Die Bedeutung des Heilmittel- werbegesetzes für den - DOZ

Werbung
AKTUELL
Prof. Dr. jur. Sandra Hobusch,
Wolfsburg
werden, die das HWG neben § 7 bereithält.
Diese Beschränkungen sollten bei der
Werbung für Brillen und Kontaktlinsen mit
Korrektionswirkung berücksichtigt werden,
da ein Verstoß gegen das HWG in der Regel
auch eine unzulässige Wettbewerbshandlung darstellt, die eine entsprechende Abmahnung nach sich ziehen kann. Im Einzelnen sollen nachfolgend einige Tatbestände
der §§ 3, 6, 9 und 11 HWG erörtert werden.
Dabei soll schwerpunktmäßig auf die Werbung des augenoptischen Unternehmens
sich positiv über das beworbene Medizinprodukt geäußert, ohne dass die Äußerung
(vollständig) wiedergegeben wird.[10] Aussagen wie zum Beispiel „Tagtäglich gehen
begeisterte Briefe dankbarer Freunde ein.“,
„Natürlich sind das nur einige von den tausenden, uns unaufgefordert zugegangenen
Anerkennungen, die bei uns viele Mappen
füllen.“ oder „Dann gehören Sie bald zu
unseren tausenden glücklichen und zufriedenen Kunden.“ sind bereits von Gerichten
als unzulässig angesehen worden[11].
Die Bedeutung des Heilmittelwerbegesetzes für den
augenoptischen Betrieb
■ 1 Vorbemerkungen
Durch Art. 2 des zweiten Gesetzes zur
Änderung des Medizinproduktegesetzes
vom 13. Dezember 2001 [1] ist der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes
(HWG) erweitert worden, sodass ab dem
1. Januar 2002 einige Bestimmungen des
Gesetzes auch für die Werbung für Medizinprodukte und damit für Sehhilfen mit Korrektionswirkung gelten. Die Gesetzesänderung zielt auf eine verbesserte Information
der Laien ab, die häufig die Medizinprodukte ohne ärztliche oder andere fachliche Anleitung gebrauchen.[2] Nachdem der Änderung des HWG zunächst keine besondere
Bedeutung im augenoptischen Bereich beigemessen wurde, änderte sich die Situation
mit der Entscheidung des OLG Hamburg
vom 26. Februar 2004 [3] schlagartig. Das Gericht sah die Rabattankündigung und -gewähr für eine korrektive Brille – wegen des
Verstoßes gegen § 7 HWG – als unzulässige
Wettbewerbshandlung an und erweckte damit das HWG aus dem „Dornröschenschlaf“[4]. Die Bedeutung des § 7 HWG für
den augenoptischen Betrieb ist bereits von
RA Peter Schreiber, in der DOZ 5/2004[5]
und DOZ 6/2004[6] eingehend erörtert
worden.
In den nachfolgenden Ausführungen
sollen einige Einschränkungen aufgezeigt
36
gegenüber den Verbrauchern eingegangen
werden. Zu beachten ist jedoch, dass die
§§ 3 und 6 HWG auch auf die Werbung
gegenüber Angehörigen des Fachkreises[7],
also beispielsweise gegenüber anderen
Augenoptiker/innen und Augenärzten/
ärztinnen Anwendung finden.
■ 2 Werbung mit
Äußerungen Dritter
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG verbietet u.a.
die Werbung mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder
Empfehlungsschreiben. Dabei ist unerheblich, ob die Äußerung tatsächlich von einer
lebenden Person herrührt.[8]
Die diesbezügliche Rechtsprechung zur
Werbung für Heilmittel erweckt einen recht
restriktiven Eindruck. So hat beispielsweise
der BGH eine Anzeige für eine Hautcreme
mit einem Bild einer weiblichen Person und
deren Aussage „Bei Schuppenflechte und
Ekzemen: H. hat meiner Haut geholfen!“ für
unzulässig angesehen.[9] Entsprechend gestaltete Werbeanzeigen für Sehhilfen mit
Korrektionswirkung sind folglich ebenso
wenig gestattet.
Ferner verbietet § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11
HWG die Werbung mit Hinweisen auf Äußerungen Dritter. Unter solchen Hinweisen
sind Mitteilungen zu verstehen, Dritte hätten
Angesichts dieser restriktiven Rechtsprechung sind die Gefahren, die von den
Verboten des § 11 HWG ausgehen, nicht zu
unterschätzen. Insoweit ist vor allem zu
beachten, dass ein Verstoß gegen diese
Verbote wettbewerbsrechtlich relevant ist.
Gemäß § 3 UWG in Verbindung mit § 4 Nr.
11 UWG [12] ist eine Zuwiderhandlung gegen
ein Gesetz, das im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln soll,
eine unlautere Wettbewerbshandlung. Eine
solche Zielrichtung kommt dem § 11 Abs. 1
S. 1 Nr. 11 HWG zu. Diese Vorschrift reguliert
das unternehmerische Werbeverhalten zum
Schutz der kranken und um Kranke besorgten Menschen vor einer unsachlichen Beeinflussung, die davon ausgeht, dass dritte
Personen den Eindruck erwecken, sie könnten aufgrund besonderer Sachkunde und
eigener Erfahrung die Qualität des Produkts
beurteilen.[13]
■ 3 Werbung mit fremdoder fachsprachlichen
Bezeichnungen
Ein weiteres Verbot für die Werbung
für Sehhilfen mit Korrektionswirkung ist
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 HWG zu entnehmen.
Danach sind fremd- oder fachsprachliche
Bezeichnungen unzulässig, soweit sie nicht
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in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind. Diese Regelung zielt darauf ab,
den Verbraucher davor zu bewahren, dass er
zum einen durch die Anlockwirkung von
Fremd- und Fachbegriffen unüberlegt ein
Medizinprodukt kauft und zum anderen,
dass er das Produkt infolge eines Missverständnisses falsch gebraucht.[14] Angesichts
der Vielzahl der in der Fachwelt üblichen, für
den Laien nicht immer verständlichen Begriffe, wie zum Beispiel „memory metal effect“,
„Hioxifilcon-A-Material“ oder „Sub-MicronTechnologie“, soll an dieser Stelle auch auf
diese Regelung etwas näher eingegangen
werden.
Aus dem genannten Paragraphen folgt,
dass der Gebrauch von Fremd- und Fachbegriffen in der Werbung für korrektive Sehhilfen dann unschädlich ist, wenn diese bereits
in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind. Dieser bestimmt sich nach dem
Verständnis der Adressaten der Werbung.
Nur wenn die Begriffe innerhalb dieser
Adressatengruppe – also beispielsweise bei
den Verbrauchern als potentielle Kunden
eines augenoptischen Betriebes – allgemein
bekannt sind, werden sie als Bestandteil
des allgemeinen Sprachgebrauchs angesehen.[15] Dies wurde beispielsweise für den
Begriff „Engwinkelglaukom“ verneint.[16]
Bei der Ermittlung des allgemeinen Sprachgebrauchs stellen die Gerichte auf den sog.
unbefangenen Durchschnittskunden[17] bzw.
den durchschnittlich gebildeten medizinischen Laien[18] ab. Dieser Maßstab sollte bei
der Planung von Werbeaussagen beachtet
werden. Falls Zweifel über die Zulässigkeit von
fremd- oder fachsprachliche Bezeichnungen
bestehen, kann ein Verstoß gegen § 11 HWG
durch den Zusatz einer inhaltlich richtigen
und allgemeinverständlichen Aufklärung vermieden werden. Dieser muss jedoch so gestaltet sein, dass er einem flüchtigen Leser
oder Hörer nicht entgeht.[19]
■ 4 Werbung, die sich an
Kinder unter 14 Jahren
richtet
Eine weitere Einschränkung enthält das
HWG für die Werbung für korrektive Kinder-
sehhilfen. Die diesbezügliche Werbung ist
zwar nicht generell verboten. Jedoch dürfen
sich die Werbemaßnahmen für Sehhilfen
nicht ausschließlich oder überwiegend
an Kinder unter 14 Jahren richten (vgl. § 11
Abs. 1 S. 1 Nr. 12 HWG).
Der Begriff „Werbemaßnahmen“ ist sehr
weit und erfasst die verschiedensten Formen
einer Werbung, wie zum Beispiel Anzeigen,
Fernsehspots und Plakate.[20] Ob sich die
Werbung ausschließlich oder überwiegend
an Kinder unter 14 Jahren richtet, hängt nicht
von den Vorstellungen des Werbenden ab.
Vielmehr ist diese Tatbestandvoraussetzung
objektiv danach zu beurteilen, ob die Kinder
Adressaten der Werbebotschaft sind.[21] Dagegen wird nicht verlangt, dass die Kinder
auch Käufer des Produkts sind. Wegen des
kindlichen Drucks auf die Kaufentscheidung
der Eltern, kann eine Werbung nach § 11
Abs. 1 S. 1 Nr. 12 HWG unzulässig sein,
obwohl die Eltern die potentiellen Käufer
des Produkts sind.[22] Demnach ist
beispielsweise die Werbung für korrektive
Kinderbrillen in Kinderzeitschriften oder in
Schulen unzulässig.
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■ 5 Veröffentlichungen,
die den Werbezweck
verschleiern
Des Weiteren ist die Produktwerbung in
Veröffentlichungen, deren Werbezweck
missverständlich oder nicht deutlich erkennbar ist, verboten (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9
HWG). Veröffentlichungen in diesem Sinne
sind Druckerzeugnisse, die sich an eine
Vielzahl von Werbeadressaten wenden.[23]
Verboten ist jedoch nicht die Produktwerbung schlechthin, sondern die Täuschung
darüber. Typisches Erscheinungsbild einer
solchen verbotenen Werbung ist eine Anzeige in einer Tageszeitung, die wie ein redaktioneller Beitrag eines Verfassers gestaltet ist.
Deshalb ist zu beachten, dass, wenn für eine
Sehhilfe mit Korrektionswirkung nicht nur
mit „Schlagworten“, sondern mit einem
umfangreichen Textteil geworben werden
soll, die Werbeanzeige gleichwohl als eine
solche kenntlich gemacht werden muss.
Andernfalls droht auch in diesem Fall wegen
Verletzung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 HWG,
§ 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG eine
wettbewerbsrechtliche Abmahnung.
■ 6 Irreführende Werbung
Nach § 3 HWG ist eine irreführende Werbung für Medizinprodukte unzulässig. Eine
solche liegt beispielsweise vor, wenn fälschlich
der Eindruck erweckt wird, dass bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch
des Medizinprodukts keine schädlichen
Wirkungen eintreten (§ 3 S. 2 Nr. 2b HWG).
Vor diesem Hintergrund erscheint der
Streit um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs von Fertigbrillen im
Selbstbedienungshandel[24] in einem „neuen
Licht“.
Der Gebrauch einer Fertigbrille kann bei
demjenigen, der für sich eine nicht passende Brille auswählt, zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Da die Auswahlentscheidung nicht nur von der richtigen
Dioptriestärke, sondern auch von der richtigen Zentrierung der Gläser abhängt, besteht
eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit,
dass sich der Verbraucher ohne fachliche
Beratung für die falschen Brillengläser entscheidet. Das Ausmaß des von den Fertigbrillen ausgehenden Gefährdungspotentials
ist zwar medizinisch noch nicht abschließend geklärt. Jedoch lässt sich feststellen,
dass die Möglichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen, insbesondere asthenopi38
schen Beschwerden, vor allem bei längerem
Gebrauch einer falsch ausgewählten Brille
besteht. Diese Möglichkeit ist auch in den
bislang ergangenen wettbewerbsrechtlichen Gerichtsentscheidungen in Betracht
gezogen worden. Soweit der Vertrieb der
Fertigbrillen im Selbstbedienungshandel
gleichwohl für zulässig erachtet worden ist,
wurde dies u. a. mit dem Schutzzweck des
UWG begründet. Das UWG bezwecke den
Schutz der Verbraucher vor Gefahren, die
von der Art und Weise des Anbietens der
Ware, nicht aber von der Ware selbst, ausgehen. Nur wenn die Ware zwangsläufig zu
einem Gesundheitsschaden beim Verbraucher führe, komme ein Wettbewerbsverstoß
in Betracht.[25] Nach dieser Ansicht begründen mögliche Gesundheitsbeschwerden,
die von der Ware ausgehen, allein noch
keine Wettbewerbswidrigkeit.
Dagegen stellt sich die Situation unter
Beachtung des § 3 S. 2 Nr. 2b HWG anders
dar. Wie eingangs erwähnt verbietet diese
Regelung, dass der fälschliche Eindruck erweckt werde, der bestimmungsgemäße
oder längere Gebrauch habe keine schädliche Wirkung. Damit ist das Nichtvorhandensein von derartigen Wirkungen Objekt der
Irreführung nach § 3 S. 2 Nr. 2b HWG[26];
währenddessen nach dem UWG das
Gegenteil, das (zwingende) Vorhandensein
derartiger Wirkungen, für die Annahme einer Wettbewerbsverletzung verlangt wird.
Soweit also die Möglichkeit eines Schadens
besteht, muss auf diese zur Vermeidung
des fälschlichen Eindrucks im Sinne des
§ 3 HWG auf diese hingewiesen werden, da
andernfalls der Tatbestand durch Verschweigen erfüllt wird.
Demzufolge setzt der Vertrieb von Fertigbrillen im Wege der Selbstbedienung unter
Beachtung des HWG deutliche Warnhinweise zum richtigen Gebrauch voraus, wie
beispielsweise, dass die Brille weder zum
Dauergebrauch noch zum Gebrauch im
Straßenverkehr geeignet ist. Ferner empfiehlt
sich der Hinweis, dass die Kenntnis der
richtigen Dioptriestärke oder das Ausprobieren der Brille nicht in jedem Fall zur passenden Brille führt, da die richtige Zentrierung
der Gläser möglicherweise nicht gegeben
ist.
Im Hinblick auf mögliche Konesequenzen
ist zu beachten, dass eine irreführende
Werbung einen Rechtsbruch im Sinne des
§ 4 Nr. 11 UWG und damit zugleich eine
unlautere Wettbewerbshandlung bedeutet,
die möglicherweise eine Abmahnung nach
sich zieht.
■ 7 Werbung mit
Gutachten
Im Unterschied zur Arzneimittelwerbung
ist die Absatzwerbung für Medizinprodukte
mit Gutachten gegenüber Verbrauchern
nicht verboten (Umkehrschluss aus § 11
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 HWG). Jedoch sind
bei der Werbung mit Gutachten über Medizinprodukte die aus § 6 HWG resultierenden
Anforderungen zu berücksichtigen. Diese
gelten sowohl für die Werbung gegenüber
Verbrauchern als auch gegenüber den
Angehörigen des Fachkreises, zum Beispiel
gegenüber Augenärzten/ärztinnen oder
Augenoptiker/innen. Somit ist diese Regelung von besonderer Bedeutung für die
Werbung der Hersteller gegenüber augenoptischen Betrieben.
§ 6 HWG regelt im Wesentlichen drei verschieden Konstellationen: erstens die Werbung mit einem veröffentlichten Gutachten
oder Zeugnis. Nicht jede Äußerung begründet jedoch die Annahme eines solchen. Als
Gutachten wird eine schriftliche, fachliche
und umfassende Äußerung eines/einer Verfasser/in zu einem Untersuchungsgegenstand angesehen, die durch wissenschaftliche
Methodik und Aufbau geprägt ist.[27] Dagegen
stellt das Zeugnis meist keine umfassende
Würdigung, sondern die fachliche Beschreibung über bestimmte Tatsachen oder Beobachtungen eines Sachkundigen dar.[28]
Wenn produktbezogene Gutachten oder
Zeugnisse zu Werbezwecken erwähnt oder
veröffentlicht werden, so stellt § 6 HWG
folgende Anforderungen auf: Der/die Verfasser/in muss wissenschaftlich oder fachlich
dazu berufen sein. Das heißt es müssen
Sachkundige der jeweiligen Fachrichtung
sein, wie zum Beispiel Augenoptiker/innen
oder Augenärzte/ärztinnen im Hinblick auf
Brillen oder Kontaktlinsen. Des Weiteren sind
der Name, der Beruf und der Wohnort
des/der Verfasser/in sowie der Zeitpunkt der
Ausstellung des Gutachtens oder des Zeugnisses zu nennen.
Zweitens regelt § 6 HWG die Alternative,
dass in der Werbung auf wissenschaftliche,
fachliche oder sonstige Veröffentlichungen
Bezug genommen wird. In diesem Fall muss
zum einen angegeben werden, ob die
Veröffentlichung das Produkt betrifft, für das
geworben wird. Zum anderen müssen
Name des/der Verfasser/in sowie Zeitpunkt
und Fundstelle der Veröffentlichung genannt werden.
Drittens greift § 6 HWG die Werbung mit
Zitaten, Tabellen und sonstigen DarstellunDOZ 1-2005
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gen auf, die der Fachliteratur entnommen
worden sind. Insoweit gilt, dass diese Darstellungen originalgetreu übernommen
werden müssen. D.h. inhaltliche Veränderungen, wie z.B. Auslassungen oder Ergänzungen sind nicht zulässig. Ferner folgt aus
dem Urheberrecht, dass der/die Verfasser/in
und die Fundstelle zu kennzeichnen sind
(vgl. § 63 UrhG[29]).
■ 8 Fernbehandlung
Ferner ist die Werbung für eine Fernbehandlung unzulässig. Unter einer Fernbehandlung versteht das Gesetz die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten,
Leiden, Körperschäden oder krankhaften
Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden
Menschen oder Tier beruht (§ 9 HWG). Zu
beachten ist, dass nicht die Fernbehandlung
selbst verboten ist, sondern die (absatzmotivierte) Werbung für eine entsprechende
Diagnose und Therapie.
Auf den ersten Blick fragt sich, inwieweit
diese Regelung für den augenoptischen
Betrieb relevant ist. Denn welcher/welche
Augenoptikter/in wird seine Kunden mit
Sehhilfen versorgen, ohne sich ein Bild von
der Sehbeeinträchtigung gemacht zu haben.
Wirft man aber den zweiten Blick auf die
Internetseiten eines großen elektronischen
Auktionshauses, so wird man doch nachdenklicher. Aus der Vielzahl der Versteigerungen sei ein Beispiel genannt: Ein Augenoptikmeisterbetrieb bietet randlose Brillen
an, deren Glasform aus einer Datei ausgesucht werden kann, die auf Wunsch zugemailt wird. Das Einschleifen erfolgt kostenfrei. Die Glasstärke braucht der/die
Käufer/in, der/die die Brille ersteigert hat,
nur per Mail zu übersenden. Anschließend
wird die Brille mit den eingeschliffenen Gläsern gegen Vorkasse oder auf Rechnung
übersandt. Vor diesem Hintergrund lohnt es
sich, sich etwas näher mit dem Inhalt des aus
§ 9 HWG folgenden Verbots zu beschäftigen.
Zunächst ist festzustellen, dass zu den in
§ 9 HWG genannten Körperschäden auch
die nicht therapierbare Sehschwäche, mit
der der/die Augenoptiker/in zu tun haben,
gehört. Als Körperschäden werden die
grundsätzlich irreparablen Veränderungen
des Körpers, einzelner Organe oder Organteile, die keine Krankheit sind, angesehen.[30]
Gemäß § 9 HWG darf folglich nicht damit
geworben werden, eine Sehschwäche ohne
eigene Wahrnehmung erkennen – oder mit
anderen Worten: diagnostizieren – zu können. Allerdings wird eine derartige Werbung
ohnehin in der Praxis nicht anzutreffen sein,
da von ihr keine Anlockwirkung ausgeht.
Jeder Kunde weiß, dass die Sehschärfe nur
durch persönliche Untersuchung und
Augenscheinnahme richtig feststellbar ist.
Andererseits enthält § 9 HWG das weitere
Verbot, mit einer Behandlung ohne eigene
Wahrnehmung zu werben. Der Begriff „Behandlung“ ist im Sinne einer Therapie zu
verstehen.[31] Eine Fernbehandlung in diesem Sinne verlangt also, dass auf der
Grundlage von Symptomen und Befunden
ein Behandlungsvorschlag unterbreitet wird,
ohne den Kranken zuvor gesehen und
untersucht zu haben.[32] Im Hinblick auf Körperschäden ist jedoch zu berücksichtigen,
dass diese üblicherweise irreparabel sind, so
dass eine Therapie ausscheidet. Bei Körper-
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schäden geht es um eine Kompensation der
Beeinträchtigung, die aber begrifflich nicht
als Behandlung verstanden wird. Demzufolge steht § 9 HWG einem Vertrieb von Brillen per Internetauktion nicht entgegen. Der
Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass für diese Vertriebsform (ebenso wie bei dem Verkauf von Fertigbrillen im
Selbstbedienungshandel) § 3 S. 2 Nr. 2b
HWG von Bedeutung ist. Die Brillengläser
sind zwar auf die Dioptriestärke, nicht aber
auf die anderen Faktoren, die die Sehschärfe
beeinflussen, abgestimmt. Folglich sind
auch beim Vertrieb per Internetauktion die
bereits oben beschriebenen Gefahrenhinweise notwendig.[33]
■ 9 Zusammenfassung
Die vorstehenden Ausführungen geben
einen Einblick in den Regelungsgehalt des
HWG. Weitere Normen, die für die Werbung
für korrektive Sehhilfen gelten, sind in
§ 3 und § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und 8 HWG zu
finden. Eine konsequente Anwendung des
HWG führt zu deutlichen Einschränkungen
der möglichen Werbemaßnahmen eines augenoptischen Unternehmens gegenüber
den Verbrauchern, da eine Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung darstellt.
Nach § § 3, 4 Nr. 11 UWG ist eine Handlung
wettbewerbswidrig, wenn sie gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine
derartige wettbewerbsbezogene Norm liegt
im Fall des HWG vor, da der Gesetzgeber
mit diesem den Wettbewerb im Interesse
der Volksgesundheit ordnen wollte.
Soweit die Zuwiderhandlung gegen das
HWG zugleich geeignet ist, den Wettbewerb
zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder anderer Marktteilnehmer nicht
nur unerheblich zu beeinträchtigen (was regelmäßig der Fall sein wird), kann sie abgemahnt werden (vgl. § § 3, 8, 12 UWG). Eine
berechtigte Abmahnung wiederum hat zur
Folge, dass das wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen die diesbezüglichen erforderlichen Aufwendungen des Abmahnenden zu tragen hat (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2
UWG). Soweit es zu keiner außergerichtlichen Klärung kommt, besteht die Gefahr
eines anschließenden Gerichtsverfahrens
mit entsprechendem Prozess- und Kostenrisiko. Dabei muss man davon ausgehen,
dass es in vielen Detailfragen einer zulässigen Werbung für korrektive Sehhilfen noch
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keine gefestigte Rechtsprechung gibt, da das
HWG in diesem Bereich erst seit etwa drei
Jahren Anwendung findet. Insoweit bleibt
also die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten.
Die Regelungsstrenge des HWG wirft aber
auch die Frage auf, ob die Vielzahl der
Verbote für den Markt der augenoptischen
Medizinprodukte notwendig ist. Bestimmte
Werbeformen, wie zum Beispiel das Gewähren von Rabatten, sind Vertriebsmechanismen, die sich über einen längeren Zeitraum
auf diesem Markt etabliert haben, ohne dass
sie die Gesundheit der Verbraucher wirklich
gefährden. Anders als beim Kauf von Hautsalben, vermeintlichen Schlankheitsmitteln
oder Blutdruckmessgeräten wird die Entscheidung des Verbrauchers, ob er eine
Sehhilfe mit Korrektionswirkung erwirbt,
von der Notwendigkeit, eine solche tragen zu müssen, bestimmt. Möchte er dagegen eine Sehhilfe aus modischen oder anderen Gründen tragen, so entschließt er sich
zu einer Sehhilfe mit „Fensterglas“. Diese ist
jedoch mangels Korrektionswirkung kein
Medizinprodukt und unterliegt damit nicht
den Bestimmungen des HWG.
Die Werbung beeinflusst deshalb „nur“
die Entscheidung, bei welchem Anbieter er
sie erwirbt. Im Hinblick auf diese „Wo“-Entscheidung ist der Verbraucher vor den
Gefahren eines fehlerhaften Produkts oder
einer unsachgemäßen Beeinflussung seiner
Kaufentscheidung bereits durch die seitens
der Anbieter zu erfüllenden Zugangsvoraussetzungen, die z.B. aus der Handwerksordnung und dem SGB V folgen, sowie durch
die Bestimmungen des UWG geschützt.
Letzterem ist beispielsweise auch ein besonderer Schutz der Kinder, wie ihn § 11 Abs. 1
S. 1 Nr. 12 HWG bezweckt, zu entnehmen.
Nach § 4 Nr. 2 UWG ist eine Wettbewerbshandlung, die geeignet ist, die geschäftliche
Unerfahrenheit von Kindern auszunutzen,
unlauter. Insoweit wäre mit Sinne einer
Deregulierung eine gesetzgeberische Einschränkung des Anwendungsbereichs des
HWG durchaus wünschenswert.
Anschrift der Autorin:
Prof. Dr. jur. Sandra Hobusch
Fachbereich Gesundheitswesen
Fachhochschule Wolfsburg
Rothenfelder Str. 10
38440 Wolfsburg
Literaturangaben
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
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[26]
[27]
[28]
[29]
[30]
[31]
[32]
[33]
BGBl. I S. 3586.
Vgl. Begr. d. RegE, BTag-Drucks. 14/6281, S. 39.
OLG Hamburg, Urt. v. 26.02.2004, 3 U 142/03.
Schreiber, Peter, Rabatte für Sehhilfen verboten, DOZ
2004, Heft 5, S. 8 ff.
Ebenda.
Schreiber, Peter, Sonderangebote erlaubt - Sondervorteile verboten, DOZ 2004, Heft 6, S. 8 f.
Vgl. zum Begriff § 2 HWG.
Vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1992, I ZR 215/90, GRUR 1992,
874 [875] mwN; Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz,
2. Auflage, München 2000, § 11 Nr. 11, Rdnr. 11 mwN.
BGH, Urt. v. 02.07.1992, I ZR 215/90, GRUR 1992, 874 ff.;
weitere Beispiele bei bei Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 8), § 11 Nr. 11, Rdnr. 21.
Vgl. auch Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O.
(Fn. 8), § 11 Nr. 11 Rdnr. 20.
Siehe Aufstellung bei Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 8), § 11 Nr. 11 Rdnr. 22 mwN.
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom
03.07.2004, BGBl. I S. 1414.
Vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1992, I ZR 215/90, GRUR 1992,
874 [875] mwN.
Vgl. Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, Köln u.a. 2001, § 11 Abs. 1 Nr. 6 Rdnr. 1.
Vgl. Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 11 I Nr. 6 Rdnr. 8 mwN.
BGHZ 114, 354 ff.: Der BGH untersagte die Werbung für
ein rezeptfreies Kreislaufmittel, weil die in der Werbeanzeige genannten Gegenanzeigen, zu denen u. a. der
Engwinkelglaukom gehörte, fremd- und fachsprachliche Begriffe seien, die keinen Eingang in den deutschen
Sprachgebrauch gefunden hätten. Da es sich bei den
Gegenanzeigen um Pflichtangaben im Sinne des Arzneimittelgesetzes handelte, verlangte der BGH eine allgemeinverständliche Erläuterung.
Vgl. BGH, Urt. v. 02.07.1992, I ZR 215/90, GRUR 1992,
874 [875].
Vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.09.1969, 6 U 11/68,
GRUR 1995, 510 [513], Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 8), § 11 Nr. 6 Rdnr. 30 mwN.
Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 8), §
11 Nr. 6 Rdnr. 34 mwN.
Siehe auch Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 11 Abs. 1 Nr. 12 Rdnr. 12.
Siehe auch Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 11 Abs. 1 Nr. 12 Rdnr. 13.
Siehe auch Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 11 Abs. 1 Nr. 12 Rdnr. 13.
Siehe auch Bülow, Peter, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 11 Abs. 1 Nr. 9 Rdnr. 3.
Zulässigkeit bejahend vgl.: BGH, Urt. v. 20.06.1996, I ZR
113/94, NJW 1996, 3078 ff., OLG Düsseldorf, Urt. v.
14.04.1994, 2 U 49/93, OLGR Düsseldorf 1994, 134 ff.,
OLG Frankfurt, Urt. v. 13.07.1989, 6 U 106/88, GRUR
1990, 287; Zulässigkeit ablehnend vgl.: OLG München,
Urt. v. 26.11.1981, 6 U 2480/81, GewArch 1982, 241 f., LG
Berlin, Urt. v. 24.09.2002, 102 O 66/02.
Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 20.06.1996, I ZR 113/94, NJW
1996, 3078 [3079].
Vgl. Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 8),
§ 3 Rdnr. 97.
Ring, Gerhard, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz,
a.a.O. (Fn. 14), § 6 Rdnr. 8.
Ring, Gerhard, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz,
a.a.O. (Fn. 14), § 6 Rdnr 10.
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
vom 09.09.1965, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch
Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.09.2003, BGBl. I, 1774.
Siehe auch Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O.
(Fn. 8), § 1 Rdnr. 54 mwN.
Vgl. auch Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O.
(Fn. 8), § 9 Rdnr. 12, Bülow, Peter, Ring, Gerhard, in: Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O. (Fn. 14), § 9
Rdnr. 4.
Vgl. auch Doepner, Ulf, Heilmittelwerbegesetz, a.a.O.
(Fn. 8), § 9 Rdnr 9.
Vgl. unter Ziffer 6.
DOZ 1-2005
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