Gauß und Dirichlet – Eine Episode

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Gauß und Dirichlet – Eine Episode
Urs Stammbach
Dieser Text beschäftigt sich mit einer Episode aus der
Geschichte der Mathematik, wie sie sich um 1830 zugetragen hat. Mitspieler sind Carl Friedrich Gauß, der 1827
50-jährig geworden war, und der junge Gustav Lejeune
Dirichlet, der 1830 gerade mal 25 Jahre alt wurde. Es ist
eine Episode, wie sie sich wohl zwischen dem etablierten Älteren und dem nachdrängenden Jüngeren immer
wieder zuträgt. Die berühmten Namen der Akteure verleihen ihr aber ein Interesse, das über das Alltägliche hinausgeht. Sie ist auch verhältnismäßig gut dokumentiert,
so dass sich an einigen Stellen der Blick auf die inneren
Beweggründe der handelnden Personen eröffnet.
Die Fakten, die dem vorliegenden Text zugrunde liegen,
sind in der Literatur bereits beschrieben worden. Man
vergleiche hierzu die sehr guten Darstellungen von K.-R.
Biermann: Johann Peter Gustav Dirichlet. Dokumente für sein
Leben und Wirken. Abh. Dt. Akad. Wiss. Berlin, Kl. Math.,
Phys. Techn. 1959, No. 2. Akademie-Verlag, Berlin 1959;
D.E. Rowe: Gauss, Dirichlet, and the law of biquadratic reciprocity. Math. Intell. 10, No. 2 (1988), p. 13–25; J. Elstrodt:
The Life and Work of Gustav Lejeune Dirichlet (1805–1859).
In: W. Duke, Y. Tschinkel (ed.): Analytic number Theory.
A tribute to Gauss and Dirichlet. Clay Mathematics Proceedings, Vol. 7. Amer. Math. Soc. 2007. p. 1–37. Diese drei Texte verfolgen mathematikhistorische Ziele; sie
sind deshalb einer wissenschaftspolitischen und/oder einer mathematischen Sicht verpflichtet. Der vorliegende
Text verfolgt ein anderes Ziel: Er widmet sich vor allem
der persönlich-psychologischen Seite der Geschichte. Es
liegt auf der Hand, dass auch in dieser Sicht die mathematischen Entwicklungen und die Geschehnisse im Umfeld von Gauß und Dirichlet nicht ausgeklammert werden können; aus diesem Grund sind ausgedehntere Überschneidungen mit den oben erwähnten Veröffentlichungen nicht zu vermeiden.
1. Am Anfang steht etwas Mathematik, nämlich das quadratische Reziprozitätsgesetz. Dieses berühmte zahlentheoretische Gesetz wurde bekanntlich von Leonhard
Euler aufgrund von umfangreichen Rechnungen vermutet. Ein erster Beweis wurde von Adrien-Marie Legendre
versucht. In seinen Disquisitiones arithmeticae machte Carl
Friedrich Gauß allerdings auf eine Lücke in Legendres Beweis aufmerksam. Gleichzeitig liefert er in diesem Werk
mehrere verschiedenartige und korrekte Beweise des
Resultates. Gauß spricht dabei vom Fundamentaltheorem
Theorema fundamentale1 , und die Aussage des Satzes ist
ja auch tatsächlich völlig überraschend. Es geht um Primzahlen. Das quadratische Reziprozitätsgesetz beschäftigt
sich mit der Frage, wann eine Primzahl q modulo einer
anderen Primzahl p ein Quadrat sei.2 Ist dies der Fall, so
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RETROSPEKTIVE
heißt q ein quadratischer Rest modulo p , oder in Zeichen
( qp ) = 1, andernfalls heißt q ein quadratischer Nichtrest
modulo p , oder in Zeichen ( qp ) = −1. Es ist zum Beispiel
3 kein Quadrat modulo 7, hingegen ist 7 ein Quadrat modulo 3. Es war eine völlig überraschende Erkenntnis von
Euler, dass die Frage, ob q modulo p ein Quadrat sei,
in enger Beziehung steht zur Frage, ob p modulo q ein
Quadrat sei. Es gilt das quadratische Reziprozitätsgesetz:
Theorem. Es seien p und q zwei ungerade Primzahlen.
Dann gilt
p q −1 für p, q ≡ 3 mod 4
=
+1 sonst.
q
p
Natürlich gibt es auch eine entsprechende Aussage, wenn
die Primzahl 2 im Spiel ist.
Satz. Es sei p eine ungerade Primzahl. Dann gilt
2
p 2 −1
p
= (−1)
8
.
2. Gauß war derart angetan von diesem Resultat, dass
er dafür im Laufe seines Lebens viele verschiedenartige
Beweise geliefert hat. Dies hat natürlich nicht nur mit
dem Satz an sich zu tun, sondern viel mehr mit dem Bestreben, einen Beweis zu finden, der sich verallgemeinern
lässt: Lassen sich ähnliche Aussagen wie im quadratischen
Reziprozitätsgesetz auch für Kuben, für vierte Potenzen
usw. treffen? Wann ist eine Primzahl eine dritte, eine vierte Potenz modulo einer anderen?
Carl Friedrich Gauß in einer Darstellung von S. Bendixen, 1828 in den „Astronomischen Nachrichten“ veröffentlicht.
DOI
10.1515/dmvm-2013-0069
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In der Zeit zwischen 1820 und 1850 haben sich mehrere
große Mathematiker mit dieser Frage beschäftigt, so zum
Beispiel Carl Gustav Jacobi und Ferdinand Gotthold Eisenstein. Nach 1850 haben diese Bemühungen zum allgemeinen Reziprozitätsgesetz und zur Klassenkörpertheorie Anlass gegeben. Dieser interessanten Entwicklung, die
neben und nach Gauß stattfand, kann hier nicht nachgegangen werden.3
Gauß selber hat sich nach eigenen Aussagen bereits kurz
nach der Veröffentlichung der Disquisitiones arithmeticae
mit der Frage der Verallgemeinerung beschäftigt und wie
es scheint, auch erste Resultate erhalten. Er hat sie aber
– wie so vieles andere – nicht veröffentlicht. Erst 1825
tritt er mit der Ankündigung seiner Commentatio prima
an die Öffentlichkeit. Und hier beginnt die Geschichte.
3. Die Ankündigung erschien am 11. April 1825 in den
Göttingischen gelehrten Anzeigen.4 Gauß erzählt darin vom
quadratischen Reziprozitätsgesetz und wie er sich ab
1805 mit der, wie er sagt, sehr viel schwierigere[n] Theorie
der cubischen und biquadratischen Reste beschäftigt habe.
Anschließend beschreibt er die Resultate, die er in seiner
hier angekündigten Veröffentlichung Commentatio prima
über biquadratische Reste beweisen werde, also über die
Frage, wann eine Primzahl modulo einer anderen Primzahl eine 4te Potenz ist. Es ist dies erstens ein Resultat,
das erlaubt zu entscheiden, wann eine Zahl a biquadratischer Rest modulo einer gegebenen Primzahl p ist, und
dann zweitens zwei Resultate, welche Antwort darauf geben, für welche Primzahlen p die Zahl ±2 biquadratischer
Rest ist. Das erste dieser Resultate sei im Vergleich zu
den anderen ganz elementarisch, die zweite Frage sei weit
schwieriger. Gauß gibt hier zwei Kriterien an und sagt:
[. . . ] schon beim ersten Criterium ist der Beweis dafür
nicht ganz leicht zu führen, viel tiefer versteckt liegt er
aber bei dem zweiten, wo er mit anderweitigen subtilen
Hülfsuntersuchungen innigst verkettet ist, die ihrerseits
wieder zu einer merkwürdigen Erweiterung der Theorie
der Kreistheilung führen. Diese wunderbare Verkettung
der Wahrheiten ist es vorzüglich, was, wie man schon
oft bemerkt hat, der höheren Arithmetik einen so eigenthümlichen Reiz gibt.
Soweit zur kurzen Ankündigung der Commentatio prima.
Diese, also die Arbeit selbst, wurde zwar zur selben Zeit
zur Veröffentlichung in den Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores5 eingereicht, aber
aus unbekannten Gründen ist sie erst 1828 erschienen.
4. Nach Carl Friedrich Gauß nun einige Worte zu Gustav Lejeune Dirichlet. Dieser befand sich zu jener Zeit,
also 1825, in Paris und hatte dort im Umfeld von Jean
Baptiste Joseph Fourier, Sylvestre François Lacroix und
Simeon Denis Poisson Mathematik studiert. Seine in Paris entstandene Arbeit über das Fermat-Problem zum Exponenten 5 hatte Aufsehen erregt. Die darin verwendeten Methoden haben es Legendre kurz darauf ermöglicht, den Fall des Exponenten 5 vollständig zu behandeln. In Paris lernte der junge Dirichlet Alexander von
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Humboldt kennen, der dort die Ergebnisse seiner ausgedehnten Forschungsreisen ordnete. Humboldt war beeindruckt von der Anerkennung, die Dirichlet in den wissenschaftlichen Kreisen in Paris genoss. Immer auf der
Suche nach wissenschaftlich herausragenden Kandidaten,
erkannte Humboldt die Möglichkeit, Dirichlet für Preußen zu gewinnen. In der Tat hatte Dirichlet den Wunsch
geäußert, nach Deutschland zurückkehren zu können.
Humboldt lieh ihm dabei seine volle Unterstützung; er
setzte sich mit Staatsminister Freiherr von Altenstein in
Verbindung mit der Bitte, man solle untersuchen, ob man
für Dirichlet in Preußen eine Stelle schaffen könne. Außerdem veranlasste er Dirichlet, sich in dieser Sache auch
an Gauß zu wenden, wobei Humboldt selbst diesem am
21. Mai 1826 ein entsprechendes Empfehlungsschreiben
zukommen ließ. Er sagt darin:6
[. . . ] ich weiß durch die großen Geometer, welche Paris besitzt, und besonders durch Fourier und Poisson,
die meine ältesten Freunde sind, dass Herr Dirichlet
von der Natur die glänzendsten Anlagen hat, dass er
auf den besten Euler’schen Wegen hinschreitet und dass
Preußen einst an ihm (er ist kaum 21 Jahre alt!) einen
ausgezeichneten Professor und Akademiker haben wird.
Schenken Sie meinem jungen Freunde, für dessen Glück
ich mich lebhaft interessire, den Schutz Ihres großen Namens [. . . ]
Dirichlets eigener Brief an Gauß datiert vom 28. Mai
1826.7 Darin bat er Gauß, für ihn in Berlin ein gutes Wort
einzulegen.
Es hängt nämlich großentheils von dem Urtheile, welches man in Berlin über meine Arbeit fällen wird, ab, was
für ein Wirkungskreis mir in meinem Vaterlande wird angewiesen werden.
Er wende sich an Gauß, weil
selbst unter den ausgezeichnetesten Mathematikern
[. . . ] nur sehr wenige mit der unbestimmten Analysis
vertraut sind, so dass zu fürchten [sei], dass [die] Abhandlung eine weniger günstige Aufnahme finden werde,
als [. . . ] wenn dieselbe [. . . ] eine Aufgabe aus einem bekanntern Theile der Wissenschaft, z. B. der Astronomie
oder der Integralrechnung zum Gegenstand hätte.
Seine mathematische Arbeit über das Fermat-Problem
legte er dem Schreiben bei, es sei, wie er sagt, sein erste[r] mathematische[. . . ] Versuch.
Dirichlet wandte sich hier als ein ganz junger Mann –
er war 21jährig – mit einer nicht trivialen Bitte an den
älteren, berühmten, ja überragenden Mathematiker in
Deutschland. Der Ton des Briefes ist denn auch entsprechend unterwürfig, die Anrede lautet Verehrungswürdiger
Herr Hofrath!, es ist von innigste[r] Verehrung und von tiefste[r] Bewunderung die Rede und am Ende unterschreibt
ein ganz gehorsamer G. Lejeune Dirichlet.
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lich Gauß, der ihm – so muss man aus Andeutungen in
Briefen entnehmen – einiges über seine Resultate erzählte, die in den drei geplanten Abhandlungen erscheinen
sollten. In Breslau wurde Dirichlet gleich habilitiert, wobei man ihm erlaubte, die Habilitationsschrift später einzureichen. Außerdem wurde ihm die neben dem Hablitationsvortrag ebenfalls vorgeschriebene Disputation erlassen.11
7. Nach seinem ersten Semester in Breslau begab sich Dirichlet zuerst auf eine Gebirgsreise – wie er es selbst ausdrückte – und dann besuchsweise nach Dresden. Anfang
Oktober kehrte er wieder nach Breslau zurück. Am 19.
Oktober 1827 schrieb er einen Brief an seine Mutter, der
es verdient, näher betrachtet zu werden.12 Er erzählt darin, wie er schon im Laufe des Sommersemesters von den
beiden Hauptsätzen der Gauß’schen Ankündigung fasziniert gewesen sei und lange versucht habe, einen eigenen
Beweis dafür zu finden. Dies sei ihm nun, nach intensiver
Anstrengung, gelungen.
Gustav Lejeune Dirichlet (Zeichnung von Wilhelm Hensel. Der Maler Wilhelm Hensel war mit Fanny Mendelssohn, der Schwester von
Rebekka Mendelssohn verheiratet.)
5. Offenbar erkannte Gauß das Genie Dirichlets sofort.
In einem Brief bat er seinen ehemaligen Schüler und Sekretär der mathematischen Klasse der Berliner Akademie, Johann Franz Encke8 , sich beim Ministerium für die
Schaffung einer Stelle für Dirichlet einzusetzen. Encke,
der auch schon direkt von Humboldt kontaktiert worden war, hatte bei seinen Bemühungen Erfolg. In einem
Brief vom 13. September 1826, also nur wenige Monate
später, teilte Gauß Dirichlet mit, dass er eben aus Berlin
die Mitteilung erhalten habe, dass man Ihnen bald im Vaterlande eine angemessene Fixierung zu verschaffen geneigt sein
wird. Schon diese Mitteilung lässt die Wertschätzung erkennen, die Gauß für Dirichlet hegte. Dies wird noch klarer, wenn man sieht, wie Gauß im Rest dieses Briefes gegenüber Dirichlet sein Vorhaben offenlegte, die Theorie
der biquadratischen Reste in insgesamt drei Abhandlungen darstellen zu wollen. Davon werde die angekündigte
Commentatio prima in Bälde erscheinen, die anderen seien zwar noch nicht geschrieben, aber die Resultate lägen
bereit.9
6. Die günstigen Nachrichten aus Berlin, die Dirichlet
hier via Gauß erfahren konnte, bewahrheiteten sich: Das
Ministerium bot Dirichlet eine Stelle an der Universität
in Breslau an. Das formale Hindernis, dass Dirichlet nicht
promoviert war, umging man elegant, indem von Altenstein veranlasste, Dirichlet an der Universität Bonn zu
promovieren. Zuerst war offenbar eine Promotion in absentia geplant – was damals nicht unüblich war –, aber
schließlich erhielt Dirichlet in Bonn einen Doctor honoris
causa!10 Dirichlet reiste im Frühling 1827 von Paris über
Göttingen und Berlin nach Breslau, wo er auf das Sommersemester hin eintraf. In Göttingen besuchte er natür184
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Bei den ebenerwähnten Untersuchungen habe ich ein
ganz eigenes Schicksal gehabt. Schon im Laufe dieses
Sommers hatte ich einige Schritte getan, welche mich
dem vorgesteckten Ziele näher brachten, allein es blieb
noch immer eine Schwierigkeit zu überwinden, um die
Beweise für die Gauß’schen Sätze ganz vollständig zu
erhalten. Dieser Gegenstand beschäftigte mich unaufhörlich sowohl auf meiner Gebirgsreise als auf der nach
Dresden, ohne dass ich mit der Sache ins Reine kam. Eines Abends, wo ich einsam auf der Elbbrücke wanderte
[. . . ] hatte ich einige Ideen, welche mich in den Besitz
des so lange und so eifrig Gesuchten setzen zu müssen
schienen. Auf der herrlichen Brühlschen Terrasse überließ ich mich mehrere Stunden lang (bis gegen 10 Uhr)
meinen Gedanken, konnte aber dennoch mit der Sache
nicht fertig werden (wahrscheinlich weil unmathematische Ideen sich mit den mathematischen mischten). Mit
sehr geschwächter Hoffnung legte ich mich zu Bette und
brachte die Nacht sehr unruhig zu, bis ich endlich gegen
1 Uhr in einen ordentlichen Schlaf fiel, aus dem ich aber
um 4 Uhr schon wieder erwachte, indem ich dem Medicinalrath, der in derselben Stube schlief, mit dem Ausruf
aufweckte: “Ich habe es gefunden!” Aufstehen, Licht anzünden, und mich mit der Feder in der Hand von der
Richtigkeit der Sache überzeugen, war die Sache eines
Augenblicks. Die Untersuchungen erweiterten sich nun
jeden Tag und in 14 Tagen war ich im Stande, Herrn
Encke meinen 6 Bogen starken Entwurf zu senden. Ich
habe allen Grund von dieser Abhandlung viel für meine
Beförderung zu erwarten, da Gauß die seinige, welche
doch bei weitem nicht soviel enthält, mit einem gewissen
Pomp angekündigt hat. Ich werde gewiss nicht ermangeln, das, was er über die Schwierigkeiten, womit die
Beweise verbunden sind, sagt, in meiner Abhandlung auf
eine geschickte Weise anzuführen.
Der Brief ist aus verschiedenene Gründen bemerkenswert. Einmal liefert er aus erster Hand ein Beispiel, wie
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Dirichlet im Brief an seine Mutter: Auf der herrlichen Brühlschen Terrasse (in Dresden) überließ ich mich mehrere Stunden lang meinen
Gedanken.
Mathematik entdeckt wird: Einer Periode intensivster Arbeit am Problem folgt eine Ruhepause, und in dieser Phase stellt sich die kreative Idee plötzlich, wie ein Blitz aus
heiterem Himmel ein. Aber hier ist nicht der Ort, näher
auf diesen faszinierenden Aspekt des Briefes einzugehen.
Vielmehr interessiert hier die andere Mitteilung, die Mitteilung nämlich, die sich auf die Resultate von Gauß bezieht. Die entsprechende Arbeit Dirichlets erschien tatsächlich nur wenige Monate später, Anfang 1828, im Crelle’schen Journal: Recherches sur les diviseurs premiers d’une
classe de formules du quatrième degré.13 Wie Dirichlet im
Brief an seine Mutter angedeutet hatte, machte er darin
auch eine Bemerkung zur erwähnten Ankündigung von
Gauß. Dirichlet sagt in der Einleitung, er habe Beweise
für die beiden Kriterien von Gauß gefunden. Sie seien
fondées sur des considérations extrêmement simples
et probablement tout-à-fait différentes de celle de M.
Gauss qui paraît exiger des recherches préliminaires très
délicates et assez étendues.
Die Arbeit enthält neben den Beweisen für die beiden
Resultate von Gauß zum biquadratischen Charakter der
Zahl ±2 auch eine ganze Reihe von Verallgemeinerungen über den biquadratischen Charakter einer beliebigen
Primzahl modulo einer anderen Primzahl.
8. Bereits am 8. April 1828 schrieb Dirichlet an Gauß
und legte seinem Brief ein Exemplar der Arbeit bei.14 Dabei machte er Gauß auf eine noch bestehende Lücke in
seinen Überlegungen aufmerksam: Auch wenn das Problem für Primzahlen gelöst sei, so bestehe immer noch
ein Problem für zusammengesetzte Zahlen.15 Wenn auch
die Anrede dieses Briefes noch sehr respektvoll klingt
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Höchstzuverehrender Herr Hofrath!, so ist jetzt zumindest
in mathematischen Dingen nichts mehr von Unterwürfigkeit zu erkennen. Dirichlet bemerkt ferner, er habe seit
seinem Besuch in Göttingen den lebhaften Wunsch, Näheres über die von Gauß angestellten Untersuchungen
zu diesem Gegenstand kennenzulernen.16 Aber der Band
mit der (vor drei Jahren) angekündigten Commentatio prima sei noch nicht bei ihm eingetroffen.
Wenig später, am 30. Mai 1828, antwortete Gauß.17 Er
anerkannte in seinem Brief offen Dirichlets Verdienste,
wobei er es allerdings nicht unterlassen konnte anzufügen, dass er die entsprechenden Resultate schon seit 23
Jahren vollständig besitze. Interessant ist, dass Gauß diesen
Brief mit Ihr freundschaftlich ergebenster C.F. Gauß unterschrieb. Die Wendung drückt wohl deutlich die inzwischen gewachsene wissenschaftliche Wertschätzung aus.
9. Gauß und Dirichlet trafen sich im darauffolgenden
Herbst in Berlin an der Versammlung deutscher und nordischer Naturforscher, Physiker und Astronomen. Die
Versammlung wurde am 18. September von Alexander
von Humboldt eröffnet; sowohl der preußische König
Friedrich Wilhelm III. wie auch der Kronprinz waren
anwesend! Zur Begrüßung der Teilnehmer erklang eine in Humboldts Auftrag komponierte Kantate von Felix Mendelsohn.18 Der mathematische Gang der Dinge
fand aber erst drei oder vier Jahre später seine Fortsetzung. Dies mag Anlass sein, die persönliche Lebenssituation von Gauß und Dirichlet in dieser Zeit näher zu beleuchten.
Auf Veranlassung Alexander von Humboldts konnte Dirichlet im Herbst 1828 als Dozent von Breslau an die
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Kriegsschule in Berlin wechseln; gleichzeitig erhielt er die
Erlaubnis, auch an der Universität in Berlin Vorlesungen
zu halten. 1831 ernannte man ihn dort auch zum a.o. Professor. Im darauffolgenden Jahr, 1832, wurde er zum Mitglied der Berliner Akademie gewählt und im selben Jahr
heiratete er Rebekka Mendelssohn, die Schwester des
Komponisten und Tochter aus einem der gesellschaftlich
führenden und reichsten Häuser in Berlin. Dirichlet war
jetzt 27 Jahre alt. Steiler kann eine Karriere kaum verlaufen!
Gauß war bis ins Jahr 1832 mit der Vermessung des
Königreiches Hannover beschäftigt. Er nahm bekanntlich
diese Aufgabe sehr gewissenhaft wahr, sie belastete ihn
aber arbeitsmäßig außerordentlich stark, wie er sich in
zahlreichen Briefen beklagte. Auch seine persönlichen Lebensumstände in dieser Zeit waren schwierig: 1831 starb
seine zweite Frau nach langer Krankheit. Seine Söhne aus
dieser Ehe, die jetzt um die zwanzig Jahre alt waren, haben ihm damals schon Mühe verursacht. Gauß war jetzt,
im Jahre 1832, 55 Jahre alt.
10. Im Jahre 1831 kündigte Gauß in Göttingen seine Commentatio secunda19 an. Diese Ankündigung und die Commentatio secunda20 selbst, die dann im darauffolgenden
Jahr erschien, sind sehr berühmt geworden. Gauß machte hier klar, dass das biquadratische Reziprozitätsgesetz
praktisch dazu zwingt, mit komplexen Zahlen zu arbeiten. Hier wurden die – später so genannten – Gauß’schen
Zahlen eingeführt, über die gleich eine Reihe von Resultaten wie etwa die eindeutige Primfaktorzerlegung bewiesen wurden. In der Ankündigung beschrieb Gauß außerdem, wie die komplexen Zahlen in der Gauß’schen
Zahlebene veranschaulicht werden können. Erstmals in
der Geschichte der Mathematik werden hier die komplexen Zahlen als legitimes Untersuchungsobjekt (und nicht
nur als Hilfsmittel) der Mathematik eingeführt. Dass dies
in einer an ein allgemeineres Publikum gerichteten Ankündigung geschah und durch den in weiten Kreisen bekannten, ja berühmten Gauß hat zur „Anerkennung“ der
komplexen Zahlen in einer breiteren wissenschaftlichen
Welt sicher viel beigetragen.
In der Commentatio secunda gab dann Gauß weitere Beispiele von mathematischen Aussagen über die ganzen
komplexen Zahlen. Neben der eindeutigen Primfaktorzerlegung beschrieb er auch ein neues Reziprozitätsgesetz:21
Satz. Es seien a + ib und A + iB zwei komplexe Primzahlen
mit a, A ungerade und b , B gerade. Genau dann ist a + ib
ein quadratischer Rest modulo A + iB , wenn A + iB ein quadratischer Rest modulo a + ib ist.
Gauß sagt, dass der Beweis sehr kompliziert sei; er führe
den Beweis nicht aus, weil der Satz sich später als Spezialfall eines allgemeineren Resultates ergäbe.22 Damit meinte er das allgemeine biquadratisches Reziprozitätsgesetz,
das er dann in den weiteren Teilen der Commentatio secunda auch formulierte. Einen Beweis allerdings führte
Gauß auch an dieser Stelle nicht an; die Arbeit sei (mit
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mehr als 50 Druckseiten) so schon etwas lang geraten.
Stattdessen sah er vor, dies in der dritten Abhandlung
nachzuholen.23 Diese dritte Abhandlung ist dann allerdings nie erschienen.
11. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die
unterrichtete mathematische Welt – und dazu gehörten
sicher Carl Gustav Jacob Jacobi und Gustav Lejeune Dirichlet in Berlin – etwas ungehalten war. Zum einen hatte
Gauß die lange versprochene Abhandlung über rund fünf
Jahren hinausgezögert und ferner enthielt sie bei Weitem
nicht so viele neue Resultate, wie Gauß vorausgesagt hatte, vor allem aber enthielt sie kaum Beweise. Außerdem
dürfte Dirichlet zusätzlich die Tatsache zu schaffen gemacht haben, dass Gauß weder seinen Namen noch seine
Arbeit irgendwo erwähnte.24
Bereits 1832, unmittelbar also nach der Commentatio secunda, erschien in Berlin Dirichlets Arbeit Démonstration d’une propriété analogue à la loi de réciprocité qui existe entre deux nombres premiers quelconques25 . Dirichlet
nimmt darin Bezug auf die Commentatio secunda und auf
die zugehörige Ankündigung. Die Arbeit beschäftigt sich
mit den ganzen komplexen Zahlen von Gauß und gibt
einen vollständigen Beweis für das oben angegebene Reziprozitätsgesetz. Wie Gauß festgestellt habe, böten die
grundlegenden Rechengesetze in den ganzen komplexen
Zahlen keinerlei Schwierigkeiten, und viele einfache Aussagen darüber ließen sich auf direkte Art beweisen. Aber:
L’induction appliquée à des questions d’un ordre plus
élevé, a fait connaître à M. Gauss une proposition qui
ne le cède, ni en simplicité ni en élégance, au théorème si célèbre sous le nom de loi de réciprocité. Quant à
la démonstration de ce nouveau théorème, que l’illustre
auteur juge sujette à de grandes difficultés, il la renvoie à
un autre mémoire où elle sera exposée avec celle d’une
autre proposition plus générale. Je me propose de démontrer dans ce mémoire le théorème dont il s’agit par
des considérations fort simples.
Dirchlet befleißigt sich hier einer überaus klaren Sprache, und der letzte Satz kann durchaus als eine spitzige
Bemerkung gegenüber Gauß gelesen werden. Das über
die Jahre gewachsene Selbstbewusstsein ist jedenfalls mit
Händen zu greifen!
12. Hier ist eine Skizze der Überlegungen von Dirichlet. Von Anfang an arbeitet Dirichlet mit großer Selbstverständlichkeit im Bereich der ganzen komplexen Zahlen. Dies mag im Hinblick auf die kurze Zeit nach dem
Erscheinen der Commentatio secunda erstaunen, erklärt
sich aber wohl einfach dadurch, dass bei Mathematikern
der Klasse von Dirichlet, Jacobi und Gauß der Gebrauch
komplexer Zahlen seit längerer Zeit zur Selbstverständlichkeit gehörte. Die Propaganda von Gauß in dieser Sache richtete sich doch wohl mehr an diejenigen, die zu
jener Zeit noch überzeugt werden mussten.
Wie Gauß identifiziert Dirichlet zuerst die Einheiten und
die Primelemente im Ring der ganzen komplexen Zahlen,
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Es ist α + iβ , α + iβ nicht teilbar durch q , genau dann ein
(Nicht-)Rest modulo q in Z[i], wenn α2 + β 2 ein (Nicht-)Rest
modulo q ist in Z.
Dann wendet er sich dem Fall zu, wo A + iB ein komplexes Primelement ist, das kein Teiler von 2 ist. Es ist also
A2 + B 2 = P eine reelle Primzahl der Form 4n + 1. In
diesem Fall zeigt Dirichlet:
Es ist α + iβ , α + iβ nicht teilbar durch A + iB , genau dann
ein (Nicht-)Rest modulo A + iB in Z[i], wenn Aα + Bβ ein
(Nicht-)Rest modulo P , P = A2 + B 2 ist.
Auf die Beweise dieser beiden Behauptungen soll hier
nicht eingegangen werden. Der Satz ergibt sich daraus
mit einigen zusätzlichen Überlegungen. Diese werden
hier an einem der Fälle illustriert, die zu untersuchen
sind, nämlich am Fall, wo das eine Primelement, A + iB ,
echt komplex und kein Teiler von 2 und das andere Primelement, q , reell ist. Nach obigem gilt:
Veranschaulichung der Einheiten (grün) und der Primelemente (rot
bzw. schwarz) der Gauß’schen Zahlen. (Das Bild stammt von Benno Artmann, 1933–2010, der es mir anlässlich eines Besuches in
Göttingen zur Verfügung stellte.)
A + iB ist genau dann Rest modulo q in Z[i], wenn P =
2
A2 + B
Rest
ist modulo q in Z, also wenn für das Legendre-
symbol
P
q
= 1 gilt.
und andererseits:
der heute bekanntlich mit Z[i] bezeichnet wird. Einheiten
sind die Zahlen ±1 und ±i . Primelemente gibt es (modulo Einheiten) drei Sorten: Erstens die reellen Primzahlen
q der Form 4n + 3, zweitens die Primfaktoren der reellen
Primzahlen der Form 4n + 1, also diejenigen Gauß’schen
Zahlen A + iB , für die A2 + B 2 eine reelle Primzahl P
der Form 4n + 1 ist, und schließlich der Primfaktor der
Zahl 2, also 1 + i . Man beachte, dass Primzahlen, die sich
multiplikativ um eine Einheit unterscheiden, als äquivalent
anzusehen sind. So ist z.B. der zweite Faktor von 2, also
1 − i , wegen −i(1 − i) = 1 + i zu 1 + i äquivalent. Insbesondere kann bei den nachfolgenden Überlegungen davon ausgegangen werden, dass eine (Gauß’sche) Primzahl
immer in der Form A + iB mit A ungerade geschrieben
ist.
Die Frage, ob eine beliebige Gauß’sche Zahl α + iβ
ein Quadrat ist modulo einem gegebenen Primelement
A + iB ist in der heutigen Mathematik eine Frage, die im
Faktorring Z[i]/(A + iB) zu beantworten ist. Dieser Faktorring ist ein Körper der Ordnung N = N(A + iB) =
A2 + B 2 . Dessen multiplikative Gruppe ist zyklisch von
der Ordnung N − 1. Es ist somit α + iβ ein Quadrat
modulo A + iB , wenn
1
(α + iβ) 2 (N−1) = 1
mod A + iB
gilt, und es ist kein Quadrat modulo A + iB , wenn
1
(α + iβ) 2 (N−1) = −1
mod A + iB
gilt.
Dirichlet untersucht anschließend die einzelnen auftretenden Fälle. Er betrachtet zuerst ein reelles Primelement q , q also von der Form 4n + 3, und zeigt:
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q ist genau dann Rest modulo A+iB in Z[i], wenn qA Rest
ist
modulo P in Z, also wenn für das Legendresymbol
gilt.
Aq
P
=1
Der weitere Teil des Beweises besteht in einer Rechnung mithilfe des Legendre-Symbols. Man zerlege A in
ein Produkt von (gewöhnlichen) Primzahlen pi . Wegen
A2 + B 2 = P ist dann P modulo pi ein Quadrat; es gilt
also
P
pi
=1.
Da P von der Form 4n + 1 ist, folgt mit dem (gewöhnlichen) Reziprozitätsgesetz
pi
P
P
pi
=
=1,
und damit
A
P
=1.
Daraus folgt nun weiter
Aq
A
q
P
=
P
P
=
q
P
=
P
q
.
Letzteres wiederum wegen des Reziprozitätsgesetzes, da
P von der Form 4n+1 ist. Damit ist dieser Fall des Satzes
von Dirichlet bewiesen. Die anderen auftretenden Fälle
lassen sich analog behandeln.
13. Es bleibt schließlich noch einmal festzuhalten, dass
Gauß in der Commentatio secunda nicht nur den oben erwähnten Satz anführt, sondern auch das allgemeine biquadratische Reziprozitätsgesetz formuliert, aus dem dieser Satz folgt.26 Wie bereits oben angemerkt wurde, verschiebt Gauß den Beweis auf eine dritte geplante Arbeit,
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die aber nie erschienen ist. In Gauß’ Nachlass hat man andererseits Unterlagen zu einem vollständigen Beweis des
biquadratischen Reziprozitätsgesetzes gefunden; der erste publizierte Beweis stammt allerdings von Eisenstein.27
14. Dies ist die Geschichte der Episode zwischen Gauß
und Dirichlet. Ähnliches zwischen einem etablierten Älteren und einem nachdrängenden Jüngeren hat sich in der
Geschichte sicher viele Male abgespielt, und es spielt sich
zweifellos auch heute noch vielfach ab. Schön finde ich an
dieser Geschichte, dass die beiden Hauptpersonen ihre
gegenseitige Wertschätzung beibehalten haben; dies ist –
leider – nicht immer der Fall.
Der Autor dankt J. Elstrodt, D. E. Rowe und G. Schubring, für
zahlreiche Bemerkungen, die zu Verbesserungen des Textes geführt haben.
Anmerkungen
1. Siehe Gauß Disquisitiones arithmeticae, art. 131. Das Resultat
erscheint hier in einer anderen Formulierung.
2. Umformuliert ist dies die Frage, ob die Gleichung x 2 = q
im endlichen Körper Fp eine Lösung besitze. Es muss allerdings
angemerkt werden, dass zu Zeiten von Gauß der Begriff eines
endlichen Körpers noch nicht vorhanden war.
3. Siehe dazu die umfassende Darstellung von F. Lemmermeyer: Reciprocity Laws. From Euler to Eisenstein. Springer Verlag,
2000.
4. Siehe auch: Gauß Werke, Band II, S. 165–168.
5. Siehe Gauß Werke Band II, S. 65–92.
6. Siehe K.-R. Biermann: Briefwechsel zwischen Alexander von
Humboldt und Carl Friedrich Gauß, Berlin 1977; S. 28/29.
7. Siehe Dirichlet Werke Band II, Berlin 1897. S. 373/374.
8. Johann Franz Encke (1791–1856). Studierte Mathematik und
Astronomie bei Gauß in Göttingen. Die Bahnberechnung eines
neu entdeckten kurzperiodischen Kometen in Jahre 1818 machte ihn berühmt. 1825 übertrug ihm der Preußische König Friedrich Wilhelm III. auf Anraten Alexander von Humboldts die Planung und den Bau einer Sternwarte in Berlin, deren Direktor
Encke nach der Fertigstellung 1835 wurde.
9. Siehe Dirichlet Werke Band II, Berlin 1897. S. 375/376; Gauß
Werke Band II. S. 514/515.
10. Der Grund dieser Sinnesänderung war, dass man Dirichlet
die lateinische Disputation ersparen wollte, denn Dirichlet verfügte nicht über die dafür notwendige Kenntnis der lateinischen
Sprache. Siehe Gert Schubring: Die Promotion von P. G. Lejeune Dirichlet. Biographische Mitteilungen zum Werdegang Dirichlets.
NTM-Schriftenr. Gesch. Naturwiss., Technik, Med. 21 (1984), p.
45–65.
11. Das Ministerium in Berlin hatte diese Erleichterung bewilligt, nachdem Dirichlet darum gebeten hatte. Der Grund war
derselbe, wie bei der Promotion in Bonn, denn die Disputation
hätte laut Vorschrift lateinisch abgehalten werden müssen.
12. Der Brief ist reproduziert in David E. Rowe: Gauss, Dirichlet,
and the law of biquadratic reciprocity, The Math. Intelligencer 10
(1988), 13–25. Siehe auch die Anmerkung von Gert Schubring:
Dirichlet, The Math. Intelligencer 12 (1990), 5–6. – David Rowe zitiert den Brief nach einer Transkription; gemäß dem von
Gert Schubring gefundenen Original in Dirichlets Nachlass in
der Murhardschen Bibliothek/Universitäts-Bibliothek in Kassel
ergeben sich einige kleinere Korrekturen, die hier berücksichtigt sind.
13. J. reine angew. Mathematik 3 (1828), 35–69. Dirichlet Werke
Band II, Berlin 1897. S. 63–98.
14. Siehe Dirichlet Werke Band II, Berlin 1897. S. 376–378.
188
RETROSPEKTIVE
15. Die Schwierigkeit besteht darin, dass das Produkt zweier biquadratischer Nichtreste manchmal ein biquadratischer Rest ist,
manchmal aber nur ein quadratischer Rest.
16. Der heutige Leser erwartet hier, irgendwo das Wort endlich
zu finden.
17. Dirichlet Werke Band II, S. 378–380; Gauß Werke Band II,
S. 516–518.
18. Siehe K.-R. Biermann: Briefwechsel Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, Berlin 1977. S. 34/35. – Es handelt sich um Mendelssohns Begrüßungs- bzw. Humboldt-Kantate.
19. Siehe Gauß Werke Band II, S. 169–178.
20. Siehe Gauß Werke II, S. 93–148.
21. Siehe Commentatio secunda art. 60. Gauß Werke Band II, S.
93–148.
22. Siehe Gauß Werke II, S. 130. – At non obstante summa theorematis simplicitate, ipsius demonstratio magnis difficultatibus
premitur, quibus tamen hic non immoramur, quum theorema
ipsum sit tantummodo casus specialis theorematis generalioris,
[. . . ] (Trotz der grossen Einfachheit des Satzes aber unterliegt
sein Beweis sehr grossen Schwierigkeiten, mit denen wir uns
jedoch hier nicht aufhalten, da der Satz selbst nur ein specieller Fall eines allgemeineren Satzes ist, [. . . ]) Übersetzung aus
Hermann Maser (Hrsg.): Carl Friedrich Gauß’s Untersuchung über
höhere Arithmetik, Julius Springer, Berlin 1889. p. 568.
23. Siehe Gauß Werke II, S. 139. – At non obstante summa huius theorematis simpicitate, ipsius demonstratio inter mysteria
arithmeticae sublimoris maxime recondita referanda est, ita ut,
saltem ut nunc res est, per subtilissimas tantummodo investigationes enodari possit, quae limites praesentis commentationis longe transgrederentur. Quamobrem promulgationem huiius
demonstrationis, nec non evolutionem nexus inter hoc theorema atque, ea, quae in initio huius commentationis per inductionem stabilire coeperamus, ad commentationem tertiam nobis
reservamus. (Trotz der grossen Einfachheit dieses Satzes aber
gehört doch der Beweis desselben zu den verborgendsten Geheimnissen der höheren Arithmetik, so dass er, wenigstens wie
jetzt die Sachen liegen, nur mittelst der subtilsten Untersuchungen, welche die Grenzen dieser Abhandlung weit überschreiten
würden, geführt werden kann. Daher behalten wir uns die Veröffentlichung dieses Beweises sowie die Entwicklung des Zusammenhangs zwischen diesem Satze und denjenigen, welche
wir am Anfang dieser Abhandlung durch Induction [Beispiele]
festzustellen begonnen haben, für eine dritte Abhandlung vor.)
Übersetzung aus Hermann Maser (Hrsg.): Carl Friedrich Gauß’s
Untersuchung über höhere Arithmetik, Julius Springer, Berlin 1889.
p. 576.
24. Gauß hat sich in seinen Veröffentlichungen kaum je auf Resultate anderer bezogen.
25. Siehe J. reine angew. Mathematik 9 (1832), 379–389. Dirichlet Werke Band I, S. 173–188.
26. Siehe Commentatio secunda art. 67. Gauß Werke Band II, S.
93–148.
27. Siehe J. reine angew. Mathematik 28 (1844), 223–245.
Prof. em. Urs Stammbach, Mathematik, ETH-Zentrum
CH-8092 Zürich, Schweiz. [email protected]
Urs Stammbach, 1939 geboren, war Professor
für Mathematik an der ETH in Zürich, seit 2005
ist er emeritiert. Sein Hauptarbeitsgebiet war
die Homologische Algebra und ihre Anwendungen in der Gruppentheorie, insbesondere in der
modularen Darstellungstheorie. In den letzten
Jahren bearbeitete er gerne auch Themen aus
der Geschichte der Mathematik.
MDMV 21 / 2013 | 182–188
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