Arbeitsmarkt Einführung in die Makroökonomie Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) SS 2012 10. Mai 2012 Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 1 / 31 Was bisher geschah Im IS-LM haben wir eine Volkswirtschaft in der Kurzen Frist analysiert. Das bedeutet, wir haben angenommen, dass I I die Preise konstant sind Firmen jede beliebige Menge produzieren können Nun gehen wir zur Analyse der Mittleren Frist über. Das bedeutet: I I Firmen können nicht mehr jede beliebige Menge herstellen. Um die produzierte Menge zu verändern, müssen sie die Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren anpassen Der Einfachheit halber werden wir annehmen, dass die Produktion einer Firma nur von der eingesetzten Arbeitskraft abhängt WICHTIG Um das IS-LM Modell auf die Mittlere Frist zu erweitern, ist es nötig den Arbeitsmarkt zu analysieren Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 2 / 31 Was ist der Arbeitsmarkt Am Arbeitsmarkt bieten Haushalte ihre Arbeitskraft an, während Firmen diese Arbeitskraft nachfragen Der Preis der Arbeitskraft ist der Lohn und wird mit W bezeichnet Sowohl der von Arbeitnehmern verlangte als auch der von Firmen angebotene Lohn ist vom Preisniveau P abhäng Der Arbeitsmarkt befindet sich im Gleichgewicht, wenn der von den Arbeitnehmern verlangte Reallohn W gleich dem von den Firmen P angebotenen Reallohn ist Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 3 / 31 Arbeitsmarkt relevante Definitionen Nicht-institutionelle Zivilbevölkerung: Personen, die potentiell für Beschäftigung zur Verfügung stehen (d.h. Gesamtbevölkerung ohne Kinder, Mitglieder des Militärs, ...) Arbeitskräftepotential: Personen, die entweder einer Beschäftigung nachgehen oder nach Arbeit suchen (d.h. Arbeitnehmer und Arbeitslose) Außerhalb des Arbeitskräftepotentials: Personen, die weder einer Beschäftigung nachgehen noch nach Arbeit suchen (z.B.: Rentner, Hausfrauen/-männer, entmutigte Arbeiter) Arbeitslosenrate (u): Verhältnis zwischen Arbeitslosen und Arbeitskräftepotential Partizipationsrate (ρ): Verhältnis zwischen Arbeitskräftepotential und Nicht-institutioneller Zivilbevölkerung Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 4 / 31 Der österreichische Arbeitsmarkt Gesamtbevölkerung: 8,214.4 ⇓ Nicht-institutionelle Zivilbevölkerung: 6,905.1 ⇓ ⇓ Arbeitskräftepotential: 4,213.5 ⇓ Außerhalb des Arbeitskräftepotentials: 2,691.6 ⇓ Arbeitnehmer: Arbeitslos: 4,027.9 185.6 Table: Österreichischer Arbeitsmarkt (in Tausend; Quelle: Statistik Austria 2007) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 5 / 31 Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt Zu jedem Zeitpunkt ist eine Person entweder in Beschäftigung, arbeitslos oder außerhalb des Arbeitskräftepotentials Wechseln Personen zwischen diesen Gruppen, spricht man von Arbeitnehmerströmen Für eine gegebene Arbeitslosenrate, können die Arbeitnehmerströme unterschiedlich stark sein (aktiver vs. sklerotischer Arbeitsmarkt) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 6 / 31 Arbeitslosenrate in Österreich Figure: Monatliche Arbeitslosenrate in Österreich (Quelle: IHS) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 7 / 31 Empirische Beobachtungen Typischerweise ist der Lohn höher als der sogenannte Reservationslohn (erhält ein Beschäftigter den Reservationslohn, ist er gerade indifferent zwischen Arbeiten und Arbeitslosigkeit) Das kann durch folgende Gründe erklärt werden: 1 Arbeitnehmer haben Verhandlungsmacht 2 Firmen haben ein Interesse daran mehr als den Reservationslohn zu zahlen Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 8 / 31 Empirische Beobachtungen ad 1:Die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern hängt von zwei Faktoren ab: Bedingungen am Arbeitsmarkt: Bei einer hohen Arbeitslosenrate ist es schwieriger für den Arbeitnehmer einen neuen Job zu finden, während es leichter für das Unternehmen ist einen Arbeitnehmer zu ersetzen. Die Verhandlungsmacht des Arbeitnehmers ist daher relativ zur Verhandlungsmacht des Arbeitgebers gering. Art des Jobs: Gut ausgebildete Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmer in einer stark spezialisierten Beschäftigung sind schwerer zu ersetzen. Daher ist ihre Verhandlungsmacht höher. Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 9 / 31 Empirische Beobachtungen ad 2: Effizienzlohntheorie: Arbeitnehmer haben aus folgenden Gründen einen Anreiz mehr als den Reservationslohn zu bezahlen: Ein höherer Lohn als der Reservationslohn steigert die Produktivität der Arbeitnehmer, da I I ein Arbeitnehmer mehr verliert falls er gekündigt wird (Moralisches Risiko) ein hoher Lohn besser qualifizierte Bewerber anzieht (Adverse Selektion) Durch einen höheren Lohn sinkt die Fluktuationsrate im Unternehmen. So können Kosten für Einschulungen gering gehalten werden Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 10 / 31 Formale Analyse Formal kann dieser Lohnsetzungsprozess durch folgende Gleichung beschrieben werden: W = P e F (u, z) wobei ∂F ∂u < 0 und ∂F ∂z > 0. Notation W . . . nominaler Lohn P e . . . erwartetes Preisniveau u . . . Arbeitslosenrate z . . . andere Faktoren, die die Löhne beeinflussen (z.B.: Arbeitslosengeld, Mindestlöhne, Kündigungsschutz, ...) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 11 / 31 Formale Analyse - Erklärung Die postulierte Gleichung spiegelt folgende Annahmen wieder: Die Löhne sind eine steigende Funktion des erwarteten Preisniveaus: Sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ist nur das Verhältnis des Nominallohns zum Preis der Güter ausschlaggebend (Arbeitnehmer interessieren sich dafür, wieviele Güter sie kaufen können) Gemäß der postulierten Lohnsetzungsgleichung, steigt der nominale Lohn proportional mit einer Erhöhung der Preiserwartungen (verdoppelt sich P e , verdoppelt sich auch W um den erwarteten Reallohn konstant zu halten) WICHTIG Zum Zeitpunkt der Lohnverhandlungen kennen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber das relevante Preisniveau. Sie können ihre Entscheidungen daher nur auf Basis des erwarteten Preisniveau treffen. Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 12 / 31 Die Lohnsetzungsgleichung In der Mittleren Frist ist es sinnvoll anzunehmen, dass P e = P. Daher kann die Annahme über die Lohnsetzung folgendermaßen umgeschrieben werden: W = PF (u, z) W = F (u, z) P Diese Gleichung implieziert, dass der Reallohn eine fallende Funktion der Arbeitslosenrate u und eine steigende Funktion in z ist Diese Beziehung zwischen Reallohn und Arbeitslosenrate wird als Lohnsetzungsgleichung bezeichnet Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 13 / 31 Die Lohnsetzungsgleichung - Graphische Darstellung Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 14 / 31 Produktionsfunktion Die Preise hängen von den Produktionskosten und daher von der Produktionstechnolgie der Firmen ab Wir nehmen an, dass der einzige Produktionsfaktor ist und die Produktionsfunktion durch Y = AN gegeben ist Notation Y . . . aggregierte Produktion N . . . Beschäftigung/Arbeitseinsatz (Anzahl der Arbeitnehmer) A . . . Arbeitsproduktivität (Produktion pro Arbeitnehmer) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 15 / 31 Preissetzung bei vollkommmenem Wettbewerb Eine Firma wählt die eingesetzte Arbeitskraft so, dass ihr Profit Π = PAN − WN maximal wird W A W A Die Bedinung erster Ordnung lautet daher: PA − W = 0 bzw. P = Diese Bedingung besagt, dass der Preis P gleich den Grenzkosten ist Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 16 / 31 Preissetzung bei Marktmacht Üblicherweise verfügen Firmen über eine gewisse Marktmacht, d.h. sie können einen höheren Preis als den Preis unter vollkommenem Wettbewerb verlangen Formal nehmen wir an, dass Firmen einen positiven Preisaufschlag µ auf die Grenzkosten verlangen. Preise werden daher durch folgende Gleichung bestimmt: W P = (1 + µ) A Da der Preis P höher als die Grenzkosten einen Profit Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt W A ist, machen Firmen 10. Mai 2012 17 / 31 Die Preissetzungsgleichung Durch Umformen dieser Beziehung ergibt sich W A = P 1+µ Diese Gleichung besagt, dass der Reallohn eine fallende Funktion im Preisaufschlag µ und eine steigende Funktion der Arbeitsproduktivität A ist Diese Beziehung wird als Preissetzungsgleichung bezeichnet In einer graphischen Darstellung, ist die Preissetzungsgleichung eine horizontale Gerade, d.h. der Reallohn, der sich aus der Preissetzung von Firmen ergibt ist unabhängig von der Arbeitslosenrate Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 18 / 31 Die Preissetzungsgleichung - Graphische Analyse Figure: Die Preissetzungsgleichung Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 19 / 31 Gleichgewichtsbedingung Im Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt müssen die Preissetzung und die Lohnsetzung miteinander im Einklang sein, d.h. es muss sowohl die Lohnsetzungsgleichung als auch die Preissetzungsgleichung erfüllt sein Es gibt eine eindeutige Arbeitslosenrate für die diese Bedingung erfüllt ist. Dieser Wert wird als un (natürliche Arbeitslosenrate, ”natural rate of unemployment”) bezeichnet. Formal wird dieser Wert durch F (un , z) = A 1+µ bestimmt In einer graphischen Darstellung, wird das Gleichgewicht durch den Schnittpunkt der WS Kurve (Lohnsetzung) mit der PS Kurve (Preissetzung) dargestellt Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 20 / 31 Arbeitsmarkt Gleichgewicht - Graphische Analyse Figure: Natürliche Arbeitslosenrate Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 21 / 31 Bestimmungsfaktoren des Arbeitsmarkt Gleichgewichts A Aus der Gleichgewichtsbedingung F (un , z) = 1+µ , kann abgelesen werden, dass un nur vom Preisaufschlag µ, den Charakteristika des Arbeitsmarkts (z) und der Arbeitsproduktivität A bestimmt wird Graphische Interpretation: die Lage der Lohnsetzungs- bzw. Preissetzungsgleichung und daher ihr Schnittpunkt wird ausschließlich durch µ, z und A bestimmt Daher kann keine andere Variable die natürliche Arbeitslosenrate (d.h. die Arbeitslosenrate in der Mittleren Frist, wenn Preiserwartungen korrekt sind beeinflussen) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 22 / 31 Erhöhung des Arbeitslosengeldes Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes kann in unserem Modell durch eine Erhöhung der Variable z dargestellt werden Steigt z, ist der Reallohn gemäß Lohnsetzungsgleichung für jede gegebene Arbeitslosenrate höher. Daher verschiebt sich die WS Kurve nach oben. Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 23 / 31 Erhöhung des Arbeitslosengeldes Figure: Verschiebung der WS Kurve Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 24 / 31 Erhöhung des Arbeitslosengeldes - Erklärung Die Verschiebung der WS Kurve führt dazu, dass sich das Gleichgewicht von Punkt A zu Punkt A0 verschiebt. Die natürliche Arbeitslosenrate un steigt daher, wenn das Arbeitslosengeld steigt. Erklärung Durch das höhere Arbeitslosengeld steigt der Reservationslohn (Arbeitslosigkeit ist weniger abschreckend). Die Firmen sind aber nicht bereit höhere Reallöhne zu bezahlen (siehe Preissetzung) Einige Arbeitnehmer kündigen um ihre Forderung nach höheren Reallöhnen durchzusetzen ⇒ die Arbeitslosenrate steigt Mit der steigenden Arbeitslosenrate sinkt die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bis ein Punkt erreicht ist, bei dem die verbleibenden Arbeitnehmer wieder bereit sind den Reallohn gemäß Preissetzungsgleichung zu akzeptieren Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 25 / 31 Schwächere Kartellgesetze Nehmen Sie an, dass bestehende Kartellgesetze abgeschwächt bzw. weniger stark kontrolliert werden Dies führt zu einer Steigerung der Marktmacht von Firmen (es wird leichter Kartelle zu formen), daher wird der Preis noch mehr über den Grenzkosten liegen, d.h. der Preisaufschlag µ steigt Steigt µ, sinkt der Reallohn gemäß der Preissetzungsgleichung. Daher verschiebt sich die PS Kurve nach unten Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 26 / 31 Schwächere Kartellgesetze - Graphische Analyse Figure: Verschiebung der PS Kurve Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 27 / 31 Schwächere Kartellgesetze - Erklärung Die Verschiebung der PS Kurve führt dazu, dass sich das Gleichgewicht von Punkt A zu Punkt A0 verschiebt. Wenn Kartellgesetze abgeschwächt werden, steigt daher die natürliche Arbeitslosenrate un . Erklärung: Für jeden gegebenen nominalen Lohn W führt ein höherer Preisaufschlag µ zu niedrigeren Reallöhnen W P Bei der ursprünglichen Arbeitslosenrate, werden die Arbeitnehmer diese Senkung allerdings nicht akzeptieren. Einige Arbeitnehmer werden kündigen ⇒ die Arbeitslosenrate steigt Mit der steigenden Arbeitslosenrate sinkt die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bis ein Punkt erreicht ist, bei dem die verbleibenden Arbeitnehmer bereit sind den niedrigeren Reallohn gemäß Preissetzungsgleichung zu akzeptieren Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 28 / 31 Das natürliche Produktionsniveau Aus der natürlichen Arbeitslosenrate un lässt sich ein natürliches Produktionsniveau Yn ableiten Im Folgenden bezeichnet U die Anzahl der Arbeitslosen, N die Anzahl der Beschäftigten und L das Arbeitskräftepotential: u≡ U L−N N = =1− L L L Durch Umformen erhält man N = L (1 − u) Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 29 / 31 Das natürliche Produktionsniveau Gemäß Produktionsfunktion gilt Y = AN Daher ist die Produktion bei der natürlichen Arbeitslosenrate Yn = AL (1 − un ) Die natürliche Arbeitslosenrate ist daher durch un = 1 − Yn AL gegeben Setzt man diesen Ausdruck in die Lohnsetzungsgleichung ein, kann man die Gleichgewichtsbedinung folgendermaßen schreiben Yn A F 1− ,z = AL 1+µ Diese Bedingung bestimmt gibt den Wert von Yn in Abhängigkeit der Parameter A, L, z und µ an. Ist die Funktion F bekannt, kann diese Gleichung nach Yn aufgelöst werden Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 30 / 31 Zusammenfassung In der Mittleren Frist gilt, dass die Preiserwartungen korrekt sind (d.h. P e = P) In diesem Fall gilt, dass u = un und Y = Yn ist, d.h. diese beiden Variablen können nur durch Veränderungen der Bedinungen auf dem Arbeitsmarkt (z.B.A, z oder µ) geändert werden In der Kurzen Frist, muss die Bedingung P e = P nicht gelten (Erwartungen können auch falsch sein). Daher können in der Kurzen Frist u und Y von un und Yn abweichen und z.B. durch Fiskal- oder Geldpolitik verändert werden Einführung in die Makroökonomie (SS 2012) Arbeitsmarkt 10. Mai 2012 31 / 31