Analyse - Qualität im Gesundheitstourismus

Werbung
Ökonomischer Begründungszusammenhang
für die Einführung von Qualitätsgütesiegeln
im Gesundheitstourismus
im Rahmen des Projektes
“Netzwerkinitiative Medical Wellness –
Qualität für Mecklenburg-Vorpommern”
Güstrow, August 2009
Prof. Dr. André Schulz
Baltic College
I
Einleitung
Qualität wird nach allgemeiner Auffassung als eine Möglichkeit für gesundheitstouristische
Leistungsträger gesehen, Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu realisieren.
Aufgrund der
Charakteristik
gesundheitstouristischer Dienstleistungen (Immaterialität,
Komplexität, Gesundheit mit hoher Bedeutung für den Nachfrager) ist eine ex ante Qualitätsverifikation für den Nachfrager allerdings nicht möglich. Gleichwohl müssen Wettbewerbsvorteile definitionsgemäß von den Nachfragern / Gästen wahrgenommen werden können.
Eine probate Möglichkeit zur Lösung des Qualitätsproblems, das sich bei genauerer
Betrachtung als ein Informationsproblem herausstellt, ist die Qualitätsbeurteilung an Hand
von wenigen, gleichwohl aber entscheidenden Schlüsselinformationen. Diese Schlüsselinformationen sind dann extrinsische Merkmale wie sie im Gesundheitstourismus durch
Qualitätsgütesiegel repräsentiert werden.
Nachfolgend soll unter Bezugnahme auf die einschlägigen Arbeiten der Informationsökonomie der Frage nachgegangen werden, (i) wie der Markt für gesundheitstouristische Leistungen in Bezug auf die Möglichkeiten der Qualitätsverifikation zu charakterisieren ist und (ii)
welchen ökonomischen Nutzen die Marktteilnehmer jeweils aus der Einführung und Existenz
von Qualitätsgütesiegeln ziehen.
II
Informationsstruktur auf gesundheitstouristischen Märkten mit Qualitätsunsicherheit
Den folgenden Erläuterungen soll der in der Informationsökonomie allgemein verwendete
Qualitätsbegriff zugrunde gelegt werden. Danach ist es, erstens, für vollkommen informierte
Nachfrager stets möglich zu entscheiden, ob zwei Leistungen von gleicher Qualität sind oder
ob eine besser als die andere geeignet ist, ein Bedürfnis zu befriedigen. Außerdem stimmen
alle Konsumenten in der Rangordnung der Leistungen überein, wenn auch nicht notwendigerweise in der Frage, wie hoch der Qualitätsunterschied zu bewerten ist. Zweitens wird eine
positive Korrelation zwischen Produktionskosten und Produktqualität unterstellt.
Beide Annahmen erscheinen relativ unproblematisch, solange man sich bewusst ist, dass
damit nur ein – wenn auch bedeutsamer – Teilbereich des Qualitätsproblems beleuchtet
wird. Abbott (1955) bezeichnet die mit dieser Abgrenzung erfassten Qualitätsunterschiede
als „vertical differences“ im Gegensatz zu „horizontal differences“ und „innovational differences“. Vertikale Unterschiede liegen dann vor, wenn Produkte in der quantitativen Ausprägung eines Merkmals verschieden sind. Bezogen auf gesundheitstouristische Leistungsträger seien als Beispiele genannt: die fachspezifische Ausbildungsdauer und Regelmäßigkeit der Weiterqualifikation des Personals, die ärztliche Verfügbarkeit während des Aufent2
halts oder der Umfang der Dokumentation der Ergebnisse des Aufenthaltes zur Erzielung der
Nachhaltigkeit der Maßnahmen. Horizontale Qualitätsunterschiede liegen vor, wenn verschiedene Individuen gegebene Produktqualitäten in abweichender Reihenfolge einordnen.
Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Nachfrager Produkte und Leistungen aufgrund ihrer Eigenschaften kaufen / buchen und jedes Produkt mehrere Charakteristiken aufweist. Während der vollkommen informierte Nachfrager i das Produkt des Anbieters A dem
des Anbieters B vorzieht, entscheidet sich ein ebenso vollkommen informierter Käufer j möglicherweise umgekehrt. Die Ursache liegt darin, dass verschiedene Nachfrager entsprechend
ihren Präferenzen die einzelnen Produkteigenschaften unterschiedlich bewerten. Die Ursache liegt mithin in unterschiedlichen Wertvorstellungen. Kostenunterschiede bestehen
nicht notwendigerweise, sondern fallen eher zufällig an. So ist es denkbar und selbstverständlich auch gängige Praxis, dass verschiedene Medical-Wellness-Angebote mit den
gleichen Produktionskosten verbunden sind, dennoch Nachfrager – nach ihren spezifischen
Bedürfnissen – sich beispielsweise für ein anerkanntes Naturheilverfahren entscheiden,
während andere eine physikalische Therapie vorziehen. Innovatorische Qualitätsunterschiede sind demgegenüber durch technischen oder verfahrenstechnischen Fortschritt
bedingt. Dieser führt zu Qualitätsverbesserungen, die von den meisten Nachfragern begrüßt
werden, selbst wenn Kostenerhöhungen damit verbunden sein sollten. Gerade in diesen
Fällen ist es aber möglich, dass keine höheren Produktionskosten entstehen.
Wenn nachfolgend horizontale Qualitätsunterschiede aus der Betrachtung ausgeklammert
sind, so wird deutlich, dass das Augenmerk auf objektiv messbare Qualitätsunterschiede
gerichtet ist, im Gegensatz zu Bewertungen, die in abweichenden Präferenzen der Individuen begründet liegen. Es geht ferner grundsätzlich um Qualitätsunterschiede und nicht um
die Frage der Produktvielfalt.
Die Art der Unsicherheit, die hier behandelt werden soll, ist die unvollständige Qualitätsinformation auf Seiten der Nachfrager. Ein Tatbestand, der konstitutiv für den Markt gesundheitstouristischer Leistungen ist und mit der zunehmenden Marktakzeptanz der Angebote
und im Zusammenhang mit dem Markteintritt weiterer (in- und ausländischer) Anbieter auch
in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. Für gesundheitstouristische Leistungsträger
wird hingegen angenommen, dass sie über die individuellen Eigenschaften ihrer Leistung
vollkommen informiert sind. Diese Vorstellung scheint insofern angemessen, als gesundheitstouristische Leistungsträger mit der Wahl und Steuerung des Angebots- und Leistungsprozesses die Qualität des angebotenen Produktes festlegen. Für alle Leistungen, die auf
dem gesundheitstouristischen Markt angeboten und als alternativ für einen gegebenen
Zweck angesehen werden können, wird angenommen, dass sie von den Nachfragern entsprechend der Produktqualität in eine einheitliche Rangordnung gebracht werden, sofern die
3
Qualitätseigenschaften bekannt sind. In der Realität sind allerdings nicht alle Marktteilnehmer stets so gut informiert. Es besteht Qualitätsunsicherheit, und da es durchaus rational
sein kann, nicht vollkommen informiert zu sein, wenn die Beschaffung von Informationen mit
Kosten verbunden ist, bleibt Qualitätsunsicherheit umso stärker bestehen, je höher die
Kosten für Information sind.
Unvollständige Information stellte an sich kein so gravierendes Problem dar, wenn Information ein Produkt wie jedes andere wäre. Die Produktion von Informationen weist jedoch
Charakteristika auf, die vermuten lassen, dass ihre Bereitstellung durch private Anbieter nur
unvollständig möglich ist.1 Hingewiesen sei hier nur auf die der Information innewohnenden
Eigenschaften eines öffentlichen Gutes. Sobald ein Informationsvermittler Qualitätsinformationen an einen Konsumenten abgegeben hat, kann er in der Regel nicht verhindern, dass
dieser die Information weitergibt. Die Weitergabe kann zwar vertraglich ausgeschlossen
werden, die Einhaltung dieser Absprache ist allerdings kaum kontrollierbar. Im Extremfall
kann ein Anbieter jede Qualitätsinformation nur einmal verkaufen. Den Preis, den er
verlangen müsste, um dennoch einen Anreiz für dieses Geschäft zu verspüren, wird in vielen
Fällen so hoch sein, dass kein Konsument bereit ist, die Leistung nachzufragen.
Andererseits ist es den Nachfragern natürlich nicht völlig unmöglich, die Qualität eines Produktes mittels eigener Bemühungen festzustellen. In diesem Zusammenhang ist es in der
Literatur üblich geworden, Märkte für drei idealtypische Produktkategorien zu unterscheiden,
mit deren Hilfe das Problem unzureichender Information präziser formuliert werden kann. So
spricht man seit Nelson (1970) von Märkten für „search-goods“, „search-qualities“ oder
Suchgütern, wenn es den Nachfragern bereits zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung durch
einfache Inspektion2 möglich ist, die Leistungsmerkmale eines Produktes zu erkennen.
Ebenfalls von Nelson wurde in dem gleichen Artikel der Begriff des „experience-goods“,
„experience-qualities“ oder Erfahrungsgutes geprägt. Damit sind solche Waren und Dienstleistungen gemeint, deren Qualität ein Konsument zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung (ex
ante) noch nicht identifizieren kann, die sich vielmehr erst im Laufe des Gebrauchs oder
Konsums offenbaren. Auf eine dritte Kategorie von Märkten haben Darbi und Karni (1973)
hingewiesen. Sie sprechen von „credence-goods“, „credence-qualities“ oder Vertrauensgütern, wenn Qualitätsmerkmale selbst im Konsum nur unvollständig beurteilt werden
können. Solch ein Fall mag eintreten, wenn die jeweilige Leistung zusammen mit anderen
Inputfaktoren zur Erzeugung eines gewünschten Outputs verwendet wird, entweder ein
stochastischer Produktionsprozess zugrunde liegt und / oder die Qualität der anderen Inputs
nur unvollständig bekannt sind. Vertrauensgüter zeichnen sich dadurch aus, dass neben der
1
Für einen Überblick vgl. z.B. Shapiro 1983.
2
Hirshleifer (1973) bevorzugt aufgrund dieses Merkmals den Ausdruck „inspection-goods“.
4
Information durch späteren Gebrauch noch zusätzliche Aufwendungen erforderlich sind,
wenn die Qualität eines Produktes näher bestimmt werden soll. In einfachsten Fall könnte
man sich vorstellen, dass ein Produkt im Konsum mehrfach bewertet werden muss, bevor
eine Beurteilung der gelieferten Qualität möglich erscheint.
Hinter diesen Kategorien steht die Vermutung, dass für bestimmte Produkte die Informationsbeschaffung durch Inspektion die günstigste Methode der Qualitätsbestimmung
darstellt, während für andere Güter Information durch Erfahrung mit den geringsten Kosten
verbunden ist. Realistischerweise wird man davon ausgehen müssen, dass Nachfrager oftmals zwischen beiden Alternativen substituieren können. Insbesondere hängt es vom Sachverstand und dem Vorwissen ab, in welchem Umfang geeigneterweise auf Information durch
Inspektion oder durch Erfahrung zurückzugreifen ist. Insofern handelt es sich bei der Einteilung in reine Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter um eine künstliche Unterscheidung,
die nur aus Gründen der terminologischen Klarheit gerechtfertigt ist.
Basierend auf den vorhergehenden Ausführungen lässt sich festhalten, dass bei gesundheitstouristischen Leistungen und bei Medical Wellness-Angeboten insbesondere Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften eine bedeutende Rolle spielen. Für den geringen Anteil
an Sucheigenschaften können insgesamt folgende Gründe angeführt werden: 3
Gesundheitstouristische Leistungen weisen meist eine hohe Komplexität auf, so dass
eine Beurteilung zahlreicher Qualitätseigenschaften vor dem Kauf nicht möglich oder
zu zeit- und kostenintensiv ist.
Die oftmals geringe Kompatibilität gesundheitstouristischer Leistungen mit bestehenden Erfahrungen erschwert insgesamt die Qualitätsbeurteilung der betreffenden
Leistungsbestandteile. Insbesondere die mangelnde Erfahrung mit gesundheitstouristischen Leistungen und das damit verbundene unzureichende Beurteilungsvermögen verhindern die Möglichkeit der Qualitätsbeurteilung verschiedener Leistungseigenschaften vor der Buchung.
Auf dem gesundheitstouristischen Markt werden häufig Leistungen angeboten, die
aus der fernöstlichen Medizin stammen oder von dort entlehnt sind. Dem Nachfrager
fehlt es oftmals an Kenntnissen und Erfahrungen zur Einschätzung der Indikation und
Wirkungsweise dieser Angebote.
3
Medical Wellness-Angebote werden nachfolgend der Einfachheit halber unter die Kategorie
„gesundheitstouristische Leistungen“ subsumiert.
5
Folgt man der allgemein verbreiteten Auffassung, nach der Gesundheit das höchste
Gut des Menschen ist, so ist nachvollziehbar, dass gerade bei gesundheitstouristischen Leistungen Vertrauen die Grundlage für die Buchungsentscheidung darstellt.
Die Kommunizierbarkeit von bedeutenden Eigenschaften gesundheitstouristischer
Leistungen gestaltet sich nicht zuletzt aufgrund der hohen Komplexität i.d.R. recht
schwierig, so dass eine Informationsvermittlung bezüglich zahlreicher Eigenschaften
vor der Buchung nur schwer möglich ist.
Erwartungen bezüglich des Nutzens der Anwendungen kurativer und / oder präventiver Maßnahmen manifestieren sich erst in der Zukunft. Damit ist eine Beurteilung
dieses Nutzens vor der Buchung nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.
Grundsätzlich ist die Mitwirkung des Gastes bei dem individuellen Erstellungsprozess
der gesundheitstouristischen Leistung erforderlich. Durch die individuell gesteuerte
Integration des externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess durch den
Leistungsträger ist dem Gast eine anfängliche Qualitätsbeurteilung des Leistungsergebnisses nicht möglich. Dies kann zusätzlich auch darin begründet sein, dass der
Gast zwar seinen eigenen Integrationswillen kennt, jedoch seine Integrationsfähigkeit
in den Leistungserstellungsprozess ex ante nicht beurteilen kann.
Wenn eine Vielzahl von Produkten sowohl Such- als auch Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften aufweist, so ist es zur Analyse von Märkten mit unvollständiger Nachfragerinformation – wie es für den gesundheitstouristischen Markt konstitutiv ist – zweckmäßig, den Begriff
der Minimum- oder Mindestqualität einzuführen (vgl. hierzu Klein / Leffler 1981). Unter Minimumqualität wird ein bestimmtes Qualitätsniveau q0, der durch Inspektion erkennbaren
Leistungsmerkmale eines ansonsten als Erfahrungs- oder auch Vertrauensgut einzustufenden Produktes verstanden. Bei diesen Leistungsmerkmalen weiß ein Konsument, dass es
sich um ein Produkt mit höherer Qualität q > q0 handeln kann, aber nicht notwendigerweise
handeln muss. Um nachfolgend von einem einheitlichen Wert für die Minimumqualität eines
Produktes ausgehen zu können, wird unterstellt, die weit überwiegende Mehrzahl aller
Konsumenten habe den gleichen Sachverstand und das gleiche Vorwissen. Mindestqualität
umfasst gerade jene Leistungsmerkmale, deren Vorhandensein von allen Nachfragern
bereits zum Zeitpunkt der Kauf- / Buchungsentscheidung durch einfache Inspektion überprüft
werden kann. Jede darüber hinaus gehende Information durch Inspektion ist für den Konsumenten im Allgemeinen mit prohibitiv hohen Kosten verbunden. Darüber hinaus mag es auch
immer einige wenige Nachfrager geben, die über einen höheren Sachverstand verfügen.
Dabei kann es sich beispielsweise um Wiederholungsbucher gesundheitstouristischer
Leistungsbündel handeln oder um fachlich vorgebildete Nachfrager.
6
Auf dem gesundheitstouristischen Markt werden ausschließlich Erfahrungs- und Vertrauensqualitäten gehandelt. Durch die Immaterialität der Dienstleistung ist eine ex ante Qualitätsverifikation ausgeschlossen. Das einzige Gut, das auf dem gesundheitstouristischen Markt
zum Zeitpunkt der Buchung gehandelt wird ist ein Leistungsversprechen: der Anbieter verspricht dem Gast eine bestimmte Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt und über einen
definierten Zeitraum in der ausgelobten Qualität zu realisieren. Ob sich der Anbieter an sein
Leistungsversprechen hält oder sich an sein Verspechen gebunden fühlt, ist für den Gast
völlig ungewiss. Ungewiss ist auch, ob der Anbieter überhaupt über die Fähigkeit und Bereitschaft verfügt, die Leistung in der versprochenen Qualität zu konkretisieren. Dieses wirkt
umso schwerer als der Gast ihm das kostbarste Gut – nämlich seine Gesundheit – mit dem
Ziel präventiver und / oder kurativer Maßnahmen anvertraut. Die gesundheitstouristische
Leistung wird letztlich erst dann produziert, wenn sich der Gast als externer Produktionsfaktor in den Leistungserstellungsprozess integriert. Frühestens in diesem Moment ist er in
der Lage, die Qualität der erbrachten Leistung zu beurteilen. Für den gesundheitstouristischen Markt ist insofern eine Qualitätsunsicherheit aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Anbieter und Gast konstitutiv. Diese Informationsasymmetrie kann
der Anbieter opportunistisch zu seinen Gunsten ausnutzen.
Dies bedeutet aber nichts anderes als dass der eigentliche Wettbewerb unter den Anbietern
gesundheitstouristischer Leistungen auf dem vorgelagerten Informationsmarkt stattfindet.
Wettbewerbsvorteile erzielt ausschließlich derjenige Anbieter, der in der Lage ist, dem
potenziellen Gast die glaubhaftesten und kostengünstigsten Qualitätsinformationen zur
Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich dann um Informationssurrogate, die die Qualität
der gesundheitstouristischen Leistungen indirekt aber glaubhaft repräsentieren. Aus
Erfahrungs- und Vertrauensgüter werden somit notwendigerweise Suchgüter: nicht mehr die
eigentliche Leistung wird einer Qualitätsverifikation unterzogen, sondern das Qualitätsgütesiegel dient als Qualitätssurrogat. Komplexe Qualitätsinformationen werden auf das eindimensionale Qualitätsgütesiegel reduziert und senken damit die Informationskosten auf
Seiten des Nachfragers signifikant. Oder anders gewendet: da ein „trade-off“ zwischen
Unsicherheiten und Informationen besteht, erwächst ein komparativer Konkurrenzvorteil für
den einzelnen gesundheitstouristischen Leistungsträger durch glaubhafte Informationsaktivitäten auf dem der Buchung vorgelagerten Informationsmarkt. Neben der Qualität der
eigentlichen Leistungsbestandteile kommt der Qualität, Reputation, Authentizität und
Kostengünstigkeit der Informationssurrogate eine entscheidende Bedeutung bei der
Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zu.
7
III
Implikationen der unvollkommenen Informationen über Qualitäten
Sofern bei Erfahrungs- und Vertrauensgütern die angebotene Qualität nicht direkt vor dem
Kauf / der Buchung beobachtet werden kann, liegt eine so genannte asymmetrische Information vor. Dies bedeutet, dass eine Marktseite (hier: der Anbieter gesundheitstouristischer
Leistungen) die Eigenschaften seines Leistungsbündels (Qualitätsinformationen) mit Sicherheit kennt bzw. besser informiert ist als die andere Marktseite (also der Nachfrager / Gast).
Seit Akerlof (1970) wird diese Problematik der asymmetrischen Information auf Märkten
intensiv untersucht. Er geht bei seinen Überlegungen von einer asymmetrisch verteilten
Information zwischen Anbietern und Nachfragern auf einem Markt mit heterogenen
Güterqualitäten aus. Einen solchen Markt stellt beispielsweise der von Akerlof untersuchte
Gebrauchtwagenmarkt dar, ist aber auch für den gesundheitstouristischen Markt konstitutiv.
Die Anbieter auf diesem Markt sind über die Qualität ihrer angebotenen gesundheitstouristischen Leistungsbündel vollständig informiert. Die Nachfrager hingegen können die individuellen Qualitäten nicht beobachten und verfügen lediglich über die Kenntnis der auf diesem
Markt gehandelten Durchschnittsqualitäten. Die Nachfrager wählen somit notwendigerweise
eine Heuristik, die die angebotenen Qualitäten homogenisiert. Da nun die Nachfrager lediglich bereit sein werden, einen der Durchschnittsqualität entsprechenden Preis zu zahlen,
werden die Anbieter von gesundheitstouristischen Leistungen mit guter Qualität nicht gewillt
sein, ihre Leistungsbündel zu diesem Durchschnittspreis zu verkaufen. Sie verschwinden
vom Markt. Dadurch sinkt die Durchschnittsqualität der restlichen auf dem Markt gehandelten Leistungsbündel, und die Nachfrager sind wiederum nur bereit, einen dieser nunmehr
schlechteren Durchschnittsqualität entsprechenden Preis zu zahlen. Dieser Prozess setzt
sich so lange fort, bis nur noch die schlechtesten Qualitäten zum niedrigsten Preis gehandelt
werden oder der Markt gänzlich zusammenbricht. Das Phänomen der Verdrängung guter
durch schlechte Qualität vom Markt wird in der Literatur als „Negativauswahl“, „Fehlauswahl“
oder „adverse selection“ bezeichnet.4 Bei diesem Prozess handelt es sich somit um ein
informationsbedingtes Marktversagen und kennzeichnet die Tatsache, dass bei zu hohen
(prohibitiven) Qualitätssuchkosten und ohne Informationsübertragungsmechanismen Märkte
für Erfahrungs- und Vertrauensgüter – mithin Märkte für komplexe gesundheitstouristische
Leistungsbündel – nicht existieren können.
Dieser Prozess des Marktversagens hat seine Ursache in zwei sich kompensierenden
Effekten. Einerseits steigt die nachgefragte Menge bei sinkendem Preis (normaler Zusammenhang zwischen Nachfragemenge und Preis), andererseits sinkt der Nutzen bei sinkender
4
Nach Akerlof (1970) stellt dieser Prozess eine Verallgemeinerung des greshamschen
Gesetzes dar, nach dessen Beobachtungen „schlechtes Geld“, d.h. Münzen, die einen
geringeren Feingehalt als vorgeschrieben aufweisen, „gute“ Münzen, die von den Besitzern
gehortet bzw. gespart werden, als Zahlungsmittel zu verdrängen.
8
Qualität. Somit reduziert sich die Nachfragemenge, da in diesem Modell die Qualität endogen vom Preis abhängt. Der direkte Preiseffekt wird vom Qualitätseffekt (es wird bei reduzierter Qualität weniger nachgefragt) überkompensiert. Es sei nochmals betont, dass der
Prozess der „Fehlauswahl, Negativauswahl“, der adversen selection (d.h. nicht die guten
Qualitäten bleiben am Markt, sondern die schlechten), nicht aufgrund einer mangelnden
Zahlungsbereitschaft der Nachfrager für gute Qualitäten gesundheitstouristischer Leistungen, sondern infolge asymmetrischer Informationsverteilung zwischen den Marktseiten und
den zu hohen Suchkosten (hier genauer: Qualitätsverifikationskosten) auf Seiten der
schlechter informierten Marktteilnehmer (also der Gäste) verursacht wird.
Schließt man sich der Auffassung an, dass der Staat potenziell immer dann zum Handeln
aufgerufen ist, wenn wünschenswerte Ziele über den Markt nicht erreichbar sind, dann ist
eine strikte Funktionentrennung, derzufolge allokative Ziele über den Markt und distributive
Ziele durch den Staat verwirklicht werden, nicht länger haltbar, falls unvollständige Nachfragerinformationen die Marktfähigkeit beispielsweise gesundheitstouristischer Leistungen
einschränkt. Aus wohlfahrtsökonomischen Überlegungen bestünde auch im Hinblick auf das
Allokationsziel ein ordnungspolitischer Handlungsbedarf.
Asymmetrische Qualitätsinformation in Verbindung mit prohibitiv kostspieligen Möglichkeiten
der Vorabverifikation der Information über Qualitäten gesundheitstouristischer Leistungen
führt zum Ergebnis, dass nur Minimumqualität getauscht wird. So werden auf dem gesundheitstouristischen Markt die Anbieter guter Qualität, welche zum Durchschnittspreis gerade
noch ihre Durchschnittskosten decken, von Anbietern schlechter Qualität verdrängt, da diese
zu niedrigeren Produktionskosten anbieten können und sogar noch Gewinne erzielen (vgl.
von Ungern-Sternberg 1984). Solange jedoch Gewinne am gesundheitstouristischen Markt
zu erwirtschaften sind, werden weitere Anbieter – ebenfalls mit schlechter Qualität – auf den
Markt treten und die Anbieter guter Qualität verdrängen. Dies kann jedoch nicht im Interesse
der Tourismuspolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der touristischen Leistungsträger sein. Gleichwohl sich nach obiger Gedankenführung auch mit schlechter Qualität
noch Gewinne erwirtschaften lassen, würde dieser Prozess einer differenzierten, qualitätsorientierten Leistungsstruktur gesundheitstouristischer Angebote vollständig widersprechen.
Auch würden die Anbieter den Markt für hohe Qualität den Anbietern aus den anderen
Bundesländern überlassen und entsprechende Umsätze nicht generieren können. Ferner
würde eine solche Angebotsstruktur nicht kompatibel mit dem ehrgeizigen Ziel MecklenburgVorpommerns sein, „Gesundheitsland Nr. 1“ werden zu wollen; gleichzeitig steht auch ein
negativer Imagetransfer von der minderen Qualität gesundheitstouristischer Leitungen auf
das gesamte touristische Angebotsportfolio des Landes zu befürchten.
9
Bezieht man nun diese Sachverhalte auf den einzelnen gesundheitstouristischen Leistungsträger, so ist aus Marketingsicht entscheidend, dass ein Anbieter über mehr sowie bessere
Informationen über die Nachfragerseite verfügt als die Konkurrenz, um so bessere
Leistungsangebote offerieren zu können. Die Existenz von komparativen Konkurrenzvorteilen (KKV´s) begründet sich somit aus informationsökonomischer Sicht in dem im Vergleich
zur relevanten Konkurrenz besseren Informationsstand eines Anbieters sowie dessen Fähigkeit einer besseren Informationsübermittlung bezüglich eines Leistungsangebotes an die
Nachfragerseite. In diesem Sinne sind Informationsgewinnung und -übertragung als Kernaufgaben des Marketing zu betrachten (vgl. Kaas 1990).
Somit stellt sich die Frage, welche Informationsübertragungsmechanismen notwendig sind
und welche Anreize auf Seiten der gesundheitstouristischen Marktteilnehmer zur Informationsübertragung bestehen? Dieser Aspekt und die damit verbundenen Probleme sind für
den Markterfolg gesundheitstouristischer Leistungen und deren marktwirtschaftlichen Allokationsmechanismus von entscheidender Bedeutung.
IV
Effektive Qualitätssignale auf gesundheitstouristischen Märkten
Die Qualitätsbeurteilung gesundheitstouristischer Leistungen ist aufgrund ihrer Gutseigenschaft und der strukturellen Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager nicht
durch differenzierte Qualitätsurteile möglich, wodurch der potenzielle Gast gezwungen ist,
eine Informationssubstitution vorzunehmen und auf solche Indikatoren als Bewertungskriterien zurückzugreifen, die ebenfalls geeignet sind, die Unsicherheit zu reduzieren und deren
Feststellung relativ einfach ist (vgl. Kupsch / Hufschmied 1979). Solche Indikatoren werden
auch als Schlüsselinformationen oder Information Chunk bezeichnet, da sie Einzelinformationen ersetzen und übergeordnete Informationssurrogate darstellen. Der Rückgriff auf
Schlüsselinformationen führt dazu, dass eine Beurteilung der gesundheitstouristischen
Leistungen und der Leistungsträger aufgrund weniger Informationen möglich ist, da zur
Erhöhung der Erwartungssicherheit bei positiver Einschätzung der Erwartung und einer ihr
zugemessenen Eintrittswahrscheinlichkeit bewusst auf weitere Informationen verzichtet wird.
Außerdem erfolgt gerade bei Vertrauenseigenschaften ein zwangsweiser Informationsverzicht, da Kontrollmaßnahmen per definitionem nicht verfügbar sind.
Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten der Informationsübertragung. Kriterium der
Abgrenzung sei hier die Richtung der Informationsübertragung. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die besser informierte Marktseite der schlechter informierten Marktseite die
10
Qualitätsinformationen überträgt, zum anderen, dass die schlechter informierte Marktseite
sich Qualitätsinformationen beschafft.
Die erste Variante der Informationsübertragung wird als „market signalling“ bezeichnet. Unter
dem signalling versteht man eine Aktivität, welche für einen Anbieter, dessen Angebot die
angegebene Qualität nicht aufweist, Nachteile nach sich ziehen würde. Als „Signal“ zur
Übertragung von Qualitätsinformationen kann jede Aktivität dienen, deren Kosten (signalling
costs) negativ mit der verlangten Qualität korrelieren (vgl. Spence 1976). Auf den gesundheitstouristischen Markt übertragen wären z.B. Qualifikationsnachweise (Abschlusszeugnisse, Weiterqualifikationen) aber auch Gütesigel solche Signale. Denn die Kosten des
Erwerbs eines solchen Zertifikates lohnen sich nur für diejenigen Anbieter gesundheitstouristischer Leistungen, die bestimmte für den Gast nicht direkt beobachtbare Qualitätseigenschaften wie z.B. eine hohe Einrichtungs- und Ausstattungsqualität, auf Nachhaltigkeit
zielende Angebote oder ein ganzheitliches und wissenschaftlich fundiertes Gesundheitsverständnis etc. aufweisen. Für Anbieter, welche derartige Qualitäten nicht aufweisen, lohnt sich
der Erwerb eines solchen Zertifikates nicht (Fehlinvestition). Falls derartige Bedingungen
erfüllt sind, sind solche Signale wahr und können als Qualitätsinformationsübertragungsmechanismus funktionieren und asymmetrische Informationsverteilung glaubhaft aufheben.
Gütesiegel im Gesundheitstourismus dienen der Kennzeichnung von Leistungsträgern, die
sich der ständigen Kontrolle und Überprüfung der von ihnen angebotenen Qualität durch
unabhängige, nicht interessengebundene Prüfinstitutionen unterziehen. Dieser Informationsquelle kann bei der Übermittlung von Marktinformationen eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen werden. Wichtig ist v.a., dass es auch Anreize für wahrhaftiges Signalisieren gibt.
In dem hier interessierenden Fall lohnt es sich, zum einen für den besser informierten
gesundheitstouristischen Leistungsträger in ein derartiges Signal zu investieren (sofern er
die nicht direkt beobachtbaren Qualitätseigenschaften auch tatsächlich aufweist), zum
anderen hat er somit die Möglichkeit, auf seine tatsächlichen Qualitätseigenschaften (z.B. in
der Marktkommunikation) hinzuweisen, um so auch für gute Qualität einen höheren Preis zu
erzielen. Ebenso wird sich der Gast nach solchen Signalen orientieren, da sie ihm die Möglichkeit zur Einordnung verschiedener Qualitätseigenschaften, welche nicht im Vorfeld einer
Buchung direkt beobachtbar sind, bieten.
Deutlich wird hier, dass ein derartiges Signal, welches als Informationsübertragungsmechanismus vom besser zum schlechter informierten Marktteilnehmer fungiert, auch dem
schlechten informierten Marktteilnehmer als Signal dienen kann, um zwischen verschiedenen Qualitäten diskriminieren zu können. Der gesundheitstouristische Gast sucht gezielt
nach derartigen Signalen bzw. Zeichen, die es ihm erlauben, nicht direkt beobachtbare Qualitätseigenschaften zu entdecken. Dies kennzeichnet die zweite Möglichkeit der Informations11
übertragung. Die Beschaffung von Qualitätsinformationen durch die schlechter informierte
Marktseite wird als so genanntes „screening“ bezeichnet. Darunter versteht man Mechanismen, die es der schlechter informierten Marktseite ermöglichen, Qualitätsinformationen über
die besser informierte Marktseite zu erhalten (vgl. Stiglitz 1975). 5 Diese Orientierungsgrößen
bzw. Diskriminierungsmechanismen erlauben es, die Anbieter gesundheitstouristischer
Leistungen nach ihrer Qualität zu unterscheiden. Falls dies nicht möglich wäre und alle
Anbieter lediglich nach Durchschnittqualitäten beurteilt werden, würde die Gefahr einer
Negativauslese (adverse selection; s.o.) bestehen. Als Orientierungsgröße gelten für den
schlechter informierten Marktteilnehmer die oben erwähnten Signale oder auch so genannte
Indikatoren.6 Solche Indikatoren, an Hand derer eine Unterteilung in verschiedene Qualitätsklassen möglich ist, sind z.B. bestimmte Merkmale einer Gruppenzugehörigkeit wie die
Sterne-Klassifizierung von Hotels. Funktion dieser Signale und Indikatoren ist es, aufgrund
der Auswahl und Diskriminierung die nicht direkt beobachtbaren Qualitätseigenschaften zu
entdecken und so diejenigen Eigenschaften und Fähigkeiten von gesundheitstouristischen
Leistungsträgern zu finden, die gesucht sind. Mit der Kategorisierung nach Indikatoren, auch
„statistische Diskriminierung“ (Spence 1974: 104) genannt, wird versucht, die Güter und
Leistungen in bestimmte Gruppen einzuteilen, an Hand derer mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten das Auftreten gewünschter Qualitätseigenschaften verknüpft wird.
Der Vollständigkeit halber sei noch der Mechanismus der Selbsteinordnung (self selection;
vgl. Salop / Salop 1976) erwähnt, der allerdings im Zusammenhang mit der Unsicherheitsreduktion auf gesundheitstouristischen Märkten von untergeordneter Bedeutung ist. Eine
Selbsteinordnung kann erfolgen, wenn die schlechter informierte Marktseite den besser informierten Individuen Wahlmöglichkeiten vorgibt, aus denen die schlechter informierte Marktseite Rückschlüsse auf das interessierende, aber nicht direkt beobachtbare Merkmal ziehen
kann. Als Signal fungiert hier also die Einordnung der informierten Wirtschaftssubjekte in
vorgegebene
Kategorien.
Ein
Fall
von
Selbsteinordnung
liegt
beispielsweise
im
Versicherungswesen bei alternativen Vertragskombinationen mit oder ohne Selbstbeteiligung
vor, wodurch es dem Versicherungsgeber möglich ist, bestimmte Risikoklassen zu bilden
oder Risiken aufzudecken.
Eine probate Möglichkeit zur ex-ante Qualitätsverifikation auf gesundheitstouristischen
Märkten – die auch in der Realität bereits breite Anwendung findet – ist die Nutzung von
Qualitätsgütesiegeln von unabhängiger dritter Seite. Es handelt sich dabei um extrinsische
5
Das screening ist hier nicht mit der Informationssuche, also dem „searching“ zu verwechseln,
da screening immer im Zusammenhang mit Qualitätsunsicherheit verwendet wird.
6
Der Unterschied zwischen Signal und Indikator besteht darin, dass ersteres zunächst
„erworben“ werden muss und veränderbar ist. Indikatoren sind nicht durch den Anbieter
beeinflussbar.
12
Qualitätssignale, die Informationen über Produkt- und Leistungseigenschaften gesundheitstouristischer Angebote bereithalten, die mit der Funktionalität der Leistung nicht in direktem
Zusammenhang stehen, jedoch als Indikatoren für Qualität verwendet werden (vgl. hierzu
Olsen 1977; Olsen / Jacoby 1972).7 Nachfolgend soll untersucht werden, welche Funktion
Qualitätsgütesiegel für die Existenz gesundheitstouristischer Märkte einerseits und die einzelnen Leistungsanbieter und Nachfrager andererseits haben.
V
Funktion von Qualitätsgütesiegeln für gesundheitstouristische Märkte
Qualitätsgütesiegel können als Institutionen aufgefasst werden, die Qualitätssuchkosten
bzw. Screening-Kosten senken und dadurch den Markt für gesundheitstouristische Leistungen stabilisieren und dessen Funktionsfähigkeit erhalten bzw. sogar erst ermöglichen. Qualitätsgütesiegel besitzen einen ambivalenten Charakter. Einerseits dienen sie den besser
informierten Marktteilnehmern (also den Leistungsanbietern), ihre gute Qualität zu signalisieren, andererseits bieten sie den schlechter informierten Markteilnehmern (also den potenziellen Gästen) Einordnungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall verringern sie jedoch die Informationskosten bei der Informationsbeschaffung und die Qualitätsverifikationskosten. Der Argumentationsgang ist folgender: Falls es glaubhafte Signale für gute Qualität gibt, dann lohnt
es sich sowohl für den Anbieter (Hotel, Reha-Klinik, Kurort etc.) als auch für den Nachfrager /
Gast bzw. den besser und den schlechter informierten Marktteilnehmer in derartige Signale
zu investieren; für den besser informierten, um auf seine Qualität hinzuweisen und um einen
KKV gegenüber der Konkurrenz zu erzielen, und für den schlechter Informierten, um die im
Vorfeld der Buchung gesundheitstouristischer Leistungen entstehende Qualitätsunsicherheit
zu verringern und damit die Wahrscheinlichkeit einer „Fehlbuchung“ zu reduzieren. Weiterhin
besteht die informationskostensparende Wirkung in der Zusammenfassung von vielen Einzelinformationen (die der Gast angesichts der hohen Komplexität gesundheitstouristischer
Leistungen in der Vielzahl der Fälle ohnehin nicht verarbeiten könnte und vermutlich auch
nicht wollte) bezüglich der Leistungsqualität in einer eindimensionalen Größe (wie dem
Preis). Somit werden auch Informationsverarbeitungskosten reduziert und die Informationsverarbeitungskapazität des einzelnen Nachfragers erhöht.8
7
8
Im Gegensatz zu extrinsischen Qualitätssignalen handelt es sich bei intrinsischen
Qualitätssignalen um qualitätsbestimmende physische bzw. funktionale Produktattribute wie
beispielsweise Geschmack, Geruch oder Funktionalität, deren Veränderung immer auch mit
der Veränderung des Produktes verbunden ist. Aufgrund des immateriellen Charakters
gesundheitstouristischer Leistungen und des Umstandes, dass es sich hierbei um Erfahrungsbzw. Vertrauensgüter handelt, scheiden intrinsische Qualitätssignale als Möglichkeit zur ex
ante Qualitätsverifikation aus.
Daher werden die Screening-Mechanismen und die Einordnung anhand von Indikatoren auch
als „rules of thumb“ bezeichnet. Vgl. dazu bspw. Salop (1978) und auch Wilde (1980).
13
Die Inanspruchnahme von Qualitätsgütesiegel ist freiwilliger Natur, also nicht staatlich festgelegt. Insofern kann man sie so genannten Marktinstitutionen zuordnen, da sie aus dem
Marktprozess und dessen Anreizstruktur heraus freiwillig generiert werden.9 Sie lohnt sich
nur für den Anbieter, der tatsächlich gute oder sehr gute Qualität anbietet. Qualitätsgütesiegel, die von unabhängigen, dritten Institutionen angeboten werden, können als eine Art
„Quasi-Garantiezusage“ gesehen werden. Der Nachfrager / Gast kann sich durch die Orientierung an einem Signal eine gute Meinung über die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des
Anbieters bilden. Gesundheitstouristische Anbieter schließen sich Qualitätsgütesiegeln nur
unter bestimmten Bedingungen an. Die Kosten aller Aktivitäten zur Erlangung des Qualitätsgütesiegels sind wegen ihres intertemporalen Charakters wie eine Investition zu betrachten.
Derartige Investitionen und die damit verbundene langfristige Bindung des Anbieters zur
Abgabe guter Qualitäten lohnen sich nur dann, wenn die erwarteten abdiskontierten
Gewinne in der Zukunft durch das Angebot höherer Qualität größer sind als sie Gewinne
einer kurzfristigen Strategie der verdeckten Qualitätsverschlechterung (adverse selection)
(vgl. von Ungern-Sternberg 1984). Ein Vergleich beider Strategien kommt zu folgender
Regel: Ein Anbieter bietet nur dann gute Qualität an, wenn der Gegenwartswert der zukünftigen Gewinne (im Sinne von Differenz zwischen erwartetem Erlös und Kosten der jeweiligen
Strategie) größer ist als der sofortige Gewinn, den er durch verdeckte Qualitätsverschlechterung erzielen kann (vgl. von Ungern-Sternberg 1984; Shapiro 1983). Die Kosten für die
Erlangung eines Qualitätsgütesiegels müssen genügend hoch sein, damit sich die kurzfristige Strategie eines „schlechten“ Angebotes nicht lohnt. Abgesehen von der Höhe müssen
diese Signalling-Kosten den Charakter von sunk-costs (irreversible Kosten) aufweisen (vgl.
Klein / Leffler 1981). Sunk-costs entstehen dann, wenn die Mittel zur Erlangung eines Qualitätsgütesiegels bei Aberkennung dieses Siegels (aufgrund der Wahl der Strategie „schlechtere“ Qualitäten anzubieten) nicht alternativen Verwendungen zugeführt werden können.
Qualitätsgütesiegel, die eine hohe anbieter- und nachfragerseitige Marktakzeptanz erfahren
weisen jedoch noch eine andere Konsequenz auf. Die Anbieterwechselkosten steigen durch
die Bindung des Gastes an einen Anbieter gesundheitstouristischer Leistungen. Die einmal
gemachten (guten) Erfahrungen mit einem gesundheitstouristischen Leistungsbündel
respektive einem Anbieter erschweren gerade bei neuen Produkten und risikoaversen
Nachfrager (und hiervon muss man bei gesundheitstouristischen Leistungen ausgehen)
einen Preisvergleich und eventuellen Wechsel des Anbieters hin zu einem, der nicht auf ein
Qualitätsgütesiegel gleichen Reputationsgrades verweisen kann. Funktionierende (im Sinne
9
Nicht-Marktinstitutionen wären staatliche Eingriffe wie gesetzliche Mindeststandards,
staatliche Qualitätssicherung, Aufsichtswesen, Berufszulassungsbedingungen u.ä. Eine
Zwischenposition würden hier so genannte Standesregeln bzw. Verbandsregeln einnehmen,
welche auch Qualitätsvorschriften und Normen erlassen bzw. berufsethische Normen
festlegen.
14
von hoher Marktakzeptanz) Qualitätsgütesiegel erhöhen somit die Anbieterwechselkosten
und
führen
zu
loyalem
Nachfragerverhalten
und
Gästebindung.
Somit
stellen
Qualitätsgütesiegel zwar eine Möglichkeit der Informationskostenreduktion dar, andererseits
erhöhen sie die Anbieterwechselkosten. Zum einen fördern sie somit die Funktionsfähigkeit
von gesundheitstouristischen Märkten an sich, andererseits senken sie die allokative Effizienz, da durch die erhöhten Anbieterwechselkosten Marktzutrittsschranken aufgebaut bzw.
erhöht werden und sich damit für den gesundheitstouristischen Anbieter monopolistische
Preisspielräume ergeben.
VI
Fazit
Wird der Informationsmarkt als „vorgelagerter“ Markt und der Markt, auf dem die eigentlichen
gesundheitstouristischen Leistungen gehandelt werden, als „nachgelagerter“ Markt bezeichnet, dann wird die Funktionsfähigkeit des „nachgelagerten“ gesundheitstouristischen Marktes
wesentlich von der Funktionsfähigkeit oder der Effizienz des „vorgelagerten“ Informationsmarktes mitbestimmt.
Aufgrund der Charakteristik gesundheitstouristischer Leistungen ist für den potenziellen Gast
eine ex ante Qualitätsverifikation ausgeschlossen. Es sieht sich hingegen einer asymmetrischen Informationsverteilung gegenüber, die der Anbieter zu seinen Gunsten opportunistisch
ausnutzen kann. Zur Lösung des Qualitätsproblems kann er auf extrinsische Qualitätsinformationen zurückgreifen, wie sie effizient durch Qualitätsgütesiegel von unabhängiger,
dritter Seite zur Verfügung gestellt werden. Qualitätsgütesiegeln ermöglichen dem potenziellen Gast eine informationskostengünstige und effiziente Qualitätsverifikation der angebotenen Leistung und der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Anbieters. Je kostengünstiger, reputierter und authentischer die Informationssurrogate sind, desto eher wird der
potenzielle Gast bereit sein, sein Qualitätsproblem über diese zu lösen. Für den Nachfrager
haben Qualitätsgütesiegel die Funktion einer „Quasi-Garantiezusage“.
Der Nutzen für den Anbieter besteht darin, dass er mittels Qualitätsgütesiegeln in der Lage
ist, seine Qualität überhaupt erst glaubhaft zu signalisieren („market-signalling“). Zudem
erhöhen Qualitätsgütesiegel die Anbieterwechselkosten, führen zu loyalem Nachfrageverhalten und zu einer erhöhten Gästebindung und erlauben dem Anbieter die Konsumentenrente in eine Produzentenrente umzuwandeln.
Die aus einer ökonomischen Sicht übergeordnete Funktion von Qualitätsgütesiegeln besteht
für den gesundheitstouristischen Markt darin, dass diese extrinsischen Qualitätsinformationen die Gefahr des Marktversagens in Form adverser selection (Negativauswahl) auf15
grund von asymmetrischer Informationsverteilung verhindert oder zumindest reduziert.
Anbieter guter Qualität haben so die Möglichkeit, Gewinne zu realisieren und am Markt zu
verbleiben (was nachdrücklich von einer touristischen Destination, die als Ziel formuliert,
„Gesundheitsland Nr 1“ werden zu wollen, anzustreben ist). Qualitätsgütesiegel mit hoher
Marktakzeptanz
tragen
überhaupt
erst
entscheidend
dazu
bei,
dass
ein
gesundheitstouristischer Markt funktioniert und es zu einer marktlichen Wertschöpfung
kommt.
16
Literatur
Abbott, L.: Quality and Competition, New York 1955.
Akerlof, G.A.: The Market for „Lemons“.: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in:
Quaterly Journal of Economics 84 (1970): 488 – 500.
Darbi, M.R. / Karni, E.: Free Competition and the Optimal Amount of Fraud, in: Journal of
Law and Economics 16 (1973): 67 – 88.
Hirshleifer, J.: Where are we in the Theory of Information, in: American Economic Review,
Papers and Proceedings 63 (1973): 31 – 39.
Kaas, K.P.: Marketing als Bewältigung von Informations- und Unsicherheitsproblemen im
Markt, in: DBW 50 (1990): 539 – 548.
Klein, K. / Leffler, K.B.: The Role of Market Forces in Assuring Contractual Performances, in:
Journal of Political Economy 89 (1981): 615 – 641.
Kupsch, P. / Hufschmied, P.: Wahrgenommenes Risiko und Komplexität der Beurteilungssituation als Determinanten der Qualitätsbeurteilung, in: Meffert, H / Steffenhagen,
H. / Freter, H. (Hrsg.): Konsumentenverhalten und Information, Wiesbaden 1979:
225 – 257.
Nelson, Ph.: Information and Consumer Behavior, in: Journal of Political Economy 78 (1970):
311 – 329.
Olsen, J.C.: Price as an Informational Cue: effects on Product Evaluation, in: Woodside, A. /
Sheth, J. / Bennet, S. (Hrsg.): Consumer and Industrial Buying Behavior, New York:
267 – 286.
Olsen, J.C. / Jacoby, J.: Cue Utilization in the Quality Perception Process, in: Venkatesan, M.
(Hrsg.): Proceedings in the Third Annual Conference of the Association of Consumer Research: 167 – 179.
Salop, St.: Information and Monopolistic Competition, in: The American Economic Review 66
(1976): 240 – 245.
Salop, J. / Salop, St.: Self Selection and Turnover in the Labor Market, in: Quaterly Journal of
Economics 90 (1976): 619 – 627.
17
Shapiro, C.: Consumer Protection Policy in the United States, in: Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft 139 (1983): 527 – 544.
Spence, M.: Market Signalling: Informational Transfer in Hiring and Related Screening Processes, Harvard 1974.
Spence, M.: Informational Aspects of Market Structure: An Introduction, in: The Quaterly
Journal of Economics 90 (1976): 591 – 597.
Stiglitz, J.E.: The Theory of „screening“, Education, and the Distribution of Income, in: The
American Economic Review 65 (1975): 283 – 300.
von Ungern-Sternberg, Th.R.: Zur Analyse von Märkten mit unvollständiger Nachfragerinformation, Berlin et al. 1984.
Wilde, L.L.: The Economics of Consumer Information Acquisition, in: Journal of Business 53
(1980): 143 – 158.
18
Herunterladen