Inzucht

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Inzucht
Was ist Inzucht?
Inzucht ist die Zucht mit Tieren, die miteinander verwandt sind.
Wann sind zwei Tiere miteinander verwandt?
Zwei Tiere sind miteinander verwandt, wenn sie mindestens einen gemeinsamen Ahnen aufweisen.
Um die Betrachtungsgrundlage der verschiedenen Inzuchtberechnungen gegeneinander abzugrenzen, wurde im
Folgenden ein in Anführungsstrichen gesetzter Begriff verwendet und zwar:
a) "Absolute" Inzucht umfasst alle Tiere ohne Rücksicht auf die Anzahl der Ahnengenerationen - irgendwie sind
alle Hunde miteinander verwandt.
b) "Relative" Inzucht ist die Zucht mit zwei Tieren, die näher miteinander verwandt sind, als die Verwandtschaft
zweier zufällig aus der betr. Population herausgenommener Tiere.
c) "Praktische" Inzucht ist die, die auf einer notwendigen Vereinfachung der Berechnung des Inzuchtgrades
beruht und umfasst die Verwandtschaft von Tieren mit einer bestimmten Anzahl von Ahnengenerationen - im
VLD z.Z. 5 Generationen.
Wozu und wodurch Inzucht?
Tiere, die miteinander verwandt sind, ähneln sich eher als Tiere, die nicht miteinander verwandt sind. So wird
diese Tatsache genutzt, um Rassen zu bilden und um diese in ihrem Erscheinungsbild zu vereinheitlichen und zu
stabilisieren. D.h., dass die Zucht von Rassehunden innerhalb der Population immer durch mehr oder weniger
Inzucht geprägt ist
Inzucht wird aber auch angewendet, um z.B. den Genotyp von Tieren bzgl. bestimmter Merkmale durch eine
sogenannte Rückkreuzung (Zucht mit nahen Verwandten) festzustellen.
Was sind die Vor- und die Nachteile der Inzucht?
Der Vorteil der Inzucht liegt - wie vorher bereits erwähnt - in der Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes als
Folge der durch Inzucht ausgelösten Zunahme der Reinerbigkeit (Homozytogie).
Der Nachteil der Inzucht besteht darin, daß die Zunahme der Homozytogie nicht nur auf die förderungswürdigen (positiven) "gesunden" Merkmale beschränkt bleibt, sondern sie betrifft gleichermaßen auch "kranke" (negative) Merkmale. Da viele "Krankheiten" durch rezessive Gene hervorgerufen werden, die bei einem mischerbigen Individuum nicht sichtbar werden, sind Populationen von Tieren mit höherem Inzuchtniveau eher von
Krankheiten betroffen, als die mit niedrigem Inzuchtniveau. Außerdem verlieren die betroffenen Populationen,
durch die mit der Inzucht verbundene Einschränkung oder Verarmung des Genpools die Möglichkeit, sich auf
sich verändernde Bedingungen anzupassen.
Im allgemeinen zeigen sich die Nachteile einer erhöhten Inzucht im sogen. Fitnessverlust, der auch als Inzuchtdepression bezeichnet wird und sich z.B. in einer Verminderung der Fruchtbarkeit und der Vitalität zeigen kann.
Ist die Inzucht berechenbar?
Der Inzuchtgrad wird sowohl durch die Anzahl der gemeinsamen elterlichen Vorfahren als auch durch
die Anzahl der Generationen bis zu den einzelnen gemeinsamen Ahnen bestimmt.
Zur Berechnung des Verwandtschaftsgrades bzw. des sogen. Inzuchtkoeffizienten hat Sewell Wrigt folgende,
statistische Formel entwickelt:
IK = Σ((0,5)n1+n2-1 (1 – fA))
Darin bedeuten: n1 und n2 die Anzahl der Generationen vom Nachkommen zu dem betr. gemeinsamen Ahnen
väter- und mütterlicherseits, fA den Inzuchtkoeffizienten des betr. Ahnen.
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Diese Formel, die auch im VLD Anwendung findet - gibt einerseits die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein Genpaar an einem bestimmten Chromosomenort homozygot wird, andererseits gibt sie die wahrscheinliche Zunahme an homozygoten Genorten eines Einzeltieres bzw. einer Population an.
Um sich einen Überblick zu verschaffen, genügt die um den Inzuchtkoeffizienten der Ahnen gekürzten Formel
(siehe Artikel „Inzuchtermittlung“):
IK = Σ((0,5)n1+n2-1)
Weiterhin kann anhand der in einer Generation an der Reproduktion beteiligten Tiere die voraussichtliche künftige Steigerung der Inzucht dIK einer Population mit nR = Anzahl der Rüden und nH = Anzahl der Hündinnen,
die in der Zucht über einen bestimmten Zeitraum eingesetzt wurden, mit folgender Formel berechnet werden:
d IK = 1/((8 x nR) + 1/(8 x nH))
Welchen Einfluß hat die Zucht auf die Inzucht?
Um die Einflüsse auf die Inzuchtgröße zu verdeutlichen, sollen 2 fiktive Beispiele zum Verständnis beitragen.
1) Das "Schicksal" wurfstarker Rassen:
Ausgehend von 120 Welpen pro Jahr und bei Rasse A mit durchschnittlich 2 und Rasse B mit 6 Welpen pro
Wurf ergibt sich folgendes:
Rasse
Welpen/Jahr
Welpen/Wurf
Anzahl Würfe
Anz. Eltern R/H (max.)
Inzuchtsteigerung
A
120
2
120/2=60
60/60
0,42%
B
120
6
120/6=20
20/20
1,25%
Während bei Rasse A jeder Nachkomme wieder zur Zucht eingesetzt werden muß, sind es bei B nur 30%. Damit ist die Inzuchtsteigerung bei B rund 3mal so groß wie bei A.
Um die Populationsgröße zu erhalten, müssen sich mindestens 2 Nachkommen weiter reproduzieren - das gilt
sowohl für wurfstarke als auch für wurfschwache Rassen.
Wenn sich jedoch aus den Würfen mehr als 2 Nachkommen weitervermehren, dann müssen - gleiche Populationsgrößen vorausgesetzt - andere Nachkommen leer ausgehen. Das hat z.B. bei 4 Nachkommen dann aus der
Hälfte der Würfe eine Verdoppelung der Inzuchtsteigerung je Generation zur Folge.
Ebenso wirkt sich mehr als ein Wurf aus je 2 Nachkommen aus, denn auch hier müssten andere Nachkommen
auf die Reproduktion verzichten.
2) Der "normale" Verlust/Gewinn an genetischer Information der Eltern im Wurf ohne Inzucht:
Wurfstärke [n]
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
genetischer Verlust [%]
50,00
25,00
12,50
6,25
3,12
1,56
0,78
0,39
0,19
0,09
genetischer Gewinn [%]
50,00
75,00
87,50
93,75
96,88
98,44
99,22
99,61
99,81
99,91
Diese Tabelle zeigt, dass neben der Inzucht mit seinem genetischen Verlust noch ein zusätzlicher dadurch entsteht, wenn nicht mit allen Nachkommen gezüchtet wird. Wird z.B. aus einem Wurf nur mit zwei Nachkommen
weitergezüchtet, dann beträgt der von den Eltern auf diese Nachkommen übertragene genetische Teil (Gewinn)
nur 75% der gesamten Erbinformation der Eltern und der Verlust beträgt 25%.
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Welche züchterischen Maßnahmen wären nötig, um einen möglichst langen Fortbestand einer
Rasse zu sichern?
Kynologische Populationsgenetiker behaupten, dass eine Hunderasse nur dann auf Dauer „überleben“ kann,
wenn die Inzuchtsteigerung rein rechnerisch 5% in 50 Jahren nicht übersteigt. Diesen Wert werden eine ganze
Reihe von Rassen aufgrund ihrer „Populationskleinheit“ und dem derzeitigen Paarungsverhalten vermutlich
nicht einhalten können.
Um das „Überleben“ einer Rasse zu sichern bzw. den Niedergang möglichst weit hinauszuschieben, müsste die
Zucht auf möglichst viele Zuchttiere verteilt werden. Das würde drastische Reglementierungen erfordern, im
max. spektakulärsten Fall z.B.
pro 1 Rüde und 1 Hündin nur 1 Wurf und
aus einem Wurf nur 2 Nachkommen zur Zucht.
Derartige Forderungen würden vermutlich schnell an „menschliche Grenzen“ stoßen und vermutlich an diesen
scheitern. So wird man langfristig gesehen irgendwann in Probleme geraten, die die Züchter zu „unliebsamen“
Reglementierungen zwingen – wenn es dann nicht bereits zu spät ist.
Bei größeren Populationen besteht die Möglichkeit, innerhalb der Rasse zunächst mehrere, in sich geschlossene
Zuchtpopulationen zu bilden, um dann einen gewissen Austausch zwischen diesen vorzunehmen. Dieses
Verhalten würde zwar inzuchtmäßig nicht besonders erfolgreich sein, doch hätte es den Vorteil, dass insbesondere bei Auftreten von Problemen ein Ausgleich mit Hunden aus einer anderen Gruppe gefunden werden
kann.
Weiterhin besteht die Hoffnung, dass die Molekulargenetik weitere Fortschritte macht und „bezahlbar“ wird.
Sie könnte helfen, die Paarungen so anzulegen, dass die genetische Breite, die sich nicht – wie bisher – an statistischen Zufälligkeiten, sondern an realen genetischen Merkmalen orientiert, besser erhalten bleibt. Ausserdem
wird die Moleklargenetik immer mehr dazu beitragen, dass die genetischen Hintergründe von Krankheiten aufgedeckt und bei Paarungen und Zuchtzulassungen entsprechend berücksichtigt werden können um damit Erkrankungen zu vermeiden oder die genetische Grundlage sogar aus der Rasse zu verbannen.
Letztlich bleiben zur Erhaltung noch die Einkreuzungen „passender“ fremder Rassen mit einem genetisch fundierten und dynamischen Zuchtplan, der sowohl vom Verein und seinen Züchtern als auch von den Haltern einiges an Disziplin abverlangt um optimal wirksam werden zu können. Dazu ist sicherlich eine sehr gute Kenntnis der fremden Rasse notwendig, um sich keine bzw. möglichst wenige neue Probleme einzufangen.
H. Grigoleit
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