Sekunden, die ein Leben verändern können Richtige Maßnahmen bei Schädel-Hirn-Trauma Dr. Arthur Bernhard Brucker, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, ist Spezialist für Schädel-Hirn-Traumata (SHT). In seiner privaten Praxis als Wahlarzt, als Akutmediziner und Rehabilitationsfachmann (er war Leiter der Neurologie im Jesuitenschlössl Passau) beschäftigt er sich mit akuten und längerfristigen Maßnahmen bei SHT. Anton (34) war auf dem Weg nach Hause. Sein Arbeitstag war anstrengend gewesen. Nebel stieg auf. Plötzlich sah er ein paar Scheinwerfer auf sich zurasen. Der Tritt auf die Bremse kam zu spät. Mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma wurde der 34-jährige Familienvater ins Krankenhaus eingeliefert. Es folgten für seine Familie bange Wochen, immer wieder schwebte der Mann in Lebensgefahr. Dann folgten acht Wochen Rehabilitation. Zu wenig, wie sich bei der Rückkehr in sein Haus herausstellte. Der 34jährige war ein anderer Mensch geworden. Er war nicht mehr allein lebensfähig und brauchte rund um die Uhr Betreuung. Anton litt unter schweren Gedächtnisstörungen, oft brach er grundlos in Wut aus. Seine Mobilität war durch Lähmungserscheinungen schwer eingeschränkt. Seine Frau versuchte noch eine Zeit lang ihren pflegebedürftigen Gatten, die beiden schulpflichtigen Kinder und eine Teilzeitbeschäftigung unter einen Hut zu bringen. Doch nach etwa zwei Monaten war auch sie mit ihren Kräften am Ende und auch die Mutter von Anton, die ihren Sohn während der Arbeitszeit ihrer Schwiegertochter betreute, stimmte einer Einweisung in ein Pflegeheim zu. Große medizinische Fortschritte Viele Schädel-Hirn-Trauma-Patienten benötigen eine monate- bis jahrelange Betreuung. „Das Schädelhirntrauma, vor allem die schwere Hirnverletzung, stellt eine der größten persönlichen Katastrophen dar, die einem Menschen widerfahren können“, berichtet Dr. Brucker. Im Bereich der Akutversorgung habe die Medizin in den vergangenen Jahren große Fort- Dr. Arthur Brucker, Facharzt für Neurologie „Durch ein verbessertes Rehabilitationsangebot kann sowohl den Betroffenen als auch ihren Angehörigen geholfen werden“ schritte erzielt, die Überlebenschancen für SHT-PatientInnen sind gestiegen. Doch danach fehlt es oft an geeigneten Reha-Plätzen und damit sinken die Chancen wieder in ein selbstbestimmtes beziehungsweise „normales“ Leben zurück zu kehren. In Oberösterreich gibt es mindestens 200 schwere SHT-Fälle pro Jahr und weitere 400 leichtere. Das Problem ist, dass beim Schädel-Hirn-Trauma nicht nur eine bestimmte Gehirnregion betroffen ist, sondern meist unterschiedliche Bereiche angegriffen und geschädigt sind. Dadurch sind Prognosen über den Krankheitsverlauf sehr schwierig. Zudem leiden die PatientInnen unter sehr individuellen Störungen. Es kann zu Sprachstörungen und Lähmungen kommen, oft sind höhere Hirnleistungen in Mitleidenschaft gezogen. Emotionale Affekte und die soziale Anpassung sind schwer gestört. Zudem sind die meisten Betroffenen junge Menschen, die mitten aus dem Leben gerissen werden. Auslöser sind Verkehrsoder Freizeitunfälle. Rehabilitation „Durch ein verbessertes Rehabilitationsangebot kann sowohl den Betroffenen als auch ihren Angehörigen geholfen werden“, so Dr. Brucker. Das Problem sei, dass die üblichen Reha-Zeiten einfach zu kurz seien. Manche PatientInnen würde eine monate- bis jahrelange Betreuung benötigen. Ein weiterer Punkt ist: Je rascher reagiert wird, sprich je schneller die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, desto positiver könne sich der Patient entwickeln. SHT-PatientInnen brauchen eine sehr individuelle Therapie, die von einem multiprofessionellen Team angeboten wird. Verschiedene Therapeuten müssen gleichzeitig und koordiniert mit den Betroffenen arbeiten. Empfehlenswert ist eine Kombination aus Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie in Zusammenarbeit mit einem Sozialarbeiter, um die soziale Anpassungsfähigkeit wieder herzustellen. Allerdings fehlen allein in Oberösterreich rund 180 Reha-Plätze. Einbeziehung der Angehörigen „Die Angehörigen der Hirnverletzten sind derzeit bei der Organisation der Rehabilitation meist alleingelassen, müssen immer wieder als Bittsteller bei Sozialversicherungen auftreten, sehen sich gezwungen zum Patientenbesuch regelmäßig weite Reisen in entfernte Bundesländer anzutreten, und müssen oftmals ihre Berufstätigkeit beenden, um für die weitere Betreuung ihrer „Traumatiker“ zur Verfügung stehen zu können, da andernfalls die Einweisung in ein Pflege- oder Altersheim als einzig mögliche Alternative in Frage kommt“, kritisiert Dr. Brucker. So mancher Betroffene ist dabei schier am Verzweifeln und hadert in äußerst belastenden Momenten mit seinem Schicksal. Dr. Brucker reagierte auf diese Zustände und gründete gemeinsam mit Betroffenen und Vertretern von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung die SchädelHirn-Trauma-Lobby. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und eine Verbesserung für Patienten und Angehörige zu erreichen“, so Dr. Brucker. Ein erster Erfolg ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beim Land SCHÄDEL-HIRNTRAUMA-LOBBY Verein zur Interessensvertretung von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und deren Angehörige. Der Verein möchte gezielte Lobbyarbeit betreiben. Deshalb ist der Vorstand mit einem Betroffenen, einem Arzt und einem Vertreter einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung besetzt. Obmänner sind derzeit: Johann Fischer (Angehöriger), Dr. Arthur Bernhard Brucker (Facharzt) und Dr. Heinz Mairhofer (Geschäftsführer von assista). Ziele des Vereines sind: Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit Initiierung von Einrichtungen Beratung Unterstützung von Selbsthilfegruppen Kontakt: SHT-Lobby Margit Hufnagl Hueb 12, 4674-Altenhof Tel: 07735/6631-371 e-mail: [email protected] Das Vereinsbüro ist von Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr besetzt. Oberösterreich, in der Chancen und Möglichkeiten für eine Verbesserung der Versorgungssituation ausgelotet werden sollen. Derzeit wird ein Pilotprojekt vorbereitet. Grundgedanke ist eine mobile Versorgung der Patienten vor Ort. „Wichtig ist, dass die Therapieangebote regional, familiennah und individuell zu Verfügung stehen“, erklärt Brucker, der hofft, dass das Projekt ein richtungsweisender Erfolg in der Behandlung von SHT-Patienten wird. Mag. Sonja Frank