Benditos Malditos Tanzstück von Goyo Montero MATERIALMAPPE Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebes Publikum, ein Potpourri an Gefühlen zaubert Goyo Montero mit dem Ballett „Benditos Malditos“ auf die Bühne. Hintergrundinformationen zu Monteros Auftaktchoreographie als Ballettchef am Staatstheater Nürnberg bietet die vorliegende Materialmappe. Montero selbst erläutert in einem Interview seinen Zugang zu dem Stück und verdeutlicht dabei seinen Respekt vor den Gedichten und Musikstücken, die die Basis der Choreographie bilden. Die Theaterpädagogik des Staatstheaters bietet zur Inszenierung von „Benditos Malditos“ sowohl vorstellungsvorbereitende als auch vorstellungsnachbereitende Workshops und Gespräche für Schülerinnen und Schüler an. Wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen sowie szenisch-musikalische Arbeitsmaterialien zur Unterrichtsgestaltung benötigen, können Sie sich gerne an mich wenden. Mit herzlichen Grüßen, Gudrun Bär Theaterpädagogin Kontakt: Staatstheater Nürnberg u18plus: junges publikum Theaterpädagogin Gudrun Bär Telefon: 0911-231-6866 Email: [email protected] 2 Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ WIR SIND ALLE GESEGNETE VERDAMMTE GOYO MONTERO ÜBER SEIN BALLETT „BENDITOS MALDITOS“ UND DEN SCHMERZ DER LIEBE Nachdem sich die Compagnie bereits anlässlich der Präsentation des neuen Ensembles im Opernhaus dem neugierigen Publikum mit großem Erfolg vorstellen konnte, kommt nun die „Stunde der Wahrheit“: Goyo Montero zeigt seine erste vollständige Choreografie. Warum hast Du „Benditos Malditos“ als erste Produktion ausgewählt? Goyo Montero: „Benditos Malditos“ begleitet mich bereits seit vielen Jahren, es ist meine vielleicht persönlichste Arbeit, weil sie mit meiner Biografie, meinem Werden als Choreograf eng verbunden ist. Jetzt, da sich mein Traum von einer eigenen Compagnie hier am Staatstheater Nürnberg erfüllt hat, lag es für mich nahe, meine Compagnie und mich selbst mit dieser Arbeit zu präsentieren. Du sprachst von unterschiedlichen Vorstufen der Choreografie. Wie ist das zu verstehen? Goyo Montero: Die Keimzelle von „Benditos Malditos“ bildet die Choreografie „El Día de la Creacíon“, die ich 2006 für das Ballet Nacional de Cuba gemachte habe. Dabei kombinierte ich Vinicius de Moraes Song „El Día de la Creacíon“ erst mit vier, später mit acht Gedichten von Joaquín Sabina. Damit war ein Grundthema von „Benditos Malditos“ angeschlagen: Wir sind alle „Gesegnete Verdammte“, wie es in dem titelgebenden Gedicht von Sabina heißt. Als Tänzer, die wir einen Traumberuf mit Knochenarbeit erkaufen sowieso – aber vor allem auch als Liebende. Es geht um die Spielarten der Liebe, den Verlust von Liebe, das Leiden an der Liebe, die Sehnsucht, das Verzücken ... Mit „El Día de la Creacíon“ hast Du in Habana die V. Iberoamerican Competition of Choreography gewonnen. Wie ging es dann weiter? Goyo Montero: Ich beschloss, das bestehende choreografische Grundgerüst aufzubrechen und zwischen die Gedichte von Joaquín Sabina Lieder und Songs zu stellen, die die Stimmungen auffangen, weiterführen oder kontrastieren. Darunter sind wiederum zwei Choreografien - „Amor dov‘è la fe‘“ von Claudio Monteverdi und „Come Again“ von John Dowland - die ich in anderen Zusammenhängen bereits gemacht hatte. Und so kam „Benditos Malditos“ schließlich 2007 beim Festival „Veranos de la Villa“ in Madrid zur Uraufführung. Geht man die verwendeten Kompositionen durch, dann erstaunt auf den ersten Blick die Zusammenstellung: da steht Franz Schubert neben Luz Casal, Vinicius de Moraes neben Tom Waits, John Dowland neben Manuel Penella und Joan Manuel Serrat neben Claudio Monteverdi. Goyo Montero: Mit allen verbindet mich emotional sehr viel – es ist der Humor und der Schmerz, Melancholie und Bitternis, Nostalgie und Ironie. Bitter und süß zugleich, das ist der Geschmack dieser Musik. Durch die Hereinnahme dieser Songs und Lieder wurde das Thema meiner Choreografie aber auch erweitert: zu einem Ballett über die menschliche Stimme und ihre Ausdrucksmöglichkeiten. Und die Bandbreite der Emotionen und Farben ist so groß, dass ich mit diesem Stück wohl niemals an ein Ende kommen werde. Vielleicht mache ich in zehn Jahren eine Choreografie mit dem Titel 3 Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ „Benditos Malditos“, die viel naiver – oder aber viel zynischer ist. Wer weiß? Ein bisschen erinnern mich der Umgang mit Musik und die Stimmungen an die Filme von Pedro Almodovar ... Goyo Montero: Ich liebe Almodovar, vor allem seine frühen Filme. Als die in Spanien herauskamen, war das wie ein Wunder. Und ich habe sehr viel durch Filme über die Verwendung von Musik gelernt – darüber, wie sich Emotionen mit ihrer Hilfe transportieren lassen. Dann gibt es natürlich in diesen Filmen die ganzen Verrücktheiten der Liebe. Und wenn Caetano Veloso in „Sprich mit ihr“ singt, ist das einfach großartig. Aber ich liebe auch Federico Fellini, Akira Kurosawa, Werner Herzog, Werner Fassbinder, Ingmar Bergmann, Quentin Tarantino ... (die Aufzählung wird immer länger und muss an dieser Stelle unterbrochen werden) Zurück zu „Benditos Malditos“: Marina Miguélez und Fernando Morales sind die einzigen Mitglieder der Compagnie, die bereits in „Benditos Malditos“ getanzt haben. Was hat sich durch die Arbeit mit den neuen Tänzerinnen und Tänzern für Dich in der Choreografie verändert? Goyo Montero: Das ist erstaunlich, ich habe auf den ersten Blick an der Choreografie nichts geändert, und dennoch ist es ganz anders. Das liegt zum einen daran, dass die Compagnie viel größer als bei der Uraufführung ist. Dadurch musste ich die Ensemblenummern neu anlegen. Zum anderen ist es extrem spannend für mich zu erleben, wie meine Choreographie durch die neuen Tänzer mit Leben erfüllt wird, sich als beständig erweist und sich dennoch kraft der Tänzerpersönlichkeiten im einzelnen individuellen Ausdruck verändert. Da reicht bereits ein Blick, eine Kopfhaltung, e ine Geste. Bei der Uraufführung von „Benditos Malditos“ in Madrid hast Du selbst mitgetanzt – wird Dich das Nürnberger Publikum auch auf der Bühne erleben können? Goyo Montero: Ja, zusammen mit Laura Hidalgo. Wir tanzen den Pas de deux zu Joan Manuel Serrats „Romance de Curro El Palmo“. Aber ich werde nicht immer tanzen, und ich habe auch nicht vor, weiter als Tänzer zu arbeiten. Für mich ist es ein Akt der Solidarität mit der Compagnie: wir stellen uns alle zum ersten Mal vor! Es ist viel Arbeit, macht aber auch sehr viel Freude. Und wir wachsen durch diese Erfahrungen zu einer Truppe zusammen. Außerdem kann ich so auf meine ursprüngliche Weise zeigen, wer ich bin, wie ich meine Arbeit interpretiere. Warum hast Du diese Romanze gewählt? Goyo Montero: Lange Jahre habe ich davon geträumt, die „Romanze von Curro El Palmo“ zu vertanzen. Sie ist für mich einfach perfekt in ihrer Verschmelzung von Text und Musik. Deshalb bin ich mit großem Respekt an die Arbeit herangegangen. Und: Es ist die Geschichte einer unglücklichen Liebe. Ein kleiner Mann liebt eine große, schöne Frau, seine Liebe wird nicht erwidert. Dieser Schmerz bestimmt sein ganzes weiteres Leben. Ich habe zwar das Glück, nie so vergeblich geliebt zu haben, aber ich bin auch ein kleiner Mann ... Die Fragen stellte Johann Casimir Eule. (aus „Impuls“, monatliches Theatermagazin, Ausgabe Dezember 2008) 4 Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ „Benditos Malditos“ basiert ursprünglich auf einer Choreographie für das Balett Nacional de Cuba, mit der Goyo Montero die „5th Iberoamerican Competition of Choreography“ gewann. Es ist ein persönlicher Tribut Goyo Monteros an die Stimmen solcher Dichter, Songwriter und Komponisten wie Joaquín Sabina, Vinícius de Moraes, Joan Manuel Serrat, Luz Casal und Tom Waits, aber auch John Dowland und Fra nz Schubert, die mit ihrem je eigenen unverwechselbaren Klang den Beladenen und Zerrissenen eine Stimme gegeben haben und von der bitteren Süße des Lebens zu berichten wissen. Getragen von einer Atmosphäre des Schmerzes und der Freude, der Wehmut und des Aufbegehrens choreographiert Goyo Montero dazu einen Reigen menschlicher Existenzen, ihr überwiegend einsames und zweisames Suchen, Werden und Vergehen. Joaquín Sabina BENDITOS MALDITOS GESEGNETE VERDAMMTE Benditas sean las bajas pasiones Gesegnet seien die niederen Leidenschaften, die nicht zerreißen, wenn sie Säbel malen, die Lippen, die jeden Winkel ausnutzen, je verborgener, desto unvergesslicher. que nos se rajan cuando pintan sables los labios que aprovechan los rincones más olvidados,más inolvidables Malditos sean los bobos con medalla, Verdammt seien die Idioten mit Medaillen die rechtschaffenen Bürger, die Verräter, die Kandidaten („Schließt die Stadtmauern!“), die Asketen auf Drei-Gänge-Menü-Diät, die Gesalbten, die Serienführer, die mit dem Kopf einen Strafstoß erzielen, diejenigen, die die Stimme der Mittellosigkeit ignorieren, diejenigen, die den Gott der Gewissheit verehren Verdammt seien die natürlichen Todesfälle, diejenigen, die in Monatsraten küssen und alle vier Monate beichten. los probos ciudadanos,los chivatos, los candidatos (cierra la muralla), los ascetas a dietas de tres platos, los ungidos, los líderes en serie, los que tiran penaltis de cabeza, los que ignoran la voz de la intemperie, los que adoran al Dios de la certeza, malditas sean las muertes naturales, los que besan a plazos mensuales y se confiesan en cuatricomía. 5 Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ PRESSESTIMMEN Gottesdienst der Leidenschaft Einen besseren Auftakt hätten sich Nürnbergs neuer Ballettchef Goyo Montero und seine frisch zusammengestellte Compagnie nicht wünschen können. Mit «Benditos Malditos« entfachten die 18 Tänzerinnen und Tänzer am Samstag in der Tafelhalle einen atemberaubenden, schwindlig machenden Wirbel, der das Publikum tief in jene emotionalen Gefahrenzonen hineinzog, in denen Liebe und Wut, Schmerz und Einsamkeit, Leidenschaft und Verzweiflung auf das Engste verschlungen sind und einander ständig gegenseitig befeuern. [...] Mit dieser Mischung für die über Jahre in mehreren Schichten gewachsene Choreografie gewährt der 1975 in Madrid geborene Montero aber auch einen tiefen Einblick in seinen persönlichen lyrisch-ästhetischen Kosmos – und er nimmt das Publikum mit in hierzulande weitgehend unbekannte Gefilde der spanischsprachigen Poesie. Es ist sehr reizvoll, schlicht der Wortmelodie und dem Rhythmus der kurzen Gedichte Sabinas – sie kommen, wie auch die Musik, vom Band – zu lauschen. Und es ist sogar von Vorteil, wenn man des Spanischen nicht mächtig ist und erst später im Programmheft die deutsche Übersetzung liest: So behält der Tanz in dem Moment, in dem er sich ereignet, eine größere Offenheit und Vieldeutigkeit [...] Manche dieser Formationen kommen dem klassischen Ballett-Begriff sehr nahe oder erinnern mit ihrem Willen zur Schönheit an die Bewegungsästhetik alter Revuefilme. Das gesprochen beginnende und sich unter jazziger Begleitung beschleunigende «El día de la creacíon« steigert die Ensemblebewegung zur getanzten Liturgie: Nach Mathilde van de Wieles berührend einsamem Solo zu Verdis «Ave Maria« ist im Finale der Aufschwung zur religiösen Ebene vollendet: Tanz als Gottesdienst der Leidenschaften. Die neue Nürnberger Compagnie entzückt an diesem Abend mit explosiver Energie, mit souveräner Technik und unbedingter Lust am Tanz. Montero und seine Tänzer haben die Herzen des Nürnberger Publikums im Sturm erobert. Begeisterter Applaus. Und hier die dringende Empfehlung, «Benditos Malditos« nicht zu verpassen. Thomas Heinold Nürnberger Zeitung - 15.12.2008 Tanz, Ton und Texte – mehr benötigt Goyo Montero nicht, um beim Nürnberger Publikum einen Volltreffer zu landen. Der neue Ballettchef erntete für seine erste Premiere in der ausverkauften Tafelhalle minutenlangen Beifall, begeistertes Stampfen und (für Franken) ungewöhnlich überschwängliche Lobeshymnen. [...] Dadurch, dass der 33-jährige bei seiner ersten vollständigen Choreographie auf Tanz pur setzt, treten jedoch die Leistungen der 18 Tänzerinnen und Tänzer umso besser in den Vordergrund. Und das ist gut so. Die frisch formierte Compagnie präsentierte sich überaus tanzfreudig, imponierte mit zum Teil akrobatischen Höchstleistungen und offenbarte eine große Sensibilität für die vorgegebenen Texte. Man musste die deutsche Übersetzung der spanischen Poesie im Programmheft nicht gelesen haben, um den Inhalt zu verstehen. Da ist zum Beispiel das eindrückliche Solo von Saúl Vega zu John Dowlands Liebeslied „Come Again“. Mit wagemutigen Sprüngen und Drehungen setzt er das Pendeln zwischen Einsamkeit und Sehnsucht in Szene. Zu Tom Waits „The Briar And The Rose“ ahmt das Ensemble sich öffnende und wieder schließende Blütenblätter nach. Und bei der „Romance De Curro El Palmo“ von Joan Manuel Serrat bewegt sich der Ballettchef selbst wie ein leichter und eleganter Wirbelwind über die Bühne. Erst zum Schluss deutet sich so etwas 6 Staatstheater Nürnberg – Materialien „Benditos Malditos“ wie eine Art Leitlinie an, die die 19 Nummern miteinander verbindet: Die tänzerische Qualität des Ensembles ist der eigentliche rote Faden – und der trägt bis zum Schluss. Günter Kusch Der Neue Tag - 16.12.2008 Viel Applaus für den neuen Ballett-Chef Mit seiner Choreographie "Benditos Malditos" hat der neue Ballettdirektor Goyo Montero am Samstagabend in der Tafelhalle in Nürnberg einen gelungenen Einstand gefeiert. Langer Applaus belohnte die engagierte Darbietung des jungen Ensembles [...] Entstanden ist eine emotionale, gefällige Komposition von spannungsreichen Solonummern, berührenden Pas de deux und temperamentvollen Ensembleauftritten rund um Liebe und Einsamkeit, Werden und Vergehen. Das 18-köpfige Ensemble tanzte auf hohem technischen Niveau; [...] Die erste Tanzpremiere unter der Leitung von Montero hat dem Nürnberger Publikum Lust gemacht auf mehr. dpa - 14.12.2008 7