Koch, Alexander Technische Universität Dresden In Anknüpfung an die Tradition des deutschen Liberalismus? Die Deutschlandpolitik der LDPD zwischen Bau und Fall der Mauer (1961–1989) Die „bürgerliche“ Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) trug als lange Zeit mitgliederstärkste Blockpartei im Rahmen des „sozialistischen Mehrparteiensystems“ maßgeblich zur Stabilisierung der politischen Machtverhältnisse in der DDR bei. Wie den übrigen „befreundeten Parteien“ der „avantgardistischen“ Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) kamen ihr nach gängiger Forschungsmeinung bestimmte politische bzw. gesellschaftliche Aufgaben zu. Hierzu zählte insbesondere ein gesamtdeutscher Auftrag, wonach sie Kontakte zur Freien Demokratischen Partei (FDP) als ihrer westdeutschen „Schwesterpartei“ pflegen sollte. Darüber hinaus war die Transmissions- bzw. Integrationsfunktion von zentraler Bedeutung, der zufolge sie einerseits die marxistischleninistische Ideologie der SED bei den ihr nahestehenden Bevölkerungsgruppen verbreiten und andererseits jenen bürgerlichen Schichten, welche der SED-Politik skeptisch gegenüberstanden, eine Heimstatt bieten sollte. Demgemäß wird in neueren Studien zur Geschichte der LDPD vorrangig deren Rolle als „gleichgeschaltete Satellitenpartei“ der SED betont. Dabei bleibt nahezu unberücksichtigt, dass sich die 1945 gegründete LDPD durch die Bezugnahme auf den Liberalismus in ihrem Parteinamen in die lange Tradition liberaler Parteien in Deutschland gestellt hatte und noch Mitte der 1970er-Jahre im Zuge politischer Profilierungsversuche zum Erbe der fortschrittlichen Kräfte des deutschen Bürgertums bekannte. Doch welche Auswirkungen hatte dieses offensichtlich liberale Selbstverständnis der LDPD auf die Erfüllung der ihr zugewiesen Aufgaben? Gab es auf dem sensiblen Feld der innerdeutschen Beziehungen überhaupt Handlungsspielräume für eine eigenständige liberale Deutschlandpolitik? Und gelang es der LDPD tatsächlich, die tendenziell westorientierte bürgerlich-liberale Klientel in das realsozialistische System der DDR zu integrieren? Solche generellen Fragen sind in der Geschichtswissenschaft bislang nur unzureichend thematisiert worden. Folglich lassen sich am Beispiel der LDPD-Deutschlandpolitik noch weitgehend ungeklärte Probleme der Liberalismusforschung aufarbeiten. Eine Beschäftigung mit dieser Thematik erscheint insofern erkenntnisfördernd, als die Lösung der „deutschen Frage“ – d. h. unter den jeweiligen historischen Vorzeichen die Errichtung, Bewahrung bzw. Wiederherstellung eines deutschen Nationalstaats – gewissermaßen das Leitmotiv des deutschen Liberalismus im 19. und 20. Jahrhundert bildete. Auch die LDPD wies von Anfang an eine ausgeprägte gesamtdeutsche Orientierung auf, betrieb über weite Phasen ihres Bestehens eine äußerst intensive „Westarbeit“ und unterhielt mehr oder minder kontinuierlich direkte Kontakte zu ihrer westdeutschen „Schwesterpartei“ FDP. Vor diesem Hintergrund möchte das Dissertationsvorhaben anhand des genuin liberalen Betätigungsfelds der Deutschlandpolitik exemplarisch untersuchen, ob und inwieweit das politische Wirken der LDPD durch liberales Gedankengut geprägt war oder lediglich den 1 Koch, Alexander Technische Universität Dresden Vorgaben der SED folgte. Weiterhin soll geklärt werden, inwiefern es der LDPD gelang, die ihr zugedachte gesamtdeutsche Aufgabe sowie Transmissions- bzw. Integrationsfunktion zu erfüllen. Demnach ist sowohl eine Untersuchung der politischen Einstellungen und Aktivitäten der LDPD-Führung als auch der Parteibasis geplant. Dergestalt wird eine partielle Analyse des politischen Profils der LDPD angestrebt, um eine adäquate Verortung in der mehr als anderthalb Jahrhunderte währenden Geschichte liberaler Parteien in Deutschland vornehmen zu können. Möglicherweise kann dadurch auch ein Beitrag zur Bestimmung der Wesensmerkmale des deutschen Liberalismus geleistet werden. 2