größeren Stichproben verbesserte Ergebnisse erzielen. So sollte unter Hinzuziehung aller weiteren die Ätiologie aufklärenden multifaktoriellen Forschungsergebnisse eine
immer früher einsetzende Psychoseerkennung möglich sein.
116
6 Zusammenfassung
Im Rahmen der Früherkennung von Psychosen ist international die Frage nach der diagnostischen bzw. prädiktiven Güte potentieller Prodromalsymptome von vorrangiger Bedeutung –
insbesondere, da die beiden heute weltweit gebräuchlichsten Diagnosesysteme psychiatrischer Erkrankungen, ICD-10 (WHO, 1993) und DSM-IV (APA, 1994), keine Richtlinien zur
Diagnose eines schizophrenen Prodroms bieten, obwohl in beiden die Prodromalphase als
Bestandteil der schizophrenen Erkrankung als Charakteristikum erwähnt wird bzw. sogar als
Teil der für die Diagnose notwendigen Erkrankungsdauer Berücksichtigung findet. Der Grund
für die aktuell fehlende diagnostische Erfassung liegt in der angenommenen geringen Spezifität in Frage kommender Prodromalsymptome, wie sie etwa im DSM-III-R operationalisiert
waren, und der ungesicherten Reliabilität ihrer Erfassung (Jackson et al., 1994, 1995, 1996;
Keith & Matthews, 1991; McGorry et al., 1995; WHO, 1993). Umso mehr waren gezielte Untersuchungen an klinischen und allgemeinen Populationen notwendig, um die diagnostische
bzw. prädiktive Güte in Frage kommender Symptome zu prüfen (Jackson et al., 1996).
Ein heute weltweit viel verwandter Ansatz zur Definition eines immanenten Psychoserisikos
basierte vor allem auf den Arbeiten der Melbourner PACE-Gruppe zur Validität und Reliabilität der DSM-III-Prodromalsymptomen (Phillips et al., 2000; Yung et al., 2004). In weiterführenden Studien wurden ,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien entwickelt, deren alternative Symptom-orientierte Kriteriensätze attenuierte psychotische Symptome (APS) oder eine bereits
kurzzeitig, transiente Positivsymptomatik mit spontaner Remission (BLIPS) umfassten, welche jeweils bei erstmaligem Auftreten in den letzten drei Monaten beobachtet werden konnten (Phillips et al., 2000). Zur gezielten Erhebung prodromaler Symptomatik und der UHRKriterien wurden unterschiedliche Instrumente vorgeschlagen, darunter auch das ,Structured
Interview for Prodromal Syndromes’ (SIPS, Miller at al., 1999, 2002c), das eine differenzierte
Erfassung des unteren Messbereichs der ,Positive And Negative Syndrome Scale’ (PANSS,
Kay et al., 1987) erlaubte. Unabhängig von ihrer Erhebung war für die UHR-Kriterien jedoch
bislang nur eine partielle Abschätzung ihrer prädiktiven Güte möglich, was vor allem darauf
zurückzuführen war, dass in Früherkennungsstudien (McGlashan et al., 2004; McGorry et
al., 2002; Morrison et al., 2004; Yung et al., 2004) das Hauptaugenmerk vorrangig auf die
Nachverfolgung von Personen mit eben diesen Kriterien gerichtet war und damit keine Berechnung etwa der Spezifität oder negativen prädiktiven Stärke der Kriterien erlaubt wurde.
Zur besseren Abschätzung der prädiktiven Güte der SIPS und in einer ersten Evaluation für
den deutschsprachigen Raum wurden in der vorliegenden Arbeit daher 60 über gut zwei Jahre nachverfolgte Patienten mit Verdacht auf ein initiales Prodrom einer psychotischen Störung mit 60 erstmals schizophren erkrankten Patienten anhand der SIPS verglichen. Dabei
117
definierte sich die Prodromalstichprobe durch das Vorliegen von mindestens einem der zehn
kognitiv-perzeptiven, aus den nach Ergebnissen der ‚Cologne Early Recognition’ (CER)Studie prädiktiven Basissymptomen (Klosterkötter et al., 2001), die im Vergleich zu den
,Ultra-High Risk’ (UHR)-Kriterien als bereits früher im prodromalen Verlauf auftretend konzipiert wurden.
Es stellte sich die Frage, ob die SIPS mit ihren vier Subskalen in einer nach den Basissymptomkriterien selektierten Patientengruppe geeignet war, eine den diagnostischen Gütekriterien standhaltende Vorhersage bezüglich eines späteren Übergangs in eine manifeste Psychose zu treffen. Gleichzeitig wurden die bestehenden vier Subskalen mit drei Faktoren verglichen, die sich aus einer von Hawkins und Kollegen 2004 durchgeführten Faktorenanalyse
der 19 Einzelitems resultiert hatten.
Im Vergleich der prodromalen und erstmanifesten Stichproben zeigten sich signifikante Häufigkeitsunterschiede in allen Symptombereichen, welche in höherer Ausprägung erwartungsgemäß bei der Patientengruppe mit schizophrener Erstepisode vorkamen. Ebenfalls entsprechend der Vorhersagen konnte die Positivsymptomatik am besten zwischen den Stichproben trennen. Hinsichtlich der attenuiert psychotischen Symptome (APS) ließen sich den
diagnostischen Gütekriterien standhaltende Häufigkeitsunterschiede hypothesenkonform innerhalb der Gruppe der Prodromalpatienten abbilden, so dass sich die hier untersuchte
Stichprobe zur Abschätzung der diagnostischen Gütekriterien für das UHR-Kriterium APS als
deutlich vorteilhaft erwies. Insbesondere die Positivsyndrome ‚Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen’ sowie ‚Misstrauen/Verfolgungsideen’ zeigten hohe Gütekriterien. Abweichend zu der aufgestellten Hypothese und auch zu bereits veröffentlichten Studien
(McGlashan, 1999; Phillips et al., 2000; Yung et al., 1996, 1998) war die Tatsache, dass
transiente psychotische Symptome mit spontaner Remission (BLIPS) bei keinem der
Prodromalpatienten erhoben werden konnten. Dies könnte dem konservativen Ansatz der
Datenerhebung geschuldet sein, der bei Erhebung der symptomatischen Schweregradeinschätzung im Zweifel eine über die Definition der BLIPS hinausgehende Dauer annahm und
somit bereits eine Zuordnung zu der Gruppe der schizophrenen Erstmanifestation erfolgte.
Zudem erlaubte die ebenfalls zunächst keine signifikanten Häufigkeitsunterschiede abbildende Subskala der Negativsymptomatik in den Regressionsanalysen der Subskalen mit
85,8% korrekt klassifizierter Patienten die exakteste Gruppenzuordnung.
Für die neu gebildeten Faktoren konnten in allen Bereichen vergleichbare Ergebnisse gezeigt werden, wobei jedoch in keiner Hinsicht eine Überlegenheit gegenüber den an der
PANSS orientierten theoriegeleiteten Subskalen dargestellt werden konnte.
Die erwarteten, den Gütekriterien standhaltenden signifikanten Häufigkeitsunterschiede zwischen den nach dem Basissymptomkonzept selektierten übergegangenen und nicht-
118
übergegangenen Prodrompatienten konnten insgesamt nur unzureichend gezeigt werden.
Gerade bei der Positivsymptomatik zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Auftreten von APS, und auch bei Betrachtung der Regressionsanalysen konnten keine besser geeigneten Definitionen der APS-Ausprägung innerhalb der SIPS gefunden werden.
In der Gesamtschau war die SIPS somit gut geeignet zwischen den untersuchten Patientenstichproben zu trennen, war allerdings nur bedingt geeignet in der Prodromalstichprobe zwischen übergegangenen und nicht-übergegangenen Patienten zu differenzieren, wobei vor allem das Fehlen von BLIPS einer genaueren Diagnostik wenig zuträglich war. Dass sich
durch die neu gerechneten Faktoren keine Vorteile aufzeigen ließen, unterstreicht den bewährten Einsatz von empirisch generierten Skalen.
Die beschriebenen Limitationen lassen sich vor allem durch die theoretische Natur der SIPS
und ihrer Subskalen erklären, bei denen der syndromale Charakter im Vordergrund steht und
dies eine genauere Schärfung der Einzelitems erschwert. Anhand der weiteren Evaluierung
von nicht-klinischen und klinischen Stichproben sollte Ziel der Forschung daher für die Zukunft eine weitere Schärfung und Validierung der Syndrome sein, so dass hinsichtlich der
diagnostischen Gütekriterien verbesserte Ergebnisse erreicht werden können. Dabei scheint
eine Annäherung der Ansätze aus UHR-Kriterien auf der einen Seite und dem Basissymptomkonzept auf der anderen Seite zielführend zu sein.
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145
Anhänge
A:
Aachener Kurzversion der BSABS: Erhebungsbogen der 66 Items
B:
Zusammenhänge zwischen soziodemographischen Daten und der abhängigen Variable ,SIPS’: Spearman`s Rangkorrelation
C:
,Global Assessment of Functioning’ (GAF)-Skala
D:
Checkliste zur schizotypen Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
E:
Familiäre Vorgeschichte psychischer Erkrankungen
F:
,Presence of Psychotic Syndromes’ (POPS) und ,Criteria of Prodrome Syndromes’
(COPS)
G:
Ankerpunkte der Positivsyndrome P. 1.–P. 5.
H:
Zusammenfassung der SIPS-Daten
I:
Einzelitemvergleich für die unabhängige Variable ,Gruppe’ (UV 1A)
J:
Einzelitemvergleich für die unabhängige Variable ,Gruppe’ (UV 1B)
K:
Gruppenvergleich der Psychopathologie anhand der univariaten Varianzanalyse
L:
Häufigkeitsunterschiede für die ,Ultra-High Risk’-Kriterien APS und BLIPS
M:
Liste der mathematischen und testtheoretischen Abkürzungen und Zeichen
146
Anhang A
Aachener Kurzversion der BSABS: Erhebungsbogen der 66 Items
BSABS- BASISSYMPTOM
Item-Nr.
A/B
DYNAMISCHE DEFIZIENZEN
A.6.1
Veränderungen von Grundstimmung und emotionaler Resonanzfähigkeit
A.6.2
Unfähigkeit zur Diskriminierung verschiedener Gefühlsqualitäten
A.6.4
Minderung des Kontaktbedürfnisses
A.7.1
Minderung der Kontaktfähigkeit bei vorhandenem Kontaktwunsch
A.7.2
Störung des In-Erscheinung-Tretens
A.8.1 +
B.1.2
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit gegenüber ungewöhnlichen, unerwarteten, besonderen, neuen Anforderungen
A.8.2 +
B.1.3
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit gegenüber bestimmten alltäglichen, primär affektiv neutralen sozialen Situationen
A.8.3 +
B.1.4
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit gegenüber Arbeit unter
Zeitdruck und/oder rasch wechselnden unterschiedlichen Anforderungen
B.1.1
Minderung der psychischen Belastungsfähigkeit gegenüber körperlicher
und/oder psychischer arbeitsmäßiger Beanspruchung
A.8.4
Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit zu spalten
B.2.1
Erhöhte Beeindruckbarkeit durch alltägliche Ereignisse
B.2.2
Erhöhte Beeindruckbarkeit durch Verhaltensweisen anderer, die die Person
persönlich betreffen
B.2.3
Erhöhte Beeindruckbarkeit durch ,fremdes Leid’
C.1
Kognitive Denkstörungen
C.1.1
Gedankeninterferenz
C.1.2
s1: Zwangähnliches Perseverieren zurückliegender Vorgänge
C.1.3
Gedankendrängen, Gedankenjagen
C.1.4
Blockierung des jeweiligen Gedankenganges
C.1.5
Störung der Konzentrationsfähigkeit
C.1.6
Störung der rezeptiven Sprache
C.1.7
Störung der expressiven Sprache
C.1.8
Störung des unmittelbaren Behaltens
C.1.9
Störung des Kurzzeitgedächtnisses
C.1.10
Besonders strukturierte Störungen des Langzeitgedächtnisses
C.1.12
Verlangsamung und Erschwerung der Denkvorgänge
C.1.13
Störung der Denkinitiative und gedankliche Intentionalität
C.1.15
Störung der Diskriminierung von Vorstellungen und Wahrnehmungen bzw.
von Phantasie- und Erinnerungsvorstellungen
?
147
Anhang A
Fortsetzung
BSABS- BASISSYMPTOM
Item-Nr.
C.1.16
Störung der Symbolerfassung (Konkretismus)
C.1.17
,Subjekt-Zentrismus’ – Eigenbeziehungstendenz
C.2
Kognitive Wahrnehmungsstörungen
C.2.1
s1: Verschwommen-, Trübsehen
C.2.1
s3: Partielles Sehen
C.2.2
s1: Überempfindlichkeit gegen Licht oder visuelle Reize
C.2.2
s2: Photopsien
C.2.3
s1: Porropsie (Fernsehen), Nahsehen
C.2.3
s2: Mikro- und Makropsien
C.2.3
s3: Metamorphosie
C.2.3
s4: Veränderungen des Farbensehens, Farbigsehen
C.2.3
s5: Wahrnehmungsveränderungen an Gesicht und/oder Gestalt anderer
C.2.3
s6: Wahrnehmungsveränderungen am eigenen Gesicht
C.2.3
s7: Scheinbewegungen von Wahrnehmungsobjekten
C.2.3
s8: Doppelt-, Schief-, Schräg- und Verkehrtsehen
C.2.3
s9: Störungen der Schätzung von Entfernungen, Größe von Gegenständen
C.2.3
s10: Auflösung der Geradlinigkeit gegenständlicher Konturen
C.2.3
s12: Abnorm langes Haften optischer Reize, nachträgliches Sehen
C.2.4
s1: Geräusche, Lärm, allgemein akustische Reize
C.2.4
s2: Akoasmen
C.2.5
s1: Intensität/Qualität
C.2.5
s2: Abnorm langes Haften akustischer Reize, nachträgliches Hören
C.2.6
Wahrnehmungsveränderungen auf olfaktorischem, gustatorischem oder
sensiblem Gebiet
C.2.8
Sensorische Überwachheit
C.2.9
Fesselung (Bannung) durch Wahrnehmungsdetails
C.3
Kognitive Handlungs- (Bewegungs-) Störungen
C.3.1
Motorische Interferenz; Automatosesyndrom
C.3.2
Motorische Blockierung, Bannungszustände (Starre)
C.3.3
Verlust automatisierter Fertigkeiten (Automatismenverlust)
?
148
Anhang A
Fortsetzung
BSABS- BASISSYMPTOM
Item-Nr.
?
D
COENÄSTHESIEN
D.1
Taubheits- und Steifigkeitsempfindungen
D.1.1
Entfremdungserlebnisse am eigenen Körper – somatopsychische Depersonalisation
D.2
Sensationen motorischer Schwäche (,Lähmungssensationen’)
D.3
Mehr umschriebene Schmerzsensationen
D.4
Wandersensationen
D.5
Elektrisierungssensationen
D.6
Thermische Sensationen
D.7
Bewegungs-, Zug- und Druckempfindungen
und/oder an der Körperoberfläche
D.8
Sensationen abnormer Leere, Leichtigkeit und Schwere, Fall-, Sink-,
Levitations- und Elevationsphänomene
D.9
Sensationen der Verkleinerung, Schrumpfung und Einschnürung, der
Vergrößerung und Ausdehnung
D.10
Kinästhetische Sensationen
D.11
Sog. Vestibuläre Sensationen; qualitativ eigenartige Raumsinn- und
Gleichgewichtsstörungen
D.14
Dysästhetische Krisen
?:
2 = Basissymptom vorhanden;
1 = Basissymptom fraglich vorhanden;
0 = Basissymptom nicht vorhanden
im
Körperinneren
0,13
-0,06
-0,12
-0,06
0,03
-0,07
0,12
0,14
0,01
0,14
0,01
Familienstand
Schulbildung
Diagnose
Übergang
SIPS-P
SIPS-N
SIPS-D
SIPS-G
Faktor 1
Faktor 2
Faktor 3
0,09
-0,10
0,05
-0,07
0,02
0,01
0,14
0,02
0,14
-0,24*
0,18*
1,00
0,09
0,04
-0,02
-0,05
0,00
-0,07
-0,06
0,07
0,07
0,22*
-0,26**
1,00
0,18*
0,37****
-0,20*
-0,07
-0,10
-0,06
-0,03
-0,11
-0,24**
-0,19
-0,24**
1,00
-0,26**
-0,24*
0,15
*** p < 0,001; **** p < 0,0001
0,12
0,05
-0,00
0,10
0,03
-0,03
0,12
-0,14
0,25**
0,15
0,37****
0,09
1,00
** p < 0,01;
-0,04
Nationalität
* p < 0,05;
-0,06
Lebensalter
0,74****
0,21*
0,23*
0,31***
0,32***
0,13
0,71****
–
1,00
-0,24**
0,22*
0,14
0,25**
0,02
0,12
0,20
0,03
0,26*
0,20
0,02
1,00
–
-0,19
0,07
0,02
-0,14
0,26*
0,32***
-0,03
-0,07
0,02
0,03
0,03
0,31***
-0,06
0,00
-0,07
0,10
1,00
1,00
1,00
1,00
0,57****
0,30***
0,39****
0,30***
0,26**
1,00
1,00
0,26**
0,57**** 0,39****
0,57**** 0,94****
0,57**** 0,51**** 0,94**** 0,57****
0,25**
0,25**
0,95****
0,02
0,74****
-0,20*
0,04
0,09
0,12
Faktor
3
0,01
0,42**** 0,72**** 0,51**** 0,58****
0,52**** 0,94**** 0,72**** 0,57****
0,95****
0,33***
0,12
0,21*
-0,07
-0,02
-0,10
0,05
Faktor
2
0,14
0,52**** 0,57**** 0,94**** 0,57****
0,36**** 0,57**** 0,42****
0,33***
0,20
0,23*
-0,10
-0,05
0,05
-0,00
0,36**** 0,58**** 0,36**** 0,52****
0,20
0,13
-0,11
-0,06
0,01
-0,03
0,58**** 0,52****
0,36****
1,00
0,02
0,71****
-0,24**
0,07
0,14
0,12
Anhang B
Zusammenhänge zwischen soziodemographischen Daten und der abhängigen Variable ,SIPS’: Spearman`s Rangkorrelation
GeLebens- Natio- Familien- SchulDiag- ÜberFaktor
SIPS-P SIPS-N SIPS-D SIPS-G
schlecht
alter
nalität
stand
bildung
nose
gang
1
Geschlecht
1,00
-0,06
-0,04
0,13
-0,06
-0,12
-0,06
0,03
-0,07
0,12
0,14
0,01
149
150
Anhang C
,Global Assessment of Functioning’ (GAF)-Skala
(modifiziert nach Hall, 1995)
151
Anhang C
Fortsetzung
152
Anhang C
Fortsetzung
153
Anhang D
Checkliste zur schizotypen Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
154
Anhang E
Familiäre Vorgeschichte psychischer Erkrankungen
155
Anhang F
,Presence of Psychotic Syndromes’ (POPS) und ,Criteria of Prodrome Syndromes’ (COPS)
Überinteresse an Fantasien. Ungewöhnlich hoch
bewertete Ideen/Glaube.
Einige abergläubische
Vorstellungen, die nicht
einer durchschnittlichen
Person mit denselben kulturellen Normen entsprechen.
Gedanken spielen Streiche, die irritierend sind.
Gefühl, dass etwas anders
ist.
0
Nicht vorhanden
Besorgtsein
1
Fraglich vorhanden
Zweifel an Sicherheit. Überaufmerksamkeit ohne
klare Gefahrenquelle.
2
Leicht
2
Leicht
1
Fraglich vorhanden
P. 2. MISSTRAUEN/VERFOLGUNGSIDEEN
0
nicht vorhanden
P. 1. UNGEWÖHNLICHE DENKINHALTE/WAHNHAFTE IDEEN
Anhang G
Ankerpunkte der Positivsyndrome P. 1.–P. 5.
156
Vorstellung, dass andere
feindselig, nicht vertrauenswürdig sind und/oder
böse Absichten hegen.
Vorstellung, dass Überaufmerksamkeit nötig sein
könnte. Immer wiederkehrende Vorstellung (noch
nicht begründet oder übertrieben) dass andere negativ über den Patienten
denken oder reden könnten. Kann dem Interviewer
gegenüber misstrauisch
wirken.
6
Schwer und psychotisch
Wahnhaft paranoide Überzeugung (ohne Zweifel)
zumindest zeitweilig. Beeinträchtigt wahrscheinlich
das Funktionsniveau.
5
Schwer aber nicht psychotisch
Locker organisierte Annahme, in Gefahr oder Ziel
feindlicher Absichten zu
sein. Skepsis und Perspektive können durch
nicht bestätigende Beweise oder Meinungen geweckt werden. Das Verhalten ist teilweise betroffen.
Die beobachteten Symptome können die Informationsgewinnung im Interview beeinträchtigen.
Klare oder zwanghafte
Gedanken des Ausgegrenzt- oder Beobachtetseins. Vorstellung, dass
andere ihm schaden wollen. Misstrauisch. Vorstellungen können leicht verworfen werden. Patient erscheint vorsichtig/auf der
Hut. Widerwillig oder irritiert bei der Beantwortung
der Fragen.
Wahnhafte Überzeugung
(ohne Zweifel) zumindest
zeitweilig. Beeinflusst gewöhnlich Denken und soziale Beziehungen bzw.
Sozialverhalten.
6
Schwer und psychotisch
4
Mäßig schwer
Überzeugung von tatsächlicher Existenz der "Gedankenstreiche"/gedanklichen Ereignisse/externen
Kontrolle. Magisches Denken ist zwingend, aber
Zweifel kann noch durch
gegenteilige Beweise oder
Meinungen hervorgerufen
werden. Kann das Funktionsniveau beeinflussen.
Vorstellung, dass Erfahrungen von aussen eingegeben werden oder
dass Ideen/Überzeugungen real sind. Skepsis
demgegenüber bleibt jedoch intakt. Das Funktionsniveau wird für gewöhnlich nicht beeinflusst.
Nicht-antizipierte gedankliche Ereignisse/nicht paranoide Beziehungsideen/Gefühl, dass einem das
eigene Denken Streiche
spielt/Magisches Denken,
das nicht verworfen werden kann und irritierend
oder beunruhigend ist. Ein
Gefühl, dass diese Erfahrungen oder fesselnden
neuen Überzeugungen
bedeutungsvoll werden,
weil sie nicht mehr weggehen.
3
Mäßig
5
Schwer aber nicht psychotisch
4
Mäßig schwer
3
Mäßig
2
Leicht
Ideen, hoch talentiert, extrem verständnisvoll, oder
begabt zu sein auf einem
oder mehreren Gebieten.
Ideen werden meist für
sich behalten.
1
Fraglich vorhanden
Privat gehegte Vorstellungen allgemeiner intellektueller Überlegenheit oder
Begabung.
Unerwartete, nicht ausgeformte Wahrnehmungsveränderungen, die verwirrend aber nicht bedeutsam
sind.
Geringe aber wahrnehmbare Veränderungen in der
perzeptiven Sensitivität
(z.B. verstärkt, vermindert,
verzerrt, etc.)
0
Nicht vorhanden
Plötzliches, sinnloses Wort Zeitweise vage, verwirrte,
oder Satz.
verwaschene, unzusammenhängende Sprechweise. Kurzzeitiges Vorbeireden kann auftreten.
1
Fraglich vorhanden
2
Leicht
2
Leicht
1
Fraglich vorhanden
P. 5. KONZEPTUELLE DESORGANISATION
0
Nicht vorhanden
P. 4. ABWEICHUNGEN IN DER WAHRNEHMUNG/HALLUZINATIONEN
0
Nicht vorhanden
P. 3. GRÖSSENIDEEN
Anhang G
Fortsetzung
Zeitweise falsche Wörter,
irrelevante Themen. Häufiges Vorbeireden, antwortet aber bereitwillig, um
Fraugen zu klären. Stereotype oder gestelzte Sprache.
3
Mäßig
Wiederholte, nicht ausgeformte Wahrnehmungsveränderungen (Schatten,
Spuren, Geräusche, etc.),
Illusionen oder andauernde Wahrnehmungsverzerrungen, die besorgniserregend sind oder als ungewöhnlich erfahren werden.
Sprache ist eindeutig umständlich (kommt jedoch
auf den Punkt). Schwierigkeiten, Sätze auf ein Ziel
auszurichten. Person kann
jedoch durch Strukturierungshilfen in Form von
Fraugen gelenkt werden.
4
Mäßig schwer
Immer wiederkehrende Illusionen oder momentane
Halluzinationen, die als
nicht real erkannt werden,
können ängstigen oder
fesseln, und können das
Verhalten leicht beeinflussen. Keine eindeutige
Überzeugung hinsichtlich
der Ursache der Erfahrung.
4
Mäßig schwer
Locker organisierte Annahme von Macht und
Reichtum, Talent oder Fähigkeiten. Unrealistische
Ziele, die Pläne und Funktionsniveau beeinflussen
können.
Vorstellung, ungewöhnlich,
speziell, mächtig zu sein.
Zeitweilig überheblich.
Verfolgt eindeutig unrealistische Pläne, die jedoch
leicht korrigierbar sind.
3
Mäßig
4
Mäßig schwer
3
Mäßig
6
Schwer und psychotisch
Lose, irrelevante oder unverständliche Sprechweise
schon unter geringer Belastung oder bei komplexem Gesprächsinhalt.
Spricht nicht auf Strukturierungshilfen im Gespräch
an.
Eine die Dinge nur andeutende Sprechweise
(kommt nie auf den
Punkt). Einige gelockerte
Assoziationen unter Belastung. Kann korrekt auf
kurze Fragen antworten.
Immer wiederkehrende
Halluzinationen, die als real und von den eigenen
Gedanken getrennt wahrgenommen werden. Eindeutige Beeinflussung von
Denken, Fühlen und Verhalten. Skepsis kann nicht
hervorgerufen werden.
Halluzinationen, die gelegentlich Denken oder Verhalten beeinträchtigen,
und als möglicherweise
external oder real erfahren
werden. Skepsis kann hervorgerufen werden.
5
Schwer aber nicht psychotisch
6
Schwer und psychotisch
Wahnhafte Größenüberzeugung (ohne Zweifel)
zumindest zeitweilig. Beeinflusst Verhalten und
Überzeugungen.
6
Schwer und psychotisch
5
Schwer aber nicht psychotisch
Anhaltende Vorstellung eines übernatürlichen Intellekts, Attraktivität, Macht
oder Ruhm. Skepsis kann
hervorgerufen werden.
Beeinflusst oft Verhalten
oder Handlungen.
5
Schwer aber nicht psychotisch
157
158
Anhang H
Zusammenfassung der SIPS-Daten
159
Anhang I
Einzelitemvergleich für die unabhängige Variable ,Gruppe’ (UV 1A)
Einzelitems
Mittel ± Standardabweichung
Min.–Max. (Median)
P.1.
Ungewöhnliche Denkinhalte/wahnhafte Ideen
P.2.
Misstrauen/Verfolgungsideen
Schizophrenie
(n = 60)
Prodrom
(n = 60)
Mann-Whitney
5,65 ± 1,13
0–6 (6,0)
2,97 ± 1,39
0–5 (3,0)
U = 205,0
-18
p = 1,3 x 10
4,72 ± 2,24
0–6 (6,0)
2,33 ± 1,59
0–5 (3,0)
U = 633,5
-10
p = 3,0 x 10
P.3.
Größenideen
P.4.
Abweichung in der Wahrnehmung/Halluzinationen
P.5.
Konzeptuelle Desorganisation
1,23 ± 2,05
0–6 (0,0)
0,25 ± 0,73
0–3 (0,0)
U = 1418,0
p = 0,006
4,42 ± 2,37
0–6 (6,0)
2,30 ± 1,36
0–5 (2,0)
U = 765,0
-8
p = 3,2 x 10
2,93 ± 2,22
0–6 (3,0)
1,75 ± 1,41
0–5 (2,0)
U = 1225,0
p = 0,002
N.1.
Soziale Isolation/sozialer Rückzug
3,72 ± 2,03
0–6 (4,0)
3,40 ± 1,65
0–6 (4,0)
U = 1468,0
p = 0,074
N.2.
Antriebsschwäche
N.3.
Verminderter Ausdruck von Emotionen
N.4.
Vermindertes Erleben von Emotionen
und Selbst
N.5.
Verringerte gedankliche Vielfalt
3,28 ± 2,12
0–6 (4,0)
3,82 ± 1,26
0–6 (4,0)
U = 1682,0
p = 0,526
2,77 ± 2,23
0–6 (4,0)
2,37 ± 2,11
0–6 (2,5)
U = 1579,5
p = 0,234
2,85 ± 2,21
0–6 (4,0)
2,85 ± 2,06
0–6 (4,0)
U = 1701,5
p = 0,596
2,70 ± 2,08
0–6 (3,0)
1,92 ± 1,89
0–5 (2,0)
U = 1383,5
p = 0,024
N.6.
Verminderung des Funktionsniveaus
D.1.
Eigenartiges Verhalten oder Auftreten
D.2.
Bizarres Denken
D.3.
Schwierigkeiten in der Ausrichtung
und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit
D.4.
Einbußen der persönlichen Hygiene
und sozialen Aufmerksamkeit
G.1.
Schlafstörungen
4,87 ± 1,11
0–6 (5,0)
3,93 ± 1,07
1–6 (4,0)
U = 943,0
-6
p = 3,2 x 10
2,60 ± 2,42
0–6 (2,5)
0,78 ± 1,33
0–4 (0,0)
U = 1023,5
-5
p = 1,0 x 10
2,35 ± 2,18
0–6 (3,0)
0,70 ± 1,25
0–5 (0,0)
U = 1025,0
-6
p = 9,6 x 10
2,30 ± 2,08
0–6 (2,0)
2,90 ± 1,55
0–5 (3,0)
U = 1518,5
p = 0,133
2,08 ± 2,13
0–6 (1,5)
1,55 ± 1,59
0–5 (1,5)
U = 1571,5
p = 0,211
4,0 ± 2,1
0–6 (5,0)
3,08 ± 2,03
0–6 (4,0)
U = 1247,5
p = 0,003
G.2.
Dysphorische Stimmungslage
4,57 ± 1,72
0–6 (5,0)
3,98 ± 1,10
1–6 (4,0)
U = 1042,0
-5
p = 3,2 x 10
G.3.
Bewegungsstörungen
G.4.
Verringerte Stresstoleranz gegenüber alltäglichen Anforderungen
1,72 ± 2,18
0–6 (0,0)
1,17 ± 1,50
0–5 (0,0)
U = 1644,0
p = 0,373
4,45 ± 2,00
0–6 (5,0)
3,88 ± 1,49
0–6 (4,0)
U = 1171,0
p = 0,001
160
Anhang J
Einzelitemvergleich für die unabhängige Variable ,Gruppe’ (UV 1B)
Einzelitems
Mittel ± Standardabweichung
Min.–Max. (Median)
P.1.
Ungewöhnliche Denkinhalte/wahnhafte Ideen
P.2.
Misstrauen/Verfolgungsideen
Übergang
(n = 18)
kein Übergang
(n = 42)
Mann-Whitney
3,17 ± 1,34
0–5 (3,0)
2,88 ± 1,42
0–5 (3,0)
U = 342,0
p = 0,56
2,11 ± 1,57
0–5 (2,0)
2,43 ± 1,61
0–5 (3,0)
U = 322,0
p = 0,35
P.3.
Größenideen
P.4.
Abweichung in der Wahrnehmung/Halluzinationen
P.5.
Konzeptuelle Desorganisation
0,22 ± 0,73
0–3 (0,0)
0,26 ± 0,73
0–3 (0,0)
U = 366,5
p = 0,75
2,11 ± 1,28
0–4 (2,0)
2,38 ± 1,40
0–5 (2,0)
U = 334,0
p = 0,47
2,06 ± 1,43
0–5 (2,0)
1,62 ± 1,40
0–4 (2,0)
U = 317,0
p = 0,31
N.1.
Soziale Isolation/sozialer Rückzug
3,39 ± 2,06
0–6 (4,0)
3,40 ± 1,47
0–6 (4,0)
U = 335,5
p = 0,48
N.2.
Antriebsschwäche
N.3.
Verminderter Ausdruck von Emotionen
N.4.
Vermindertes Erleben von Emotionen
und Selbst
N.5.
Verringerte gedankliche Vielfalt
4,06 ± 1,39
1–6 (4,5)
3,71 ± 1,20
0–6 (4,0)
U = 293,5
p = 0,15
3,0 ± 2,2
0–5 (4,0)
2,10 ± 2,03
0–6 (2,0)
U = 275,0
p = 0,09
3,39 ± 2,25
0–6 (4,0)
2,62 ± 1,95
0–6 (3,0)
U = 274,0
p = 0,08
2,61 ± 1,98
0–5 (3,0)
1,62 ± 1,79
0–5 (0,5)
U = 266,5
p = 0,06
N.6.
Verminderung des Funktionsniveaus
D.1.
Eigenartiges Verhalten oder Auftreten
D.2.
Bizarres Denken
D.3.
Schwierigkeiten in der Ausrichtung
und Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit
D.4.
Einbußen der persönlichen Hygiene
und sozialen Aufmerksamkeit
G.1.
Schlafstörungen
4,17 ± 1,38
1–6 (4,0)
3,83 ± 0,91
2–5 (4,0)
U = 304,0
p = 0,21
0,89 ± 1,37
0–4 (0,0)
0,74 ± 1,33
0–4 (0,0)
U = 345,0
p = 0,52
0,78 ± 1,22
0–3 (0,0)
0,67 ± 1,28
0–5 (0,0)
U = 354,0
p = 0,63
3,56 ± 1,38
0–5 (4,0)
2,62 ± 1,55
0–5 (3,0)
U = 239,0
p = 0,02
1,89 ± 1,57
0–4 (2,0)
1,40 ± 1,59
0–5 (1,0)
U = 308,0
p = 0,24
2,83 ± 2,12
0–5 (3,5)
3,19 ± 2,00
0–6 (4,0)
U = 345,5
p = 0,59
G.2.
Dysphorische Stimmungslage
4,22 ± 1,17
2–6 (4,0)
3,88 ± 1,06
1–5 (4,0)
U = 315,0
p = 0,28
G.3.
Bewegungsstörungen
G.4.
Verringerte Stresstoleranz gegenüber alltäglichen Anforderungen
1,44 ± 1,72
0–5 (0,5)
1,05 ± 1,40
0–5 (0,0)
U = 335,0
p = 0,45
4,00 ± 1,82
0–6 (4,5)
3,83 ± 1,34
0–5 (4,0)
U = 322,5
p = 0,35
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Negativsyndrome
generelle Syndrome
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Syndro- Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Positivsyndrome
desorganisierte
me
Quelle
Abhängige Variable
187,502
4120,628
0,020
172,744
2495,960
23928,000
2683,462
321,571
1080,051
13,285
320,026
2618,076
9686,000
2939,647
147,909
9726,057
58,504
49,455
7276,662
51032,000
7424,571
2618,478
5340,777
27,733
2263,335
2716,396
29421,000
5334,874
QS, Typ III
2
1
1
1
116
119
118
2
1
1
1
116
119
118
2
1
1
1
116
119
118
2
1
1
1
116
119
118
df
93,751
4120,628
0,020
172,744
21,517
160,786
1080,051
13,285
320,026
22,570
73,955
9726,057
58,504
49,455
62,730
1309,239
5340,777
27,733
2263,335
23,417
Mittel der Quadrate
Anhang K
Gruppenvergleich der Psychopathologie unter Berücksichtigung der Kovariate ,Schulbildung’: univariate Varianzanalyse
4,357
191,507
0,001
8,028
7,124
47,854
0,589
14,179
1,179
155,047
0,933
0,788
55,909
228,071
1,184
96,653
F-Statistik
0,015
2,6 x 10-26
0,976
0,005
0,001
2,7 x 10-10
0,445
2,6 x 10-4
0,311
4,1 x 10-23
0,336
0,376
3,2 x 10-5
3,7 x 10-29
0,279
5,9 x 10-17
p(F)
161
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Schulbildung'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Faktor 1
Faktor 2
Faktor 3
Anhang K
Fortsetzung
162
2832,668
4295,505
1,808
2568,354
2479,550
26637,000
5312,218
113,448
6199,013
6,218
86,376
3623,342
34041,000
3736,790
817,539
15496,197
31,058
649,707
14299,621
88993,000
15117,160
2
1
1
1
116
119
118
2
1
1
1
116
119
118
2
1
1
1
116
119
118
1416,334
4295,505
1,808
2568,354
21,375
56,724
6199,013
6,218
86,376
31,236
408,769
15496,197
31,058
649,707
123,273
66,260
200,955
0,085
120,997
1,816
198,459
0,199
2,765
3,316
125,707
0,252
5,270
6,4 x 10-20
4,4 x 10-27
0,772
1,0 x 10-19
0,167
7,0 x 10-27
0,656
0,099
0,040
3,3 x 10-20
0,617
0,023
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Negativsyndrome
generelle Syndrome
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Syndro- Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Positivsyndrome
desorganisierte
me
Quelle
Abhängige Variable
206,475
1004,813
1,066
180,543
2534,850
24369,000
2741,325
348,977
401,382
2,177
333,630
2744,890
10086,000
3093,867
156,295
2874,026
47,995
142,909
7385,172
51932,000
7541,467
2636,143
1471,049
13,468
2511,942
2731,782
29821,000
5367,925
QS, Typ III
2
1
1
1
117
120
119
2
1
1
1
117
120
119
2
1
1
1
117
120
119
2
1
1
1
117
120
119
df
103,237
1004,813
1,066
180,543
21,665
174,488
401,382
2,177
333,630
23,461
78,147
2874,026
47,995
142,909
63,121
1318,071
1471,049
13,468
2511,942
23,349
Mittel der Quadrate
Anhang K
Gruppenvergleich der Psychopathologie unter Berücksichtigung der Kovariate ,Alter’: univariate Varianzanalyse
4,765
46,379
0,049
8,333
7,438
17,109
0,093
14,221
1,238
45,532
0,760
2,264
56,452
63,004
0,577
107,584
F-Statistik
0,010
4,5 x 10-10
0,825
0,005
0,001
6,7 x 10-5
0,761
2,5 x 10-4
0,294
6,1 x 10-10
0,385
0,135
6,9 x 10-18
1,4 x 10-12
0,449
2,9 x 10-18
p(F)
163
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Korrigiertes Modell
Konstanter Term
'Alter'
'Diagnose'
Fehler
Gesamt
Korrigierte Gesamtvariation
Faktor 1
Faktor 2
Faktor 3
Anhang K
Fortsetzung
164
2902,181
1299,287
11,173
2753,588
2483,611
27121,000
5385,792
122,709
1461,050
0,700
106,996
3678,216
34617,000
3800,925
958,475
4820,276
72,842
958,358
14558,692
91018,000
15517,167
2
1
1
1
117
120
119
2
1
1
1
117
120
119
2
1
1
1
117
120
119
1451,091
1299,287
11,173
2753,588
21,227
61,354
1461,050
0,700
106,996
31,438
479,238
4820,276
72,842
958,358
124,433
68,359
61,208
0,526
129,718
1,952
46,474
0,022
3,403
3,851
38,738
0,585
7,702
2,2 x 10-20
2,5 x 10-12
0,470
1,1 x 10-20
0,147
4,3 x 10-10
0,882
0,068
0,024
7,8 x 10-9
0,446
0,006
Anhang L
Häufigkeitsunterschiede für die ,Ultra-High Risk’-Kriterien APS und BLIPS
Anzahl (%)
Prodrom
(n = 60)
APS (,3’–,5’)
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
42 (70,0%)
Misstrauen/Verfolgungsideen
33 (55,0%)
Größenideen
3 (5,0%)
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
26 (43,3%)
Konzeptuelle Desorganisation
19 (31,7%)
Vorhandensein mindestens eines APS
53 (88,3%)
BLIPS (,6’)
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
–
Misstrauen/Verfolgungsideen
–
Größenideen
–
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
–
Konzeptuelle Desorganisation
–
Vorhandensein mindestens eines BLIPS
–
Übergegangene
Prodromalpatienten
(n = 18)
APS (,3’–,5’)
Ungewöhnliche Denkinhalte/Wahnhafte Ideen
14 (77,8%)
Misstrauen/Verfolgungsideen
8 (44,4%)
Größenideen
1 (5,6%)
Abweichung der Wahrnehmung/Halluzinationen
7 (38,9%)
Konzeptuelle Desorganisation
7 (38,9%)
Vorhandensein mindestens eines APS
15 (83,3%)
2×
×2-χ
χ²
50,905
23,155
3,333
5,400
2,256
3,562
94,925
62,278
6,316
45,517
8,571
108,571
0,741
1,158
0,017
0,207
0,620
0,624
Anzahl (%)
schizophrene Erstepisode
(n = 60)
4 (6,7%)
8 (13,3%)
9 (15,0%)
14 (23,3%)
27 (45,0%)
45 (75,0%)
53 (88,3%)
41 (68,3%)
6 (10,0%)
33 (55,0%)
8 (13,3%)
57 (95,0%)
Nicht-Übergegangene
Prodromalpatienten
(n = 42)
28 (66,7%)
25 (59,5%)
2 (4,8%)
19 (45,2%)
12 (28,6%)
38 (90,5%)
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
df
0,389
0,282
1,000
0,649
0,431
0,419
2,0 x 10-22
3,0 x 10-15
0,027
1,5 x 10-11
0,006
2,0 x 10-25
9,7 x 10-13
1,5 x 10-6
0,068
0,020
0,133
0,059
p
165
166
Anhang M
Liste der mathematischen und testtheoretischen Abkürzungen und Zeichen
AV
abhängige Variable
df
Freiheitsgrad
∈
Element aus
e f(x)
erwartete Häufigkeit von x
e mR
erwarteter mittlerer Rang
FN
Falsch-Negative
FP
Falsch-Positive
H0
Nullhypothese
H1
Alternativhypothese
+LR
positive Likelihood Ratio
-LR
negative Likelihood Ratio
Md
Median
n
Gruppengröße
NPS
negative prädiktive Stärke
OR
Odds Ratio
p
Signifikanzwert
P
Prodromalstichprobe
PPS
positive prädiktive Stärke
rs
Spearman`s Rangkorrelation
s
Standartabweichung
SE
Sensitivität
SH
statistische Hypothese
SP
Spezifität
SV
statistische Vorhersage
SZ
Schizophreniestichprobe
U
Mann-Whitney U
UV
unabhängige Variable
z
z-Wert
167
Mein Lebenslauf wird aus Gründen des Datenschutzes in der elektronischen Fassung
meiner Arbeit nicht veröffentlicht.
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