Dr. Martin O. Steinhauser Physikalische Chemie IV (Teil 2) Universität Basel Herbstsemester 2014 Vorlesung Physikalische Chemie IV Handout 1: Einführung in die elektronische Strukturtheorie 1 Einleitung Dieses Handout zur Vorlesung Physikalische Chemie IV im Herbstsemester 2014 bietet eine kurze Einführung in die Grundideen der elektronischen Strukturtheorie. Zusätzlich werden einige in der Vorlesung diskutierten Eigenschaften der sogenannten Dirac-Darstellung (oder: Dirac-Notation) der Quantentheorie zusammengefasst. Das Handout kann somit auch als Repetitorium für die Prüfungsvorbereitung zum 2. Teil der Vorlesung dienen. Sinnvolle Referenzen zur Fachliteratur können den Vorlesungsfolien entnommen werden. 2 Was ist elektronische Strukturtheorie ? Die elektronische Strukturtheorie beschäftigt sich mit der Beschreibung der Dynamik von Elektronen in Atomen und Molekülen. In der Regel basiert diese Theorie grundsätzlich auf der BornOppenheimer Approximation (BOA), die darauf beruht, das die Elektronen ca. um einen Faktor 1834 leichter sind als die Protonen und Neutronen im Atomkern und somit aufgrund ihrer viel geringeren Massenträgheit sich auch viel schneller bewegen können als die Atomkerne. Dies hat zur Konsequenz, dass für eine gegebene atomare Konfiguration (d.i. eine räumliche Anordnung der Kerne) die Elektronen praktisch instantan ihre optimale Verteilung finden werden. In der BON werden daher die Bewegungen der Kerne vollkommen vernachlässigt und sie als ruhend angenommen. Die Energieverteilung der Elektronen bei einer gegebenen Kernkonfiguration ist genau das Potential, dem die Kerne ausgesetzt sind und welches die wirkenden Kräfte auf die Kerne bestimmt; d.h. die Lösung des Problems der elektronischen Bewegung für eine Reihe von Kernkonfigurationen ermöglicht die Berechnung der potentiellen Energiehyperfläche auf der sich die Atomkerne bewegen. Die Welle-Teilchen-Dualität der Quantenmechanik drückt aus, das Elektronen – abhängig von der Art des durchgeführten Experiments – nicht nur Eigenschaften eines Punktteilchens (mit einer Ausdehnung von weniger als 10−19 m) aufweisen, sondern sich auch wie Materiewellen mit konstruktiver und destruktiver Interferenz verhalten können1 . Die Wahrscheinlichkeitsdichte, ein einzelnes Elektron in einem bestimmten Raumgebiet (z.B. am Ort ~x) anzutreffen, ist gegeben durch Ψ? (~x)Ψ(~x). Die sogenannte Wellenfunktion Ψ(~x) (manchmal auch Führungsfeld genannt) besitzt keine direkte Interpretation in der sogenannten Kopenhagener Deutung 2 der Quantentheorie. Eine direkte physikalische Interpretation von Ψ(~x) als eine Ein-Elektronen-Teilchendichte ist nicht durchführbar, weil ein freies Teilchen als eine unendlich ausgedehnte ebene Welle dargestellt wird, 1 Siehe z.B. den in der Vorlesung in einer Animation gezeigten Doppelspaltversuch mit Elektronen, jeweils ohne und mit Beobachter, der entscheiden kann, durch welchen Spalt ein jeweiliges Elektron gegangen ist. 2 Das ist die Standardinterpretation der Quantenmechanik, aber keinesfalls die einzig mögliche, konsistent durchführbare. 1 also nicht lokalisiert wäre. Denkt man sich Ψ(~x) als ein aus vielen modulierten Wellen überlagertes, lokalisiertes Gaußsches Wellenpaket zusammengesetzt, führt aber auch diese mögliche Interpretation zu einem Widerspruch, weil Wellenpakete mit der Zeit zerfliessen. Da man aber in Experimenten die Elektronen immer als ganzzahlige Teilchen misst, und nicht z.B. halbe Elementarladungen (was mit einem Zerfliessen des Wellenpakets konsistent sein könnte), ist diese direkte Interpretation der Wellenfunktion Ψ(~x) nicht möglich. 2.1 Die elektronische Schrödingergleichung Die Bewegungsgleichung, der die Wellenfunktion genügt, ist die zeitunabhänginge Schrödingergleichung ĤΨ = EΨ, die von ihrer mathematischen Struktur her eine Eigenwertgleichung darstellt. Eigenwertgleichungen treten in der Mathematik auf natürliche Weise z.B. beim Lösen von partiellen Differentialgleichungen mit Hilfe von Separationsansätzen auf. Bei zeitabängingen Problemen gilt die zeitabhängige Schrödingergleichung i~ ∂Ψ ∂t = ĤΨ. Die Lösung eines zeitunabhängigen Problems ist auch Lösung des zeitabhängigen Problems, wenn diese Lösung mit dem Phasenfaktor e−iEt/~ multipliziert wird. Weil die Kernbewegung in der BON vernachlässigt wird, müssen wir zur Lösung des elektronischen Problems die (nichtrelativistische) sogenannte elektronische Schrödingergleichung mit dem folgenden elektronischen Hamiltonoperator Ĥ lösen3 : Ĥel = − X ZA e2 X ZA ZB e2 X e2 ~2 X 2 X ~2 ∇i − ∇A 2 − + + , 2m i 2MA 4πε0 rAi 4πε0 RAB 4πε0 rij i>j A A,i (1) A>B wobei i, j sich auf Elektronen beziehen und A, B auf Atomkerne. In atomaren Einheiten 4 vereinfacht sich Gl. (1) zu: Ĥel = − X ZA X ZA ZB X 1 1X 2 X 1 ∇i − ∇A 2 − + + . 2 i 2MA rAi RAB r i>j ij A A,i (2) A>B Der Hamiltonoperator aus Gl. (2) ist korrekt, solange relativistische Effekte vernachlässigt werden können. Dies ist etwa der Fall für Atome bis zur Ordnungszahl 25 (Mn). Für schwerere Atome werden die inneren Elektronen so stark angezogen, dass ihre Geschwindigkeit relativistische Bereiche erreicht. Es gibt mehrere Methoden, um relativistische Effekte zu berücksichtigen; die häufigste Methode ist die Benutzung von relativistischen, effektiven Kernpotentialen (RECPs)5 zusammen mit dem Standard-Hamiltonoperator aus Gl. (2). 3 Welche Eigenschaften kann die elektronische Strukturtheorie berechnen ? Nach einem Postulat der Quantenmechanik ist alle Information, die man über ein quantenmechanisches System besitzen kann, in der Wellenfunktion Ψ(~r, t) enthalten. Wenn man also Ψ(~r, t) kennt, kann man (zumindest prinzipiell) jede beliebige Eigenschaft des Systems berechnen. Da man zur Bestimmung der Wellenfunktion selbst jedoch auf Näherungsmethoden angewiesen ist, werden auch die berechneten Eigenschaften (die Observablen) nur näherungsweise bestimmt sein. Wegen der Verwendung der BON betrachtet man nur die elektronische Schrödingergleichung, also Problem der Elektronenbewegung allein und nicht mehr die Wellenfunktion des gesamten 3 Zur Begründung dieses elektronischen Hamiltonoperators siehe Vorlesung. atomaren Einheiten siehe die Vorlesungsfolien. 5 Relativistic Effective Core Potentials. 4 Zu 2 quantenmechanischen Problems, also das der Bewegung der Elektronen und der Kerne zusammen. Deshalb sind bestimmte Eigenschaften des Systems, die mit Kernbewegungen zusammenhängen, nicht zugänglich innerhalb der elektronischen Strukturtheorie. Andererseits können mit dieser Theorie aber eine ganze Reihe von interessanten Observablen berechnet werden. Dazu gehört z.B. die Bestimmung der Gleichgewichtskonfiguration eines Moleküls, die man durch Minimierung der elektronischen Energie in Bezug auf die Kernkoordinaten gewinnen kann. Im Allgemeinen genügen die Wellenfunktion und ihre Ableitungen, um unter anderem die folgenden Observablen quantenmechanischer Systeme zu bestimmen: • Geometrische Strukturen (Rotationsspektren) • Infrarot- und Ramanspektren • Elektronische Energieniveaus (im UV- und im sichtbaren Spektrum) • Potentielle Energieoberflächen (Übergangszustände) • Ionisierungsenergien • Elektronenaffinitäten • Franck-Condon Faktoren (Übergangswahrscheinlichkeiten) • IR und Raman Intensitäten • Dipolmomente • Polarisierbarkeit • Elektronendichteverteilungen 4 Postulate der Quantentheorie 1. Der Zustand eines quantenmechanischen Systems ist vollständig beschrieben durch die Wellenfunktion Ψ(~r, t). 2. Zu jeder Observable (“messbare Grösse“) der klassischen Mechanik existiert in der Quantenmechanik ein korrespondierender linearer, hermitescher Operator6 . 3. In jeder Messung, die durch einen Operator, z.B. Â, beschrieben wird, treten als einzige Messwerte die Eigenwerte des Operators  auf, welche die Eigenwertgleichung ÂΨ = aΨ erfüllen. Jede Messung erzeugt als Ergebnis einen (reellen) Eigenwert, aber der Zustand des Systems muss nicht zwingend ursprünglich (d.h. vor der Messung) in einem Eigenzustand des Operators  gewesen sein. Ein beliebiger Zustand kann nach einem vollständigen Satz von EiP genvektoren von  (mit ÂΨ = aΨ) entwickelt werden: Ψ = i ci Ψi . Die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Eigenwert zu messen (d.h. zu beobachten) ist gegeben durch c?i ci . 4. Der Mittelwert einer Observablen, die zum Operator  gehört, berechnet sich als: R∞ ? Ψ ÂΨ d3 x . hAi = R−∞ ∞ Ψ? Ψ d 3 x −∞ 6 So (3) ist z.B. in der Ortsdarstellung der zum klassischen Impuls px in x-Richtung korrespondierende Impulsoperator ∂ P̂x gegeben durch P̂x = −i~ ∂x . 3 5. Die Gleichung der die Wellenfunktion genügt, ist die zeitabhänginge Schrödingergleichung: ĤΨ(~r, t) = i~ ∂Ψ . ∂t (4) 6. Die Gesamtwellenfunktion eines Systems ist antisymmetrisch bezüglich der Vertauschung der Koordinaten eines Fermions mit denjenigen eines anderen Fermions7 . 5 Dirac-Notation Um die Schrödingergleichung numerisch auf einem Computersystem zu lösen, ist es sehr zweckmässig und vorteilhaft, die zu lösenden Gleichungen so umzuschreiben, dass lineare, algebraische Gleichungen entstehen. Algebraische Gleichungen (z.B. lineare Gleichungssysteme, Diagonalisierung von Matrizen, Berechnung von Eigenwerten und Eigenvektoren, etc.) können oft mit Standardverfahren gelöst werden, für die mathematische, effiziente Bibliotheken in verschiedenen Computersprachen zur Verfügung stehen. Die wichtigste Grundlage hierfür ist der Entwicklungssatz, der in der Mathematik bewiesen wird und sicherstellt, dass jede Funktion nach einem vollständigen, orthonormalen (VON) Funktionensystem als Basissystem entwickelt werden kann. Weil das Basissystem die Eigenschaft der Orthonormalität aufweist, kann man die zu entwickelnde Funktion auch als einen Vektor in einem linearen Vektorraum mit (abzählbar) unendlich vielen Dimensionen auffassen. Die Funktion, bzw. der Vektor kann dann folglich auch allein durch seine Komponenten in jede der (unendlich vielen) Koordinatenrichtungen ausgedrückt werden. Wir können folglich die Wellenfunktion Ψ(~x) schreiben als: |Ψi = ∞ X ai |ϕi i , (5) i=1 wobei |ψi der Zustandsvektor genannt wird. Die im allgemeinen komplexen Zahlen ai sind die Entwicklungskoeffizienten (also die Komponenten von |Ψi) und die |ϕi i sind die Basisvektoren, in völliger Analogie zur reellen Vektoralgebra im R3 : ~a = 3 X ai~ei , (6) i=1 wobei die ai die Komponenten des Vektors in der kartesischen Basis {~ei } = {~ex , ~ey , ~ez } sind. Der mathematische Raum der Quantenmechanik, in dem die geometrischen Objekte existieren, heisst Hilbertraum, die Objekte selbst sind Hilbertvektoren. Die Menge aller Koeffizienten {ai } kann man als Spaltenvektor schreiben: |Ψi = a1 a2 .. . an .. . . (7) 7 Benannt nach dem italienischen Mathematiker und Physiker Enrico Fermi. Fermionen sind Teilchen mit halbzahligem Spin, die folglich der Fermi-Dirac-Statistik bei der Besetzung von quantenmechanischen Energieniveaus genügen. Aus Fermionen der ersten Generation (up/down-Quarks, Neutrino und Elektron) ist nach dem Standardmodell die gesamte stabile Materie aufgebaut. Siehe auch Vorlesungsunterlagen, Kapitel 1, Introduction. Postulat 6 enthält enthält als Spezialfall das sogenannte Pauli-Prinzip. 4 In der Dirac‘schen “bra-ket“-Schreibweise heisst der Vektor |Ψi “ket“-Vektor, oder kurz: “ket“. Die Adjungierte dieses Vektors ist ein Reihenvektor, der mit dem Symbol hΨ| geschrieben und als “bra“-Vektor bezeichnet wird: hΨ| = (a?1 a?2 · · · a?n · · · ) . (8) In der linearen Algebra ist je zwei Vektoren |Ψa i und |Ψb i eine Zahl zugeordnet, die man Skalarprodukt (Ψa , Ψb ) nennt: ? ? ? (Ψa , Ψb ) = (a1 a2 · · · an · · · ) b1 b2 .. . bn .. . ∞ X a?i bi . = i=1 (9) Gl. (9) ist in dieser Form gültig, wenn die beiden Vektoren im gleichen Basissystem dargestellt werden und diese ein VON System bilden. Andernfalls müssen die Komponenten des metrischen Tensors (der auch die nicht-verschwindenden Produkte von Basisvektoren enthält) berücksichtigt werden. Die quantenmechanische Schreibweise für das Skalarprodukt zweier Hilbertvektoren ist die “bra-ket“-Klammer: hΨa | Ψb i = ∞ X a?i bi . (10) i=1 Sehr oft schreibt man in der Dirac-Notation lediglich die Indizes der Hilbertvektoren in die braketKlammer, so dass das Punktprodukt aus Gl. (9) einfach geschrieben wird als ha|bi. Wichtig ist, zu beachten, dass das Skalarprodukt nicht kommutativ8 ist, wenn die Vektoren komplexe Komponenten haben können, d.h.: ? hΨa |Ψb i = hΨb |Ψa i . (11) Nehmen wir im Folgenden an, dass die Basisvektoren jeden möglichen Wert der (kontinuierlichen) Ortsvariable x darstellen sollen. Jeder beliebige Zustand kann dann geschrieben werden als: Z ∞ |Ψi = ax |xi dx. (12) −∞ Die Entwicklungskoeffizienten ax sind dann nichts anderes als die Werte der Wellenfunktion an jedem Punkt x: Z ∞ |Ψi = Ψ(x) |xi dx. (13) −∞ 0 Da je zwei x-Koordinaten x, x orthogonal sind und Ihr Produkt eine Dirac‘sche Deltafunktion δ(x − x0 ) ergibt9 , ist das Skalarprodukt zweier Zustandsfunktionen in der Ortsdarstellung gegeben durch: Z ∞ hΨa |Ψb i = Ψa ? (x)Ψb (x) dx. (14) −∞ 8 Mit anderen Worten: Es kommt auf die Reihenfolge der Vektoren im Skalarprodukt an. Die Quantenmechanik benutzt also eine nicht-kommutative Algebra. 9 Die Dirac‘sche Deltafunktion δ(x) ist die mathematische Erweiterung des Kronekerdelta δ ab für kontinuierliche Funktionen. 5 5.1 Darstellung von Operatoren als Matrizen im Hilbertraum Ein linearer Operator  kann durch seine Wirkung auf einen Basisvektor eines VON Basissystems charakterisiert werden. Die Anwendung des Operators  auf einen Basisvektor |ϕj i erzeugt einen neuen Vektor |ϕj 0 i, der wiederum in der VON Basis entwickelt werden kann: 0  |ϕj i = |ϕj i = ∞ X |ϕi i Aij . (15) i Betrachten wir als nächstes die Anwendung von  auf einen beliebigen Vektor |Ψa i: ∞ ∞ ∞ X ∞ ∞ ∞ X X X X X |Ψb i =  |Ψa i =  aj |ϕj i = aj  |ϕj i = aj |ϕi i Aij = |ϕi i Aij aj , (16) j ↑ Gl.(15) j j i i j oder bi = X Aij aj . (17) j In Matrix-Notation kann Gl. (17) geschrieben werden als: b1 b2 .. . bn .. . = A11 A21 .. . An1 .. . A12 A22 .. . An2 .. . ··· ··· .. . A1n A2n .. . Ann .. . ··· .. . ··· ··· .. . ··· .. . a1 a2 .. . an .. . . (18) Die Koeffizienten der Matrix Aij erhält man aus Gl. (15), indem man die Gleichung von links mit hϕi | multipliziert und damit das folgende Skalarprodukt bildet: hϕi |Â|ϕj i = hϕi | ∞ X ∞ X ϕk Akj i = k k Akj hϕi |ϕk i = Aij . | {z } (19) δik In abkürzender Dirac-Schreibweise ist dies: Aij = hi|Â|ji , (20) wobei die Basisvektoren nur noch durch ihre Indizes (hier: i und j) dargestellt werden. Mit dem Vorhergehenden ist es leicht, zu zeigen, dass das Skalarprodukt hΨa |ÂΨb i zweier allgemeiner Vektoren Ψa und Ψb gegeben ist durch: hΨa |ÂΨb i = ∞ X ∞ X i ai ? Aij bj , (21) j oder in Matrix-Notation: ? ? ? hΨa |ÂΨb i = (a1 a2 · · · an · · · ) A11 A21 .. . An1 .. . 6 A12 A22 .. . An2 .. . ··· ··· .. . ··· .. . A1n A2n .. . Ann .. . ··· ··· .. . ··· .. . b1 b2 .. . bn .. . . (22) In Analogie zu Gl. (14) lässt sich das Skalarprodukt aus Gl (21) schreiben als: Z ∞ hΨa |ÂΨb i = ha|Â|bi = Ψa ? (x)ÂΨb (x) dx. (23) −∞ Wegen Gl. (10) gilt: ? ? hΨa |ÂΨb i = ha|Âbi = hÂΨb |Ψa i = hÂb|ai . (24) Dies führt zur Definition des adjungierten Operators † für den gilt: hΨa |ÂΨb i = h† Ψa |Ψb i . (25) Für den adjungierten Operator gilt also: ? ? hΨa |ÂΨb i = h† Ψa |Ψb i = hÂΨb |Ψa i = hΨb |† Ψa i , (26) bzw. in üblicher Kurzschreibweise: ? ? ha|Âbi = h† a|bi = hÂb|ai = hb|† ai , (27) Wenn wir in Gl. (26) die allgemeinen Vektoren |Ψa i und |Ψb i speziell als Basisvektoren, d.h. als |Ψa i = |ϕi i und |Ψb i = |ϕj i wählen, erhält man die folgenden Beziehungen: hAϕi |ϕj i = hϕi |A† ϕj i ? hϕj |Aϕi i A?ji (28) = hϕi |A† ϕj i = A†ij . Man erkennt also, dass die Elemente des adjungierten Operators A† die transponierten10 und konjugiert komplexen Elemente des Operators A sind. In Gl. (28) haben wir die in der Quantenmechanik übliche Konvention eingeführt, das Operatorenzeichen ˆ über Operatoren wegzulassen, wenn die Bedeutung aus dem Zusammenhang eindeutig ist. Die jeweilige Darstellung eines Operators als Matrix in einer Basis hängt von der spezifischen Wahl des Basissystems ab, d.h. die Elemente der Matrix sind in jedem Basissystem im Allgemeinen verschieden. Aus der linearen Algebra kennt man sogenannte hermitesche Matrizen, für die eine Matrix A mit ihrer adjungierten Matrix identisch ist, d.h. A = A† . In der Quantenmechanik heisst ein solcher Operator hermitescher Operator und es gilt: A = A† . 6 (29) Slater Determinanten Eine elektronische Wellenfunktion, d.h. eine Wellenfunktion, die Elektronen beschreibt, besitzt für N Elektronen insgesamt 4N Koordinaten: Für jedes Elektron drei kartesische Koordinaten (x, y, z) und eine Spinkoordinate, manchmal als ω bezeichnet, die zwei Werte, α (Spin up) und β (Spin down), annehmen kann. Die kartesischen Koordinaten für Elektron i werden oft durch die Variable ~ri ausgedrückt und die Gesamtmenge aller Elektronenkoordinaten – also kartesische Ortskoordinaten und Spinkoordinaten – werden oft mit dem Symbol ~xi versehen. 10 Transponieren heisst, alle Zeilen und Spalten einer Matrix zu vertauschen. 7 Was wäre nun eine geeignete Form für eine N -Elektronen Wellenfunktion? Die einfachste Möglichkeit wäre es, die Gesamtwellenfunktion als ein Produkt von Einteilchen-Wellenfunktionen (sogenannte “Orbitale“) aufzubauen: Ψ(~x1 , ~x2 , ..., ~xN ) = χ1 (~x1 )χ1 (~x2 ) · · · χN (~xN ). (30) Die Wellenfunktion aus Gl (30) nennt man Hartree-Produkt. Weil die Orbitale χi (~xi ) = φi (~ri ) |αi bzw. χi (~xi ) = φi (~ri ) |βi von den räumlichen Orbitalen φ(~xi ) und den Spinkoordinaten (|αi oder |βi) abhängen, werden sie Spinorbitale genannt. Das Hartree-Produkt ist leider jedoch keine geeignete N -Teilchen Wellenfunktion, weil es Postulat 6 (Antisymmetrie bei Vertauschung von Elektronenkoordinaten) verletzt. Diese Eigenschaft kann jedoch sichergestellt werden, wenn man die N -Teilchen Wellenfunktion anders aufbaut und dabei die Eigenschaften der Determinate ausnutzt. Dies führt dann zur sogenannten Slater Determinante 11 : χ1 (~x1 ) χ2 (~x1 ) · · · χ1 (~x2 ) χ2 (~x2 ) · · · 1 Ψ= √ = .. .. .. N! . . . χ1 (~xN ) χ2 (~xN ) · · · χN (~x1 ) χN (~x2 ) .. . χN (~xN ) . (31) Durch Entwicklung der Determinante erhält man N ! Hartree-Produkte, jeweils mit unterschiedlichem Vorzeichen. Die Elektronen sind auf alle möglichen, d.h. N ! verschiedene Arten auf die N Spin-Orbitale verteilt. Dies stellt sicher, dass die Elektronen ununterscheidbar sind. Für den Fall von nur 2 Elektronen ergibt sich als Slater-Determinante: χ (~x ) χ (~x ) 1 1 1 1 2 1 Ψ= √ = (32) = √ [χ1 (~x1 )χ2 (~x2 ) − χ1 (~x2 )χ2 (~x1 )] 2 2! χ1 (~x2 ) χ2 (~x2 ) Das Pauli-Prinzip ist in der Slater-Determinante als Spezialfall enthalten, wenn man versucht, ein Orbital mit zwei Elektronen zur selben Zeit zu besetzen (d.h. χ1 = χ2 in Gl. (32)). Für diesen Fall sieht man leicht, dass Ψ(~x1 , ~x2 ) = 0. In der Literatur benutzt man oft eine abkürzende Schreibweise für die Slater-Determinante und schreibt sie einfach als eine Liste der besetzten Orbitale {χi (~x), χj (~x), · · · , χk (~x)}, bzw. als Ψ = |χi χj · · · χk i = |ij · · · ki (33) Der Normalisierungsfaktor wird nicht mehr hingeschrieben, wird aber implizit angenommen. Die grosse Frage ist jetzt, wie man eigentlich die Orbitale bestimmt, aus denen die Slater Determinante aufgebaut ist. Diese Frage wird beantwortet durch die Hartree-Fock Theorie, die zeigt, wie man das Variationsprinzip anwendet, um die minimale elektronische Gesamtenergie zu erhalten. Typischerweise werde dazu die räumlichen Orbitale entwickelt als eine Linearkombination von sogenannten kontrahierten Gauß-artigen Funktionen, die um verschiedene Atome zentriert sind (LCAO)12 . Diese Prozedur gestattet, die Integro-Differentialgleichungen der Hartree-Fock Theorie in lineare algebraische Gleichungen (die Hartree-Fock-Roothan Gleichungen) umzuwandeln. Wie kann man die Wellenfunktion in dieser Theorie flexibler gestalten und noch besser approximieren? Eine Möglichkeit ist, eine grössere Basismenge von Atomorbitalen zu verwenden (und nicht nur kugelsymmetrische 1s-Orbitale), so dass die tatsächliche Gestalt der Atomorbitale besser 11 Benannt 12 Das nach John Slater. ist die Linear Combination of Atomic Orbitals. 8 approximiert werden kann. Ein zweiter Weg besteht darin, die Wellenfunktion als eine Linearkombination verschiedener Slater Determinanten mit verschiedenen Orbitalen zu schreiben. Diesen zweiten Zugang nennt man Elektronenkorrelationsmethoden wie z.B. Configuration Interaction (CI), Many-Body Perturbation Theory (MBPT) oder die Coupled Cluster (CC) Methode. 7 Vereinfachte Notation für den elektronischen Hamiltonoperator Zur Vereinfachung des elektronischen Hamiltonoperators (siehe Gl. (2)) unterscheidet man zwischen Ein-Elektronen Operatoren h und Zwei-Elektronen Operatoren v wie folgt: X ZA 1 h(i) = − ∇i 2 − 2 riA (34) A v(i, j) = 1 rij (35) In der Literatur wird der Zwei-Elektronen Operator v(i, j) manchmal auch als g(i, j, ) bezeichnet. Mit diesen Abkürzungen kann man nun den elektronischen Hamiltonoperator kurz und bündig schreiben als: Hel = X i h(i) + X v(i, j) + VN N . (36) i<j Weil das abstossende Potential VN N der Kerne miteinander nur eine Konstante für Kernkoordinaten ~ darstellt, können wir diesen Term im Operator ignorieren13 . {R} 8 Ein- und Zwei-Elektronenintegrale und Matrixelemente des Hamiltonoperators Nachdem in Abschnitt 7 eine kompakte From des elektronischen Hamiltonoperators gewonnen wurde, soll als nächstes betrachtet werden, wie Matrixelemente dieses Hamiltonoperators in einer Basis bestehend aus N -Elektronen Slater Determinanten {|Ii} berechnet werden. Das Matrixelement von Slater Determinanten |Ii und |Ji wird geschrieben als hI|H|Ji, ohne den “el“-Index beim H-Operator, weil von nun an ausschliesslich der elektronische Hamiltonoperator betrachtet wird. ? Weil H hermitesch ist, gilt hI|H|Ji = hJ|H|Ii . Auf den ersten Blick scheint es, dass die Berechnung dieser Matrixelemente extrem aufwendig sein wird, da sowohl |Ii als auch |Ji bei der Berechnung in N ! verschiedene Produkte entwickelt werden, was insgesamt (N !)2 verschiedene Terme ergibt. Wegen der Orthonormalität der Orbitale verbleiben jedoch nur N ! von Null verschiedene Terme. Bei der Berechnung von z.B. hI/Ii sind alle verbleibenden N ! Terme identisch und kürzen sich somit mit dem Vorfaktor 1/N ! der Slater Determinante. Falls |Ii und |Ji voneinander verschieden sind, dann verschwindet jeder Term bei dem ein Elektron i in ein Orbital χp (i) im Zustand |Ii und in ein anderes Orbital χq (i) platziert wird, es sei denn, die Integration über das i-te Elektron ist kein einfaches Überlappintegral der Form R ? χp (i)χq (i) d~xi , sondern enthält einen der Operatoren h(i) oder v(i, j). Weil der Ein-Elektron Operator h(i) nur auf eine Koordinate i wirkt, müssen alle anderen Spinorbitale für die Elektronen 13 Dieser Term ändert nichts an den Eigenfunktionen, sondern verschiebt lediglich das Nullniveau der Energiewerte. 9 j identisch sein; ansonsten ergibt das Überlappintegral wegen der Orthonormalität der Orbitale den Wert Null. Folglich kann nur ein Spinorbital im Zustand |Ii und |Ji verschieden sein, damit hI|h(i)|Ji von Null verschieden ist. Die Integration über alle anderen elektronischen Koordinaten i 6= j ergibt jeweils den Faktor 1 und resultiert in einem Integral über einen einzelnen Satz von elektronischen Koordinaten ~xi für das i-te Elektron. Dieses Ein-Elektronen Integral ist gegeben durch Z hp|h(1)|qi = hp|h|qi = d~x1 χp ? (~x1 )h(~x1 )χq (~x1 ), (37) wobei χp and χq zwei verschiedene Orbitale sind. Analog zum eben Gesagten können beim Zwei-Elektronen Operator bis zu zwei Orbitale in den Slater Determinanten |Ii und |Ji voneinander verschieden sein, ohne dass das Matrixelement hI|H|Ji Null ergibt. Die Integration über alle anderen elektronischen Koordinaten ergibt jeweils den Faktor 1 und führt zu einem Integral über zwei elektronische Koordinaten, dem Zwei-Elektronen Integral Z hpq|v(1, 2)|rsi = hpq|rsi = d~x1 d~x2 χp ? (~x1 )χq ? (~x2 ) 1 χr (~x1 )χs (~x2 ), r12 (38) Das Integral in Gl. (38) kann auf verschiedene Arten geschrieben werden. Die hier gewählte Schreibweise bei der die konjugiert komplexen Terme links im Integral stehen ist die in der Physik übliche. Es gibt einen Satz von Regeln zur Auswertung der Ein- und Zwei-Elektronen Integrale bei der Berechnung der Matrixelemente von hI|H|Ji, die sogenannten Slater oder Slater-Condon Regeln, die man z.B. in [1] nachlesen kann. 9 Literatur [1] A. Szabo and N. S. Ostlund, Modern Quantum Chemistry: Introduction to Advanced Electronic Structure Theory. McGraw-Hill, New York, 1989. [2] F. Jensen, Introduction to Computational Chemistry. John Wiley & Sons, New York, 1996. 10