MEDIZIN Professor Hehr lässt sich von einem Techniker den neuen Bestrahlerkopf des Linearbeschleunigers erklären. Dank neuer Technik arbeiten die beiden Beschleuniger des Marienhospitals jetzt noch genauer und schneller Strahlentherapie expandiert Das Marienhospital möchte ab 2014 im Robert-Bosch-Krankenhaus eine Zweigpraxis betreiben Das Marienhospital verfügt über eine modern ausgestattete Klinik für Strahlentherapie. Die beiden zur Abteilung gehörenden Linearbeschleuniger helfen bei vielen Erkrankungen: Das reicht vom harmlosen, aber schmerzhaften Fersensporn bis zum bösartigen Tumor. L inearbeschleuniger (Linacs) ermöglichen die präzise Bestrahlung tief im Körper sitzender Tumoren. Die Geräte sorgen dank ihrer speziellen Technik dafür, dass die Strahlung erst im Körperinneren, direkt am Krebsherd, ihre Wirkung entfaltet und dort das bösartige Gewebe zerstört. Umliegende gesunde Körperstrukturen und Organe werden dagegen soweit wie möglich geschont. sensporn oder ein Tennisellbogen können durch Strahlentherapie beschwerdefrei werden. 1988 noch eine Besonderheit Der erste Linearbeschleuniger wurde im Marienhospital bereits 1988 installiert. Außerhalb von Universitätskliniken waren die Geräte damals noch eine Besonderheit; nicht nur wegen der enormen Anschaffungskosten, sondern auch, weil für ihren Betrieb hoch spezialisierte Ärzte, Physiker und medizinisch-technische Radiologieassistenten erforderlich sind. Weil das Marienhospital besonders viele Krebspatienten behandelt, die von modernen Linacs stark profitieren, ging hier schon 1993 ein zweites Gerät in Betrieb. In regelmäßigen Abständen von wenigen Jahren werden die beiden Beschleuniger immer wieder modernisiert oder gegen neue Geräte ausgetauscht. Vom Fersensporn bis zum Tumor Präzisere Krebstherapie „Linacs haben mit dazu beigetragen, dass Krebs heute besser behandelt und öfter geheilt werden kann als noch vor einigen Jahrzehnten“, erläutert Professor Dr. Thomas Hehr. Der Mediziner ist ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Palliativmedizin am Marienhospital. Doch auch bei harmloseren Erkrankungen hilft die Bestrahlung. Ein schmerzhafter Fer- 12 marien 1/2013 Der Tisch bewegt sich jetzt Die letzte große, rund eine halbe Million Euro teure Modernisierungsaktion durchliefen die beiden Linacs im Herbst 2012. „Sie haben Software­ updates und neue Hardwarebestandteile erhalten“, sagt Professor Hehr. Die Bestrahlerköpfe der Geräte etwa wurden auf den neuesten Stand gebracht. Sie ermöglichen mit 80 einzeln verstellbaren Bleilamellen eine noch variablere Formung des Bestrahlungsfeldes. Der Tisch, auf dem der Patient während der Behandlung liegt, kann zudem jetzt per Fernsteuerung vom Kontrollraum des Linacs aus zügig in die richtige Bestrahlungsposition gefahren werden. Für die medizinisch-technischen Radiologieassistenten entfallen so häufige Wegstrecken vom Kontroll- zum Bestrahlungsraum, in welchem sich der Patient befindet. Der Patient muss dadurch weniger lange in der für ihn häufig unbequemen Behandlungsposition verharren. MEDIZIN Das Marienhospital wird ab 2014 auch im Robert-BoschKrankenhaus zwei Linearbeschleuniger betreiben 1200 Patienten pro Jahr Im Marienhospital werden jährlich rund 1200 Patienten mit den zwei Linacs bestrahlt. Meist wird die Bestrahlung ambulant durchgeführt, also ohne dass für den Patienten ein stationärer Klinikaufenthalt erforderlich ist. Je nach Erkrankung und Behandlungsziel erfolgt die Bestrahlung ein- bis zweimal täglich über einen Zeitraum von ein bis sieben Wochen. „Wegen der großen Patientennachfrage müssen wir oft Bestrahlungstermine am späten Abend vergeben“, so Professor Hehr. Von der neuen Hard- und Software verspricht er sich eine zügigere Behandlung und geringere Ausfall- und Wartungszeiten der Geräte. „Wir hoffen so, die Warte A Linearbeschleuniger können Tumore millimetergenau bestrahlen zeit für unsere Patienten reduzieren und die Verlässlichkeit der Termine verbessern zu können. Außerdem werden wir mehr Termine innerhalb der Kernarbeitszeit vergeben können“, sagt der Chefarzt. sicheren Therapieräume ist dabei so teuer wie die Anschaffung der Geräte selbst. Betrieben werden soll die Strahlentherapie des Robert-Bosch-Krankenhauses dann von Ärzten und weiteren Fachleuten des Marienhospitals. 2014 im Robert-Bosch-Krankenhaus Die Strahlentherapie des Marienhospitals genießt in der Umgebung ein hohes Renommee. Auf das Know-how der Klinik greift nun auch das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) zurück. Das Marienhospital strebt an, ab 2014 am RBK zwei Linearbeschleuniger zu betreiben, die inklusive Baumaßnahmen rund 10 Millionen Euro kosten werden. Der Bau der strahlen- Die Patienten profitieren „Davon, dass wir am RBK zwei weitere Linacs in Betrieb nehmen, profitieren auch Marienhospital-Patienten“, so Professor Hehr. Denn insbesondere, wenn eines der Geräte ausfalle oder gewartet werden müsse, komme es für die Patienten bislang häufig zu empfindlichen Terminengpässen. Zwei weitere Linearbeschleuniger könnten hier für eine Entlastung sorgen. rk So funktioniert ein Linearbeschleuniger ufgabe eines Linearbeschleunigers (englisch: linear accelerator = Linac) ist die Behandlung von Tumor- und anderen Erkrankungen mittels energiereicher Elektronen- oder Photonenstrahlung. Ein stromdurchflossener Draht sendet Elektronen aus (1). Diese werden in einem Vakuumrohr (2) von einer im Magnetron (3) erzeugten hochfrequenten elektronischen Welle mitgerissen und auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Die beschleunigten Elektronen können direkt für die Therapie oberflächlicher Tumore benutzt werden. Häufiger – nämlich für die Therapie tiefer im Körper liegender Tumore – wird aber Photonenstrahlung benötigt. Diese erhält man, indem man die beschleunigten Elektronen auf ein Target („Zielscheibe“) (4) aus Wolfram treffen lässt. Die Elektronen werden dadurch abrupt abgebremst, wobei Photonen entstehen. Diese können aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften im Vergleich zu Elektronen weiter ins Gewebe eindringen. Dadurch kann der Linearbeschleuniger auch tief im Körper sitzende Tumoren bestrahlen und somit unschädlich machen. ➌ ➍ ➋ ➊ ➎ ➏ Im Strahlerkopf (5) des Linearbeschleunigers sind zahlreiche Komponenten enthalten, um den Strahl (6) zu überwachen und das Bestrahlungsfeld exakt so zu formen, dass der Tumor von der Strahlung getroffen, umliegendes gesundes Gewebe aber weitestgehend geschont wird. aktuell1/2013 4/2009 marien 133