ÜBERBLICK: INTEGRATIONSTHEORIEN 1.) Neofunktionalismus – Vertreter: v.a. Ernst B. Haas – Integration vor allem von den Interaktionen wichtiger politischer Akteure (zum Beispiel Verbände, Parteien oder Regierungen) abhängig – Ihre Integrationsbejahung wächst mit dem zunehmenden Erfolg des Integrationsprozesses. – Von grundsätzlicher Bedeutung sind die zur Organisation der Zusammenarbeit neu geschaffenen supranationalen Institutionen. – In ihnen sieht Haas nicht die klassische internationale Organisation, sondern einen embryonalen supranationalen Staat. – Spill over: bereits vorhandene Integration in einem unpolitisch-technischen Bereich auf den politischen Bereich überspringt und diesen in den Integrationsprozess hineinzieht (auch "Monnet-Methode") – aber auch: spill back-Effekte möglich 2. Intergouvernementalismus – Vertreter: u.a. Stanley Hoffmann – Nationalstaat: zentraler Akteur innerhalb des Internationalen Systems. – Integration ist immer eine rein begrenzte Vereinbarung zwischen souveränen Nationalstaaten – heutige Europäischen Union widerlegt diese Aussage eindeutig, so dass der Intergouvernementalismus sich einigen Modifikationen unterziehen musste. – Andrew Moravcsik: Liberaler Intergouvernemtalismus – Liberal, weil Moravcsik die innergesellschaftliche Willensbildung miteinbezieht. – Integration entspringt einer rationellen Kosten-Nutzen-Analyse der Nationalstaaten, die sich durch zunehmende Interdependenz zu einer Liberalisierung ihrer Märkte gezwungen sehen – Darüber hinausgehende (politische) Integration ist Ergebnis zwischenstaatlicher Verhandlungsprozesse sowie Kompromisslösungen ("package-deals" oder "side-payments") – Auch supranationale Instanzen (wie die Kommission oder der EuGH) dienen lediglich einer Kosten-Reduktion, eine gestaltende Rolle wird ihnen jedoch nicht zugestanden. 3. Mehrebenensystem – staatliche Aufgaben werden nicht mehr ohne die Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure wahrgenommen – Durch die zunehmende Einflussnahme kollektiver und korporativer Akteure auf den Prozess der Politikformulierung und -durchführung wird der moderne Nationalstaat zunehmend in ein immer dichteres Geflecht innergesellschaftlicher sowie transnationaler Verhandlungsbeziehungen eingebunden – Regelungszuständigkeiten und Entscheidungsprozesse werden verstärkt auf die Ebene von Verhandlungen verlagert, welche die Fähigkeit des Staates zur einseitig hierarchischen Steuerung begrenzen – In Folge dessen wird die Herausbildung einer neuen Art des Regierens konstatiert, gekennzeichnet durch einen Wechsel von hierarchischer, staatszentrierter Steuerung hin zur nicht-hierarchischen Koordination von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren über alle Ebenen hinweg im Rahmen von so genannten Policy-Netzwerken. – Innerhalb der EU: außerordentlich dynamische und komplexe Rahmenbedingungen, da hier die unterschiedlichsten Akteure sowohl auf europäischer als auch auf nationaler/subnationaler Ebene agieren – Dieser Zustand wird als multi-level-governance beziehungsweise als Regieren im dynamischen Mehrebenensystem bezeichnet 4. Europäische Staatswerdung – z.B.: M. Rainer Lepsius: EU als rechtlich konstruierter Herrschaftsverband – EU ist supranationale Steuerungsinstanz, die sich sukzessive von Mitgliedstaaten verselbständigt hat – auf lange Sicht: europäische Staatswerdung – Grundlage: Webers Handlungs- und Ordnungstheorie – Prämissen: Moderne Gesellschaften sind Produkt und Produzent spezifischer institutioneller Ordnungen; Institutionen sind Ergebnis sozialer Strukturierungen – Forschungsfrage: welche Leitideen wirken in welchen Handlungskontexten bis zu welchem Grad verhaltensstrukturierend? 5. Europäische Gesellschaft/ z.B. Öffentlichkeitsdefizit; Identität [keine genuine Theorie, sondern eher Forschungsprogramm] – es gibt Öffentlichkeitsdefizit, daraus folgt Demokratieproblem – entwickelt sich europäische Öffentlichkeit/Identität/Kultur/Wohlfahrtsstaat?