4. Gleichgewicht und Effizienz Georg Nöldeke Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 1 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Marktnachfragefunktion D(p) für das betrachtete Gut ist gegeben. Sie ist streng fallend im relevanten Preisbereich. Marktangebotsfunktion resultiert aus den gewinnmaximierenden Produktionsentscheidungen einer Anzahl von Unternehmen. Entsprechend zu unserer bisherigen Unterscheidung zwischen kurzer Frist und langer Frist kann man kurzfristiges und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht unterscheiden: In der kurzen Frist gibt es fixe Inputs; ein kurzfristiges Wettbewerbsgleichgewicht wird durch den Schnittpunkt der entsprechenden kurzfristigen Marktangebotsfunktion mit der Marktnachfragefunktion bestimmt. In der langen Frist sind alle Inputs variabel; das langfristige Wettbewerbsgleichgewicht wird durch den Schnittpunkt der langfristigen Marktangebotsfunktion mit der Marktnachfragefunktion bestimmt. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 2 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Für die komparative Statik macht es einen Unterschied, ob die kurze oder lange Frist betrachtet wird, da die langfristige Marktangebotsfunktion typischerweise elastischer als die kurzfristige Marktangebotsfunktion ist. Beispiele: Verschiebung der Marktnachfragefunktion: Auswirkung auf den Wettbewerbspreis in der langen Frist kleiner als in der kurzen Frist. Für die Wettbewerbsmenge gilt gerade das umgekehrte. Änderung eines Inputpreises: Ist der Input in der kurzen Frist fix, gibt es keine Auswirkung auf das Wettbewerbsgleichgewicht. In der langen Frist ist die komparative Statik durch die Auswirkung der Faktorpreisänderung auf die Grenzkostenkurve der Unternehmen bestimmt. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 3 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung In der Bestimmung der langfristigen Marktangebotsfunktion sind wir davon ausgegangen, dass die Anzahl der Unternehmen, die das betrachtete Gut produzieren können, gegeben ist. Dies erscheint dann problematisch, wenn die Unternehmen in einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht streng positive Gewinne erzielen. Beachte: In einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht kann es nie geschehen, dass die Unternehmen Verluste erleiden. Wird die Produktion stillgelegt, resultiert ein Gewinn von Null. Frage Was hindert ein weiteres Unternehmen daran, in den Markt einzutreten, sich die zur Produktion erforderlichen Inputs zu beschaffen und ebenfalls einen streng positiven Gewinn zu erwirtschaften? Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 4 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Mögliche Hinderungsgründe: Es gibt Marktzutrittsbeschränkungen (Lizenzen, Patente, langfristige Lieferverträge auf den Inputmärkten, . . . ). Potentielle Marktzudringlinge verfügen nicht über die gleichen technologischen Möglichkeiten, wie die bereits im Markt etablierten Unternehmen. Potentielle Marktzudringlinge antizipieren, dass ihr Marktzutritt den Outputpreis reduzieren und/oder Inputpreise erhöhen wird – so dass sich entgegen des ersten Anscheins doch keine Gewinne in dem Markt erzielen lassen. ... Im Folgenden soll ein einfaches Modell des langfristigen Wettbewerbsgleichgewichts vorgestellt werden, welches bewusst von solchen Hinderungsgründen abstrahiert. Ziel eines solches Modelles mit freiem Marktzutritt ist es neben Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge insbesondere auch die Anzahl der im Markt aktiven Unternehmen zu erklären. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 5 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Es gibt eine sehr grosse Anzahl M von Unternehmen, die das Gut potentiell produzieren können. Was “sehr gross” bedeutet, wird später noch erklärt. Alle Unternehmen verfügen über die gleiche Technologie und sehen sich identischen Faktorpreisen gegenüber. Im Gegensatz zu der bisherigen Betrachtung gibt es nur zwei mögliche Einsatzmengen des fixen Inputs: x̄2 = 0. Ein solches Unternehmen kann nicht produzieren und wird im folgenden als inaktiv bezeichnet. x̄2 = 1. Ein solches Unternehmen produziert mit der kurzfristigen Produktionsfunktion f (x1 , 1) und wird im Folgenden als aktiv bezeichnet (selbst wenn es sich entscheiden sollte, y = 0 zu produzieren). Beachte: In der kurzen Frist ist die Anzahl der aktiven Unternehmen fix. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 6 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Die kurzfristige Kostenfunktion eines aktiven Unternehmens ist C mit C(0) = F > 0, MC(y) > 0, MC0 (y) > 0. In der langen Frist kann ein Unternehmen entscheiden, ob es aktiv oder inaktiv ist. Für die langfristige Kostenfunktion aller Unternehmen gilt: ( 0 falls y = 0 Cl (y) = C(y) falls y > 0 Bemerke: In der kurzen Frist handelt es sich bei F um Fixkosten eines aktiven Unternehmens. In der langen Frist handelt es sich bei F um sogenannte quasifixe Kosten. Diese können zwar - im Gegensatz zu echten Fixkosten durch y = 0 vermieden werden, fallen aber ansonsten unabhängig von der produzierten Menge an. Die langfristige Kostenfunktion hat einen Sprung bei y = 0. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 7 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.1 Modellrahmen und Fragestellung Abbildung: Kurzfristige Kostenfunktion für ein aktives Unternehmen mit der dazugehörigen Grenzkosten- und Durchschnittskostenfunktion. Beachten Sie, dass die Durchschnittskosten u-förmig verlaufen. Die langfristige Kostenfunktion unterscheidet sich nur dadurch, dass C(0) = 0 gilt. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 8 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.2 Kurzfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Die Anzahl der aktiven Unternehmen ist gegeben: m ≥ 1. Die kurzfristige Angebotsfunktion aller aktiven Unternehmen ist identisch (und entspricht der Inversen ihrer Grenzkostenfunktionen): s(p) Die kurzfristige Marktangebotsfunktion ist Sm (p) = m · s(p). Der kurzfristige Wettbewerbspreis p∗m und die kurzfristige Wettbewerbsmenge q∗m sind durch D(p∗m ) = Sm (p∗m ) = q∗m gegeben. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 9 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.3 Komparative Statik des kurzfristigen Wettbewerbsgleichgewichts Steigt die Anzahl der aktiven Unternehmen, so fällt der Wettbewerbspreis: p∗m ist fallend in m. steigt die Wettbewerbsmenge: q∗m ist steigend in m. fällt die Menge, die ein einzelnes aktives Unternehmen im Gleichgewicht produziert: s(p∗m ) = q∗m /m ist fallend in m. fällt der Gleichgewichtsgewinn eines jeden aktiven Unternehmens Beachte: Je nachdem, wieviele Unternehmen aktiv sind, können in einem kurzfristigen Wettbewerbsgleichgewicht die Gleichgewichtsgewinne der Unternehmen auch streng negativ sein, da jedes aktive Unternehmen in der kurzen Frist die Fixkosten F > 0 tragen muss. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 10 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Die Durchschnittskosten AC(y) eines aktiven Unternehmens verlaufen u-förmig. Sei ŷ > 0 die sogenannte effiziente Betriebsgrösse, d.h. die (eindeutig bestimmte) Menge, bei welcher die Durchschnittskosten eines aktiven Unternehmens minimal sind. Sei p̂ = AC(ŷ). Die folgende Annahme formalisiert, was es bedeutet, dass es “sehr viele” Unternehmen gibt, die in den Markt eintreten können: Annahme Produzieren alle Unternehmen mit der effizienten Betriebsgrösse, so übersteigt das resultierende Angebot die Menge, die zum Preis p̂ im Markt abgesetzt werden kann: M · ŷ > D( p̂) > 0. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 11 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Abbildung: Die kurzfristige Angebotsfunktion eines aktiven Unternehmens (braun) und langfristige Angebotsfunktion (rot) stimmen für p > p̂ überein. Für p < p̂ ist in der langen Frist y = 0 gewinnmaximierend, während in der kurzen Frist die gewinnmaximierende Menge durch die Bedingung erster Ordnung MC(y) = p bestimmt ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 12 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Die langfristige Angebotsfunktion sl eines Unternehmens ist wie folgt bestimmt: Für p < p̂ ist 0 die eindeutige gewinnmaximierende Menge. Für p = p̂ sind 0 und ŷ gewinnmaximierende Mengen. Für p > p̂ ist s(p) > ŷ die eindeutige gewinnmaximierende Menge. Für p < p̂ übersteigt daher die Marktnachfrage das langfristige Marktangebot: Msl (p) = 0 < D( p̂) < D(p). Für p > p̂ übersteigt hingegen das langfristige Marktangebot die Marktnachfrage: Msl (p) = Ms(p) > M ŷ > D( p̂) > D(p). Also ist p = p̂ der einzige Kandidat für einen langfristigen Wettbewerbspreis. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 13 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Satz Für den langfristigen Wettbewerbspreis muss p∗ = p̂ gelten. Die dazugehörige Wettbewerbsmenge ist q∗ = D( p̂). Merksatz: In der langen Frist bestimmen die Kosten den Preis und die Nachfrage bestimmt die Menge. Beides zusammen bestimmt die Anzahl der Unternehmen, m∗ , die in einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht aktiv sind: Angebot und Nachfrage müssen bei dem Wettbewerbspreis übereinstimmen. Es muss also m∗ · s(p∗ ) = D(p∗ ) ⇔ m∗ = D( p̂) ŷ gelten, so dass m∗ eindeutig bestimmt ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 14 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Satz In einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht ist die Anzahl der aktiven Unternehmen durch m∗ = D( p̂)/ŷ gegeben. Merksatz: In der langen Frist bestimmen die Grösse des Marktes und die effiziente Betriebsgrösse die Anzahl der im Markt aktiven Unternehmen. Beachte: Im langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht erzielen alle Unternehmen Nullgewinne – daher gibt es weder für inaktive Unternehmen einen Anreiz in den Markt einzutreten noch für aktive Unternehmen einen Anreiz aus dem Markt auszutreten. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 15 / 66 1. Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht 1.4 Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Diese Ergebnisse erlauben es, komparative Statik bezüglich des langfristigen Wettbewerbsgleichgewichts zu betreiben. Probleme einer solchen Vorgehensweise: Macht es Sinn, von einem Wettbewerbsmarkt auszugehen, wenn die Anzahl der aktiven Unternehmen klein ist? Wie ist die Analyse zu interpretieren, wenn die Berechnung der im Markt aktiven Unternehmen einen Wert wie m∗ = 14.5 ergibt? Um diese Probleme zu lösen, bedarf es einer expliziten Modellierung der strategischen Interaktion zwischen den Unternehmen, welche die Marktzutrittsentscheidungen und den Preisbildungsprozess umfasst. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 16 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.1 Motivation Oft ist es von Interesse, die Handelsgewinne zu bestimmen, die durch die Produktion und den Konsum eines Gutes entstehen. Im Rahmen der Partialanalyse werden dabei die Zahlungsbereitschaften der Käufer (Konsumenten) und die Kosten der Verkäufer (Unternehmen) als gegeben unterstellt. Dies erlaubt es, die aggregierten Handelsgewinne, die aus einer Allokation resultieren, als Summe von Konsumentenrenten und Produzentenrenten zu bestimmen. Findet der Handel in einem Wettbewerbsmarkt statt, so lassen sich aggregierte Konsumenten- und Produzentenrenten aus Marktnachfragefunktion und Marktangebotsfunktion bestimmen. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 17 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.2 Modellrahmen Käufer i = 1, · · · , n sind jeweils durch die Angabe ihrer Zahlungsbereitschaften für das betrachtete Gut beschrieben. vi (x) ist die Zahlungsbereitschaft von Käufer i, dafür x ≥ 0 Einheiten des Gutes zu erhalten. Annahmen: vi (0) = 0, v0i (x) > 0 und v00i (x) < 0. Interpretation: Präferenzen der Käufer über Mengen des betrachteten Gutes (Gut 1) und Ausgaben e für andere Güter (Gut 2) sind durch die quasilineare Nutzenfunktion ui (x, e) = vi (x) + e gegeben. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 18 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.2 Modellrahmen Verkäufer j = 1, · · · m sind jeweils durch die Angabe ihrer Bereitstellungskosten für das betrachtete Gut beschrieben. c j (y) sind die Kosten von Verkäufer j dafür y ≥ 0 Einheiten des Guts bereit zu stellen. Annahmen: c j (0) = 0, c0j (y) > 0 und c00j (y) > 0. Interpretation: c j (y) sind die variablen Kosten für die Produktion von y Einheiten des betrachteten Gutes. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 19 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.3 Allokationen Eine Allokation beschreibt: Die Mengen des betrachteten Gutes, welche die einzelnen Käufer erhalten: x1 , · · · , xn : Die Zahlungen, welche die einzelnen Käufer leisten: z1 , · · · , zn : Die Mengen des betrachteten Gutes, welche die einzelen Verkäufer bereit stellen: y1 , · · · , ym : Die Zahlungen, welche die einzelnen Verkäufer erhalten: r1 , · · · , rm . Im folgenden bezeichnen wir eine Allokation mit A = (x1 , · · · , xn ; z1 , · · · , zn ; y1 , · · · , ym ; r1 , · · · , rn ). Beachte: Die Allgemeinheit der Definition einer Allokation erlaubt es, Alternativen zu dem Modell eines Wettbewerbsmarktes zu betrachten, in denen es z.B. nicht der Fall ist, dass alle Käufer den gleichen Preis pro Einheit des betrachteten Gutes bezahlen. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 20 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.3 Allokationen In einer Allokation muss die Gesamtmenge des Gutes, welche die Käufer erhalten, mit der Gesamtmenge, welche die Verkäufer bereit stellen, übereinstimmen: n m ∑ xi = ∑ y j . i=1 j=1 Wir gehen zunächst davon aus, dass in einer Allokation auch die Summe der Zahlungen, welche die Käufer leisten, und der Summe der Zahlungen, welche die Verkäufer erhalten, übereinstimmen: n m ∑ zi = ∑ r j . i=1 Mikroökonomie (FS 10) j=1 Gleichgewicht und Effizienz 21 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Der Betrag, um den die Zahlungsbereitschaft von Käufer i seine Zahlung übersteigt, kri = vi (xi ) − zi , wird als die Konsumentenrente von Käufer i bezeichnet. Die Konsumentenrente von Käufer i ist der Handelsgewinn, den dieser Käufer aus einer Allokation erzielt. Der Betrag, um den der Erlös von Verkäufer j in einer Allokation seine Bereitstellungskosten übersteigt, pr j = r j − c j (y j ), wird als die Produzentenrente von Verkäufer j bezeichnet. Die Produzentenrente von Verkäufer j ist der Handelsgewinn, den dieser Verkäufer aus einer Allokation erzielt. Beachte: Die Produzentenrente eines Verkäufers entspricht seinem Gewinn zuzüglich allfälliger Fixkosten. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 22 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Die aggregierte Konsumentenrente n KR = ∑ kri i=1 misst die Summe der Handelsgewinne der Käufer aus einer Allokation. Die aggregierte Produzentenrente m PR = ∑ pr j j=1 misst die Summe der Handelsgewinne der Verkäufer aus einer Allokation. Die aggregierten Handelsgewinne sind HG = KR + PR. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 23 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Das folgende Ergebnist stellt klar, dass die aggregierten Handelsgewinne nicht von den Zahlungen der Marktteilnehmer, sondern lediglich von den Mengen des Gutes, welche die einzelnen Verkäufer bereit stellen und die einzelnen Käufer erhalten, abhängen. Satz Für jede Allokation gilt, dass die aggregierten Handelsgewinne der Differenz zwischen aggregierter Zahlungsbereitschaft und aggregierten Bereitstellungskosten entsprechen, d.h.: n m HG = ∑ vi (xi ) − ∑ c j (y j ). i=1 Mikroökonomie (FS 10) j=1 Gleichgewicht und Effizienz 24 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Im Rahmen der Partialanalyse dient die Höhe der aggregrierten Handelsgewinne als Wohlfahrtsmass, an Hand dessen unterschiedliche Marktformen und wirtschaftspolitische Eingriffe beurteilt werden. Satz Eine Allokation A mit xi > 0 und y j > 0 für alle i und j maximiert genau dann die aggregierten Handelsgewinne, die sich aus einer Allokation erzielen lassen, wenn die marginale Zahlungsbereitschaft aller Käufer mit den Grenzkosten aller Verkäufer übereinstimmt: v0i (xi ) = c0j (y j ) gilt für alle i und j. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 25 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Das Wohlfahrtsmass der aggregierten Handelsgewinne ignoriert die Frage der Verteilung der Handelsgewinne auf die einzelnen Marktteilnehmer. Das Konzept einer Pareto-Verbesserung stellt hingegen darauf ab, dass alle Käufer und Verkäufer duch eine Änderung der Allokation besser gestellt werden. Definition (Pareto-Verbesserung) Eine Allokation  heisst eine (strenge) Pareto-Verbesserung einer Allokation A, wenn in der Allokation  jeder Marktteilnehmer einen grösseren Handelsgewinn als in der Allokation A erzielt: b i > kri und pr b j > pr j gilt für alle i und j. kr Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 26 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Ist eine Allokation  eine Pareto-Verbesserung einer Allokation A, d > HG gelten. so muss HG d > HG, so muss  nicht unbedingt eine ParetoGilt HG Verbesserung von A sein, jedoch lässt sich durch Abänderung der Zahlungen in  – die Gewinner kompensieren die Verlierer - eine Pareto-Verbesserung erreichen. Definition (Pareto-Effizienz) Eine Allokation A heisst Pareto-ineffizient, wenn es zu ihr eine Pareto-Verbesserung gibt. Eine Allokation heisst Pareto-effizient, wenn es zu ihr keine Pareto-Verbesserung gibt. Pareto-ineffiziente Allokationen sind in einem offenkundigen Sinne “schlecht”. Umgekehrt gilt aber nicht, dass jede Pareto-effiziente Allokation als “wünschenswert” anzusehen ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 27 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.4 Handelsgewinne und Effizienz Satz Eine Allokation A ist genau dann Pareto-effizient, wenn sie die aggregierten Handelsgewinne maximiert. Beachte: Unter unseren Annahmen an Zahlungsbereitschaften und Bereitstellungskosten ist eindeutig bestimmt, welche Mengen x1∗ , · · · , xn∗ die einzelnen Käufer in einer Pareto-effizienten Allokation erhalten und welche Mengen y∗1 , · · · , y∗n die einzelnen Verkäufer in einer solchen Allokation bereit stellen sollten. Dennoch gibt es viele Pareto-effiziente Allokationen, da die Höhe der individuellen Zahlungen keinen Einfluss darauf hat, ob eine Allokation effizient ist oder nicht. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 28 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Sei s j (p) die Angebotsfunktion von Verkäufer j in Abhängigkeit von dem Preis des betrachteten Gutes. Wir unterstellen, die Angebotsfunktion resultiert aus der Lösung des Problems maxy≥0 py − c j (y), so dass für s j (p) > 0 die Bedingung erster Ordnung p = c0j (s j (p)) gilt. Sei di (p) die Nachfragefunktion von Käufer i in Abhängigkeit von dem Preis des betrachteten Gutes. Wir unterstellen, die Nachfragefunktion resultiert aus der Lösung des Problems maxx≥0 vi (x) − px, so dass für di (p) > 0 die Bedingung erster Ordnung p = v0i (di (p)) gilt. Beachte: Mögliche Randlösungen, in denen das gesamte Einkommen für das betrachtete Gut ausgegeben wird, werden hier ignoriert. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 29 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Durch den Verkauf von s j (p) Einheiten zum Preis p erzielt j die Produzentenrente pr j (p) = p · s j (p) − c j (s j (p)). Da c j (0) = 0 angenommen wurde, gilt der Zusammenhang Z s j (p) c j (s j (p)) = 0 c0j (y)dy, so dass die Produzentenrente auch als pr j (p) = p · s j (p) − Z s j (p) 0 c0j (y)dy geschrieben werden kann. Dies bedeutet, dass die Produzentenrente pr j (p) grafisch als die Fläche zwischen den Grenzkosten und dem Preis bis zur angebotenen Menge s j (p) dargestellt werden kann. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 30 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Abbildung: Die Produzentenrente pr j (p) entspricht der Fläche zwischen Preis und Grenzkosten bis zur angebotenen Menge s j (p). Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 31 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Durch den Kauf von di (p) Einheiten zum Preis p erzielt i die Konsumentenrente kri (p) = vi (di (p)) − p · di (p). Da vi (0) = 0 angenommen wurde, gilt der Zusammenhang Z di (p) vi (di (p)) = 0 v0i (y)dy, so dass die Konsumentenrente auch als Z di (p) kri (p) = 0 v0i (y)dy − p · di (p) geschrieben werden kann. Dies bedeutet, dass die Konsumentenrente kri (p) grafisch als die Fläche zwischen dem Preis und der marginalen Zahlungsbereitschaft bis zur nachgefragten Menge di (p) dargestellt werden kann. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 32 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Abbildung: Die Konsumentenrente kri (p) entspricht der Fläche zwischen marginaler Zahlungsbereitschaft und Preis bis zur nachgefragten Menge di (p). Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 33 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Beachte: In einem Wettbewerbsmarkt lassen sich also Konsumenten- und Produzentenrenten aus Kenntnis individueller Nachfrage- und Angebotsfunktionen bestimmen. Die Grenzkostenfunktion ist die Umkehrfunktion der Angebotsfunktion eines Unternehmens, so dass sich aus Kenntnis R s j (p) 0 c j (y)dy der Angebotsfunktion der Ausdruck pr j (p) = p · s j (p) − 0 bestimmen lässt. Entsprechend ist die marginale Zahlungsbereitschaft die Umkehrfunktion der Nachfragefunktion eines Konsumentens, so dass sich aus Kenntnis der Nachfragefunktion der Ausdruck R di (p) 0 kri (p) = 0 vi (y)dy − p · di (p) bestimmen lässt. Fragestellung Kann man aus Kenntnis von Marktnachfragefunktion und Marktangebotsfunktion aggregierte Konsumentenrenten und aggregierte Produzentenrenten bestimmen? Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 34 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Satz (Marktangebot und aggregierte Produzentenrente) Wenn alle Verkäufer zum Preis p ihre gewinnmaximierende Menge s j (p) verkaufen, dann ist die aggregierte Produzentenrente beim Preis p durch m PR(p) := ∑ pr j (p) = p · S(p) − j=1 Z S(p) 0 PS (q)dq gegeben, wobei S(p) = ∑mj=1 s j (p) die Marktangebotsfunktion und PS (q) die inverse Marktangebotsfunktion ist. Die Intuition für dieses Ergebnis ist, dass die inverse Marktangebotsfunktion die Grenzkosten einer weiteren R S(p) Outputeinheit misst und daher 0 PS (q)dq gleich den aggregierten variablen Kosten der Gesamtoutputmenge S(p) ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 35 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.5 Konsumenten- und Produzentenrenten in Wettbewerbsmärkten Satz (Marktnachfrage und aggregierte Konsumentenrente) Wenn alle Käufer zum Preis p ihre nutzenmaximierende Menge di (p) kaufen, dann ist die aggregierte Konsumentenrente beim Preis p durch n KR(p) := Z D(p) ∑ kri (p) = j=1 0 PD (q)dq − pD(p) gegeben, wobei D(p) = ∑ni=1 di (p) die Marktnachfragefunktion und PD (q) die inverse Marktnachfragefunktion ist. Die Intuition für dieses Ergebnis ist, dass die inverse Marktnachfragefunktion die marginale Zahlungsbereitschaft einer R D(p) weiteren Outputeinheit misst und daher 0 PD (q)dq gleich der aggregierten Zahlungsbereitschaft der Gesamtoutputmenge D(p) ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 36 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.6 Wohlfahrtsanalyse in Wettbewerbsmärkten Die in einem Wettbewerbsgleichgewicht resultierende Wettbewerbsallokation A∗ ist wie folgt gegeben: xi∗ = di (p∗ ) und z∗i = p∗ di (p∗ ) für alle i. y∗j = s j (p∗ ) und r∗j = p∗ s j (p∗ ) für alle j. Satz (Effizienz der Wettbewerbsallokation) Die Wettbewerbsallokation A∗ maximiert die aggregierten Handelsgewinne und ist daher Pareto-effizient. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 37 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.6 Wohlfahrtsanalyse in Wettbewerbsmärkten Für Wettbewerbsallokation mit xi∗ > 0 und y∗j > 0 für alle i und j folgt die Pareto-Effizienz von Wettbewerbsallokationen aus der Beobachtung, dass v0i (xi∗ ) = p∗ = c0j (y∗j ) für alle i und j gilt und somit die Bedingungen für die Maximierung der aggregierten Handelsgewinne erfüllt sind. Das Ergebnis gilt aber auch ohne die Annahme steigender Grenzkosten oder wenn in einer Wettbewerbsallokation Randlösungen auftreten, in denen einige Käufer das Gut nicht konsumieren, bzw. einige Unternehmen das Gut nicht herstellen. Intuition: In einem Wettbewerbsgleichgewicht gibt es keine Möglichkeit, durch eine bilaterale Transaktion zwischen zwei Marktteilnehmern ihre Handelsgewinne zu vergrössern und damit auch keine Möglichkeit, die aggregierten Handelsgewinne zu vergrössern. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 38 / 66 2. Konsumenten- und Produzentenrente 2.6 Wohlfahrtsanalyse in Wettbewerbsmärkten Abbildung: Aggregierte Produzentenrente PR∗ und aggregierte Konsumentenrente KR∗ in einem Wettbewerbsgleichgewicht. Die Summe von aggregierter Konsumenten- und Produzentenrente entspricht den aggregierten Handelsgewinnen HG∗ . Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 39 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.1 Mengen- und Wertsteuern Werden auf ein Gut Steuern erhoben, so muss man zwischen dem Preis pd , den die Konsumenten zahlen, und dem Preis ps , den die Unternehmen erhalten, unterscheiden. Die Differenz zwischen dem Konsumentenpreis pd und dem Produzentenpreis ps ist der Steuerbetrag, der pro Einheit des Gutes zu zahlen ist. Bei einer Mengensteuer mit Satz t ≥ 0 ist der Steuerbetrag pd − ps = t, so dass pd = ps + t gilt. Bei einer Wertsteuer mit Satz τ ≥ 0 ist dieser Betrag pd − ps = τ ps , so dass pd = (1 + τ)ps gilt. Mengen- bzw. Wertsubventionen werden durch negative Werte von t bzw. τ erfasst. Wir betrachten im Folgenden den Fall einer Mengensteuer – die Vorgehensweise im Fall einer Wertsteuer ist analog. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 40 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Wettbewerbsgleichgewicht bei einem Mengensteuersatz t ist durch p∗d (t), p∗s (t) und q∗ (t) gegeben, so dass 1 2 nachgefragte und angebotene Menge übereinstimmen und der Gleichgewichtsmenge entsprechen: D(p∗d (t)) = S(p∗s (t)) = q∗ (t). die Differenz zwischen p∗d (t) und p∗s (t) dem Steuerbetrag pro Einheit des Gutes entspricht: p∗d (t) − p∗s (t) = t. Die Steuereinnahmen (bzw. Subventionszahlungen) T ∗ im Wettbewerbsgleichgewicht mit Mengensteuer sind T ∗ (t) = tq∗ (t). Die Gleichgewichtsbedingungen hängen nicht davon ab, ob die Steuern bei den Konsumenten oder den Unternehmen erhoben werden. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 41 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Abbildung: Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung. Da t = p∗d (t) − p∗s (t) gilt, können die Steuereinnahmen T ∗ (t) durch das Rechteck mit Länge q∗ und Höhe p∗d (t) − p∗s (t) dargestellt werden. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 42 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Frage Welche Auswirkung hat eine Änderung des Steuer- oder Subventionssatzes auf Konsumentenpreis und Produzentenpreis? 1 Aus p∗d (t) − p∗s (t) = t folgt d p∗d (t) d p∗s (t) − = 1. dt dt 2 Aus D(p∗d (t)) = S(p∗s (t)) folgt ∗ (t) ∗ (t) d p d p = S0 (p∗s (t)) s D0 (p∗d (t)) d dt dt Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 43 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.2 Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung Verwendet man die erste Gleichung, um d p∗s /dt bzw. d p∗d /dt aus der zweiten Gleichung zu eliminieren, erhält man: d p∗d (t) S0 (p∗s (t)) εS (p∗s (t)) = 0 ∗ ≈ ≥0 ∗ 0 ∗ ∗ dt D (pd (t)) − S (ps (t)) εS (ps (t)) − εD (pd (t)) und D0 (p∗d (t)) εD (p∗d (t)) d p∗s (t) = 0 ∗ ≈ ≤ 0. ∗ 0 ∗ ∗ dt D (pd (t)) − S (ps (t)) εS (ps (t)) − εD (pd (t)) Schlussfolgerung: Die Aufteilung der Steuerlast ist umgekehrt proportional zu den Preiselastizitäten von Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion: εD (p∗d (t)) d p∗s (t)/dt − ∗ ≈− . ∗ d pd (t)/dt εS (ps (t)) Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 44 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.4 Wohlfahrtsanalyse Konsumenten- und Produzentenrente können zur Wohlfahrtsanalyse von Steuern und Subventionen verwendet werden. Dabei werden in der Definition der Handelsgewinne neben aggregierter Konsumenten- und Produzentenrente auch allfällige Steuereinnahmen/Subventionszahlungen berücksichtigt: HG = KR + PR + T. Frage Was sind die Wohlfahrtsauswirkungen einer Mengensteuer mit Satz t > 0? Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 45 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.4 Wohlfahrtsanalyse Da p∗d (t) steigend in t ist, ist die aggregierte Konsumentenrente KR∗ (t) um so niedriger, desto höher der Mengensteuersatz ist. Da p∗s (t) fallend in t ist, ist die aggregierte Produzentenrente PR∗ (t) um so niedriger, je höher der Mengensteuersatz ist. Sind zudem die Steuereinnahmen T ∗ (t) fallend in t, so ist klar, dass die die aggregierten Handelsgewinne HG∗ (t) = KR∗ (t) + PR∗ (t) + T ∗ (t) fallend in t sind. Sind hingegen die Steuereinnahmen T ∗ (t) steigend in t, so ist die Auswirkung einer Erhöhung der Mengensteuer auf die aggregierten Handelsgewinne auf den ersten Blick nicht klar. Dennoch gilt, dass die aggregierten Handelsgewinne stets fallend in dem Steuersatz sind. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 46 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.4 Wohlfahrtsanalyse Satz (Wohlfahrtsauswirkungen einer Mengensteuer) Die aggregierten Handelsgewinne HG∗ (t) sind für t > 0 fallend in t. Intuition: Die aggregierten Handelsgewinne sind durch die Handelsmengen bestimmt: HG = ∑ni=1 vi (xi ) − ∑mj=1 c j (y j ). Eine Erhöhung der Mengensteuer führt zu einer Reduktion der Handelsmengen. Da bei t > 0 die marginale Zahlungsbereitschaften v0i (xi ) die Grenzkosten c0j (y j ) übersteigen, führt die Reduktion der Mengen zu einer Reduktion der Handelsgewinne. Die Veringerung der aggregierten Handelsgewinne, die aus einer Besteuerung resultieren, wird als Zusatzlast der Steuer bezeichnet. Diese Zusatzlast einer Mengensteuer lässt sich an Hand von Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion bestimmen Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 47 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.4 Wohlfahrtsanalyse Abbildung: Aggregierte Produzentenrente PR∗ (t), aggregierte Konsumentenrente KR∗ (t) und Steuereinnahmen T ∗ (t) in einem Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung. Die Zusatzlast der Besteuerung entspricht der Fläche des grün gefärbten Dreiecks. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 48 / 66 3. Steuern und Subventionen 3.4 Wohlfahrtsanalyse Da die aggregierten Handelsgewinne bei einer Mengensteuer mit Satz t > 0 kleiner als in einem Wettbewerbsgleichgewicht ohne Besteuerung sind, ist die resultierende Allokation in einem Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung ineffizient. Also muss es eine Pareto-Verbesserung geben, die bei unveränderten Steuereinnahmen zu einer Vergrösserung der aggregierten Handelsgewinne führt. Eine Möglichkeit, eine solche Pareto-Verbesserung zu ereichen, besteht darin, die Mengensteuer duch eine geeignete Kopfsteuer zu ersetzen, die zu Steuereinnahmen in gleicher Höhe führt. Beachte: Auch eine Mengensubvention führt zu einem Wohlfahrtsverlust, der steigend in dem Subventionssatz ist. Durch die Subvention steigen die Konsumentenrenten und Produzentenrenten, aber um weniger als die Höhe der Subventionszahlungen. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 49 / 66 4. Grenzen der Partialanalyse 4.1 Komparative Statik Die komparative Statik von Wettbewerbsmärkten zeigt, dass und wie bei einer Veränderung der als exogen betrachteten Parameter, Wettbewerbspreis und -menge in dem betrachteten Markt ändern. Dabei gibt es zwei Probleme: 1 2 Die Änderung eines als exogen betrachteten Parameters löst typischerweise Änderungen der anderen Parameter aus. Die Änderung des Wettbewerbspreis in dem betrachteten Markt löst typischweise Änderungen der Parameter aus. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 50 / 66 4. Grenzen der Partialanalyse 4.1 Komparative Statik Um solche Effekte zu erfassen, muss man den Rahmen der Partialanalyse verlassen und sich einer sogenannten Totalanalyse zuwenden. Insbesondere lässt sich auch erst in einer solchen Totalanalyse klären, unter welchen Voraussetzungen die Partialanalyse eines Marktes zu annähernd korrekten Schlussfolgerungen führt. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 51 / 66 4. Grenzen der Partialanalyse 4.2 Wohlfahrtsanalyse Die Verwendung aggregierter Handelsgewinne in der Wohlfahrtsanalyse 1 2 beruht auf der Annahme, dass die Präferenzen der Konsumenten quasilinear in dem betrachteten Gut sind. (Zudem werden allfällige Randlösungen, in dem das betrachtete Gut nicht konsumiert wird, ignoriert.) unterstellt, dass Geldbeträge als Wohlfahrtsmass verwendet werden können. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 52 / 66 4. Grenzen der Partialanalyse 4.2 Wohlfahrtsanalyse Trotz dieser Probleme, erweisen sich dennoch wesentliche Einsichten der obigen Wohlfahrtsanalyse als robust. Insbesondere 1 2 kann das Konzept einer Pareto-effizienten Allokation auch ohne Verwendung von Konsumentenrenten und Produzentenrenten definiert werden und kann in dieser Form verwendet werden, um die Vorraussetzungen zu klären, in denen Wettbewerbsmärkte zu effizienten Allokationen führen. lassen sich einige der Überlegungen zu den Wohlfahrtsverlusten einer Besteuerung auf andere als quasilineare Präferenzrelationen übertragen. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 53 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.1 Einleitung Wir betrachten die Auswirkungen von Preisänderungen auf das “Wohlergehen” eines Konsumentens. Im Unterschied zu der Partialanalyse berücksichtigen wir dabei explizit, dass sich bei einer Preisänderung eines Gutes auch die nachgefragten Mengen anderer Güter ändern. beschränken wir uns nicht auf den Fall einer quasilinearen Präferenzrelation Modellrahmen: Konsument mit artiger Präferenzrelation über Güterbündel der Form (x1 , x2 ) ≥ 0, die durch eine Nutzenfunktion u dargestellt wird. Die Nachfragefunktion dieses Konsumentens ist f (p1 , p2 , m), so dass (x1∗ , x2∗ ) = ( f1 (p1 , p2 , m), f2 (p1 , p2 , m)) das beste Güterbündel in der Budgetmenge B(p1 , p2 , m) ist. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 54 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.2 Indirekte Nutzenfunktion und Einkommenskompensation Definition (Indirekte Nutzenfunktion) Die Funktion U, welche durch U(p1 , p2 , m) = u( f1 (p1 , p2 , m), f2 (p1 , p2 , m)) für alle (p1 , p2 ) > 0 und m > 0 definiert ist, heisst die indirekte Nutzenfunktion des Konsumenten. Beachte: Das nachgefragte Güterbündel ist das beste Güterbündel, welches sich der Konsument bei Preisen p1 , p2 und Einkommen m leisten kann. Daher ist U(p1 , p2 , m) das höchste Nutzenniveau, das der Konsument bei gegebenen Preisen und Einkommen erreichen kann. Bei der indirekten Nutzenfunktion handelt es sich um ein ordinales Konzept: U(p1 , p2 , m) > U(p01 , p02 , m0 ) bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass es dem Konsument in der Situation (p1 , p2 , m) besser geht als in der Situation (p01 , p02 , m0 ). Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 55 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.2 Indirekte Nutzenfunktion und Einkommenskompensation Satz Kann der Konsument sich in der Budgetsituation (p01 , p02 , m0 ) das Güterbündel f (p1 , p2 , m) leisten, so gilt U(p01 , p02 , m0 ) ≥ U(p1 , p2 , m). Unter der Voraussetzung f (p01 , p02 , m0 ) 6= f (p1 , p2 , m) gilt zudem U(p01 , p02 , m0 ) > U(p1 , p2 , m). Eine unmittelbare Konsequenz dieser Beobachtung ist, dass die Slutsky-Kompensation einer Preisänderung dazu führt, dass es dem Konsumenten besser geht: Satz (Wohlfahrtsauswirkung einer Slutsky-Kompensation) Wird nach einer Preisänderung das Einkommen eines Konsumenten so angepasst, dass er sich nach der Preisänderung wieder das ursprünglich gewählte Güterbündel leisten kann, so geht es dem Konsumenten besser. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 56 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.2 Indirekte Nutzenfunktion und Einkommenskompensation Betrachte eine Ausgangssituation (p1 , p2 , m) und eine neue Situation mit p01 , p02 , m). Definition (Hicks-Kompensation) Die Hicks-Kompensation der Preisänderung von (p1 , p2 ) zu (p01 , p02 ) ist derjenige Geldbetrag ∆m, der dazu führt, dass es dem Konsumenten nach der Preisänderung gerade gleich gut wie in der Ausgangssituation geht: U(p1 , p2 , m) = U(p01 , p02 , m + ∆m) Bei der Hicks-Kompensation bleibt also im Unterschied zur Slutsky-Kompensation die Kaufkraft in dem Sinne unverändert, dass das beste Güterbündel in der einkommenskompensierten Budgetmenge indifferent zu dem in der Ausgangssituation gewählten Güterbündel ist. Der auf Grund dieser Zerlegung resultierende Substitutionseffekt wird der Hicks-Substitutionseffekt genannt. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 57 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.2 Indirekte Nutzenfunktion und Einkommenskompensation Abbildung: Zerlegung einer Nachfrageänderung nach Slutsky und nach Hicks. Beachte: Die Hicks-Kompensation einer Preisänderung ist geringer als die Slutsky-Kompensation. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 58 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.2 Indirekte Nutzenfunktion und Einkommenskompensation Beachte: Für quasilineare Nutzenfunktionen v(x1 ) + x2 besteht ein enger Zusammenhang zwischen Konsumentenrente und Hicks-Kompensation. Betrachte Gut 2 als Numeraire, d.h. setze p2 = 1. Betrachte eine Änderung des Preis von Gut 1 von p1 auf p01 und bezeichne die nachgefragten Mengen von Gut 1 in den beiden Situationen mit x1 und x10 Die Änderung der Konsumentenrente auf Grund der Preisänderung ist: [v(x10 ) − p01 x10 ] − [v(x1 ) − p1 x1 ]. Die Hicks-Kompensation der Preisänderung ist derjenige Geldbetrag ∆m, für den v(x10 ) + m − p01 x10 + ∆m = v(x1 ) + m − p1 x1 gilt. Hieraus folgt, dass die Änderung der Konsumentenrente und die Hicks-Kompensation bis auf eine Umkehrung des Vorzeichens identisch sind. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 59 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.3 Inflationsausgleich Siehe hierzu Kapitel 7.9 des Lehrbuchs. Durch einen Konsumentenpreisindex wird versucht, die Veränderung der Kaufkraft einer Währung zu messen. Dazu wird in der Schweiz (und vielen anderen Ländern) ein Laspeyres-Preisindex verwendet: Für ein Basisjahr wird ein Warenkorb festgelegt, der den Konsum eines “typischen” Konsumenten beschreiben soll. In dem Basisjahr und den Folgejahren werden die zum Kauf dieses Warenkorbs erforderlichen Ausgaben festgestellt. Auf dieser Grundlage wird dann errechnet, um wieviel Prozent die zum Kauf des Warenkorbs erforderlichen Ausgaben angestiegen sind. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 60 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.3 Inflationsausgleich Abbildung: Das Siegel der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel zeigt Etienne Laspeyres (1834-1913), der von 1864 - 1866 Professor an der Universität Basel war. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 61 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.3 Inflationsausgleich Frage Was kann über die Wohlfahrt eines Konsumenten ausgesagt werden, der im Basisjahr den Warenkorb konsumiert und dessen Einkommen für ein Folgejahr entsprechend des Konsumentenpreisindex angepasst wird? Antwort Dem Konsumenten geht es im Folgejahr besser. Hat sich einer der relativen Preise geändert, so geht es dem Konsumenten sogar streng besser. Schlussfolgerung: Die durch den Kaufpreisindex gemessene Inflationsrate ist systematisch verzerrt: sie überschätzt den tatsächlichen Kaufkraftverlust. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 62 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.4 Steuern und Subventionen Siehe Kapitel 2.6, 5.6 und 8.7 des Lehrbuchs. Modellrahmen: Betrachte Gut 2 als Numeraire und setze p2 = 1. Gehe davon aus, dass der Preis p1 von Gut 1 in einer Situation ohne Besteuerung dem Wettbewerbspreis entspricht. Unterstelle, dass das Angebot von Gut 1 vollkommen elastisch ist, so dass eine Mengensteuer oder Mengensubvention auf Gut 1 mit Satz t den Preis des Gutes von p1 auf p1 + t ändert. Betrachte die Auswirkung der Einführung eine Mengensteuer mit gegebenem Satz t > 0. Die Analyse einer Mengensubvention ist analog. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 63 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.4 Steuern und Subventionen Auswirkung einer Mengensteuer: Nach Einführung der Mengensteuer mit Satz t wird (x1∗ , x2∗ ) nachgefragt; die Steuereinnahmen tx1∗ entsprechen der Länge der rot markierten Strecke auf der Achse für Gut 2. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 64 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.4 Steuern und Subventionen Ist Gut 1 gewöhnlich, so führt die Einführung einer Mengensteuer dazu, dass die nachgefragte Menge von Gut 1 fällt. Fragt der Konsument nach Einführung der Mengensteuer das Güterbündel (x1∗ , x2∗ ) nach, so sind die Steuereinnahmen tx1∗ . Nach Einführung der Mengensteuer geht es dem Konsumenten offenkundig schlechter als in der Ausgangssituation: U(p1 + t, 1, m) < U(p1 , 1, m). Würde die Mengensteuer durch eine Kopfsteuer ersetzt, die zu den gleichen Steuereinnahmen führt, so würde es dem Konsumenten besser gehen: U(p1 + t, 1, m) < U(p1 , 1, m − tx1∗ ), d.h. wie in der Partialanalyse verursacht die Mengensteuer eine Zusatzlast. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 65 / 66 5. Wohlfahrtsanalyse von Preisänderungen 5.4 Steuern und Subventionen Vergleich von Mengen- und Kopfsteuer: Führen Mengensteuer und Kopfsteuer zu den gleichen Steuereinnahmen in Höhe von tx1∗ , so zieht der Konsument die Kopfsteuer vor. Mikroökonomie (FS 10) Gleichgewicht und Effizienz 66 / 66