Ernährung - Deutsche Herzstiftung

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Ernährung:
Was ist erlaubt, was muss sein?
Interview mit Prof. Dr. med. Helmut Gohlke, Ballrechten-Dottingen
Herr Professor Gohlke, warum ist es für
Menschen mit Herzschwäche besonders wichtig, auf ihre Ernährung zu achten?
■■ Herzschwäche und Ernährung hängen auf
verschiedene Weise zusammen:
1. Menschen mit starkem Übergewicht, das
häufig mit erhöhtem Blutdruck und Diabetes verbunden ist, haben ein erhöhtes Risiko,
dass sich eine Herzschwäche entwickelt.
2. Wer bereits an Herzschwäche erkrankt
ist, sollte sein Gewicht in einem bestimmten Bereich halten, weil das den Verlauf der
Erkrankung günstig beeinflussen kann. Bei
Übergewicht (BMI über 25 bis 30) und Adipositas (BMI über 30)* wird eine Gewichtsreduktion wegen der günstigen Auswirkungen
insbesondere auf den Blutdruck empfohlen. Starkes Übergewicht macht auch jede
körperliche Aktivität beschwerlich.
3. Koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzinfarkt gehören zu den Hauptursachen für
die Entwicklung einer Herzschwäche. Da
die Art der Ernährung Einfluss auf die Entstehung und das Fortschreiten einer koronaren
Herzkrankheit hat, spielt sie auch bei Herzschwäche eine wichtige Rolle.
4. Darüber hinaus hat die Ernährung Einfluss
auf die Beschwerden, unter denen ein
Pa­
tient mit Herzschwäche leidet; gemeint
sind damit vor allem Salzkonsum und Trink­
menge.
Welchen Rat geben Sie Patienten mit Herzschwäche bezüglich ihres Körpergewichts?
* Der Body-Mass-Index errechnet sich aus: Körper­
gewicht in kg geteilt durch (Körperlänge in m)2. Z. B.
Körper­gewicht 80 (kg) : Körperlänge 1,80 (m)2 = BMI 24,7
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■■ Zunächst ist zu prüfen, ob das Gewicht
eines Patienten durch Wassereinlagerungen
erhöht ist. Ist die eingelagerte Flüssigkeit
durch die Einnahme von Diuretika (Entwässerungsmitteln) beseitigt und besteht echtes
Übergewicht, ist eine Gewichtsreduktion anzustreben. Die Erfahrung zeigt zwar,
dass geringes Übergewicht den Verlauf
der Krankheit nicht ungünstig beeinflusst.
Trotzdem ist es für Patienten, die unter
Begleit­
erkrankungen, Bluthochdruck oder
Diabetes leiden, sinnvoll, das Gewicht zu
normalisieren, weil auch leichtes Übergewicht in diesen Fällen nachteilig ist. Stark
übergewichtige Patienten haben auch häufiger Atemstörungen, wie ein Schlafapnoe­
syndrom, das die Herzarbeit zusätzlich
belastet und im Schlaf zu einer verminderten
Sauerstoffsättigung im Blut führt (s. S. 35 ff.).
Im fortgeschrittenen Stadium einer Herzschwäche nehmen Patienten häufig unfreiwillig so viel ab, dass sie in deutliches Untergewicht hineinrutschen. Dadurch wird ihr
Gesundheitszustand verschlechtert, sodass
Tägliches Wiegen ist für Patienten mit Herzschwäche unverzichtbar.
Hier ist die Genauigkeit der Waage entscheidend. Ein einfacher Trick:
Kaufen Sie sich zwei Kilopakete Mehl und stellen Sie sich erst ohne und
dann mit dem Mehl auf die Waage. Beträgt die Differenz der Gewichtsanzeige genau zwei Kilogramm, wissen Sie, dass Ihre Waage richtig
funktioniert.
man z. B. mit kalorienreicher Nahrung
gegenzusteuern sucht.
Zum Gewichtsverlust kann es bei schwerer
Herzschwäche insbesondere durch Abbau
von Muskelmasse kommen, weil die Patienten kaum noch zu körperlicher Aktivität in
der Lage sind. Außerdem müssen vermehrt
Kalorien für die erschwerte Atemarbeit
aufgewendet werden. Dazu kommt, dass
der Appetit aufgrund von Übelkeit
verringert sein kann, die
dadurch entsteht, dass
sich das Blut wegen
der Pumpschwäche­
vor dem rechten Her­zen bis in die Verdauungsorgane zurückstaut.
Wenn eine Neigung
zur Flüssigkeitseinla­
gerung besteht, meistens bei den NYHAKlassen III und IV (s.
­­ S. 10/11), manchmal
schon bei NYHA-Klasse II, muss das Körpergewicht täglich auf der Waage bestimmt
werden, um frühzeitig Wassereinlagerungen oder übermäßig schnellen Gewichtsverlust zu entdecken. Dies kann evtl. auch
durch eine ungewollt zu starke Wasserausscheidung entstehen,
infolge einer zu starken diuretischen
Therapie.
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Herzschwäche zur Mittelmeerküche geraten, weil sie grundsätzlich für die Herzgesundheit wichtig ist.
Warum ist bei Herzschwäche auf die Zufuhr
von Kochsalz und auf die Trinkmenge zu
achten?
Wovon ernähren sich Patienten mit Herzschwäche am besten?
■■ Große aufwendige Studien, zum Beispiel
die Lyon-Diät-Herzstudie, haben für Patienten mit koronarer Herzerkrankung gezeigt,
dass die sogenannte Mittelmeerkost vorteilhaft ist. Die Kranken, die sich so ernährten,
erlitten zum Beispiel deutlich weniger Herzinfarkte als die Patienten, die sich herkömmlich ernährten.
Knapp zusammengefasst heißt Mittelmeerküche:
■■ mehr Gemüse, Salat, Obst und Vollkornprodukte,
■■ weniger Fleisch, eher Fisch,
■■ Oliven- und Rapsöl anstatt tierischer
Fette wie Butter oder Schmalz.
Es gibt allerdings bisher keine Studien,
die den Einfluss dieser Ernährung speziell
bei Menschen mit Herzschwäche geprüft
haben. Dennoch wird auch Patienten mit
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■■ Wie bereits erwähnt, kann sich bei der Herzschwäche das Blut vor dem Herzen stauen.
Als Folge davon tritt Wasser in das Gewebe
aus, das heißt, es entstehen Wassereinlagerungen oder Ödeme. Zu solchen Ödemen
kommt es vorwiegend in den Lungen oder
in den Beinen. Hoher Salzkonsum begünstigt die Bildung von Ödemen. Die meisten
Patienten mit Herzschwäche erhalten zwar
ein Diuretikum, um überschüssiges Wasser
auszuschwemmen. Trotzdem ist es wichtig,
um das Herz zu entlasten, darauf zu achten,
wie viel Flüssigkeit und Salz täglich aufgenommen werden.
Welche Mengen an Kochsalz und Flüssigkeit
sind erlaubt?
■■ Mit der durchschnittlichen Ernährung
führen wir uns rund 10 bis 12 Gramm Kochsalz täglich zu, aber auch 30 Gramm pro Tag
sind keine Seltenheit. Der Körper benötigt
jedoch nur etwa 1 Gramm Salz pro Tag.
Im Allgemeinen wird Patienten mit Herzschwäche empfohlen, die Zufuhr von Kochsalz auf 4 bis 5 Gramm pro Tag zu begrenzen. Die Flüssigkeitszufuhr sollte auf 2 Liter
beschränkt werden, bei schwerer Herzschwäche auf 1,5 Liter. Auf diese erlaubte
Menge müssen nicht nur Getränke, sondern
auch Nahrung mit hohem Flüssigkeitsgehalt
angerechnet werden, zum Beispiel Suppen.
Bei großer Hitze, bei Durchfall, Fieber, Erbrechen muss der Flüssig­
keitsverlust durch
vermehrtes Trinken ausgeglichen werden.
Das Einschränken der Salzaufnahme bereitet
vielen Menschen Schwierigkeiten. Außerdem
klagen Patienten, die Diuretika einnehmen, oft über Durst und tun sich schwer, die
Trinkmenge zu verringern, vor allem in der
warmen Jahreszeit. Welche Tipps können Sie
hier geben?
■■ Wer an stark gesalzene Speisen gewöhnt ist,
wird salzarme Kost zunächst als fad empfinden. Der Gaumen gewöhnt sich aber mit
der Zeit an einen niedrigeren Salzgehalt, der
den Eigengeschmack der Speisen stärker
hervortreten lässt. Außerdem kann man statt
Salz Gewürze und Kräuter verwenden. Ganz
wichtig: Man sollte zu Hause den Salzstreuer
vom Tisch verbannen, damit man gar nicht
erst in Versuchung kommt nachzusalzen.
Bei der Auswahl der Speisen ist zu beachten, dass Konserven und Fertiggerichte oft
sehr viel Kochsalz enthalten, ebenso einige
Brotsorten. Am besten ist daher, Speisen aus
frischen Produkten zuzubereiten.
Für die Flüssigkeitszufuhr gilt der Rat, langsam in kleinen Schlucken zu trinken, auch
wenn es schwerfällt. Oft genügt es schon, den
Mund zu befeuchten, um das Durstgefühl zu
lindern. Hilfreich können auch zuckerfreie
Bonbons mit Zitronengeschmack sein, die
den Speichelfluss anregen.
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Müssen Patienten mit Herzschwäche auf Alkohol verzichten?
Woran merkt ein Patient, wenn sich verstärkt
Wasser im Körper sammelt?
■■ Wenn Wasser in der Lunge eingelagert wird,
fällt das Atmen schwerer, man bekommt
Luftnot, besonders im Liegen. Bei Wasser­
einlagerung im Bauchraum oder in den
Beinen wird die Kleidung subjektiv enger,
der Gürtel muss um ein oder zwei Löcher
weiter geschnallt werden oder die Schuhe
passen nicht mehr wie gewohnt.
Um eine Wassereinlagerung frühzeitig zu
bemerken, bevor sich solche Symptome
einstellen, wird Patienten mit Herzschwäche empfohlen, sich täglich zu wiegen.
Das Wiegen sollte immer unter den gleichen Bedingungen erfolgen, zum Beispiel
morgens nach der Dusche. Verändert sich
das Gewicht innerhalb von drei Tagen um
mehr als 2 Kilogramm, ist das ein Warnsignal! Dann muss Kontakt zum Arzt gesucht
werden.
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■ Ein Patient mit einer durch Alkohol verursachten Herzmuskel­
erkrankung (Kardiomyopathie)
darf selbstverständlich keinerlei
Alkohol trinken. Für die Mehrzahl
der Patienten mit Herzschwäche
gilt aber, dass geringe Mengen
vermutlich nicht schaden. Eine
geringe Menge heißt für Männer
höchstens 30 Gramm Alkohol
pro Tag, für Frauen höchstens
20 Gramm. 30 Gramm Alkohol
entsprechen etwa einem halben
Liter Bier oder einem Viertelliter Wein. Da es vielen Menschen
schwerfällt, diese Grenzen einzuhalten, kann es leichter sein, gar keinen
Alkohol zu trinken. Von hochprozentigen
Alkoholika wird generell abgeraten.
Und was ist zum Rauchen zu sagen?
■■ Patienten mit Herzschwäche sollten aus
verschiedenen Gründen komplett auf Tabak
verzichten. Rauchen ist einer der wichtigsten
Risikofaktoren für das Entstehen und Fortschreiten einer koronaren Herzerkrankung,
die bei zwei Drittel der Patienten Ursache
einer Pumpschwäche des Herzens ist. Darüber hinaus enthält Tabakrauch in nennenswerten Mengen Kohlenmonoxid, das den
Blutfarbstoff für die Sauerstoffaufnahme
blockiert, dadurch die bereits verminderte Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff
zusätzlich verschlechtert und die Atmung
noch schwerer macht.
Interview: Ulrich Scharmer
Dieses Interview stammt aus: Das schwache Herz. Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz
heute, Deutsche Herzstiftung, 2013. Bildnachweis: Jan Neuffer (Illustration und Foto).
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