Folsäure enttäuscht Der Vererbung auf der Spur Die Liste möglicher Verdächtiger, die als Ursachen für die Entstehung von Herzinfarkten und Schlaganfällen angesehen werden, wird ständig länger. Dazu gehört auch Homocystein: In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass hohes Homocystein mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt einhergeht. Erhöhte Homocysteinwerte können mit Folsäure und Vitamin B6 gesenkt werden. Für diese Therapie ist das Schicksal jetzt besiegelt durch die große NORVIT-Studie, die auf der Europäischen Tagung der Kardiologen in Stockholm vorgestellt wurde. Dies war eine industrieunabhängige, placebokontrollierte, doppelblinde Untersuchung an 3 749 Patienten mit frischem Herzinfarkt. Je ein Viertel der Patienten bekamen Folsäure, Vitamin B6, eine Kombination von beidem oder ein Scheinmedikament (Placebo). Die Patienten wurden 3 1/2 Jahre beobachtet. Die Folsäuregabe führte wie gewünscht zu einem starken Absinken des Homocystein-Blutspiegels. Überraschenderweise fand sich jedoch eine erhöhte Gesamtsterblichkeit in der kombinierten Behandlungsgruppe. Krebserkrankungen waren in den mit Folsäure behandelten Patientengruppen deutlich gehäuft neu aufgetreten. Auf Herzinfarkt und Schlaganfall nahmen dagegen alle Behandlungsformen keinen Einfluss. Die Vermutung der norwegischen Forscher dieser Studie geht dahin: Homocystein ist nicht ein echter Risikofaktor, sondern ein unbeteiligter Zuschauer. Die Homocystein-Geschichte ist wieder einmal ungeheuer lehrreich. Bevor Behandlungsempfehlungen ausgesprochen werden und Betroffene ihr Geld für zusätzliche, von den Krankenkassen nicht erstattete Behandlungsmaßnahmen ausgeben, müssen klare wissenschaftliche Daten abgewartet werden. Ähnlich negativ erging es ja auch schon allen Vitamin-Studien bei Herzkranken. Achtung: Die Enttäuschung bei Folsäure betrifft Herzpatienten. Andere Verwendungen, z.B. in der Schwangerschaft, bleiben davon unberührt. Prof. Dr. med. Harald Klepzig, Offenbach, Stadtkrankenhaus Dank des medizinischen Fortschritts der vergangenen hundert Jahre sterben weniger Menschen an Infektionskrankheiten. Auch Herzinfarkte 14 werden häufiger überlebt. Nicht zuletzt dadurch treten immer mehr Fälle von chronischer Herzschwäche auf. Forscher sehen voraus, dass sich diese Entwicklung durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung fortsetzen und verstärken wird. Es ist deshalb von großer Bedeutung, die Grundlagen dieser Erkrankung in Zellen und Geweben besser zu verstehen. Eine Form der Herzschwäche ist die dilatative Kardiomyopathie. Hiervon spricht man, wenn keine der bekannten Ursachen für eine Herzschwäche festgestellt werden kann (Herzinfarkt, hoher Blutdruck etc.). Sie tritt zwar nicht sehr oft auf, stellt aber den häufigsten Grund für eine Herztransplantation dar, weil in der Regel schon jünge- re Patienten erkranken. Auffällig ist, dass die dilatative Kardiomyopathie in 20 bis 30 Prozent der Fälle bei mehreren Familienmitgliedern auftritt, also vererbt wird. Die Vererbungsmuster sprechen dafür, dass in den meisten Familien jeweils nur ein einzelner Gendefekt vorliegt. Dadurch war es möglich, einige Krankheitsgene zu identifizieren. Die Erkrankung ist häufig durch Fehler in Eiweißstrukturen ausgelöst, welche das mechanische Gerüst der Herzmuskelzelle bilden. Die Arbeit Mutation in the Transcriptional Coactivator Eya4 Causes Dilated Cardiomyopathy and Sensorineural Hearing Loss, die im letzten Jahr mit dem Forschungspreis der Deutschen Stiftung für Herzforschung, die mit der Deutschen Herzstiftung verschwistert ist, ausgezeichnet wurde, basiert auf der Tatsache, dass ein aufmerksamer Arzt wahrgenommen hat, dass er zwei Brüder in seiner Transplantationsambulanz betreut und dass beide Brüder neben ihrer Herzschwäche auch mit einer starken Schwerhörigkeit zu kämpfen hatten – beide trugen Hörgeräte auf dem linken und dem rechten Ohr. Als der Kardiologe die Brüder nach deren weiteren Familienmitgliedern befragte, ergab sich ein erschreckendes Bild vieler früherer Erkrankungs- und Todesfälle in der Großfamilie. Auffälligerweise wurde die Schwerhörigkeit tatsächlich immer zusammen mit der Herzschwäche vererbt, wobei die Schwerhörigkeit schon im Teenager-Alter auftrat und die Herzschwäche dann im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt folgte. Eine genetische Untersuchung konnte nachweisen, dass das Krankheitsgen in einem zwei Millionen Basenpaare messenden DNA-Abschnitt auf dem langen Arm des Chromosom 6 (6q23-24) liegt. In diesem Abschnitt liegt unter anderem das RegulatorGen Eya4. Allen erkrankten Familienmitgliedern fehlte ein Stück DNA (4 846 Basenpaare) in genau diesem Gen. Dies bewirkt, dass das Leseraster im Gen gestört ist: Der Defekt führt dazu, dass ein stark verkürztes Eiweiß erzeugt wird, das offenbar kaum noch eine Restfunktion besitzt. In Experimenten konnten Forscher belegen, dass das Regulator-Gen normalerweise im menschlichen Herzen – aber auch im Herzen des Zebrafischs – aktiv ist. Die Zerstörung der Funktion des Regulator-Gens im embryonalen Herzen des Zebrafischs führte zu einer deutlichen Minderentwicklung des Herzens mit einem reduzierten Blutfluss in der Hauptschlagader. Ein reduzierter Blutfluss wird auch bei Menschen mit Herzschwäche beobachtet. Die Arbeit belegt erstmals, dass auch Fehler in Eiweißen mit Reglerwirkung (Transkriptionsfaktoren) zu einer anderweitig nicht erklärten menschlichen Herzschwäche führen können. Das bisherige Verständnis der Erkrankung, welches hauptsächlich Störungen im mechanischen Gerüst der Herzmuskelzellen zugrundegelegt hat, wird dadurch wesentlich erweitert. Die Bestimmung derjenigen Gene, die vom Regulator-Gen kontrolliert werden (Targetgene), verspricht neue Einblicke in die Regulationsvorgänge bei der Entstehung von Herzschwäche. Es ist durchaus möglich, dass diese Erkenntnisse auch zur Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmethoden für die häufigeren Formen der Herzschwäche führen. Schon jetzt kann die Identifikation des Gendefektes bei einem Familienmitglied zu vorbeugenden Maßnahmen führen, die den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen. Dr. med. Jost Schönberger, Medizinische Universitätsklinik Würzburg Die Deutsche Herzstiftung gibt jeden vierten Euro ihrer Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen für die Forschung aus.