Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in - Hanns-Seidel

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POLITISCHER HINTERGRUNDBERICHT
Projektland:
INDONESIEN
Datum:
03. April 2014
Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Indonesien
Das bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde wählt am 9. April 2014, neue
Provinzparlamente, ein neues nationales Parlament und am 9. Juli 2014 einen neuen
Präsidenten. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono darf laut Verfassung nach zwei
Amtszeiten nicht mehr antreten. Seiner Demokratischen Partei (Partei Demokrasi)
droht eine herbe Niederlage. Nach Einschätzung vieler Beobachter führte die 10jährige Präsidentschaft von Susuilo Bambang Yudhoyono einerseits zu Stabilität und
wirtschaftlicher Entwicklung, andererseits aber auch zur massiven Ausbreitung der
Korruption in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen und zu einer
zunehmenden Eingrenzung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Mit Sorge wird der
von vielen indonesischen Parteien propagierte Wirtschaftnationalismus gesehen. Der
staatliche Einfluss in der Wirtschaft nimmt zu. Importe und Exporte werden reguliert.
Ausländischen Firmen soll bewusst der Zugang zum Markt erschwert werden. Bei den
Wählern kommen die nationalistischen Töne gut an.
Joko Widowo: Neuer Politstar als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der
PDI-P
Im indonesischen Wahljahr 2014 gewinnen nationalistische Themen zunehmend an
Bedeutung. Dies wird auch bei den Wahlkampfveranstaltungen des sehr populären
Präsidentschaftskandidaten der Partai Demokrasi Indonesia Perjuangang (Partei des
Demokratischen Kampfes, PDI-P), Joko Widodo, deutlich. Jokowi, 54, ist der neue
Rockstar der indonesischen Politik. Er gilt als Macher und Reformer. Zwar hat er als
Gouverneur von Jakarta noch keine Reformen erfolgreich abgeschlossen, jedoch
begeistert er die Menschen mit seinem ehrlichen, bescheidenen und vor allem
korruptionsfreien Führungsstil. Die Bedürfnisse der einfachen und mittleren
Bevölkerungsschichten stehen im Zentrum seiner Wahlkampagne. Die häufigen
Besuche bei Reisbauern in Ost-Java, bei kleinen Gewerbetreibenden in Städten
Indonesiens und die medial verbreiteten Auftritte bei öffentlichen Veranstaltungen,
erinnern viele Beobachter an die Zeit des Staatsgründers und ersten Präsidenten von
Indonesien, Soekarno. Politische Visionen Jokowi’s und seiner PDI-P für die
Bewältigung der enormen Herausforderungen vor denen Indonesien steht, sind bisher
nicht bekannt. Trotz einer gewissen protektionistischen Orientierung der Partei des
Demokratischen Kampfes (PDI-P) stiegen nach der Bekanntgabe von Jokowi als
Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Sonderbericht_Indonesien_03. April 2014
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Präsidentschaftskandidat die Aktienkurse an der indonesischen Börse um 3,2% und
auch der indonesische Rupiah gewann erheblich gegenüber dem US Dollar. Joko
Widodo gilt als aussichtsreichster Kandidat auf das Präsidentenamt.
Prabowo Subianto: Ex-General eines Sonderkommandos gründet eigene Partei und
stellt sich als Präsidentschaftskandidat
Noch viel stärker setzt der frühere General des militärischen Sonderkommandos
KOPASSUS und Schwiegersohn des verstorbenen Machthabers Soeharto , Prabowo
Subianto, auf die nationalistische Karte. Auf einer Wahlveranstaltung, der von ihm
selbst gegründeten Partei der Nationalen Bewegung (GERINDRA), erschien Prabowo in
der Uniform des Staatsgründers Soekarno. Ganz im Stile der nationalistischen Rhetorik
des ersten Präsidenten wies er darauf hin, dass Indonesien „unabhängig sei und nicht
von fremden Staaten gekauft werden dürfe“ – ein nationaler, populistischer Kurs, der
sich neuerdings auch in vielen nationalen Gesetzesentwürfen, die
zum
Protektionismus in der indonesischen Wirtschaft beitragen, widerspiegelt. Kritiker
werfen dem Präsidentschaftskandidaten und General im Ruhestand, erhebliche
Menschenrechtsverletzungen bei der Abspaltung von Osttimor aus dem indonesischen
Staatsgebiet im Jahr 1999 vor.
GOLKAR stellt Wirtschaftsmagnat Aburizal Bakrie als Präsidentschaftskandidat
Ein weiterer, bekannter Präsidentschaftskandidat ist Aburizal Bakrie von der Partei
GOLKAR (Partei der Funktionellen Gruppen), die vom ehemaligen totalitären
Präsidenten Soeharto gegründet wurde. Aburizal Bakrie ist ein Wirtschaftsmagnat in
Indonesien und ließ sich dank seiner finanziellen Möglichkeiten zum Vorsitzenden
dieser Partei und zum Präsidentschaftskandidaten wählen. Aburizal Bakrie steht
Fragen ausländischer Investitionen offener gegenüber, ist aber deutlich weniger
populär in der Bevölkerung als seine Gegner Jokowi und Prabowo.
Ein Grund dafür ist sein undurchsichtiges Vorgehen bei der Lösung der „Lapindo“Affäre, bei der seine Firma fahrlässig Ölbohrungen durchführte, die als Konsequenz
einen Schlammausbruch verursachten, der bis heute dichtbesiedelte Gemeinden
überflutet. Die Betroffenen wurden bislang nur vom Staat entschädigt, nicht aber von
dem Unternehmen, das für den Schlammausbruch verantwortlich ist. Ein weitaus
erfolgsversprechender Kandidat der Partei GOLKAR wäre allerdings der ehemalige,
indonesische Vizepräsident Jusuf Kalla, der durch seinen energischen Einsatz regionale
und inter-religiöse Konflikte in Aceh und Sulawesi erfolgreich lösen konnte. Trotz
seiner Zugehörigkeit zur Partei GOLKAR wird Jusuf Kalla häufig als potenzieller
Vizepräsidentschaftskandidat von Jokowi von der Partei des Demokratischen Kampfes
(PDI-P) genannt. Aufgrund seiner Herkunft in Süd-Sulawesi hätte Jusuf Kalla gute
Möglichkeiten, Wählerpotenziale außerhalb Javas zu mobilisieren.
Die Popularität der Kandidaten Jokowi, Prabowo Subianto und mit Abstrichen auch
von Jusuf Kalla basiert auf dem Wunsch der Bevölkerung nach einer charismatischen
Führungsfigur, die in der Lage ist, die rechtstaatliche, soziale und wirtschaftliche
Situation in Indonesien zu stabilisieren und weiter zu entwickeln. Die Bindung der
Bevölkerung an gewisse politische Führungspersönlichkeiten spiegelt sich auch häufig
Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Sonderbericht_Indonesien_03. April 2014
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in Präferenzen der Wähler für die Partei des jeweiligen Präsidentschaftskandidaten
wider. Bei der Wahlentscheidung spielen Parteiprogramme und -inhalte eine
untergeordnete Rolle
Konservative islamische Parteien verlieren an Zustimmung
Indonesier favorisieren verstärkt national orientierte Parteien und deren Kandidaten.
Dieses Wählerverhalten verwundert in einem Land mit einer islamischen Bevölkerung
von mehr als 250 Millionen Einwohnern. So konnten die fünf islamisch orientierten
Parteien, die teilweise eine konservative, an arabischen Vorbildern orientierte strikte
Interpretation des sunnitischen Islam propagieren, bei den ersten freien Wahlen nach
dem Sturz des totalitären Präsidenten Soeharto im Jahr 1998 immerhin 33% der
Wählerstimmen auf sich vereinigen. Aufgrund der Übernahme islamischer Positionen
durch die nationalen Parteien und interner Rivalitäten sank jedoch die Zustimmung
auf 26% bei den Wahlen 2009. Für die kommenden Parlamentswahlen wird eine noch
geringere Zustimmung prognostiziert. Der Niedergang dieser Parteien wird deutlich an
der lange Zeit im islamischen Lager führenden Partei der sozialen Wohlfahrt (PKS),
welche von Beginn an auf ein sauberes und korruptionsfreies Image Wert legte. Sie
verlor aber einen großen Teil ihrer Anhänger durch einen in den Medien umfangreich
dargestellten Korruptionsfall, in dessen Zentrum der PKS-Gründer, Lutfi Hasan Ishak,
steht.
Die islamischen Parteien können nur auf geringe Zustimmung der Wähler hoffen. die
moderat Islamische Partei des Nationalen Aufbruchs (PKB) wird jedoch mit ca. 5% in
das Parlament einziehen. Für die anderen politischen Parteien des islamischen Lagers,
einschließlich der Partei der Vereinten Entwicklung (PPP), ist ein derartiger Erfolg
jedoch fraglich.
Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die in einigen Bevölkerungsschichten
zunehmende Radikalisierung gestoppt ist. Vielmehr vertreten etablierte nationalistisch
orientierte Parteien ebenfalls konservativ-islamische Positionen oder positionieren
sich öffentlich nicht mehr gegen eine konservative Auslegung des sunnitischen Islam.
Fast alle zur Wahl angetretenen Parteien wollen zunehmend islamisch erscheinen, um
sich Wählerstimmen zu sichern.
Umfragen sehen nationalistisch orientierte Parteien vorne
Die sinkende Bedeutung der islamisch-orientierten Parteien in Indonesien wird zu
weiteren Gewinnen bei den nationalen Parteien führen. Aktuelle Umfragen
prognostizieren folgenden Wahlausgang: Von den national orientierten Parteien
werden die Partei des Demokratischen Kampfes (PDI-P) 20-25% der Stimmen
erhalten, die ehemalige Soeharto-Partei GOLKAR (Partei der funktionellen Gruppen)
18-20%, die Partei der Nationalen Bewegung (GERINDRA) und die Partei HANURA
(Partei des Nationalen Gewissen) ca. 8-12%, während die Demokratische Partei
(Partei Demokrat) des noch amtierenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono nur
5-7% auf sich vereinigen kann.
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Wahlsystem und Ablauf der Wahlen
Es wird bis zu sechs Monate dauern, bis die Gewinner der Parlaments- und
anschließend der Präsidentschaftswahlen feststehen. Diese lange Zeitdauer ist
einerseits auf die hohe Bevölkerungsanzahl und geographische Struktur des Landes
mit bis zu 16.000 Inseln zurückzuführen, andererseits aber auch auf das Wahlsystem,
das Wahlen zur Sitzverteilung im Parlament ebenso wie Wahlen des Präsidenten
vorsieht. Auf nationaler Ebene haben die Wähler zunächst am 9. April 2014 die
Möglichkeit, insgesamt 560 Abgeordnete aus 6.607 Kandidaten auszuwählen. Es wird
dabei − ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland − eine Mischung aus
Mehrheits- und Verhältniswahlrecht bei der Festlegung der Zusammensetzung des
indonesischen Parlaments angewandt. Der Bürger hat die Möglichkeit, direkt einen
Kandidaten oder eine Parteiliste zu wählen.
Von den rund 250 Millionen Einwohnern in Indonesien sind insgesamt 186,5
Millionen Personen wahlberechtigt; 29% der Wahlberechtigten sind zwischen 17 und
29 Jahren und 11% der Stimmberechtigten geben zum ersten Mal ihre Stimme an der
Wahlurne ab.
Nach Auszählung der Stimmen- und Sitzverteilung des indonesischen Parlaments
werden am 9. Juli 2014 die Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Dabei können nur
die Parteien oder Koalitionen Präsidentschaftskandidaten ernennen, die mehr als 25%
der Wählerstimmen erhielten bzw. 20% der Sitze im Abgeordnetenhaus auf sich
vereinigen können. Je nach Stärke der jeweiligen Partei oder der Koalition werden
dann Kandidatenpaare gebildet, bestehen aus Präsidentschaftskandidat und seinen
Stellvertreter/-in.
Das gewinnende Kandidatenpaar muss mindestens 50% der Wählerstimmen auf sich
vereinigen. Falls kein Kandidatenpaar diese Hürde überschreitet, kommt es zu einer
Stichwahl von zwei Kandidatenpaaren mit den höchsten Stimmenanteilen. Damit ist
gewährleistet, dass der Präsident durch eine absolute Mehrheit legitimiert ist. Mit den
Ergebnissen der Stimmenauswertung der Präsidentschaftswahlen ist spätestens am
26. September 2014 zu rechnen, bevor am 20. Oktober 2014 der neue Präsident und
sein Stellvertreter im indonesischen Parlament vereidigt werden.
Dr. Ulrich Klingshirn
Der Autor ist Auslandsmitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Jakarta, Indonesien
IMPRESSUM
Erstellt: 03. April 2014
Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.V., Copyright 2014
Lazarettstr. 33, 80636 München
Vorsitzender: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.D., Senator E.h.
Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf
Verantwortlich: Dr. Susanne Luther, Leiterin des Instituts für Internationale Zusammenarbeit
Tel. +49 (0)89 1258-0 | Fax -359
E-Mail: [email protected], www.hss.de
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