Ernährung bei Herzschwäche: Was ist erlaubt, was muss sein? Interview mit Prof. Dr. med. Helmut Gohlke, Klinische Kardiologie II, Herz-Zentrum Bad Krozingen Herr Professor Gohlke, warum ist es für Menschen mit Herzschwäche besonders wichtig, auf ihre Ernährung zu achten? Herzschwäche und Ernährung hängen auf verschiedene Weise zusammen: 1. Menschen mit sehr starkem Übergewicht haben ein erhöhtes Risiko, dass sich eine Herzschwäche entwickelt. 2 . Wer bereits an Herzschwäche erkrankt ist, sollte sein Gewicht in einem bestimmten Bereich halten, weil das den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen kann. 3. Koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzinfarkt gehören zu den Hauptursachen für die Entwicklung einer Herzschwäche. Da die Art der Ernährung Einfluss auf die Entstehung und das Fortschreiten einer koronaren Herzkrankheit hat, spielt sie auch bei Herzschwäche eine wichtige Rolle. 4. Darüber hinaus hat die Ernährung Einfluss auf die Beschwerden, unter denen ein Patient mit Herzschwäche leidet; gemeint sind damit vor allem Salzkonsum und Trinkmenge. Welchen Rat geben Sie Patienten mit Herzschwäche bezüglich ihres Körpergewichts? Zunächst ist zu prüfen, ob das Gewicht eines Patienten durch Wassereinlagerungen erhöht ist. Ist die eingelagerte Flüssigkeit beseitigt 24 und besteht echtes Übergewicht, ist Normalgewicht anzustreben. Die Erfahrung zeigt zwar, dass geringes Übergewicht den Verlauf der Krankheit nicht ungünstig beeinflusst. Trotzdem ist es für Patienten, die unter Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes leiden, sinnvoll, das Gewicht zu normalisieren, weil auch leichtes Übergewicht in diesen Fällen nachteilig ist. Anders sieht es im Endstadium einer Herzschwäche aus, z. B. wenn ein Patient auf der Transplantationsliste steht: Diese Patienten nehmen häufig unfreiwillig so viel ab, dass sie in ein deutliches Untergewicht hineinrutschen. Dadurch wird ihr Gesundheitszustand verschlechtert, so dass man z. B. mit kalorienreicher Nahrung gegenzusteuern sucht. T ä g l i c h e s W i e g e n i s t u Zum Gewichtsverlust kann es bei schwerer Herzschwäche insbesondere durch Abbau von Muskelmasse kommen, weil die Patienten kaum noch zu körperlicher Aktivität in der Lage sind. Außerdem müssen vermehrt Kalorien für die erschwerte Atemarbeit aufgewendet werden. Dazu kommt, dass der Appetit aufgrund von Übelkeit verringert sein kann, die dadurch entsteht, dass sich das Blut wegen der Pumpschwäche vor dem rechten Herzen bis in die Verdauungsorgane zurückstaut. Allerdings gibt es im Endstadium der Herzschwäche auch Patienten, – vor allem Diabetiker – die einen BMI von über 30 aufweisen. Bei ihnen kann eine drastische Gewichtsreduktion durch operative Maßnahmen die Herzschwäche bessern. Große aufwendige Studien, zum Beispiel die Lyon-Diät-Herzstudie, haben für Patienten mit koronarer Herzerkrankung gezeigt, dass die sogenannte Mittelmeerküche vorteilhaft ist. Die Patienten, die sich so ernährten, erlitten zum Beispiel deutlich weniger Herzinfarkte als die anderen Studienteilnehmer. Knapp zusammengefasst heißt Mittelmeerküche: ■ viel Gemüse, Salat, Obst, Vollkornprodukte, ■ wenig Fleisch, eher Fisch, ■ Oliven- und Rapsöl anstatt tierischen Fetten wie Butter oder Schmalz. Es gibt allerdings bisher keine Studien, die den Einfluss dieser Ernährung speziell bei Menschen mit Herzschwäche geprüft haben. Dennoch wird auch Patienten mit Herzschwäche zur Mittelmeerküche geraten. Wovon ernähren sich Patienten mit Herzschwäche am besten? Warum ist es bei Herzschwäche wichtig, auf die Zufuhr von Kochsalz und die Trinkmenge zu achten? u n v e r z i c h t b a r . Tägliches Wiegen ist für Patienten mit Herzschwäche unverzichtbar. Hier ist die Genauigkeit der Waage entscheidend. Ein einfacher Trick: Kaufen Sie sich zwei Kilopakete Mehl und stellen Sie sich erst ohne und dann mit dem Mehl auf die Waage. Beträgt die Differenz der Gewichtsanzeige genau zwei Kilogramm, wissen Sie, dass Ihre Waage richtig funktioniert. Wie schon gesagt, kann sich das Blut aufgrund der Pumpschwäche vor dem Herzen stauen. Als Folge davon tritt Wasser in das Gewebe aus, das heißt, es entstehen Ödeme. Zu solchen Wasseransammlungen kommt es vorwiegend in den Lungen oder in den Beinen. Die meisten Patienten mit Herzschwäche erhalten zwar ein Diuretikum, um überschüssiges Wasser auszuschwemmen. Trotzdem ist es wichtig, um das Herz zu entlasten, dass sie darauf achten, wieviel Flüssigkeit und Salz sie täglich zu sich nehmen. Welche Mengen an Kochsalz und Flüssigkeit sind erlaubt? Mit der durchschnittlichen Ernährung führen wir rund 10 bis 15 Gramm Kochsalz täglich 25 zu, aber auch 30 Gramm pro Tag sind keine Seltenheit. Der Körper benötigt jedoch nur etwa 1 Gramm Salz pro Tag. Patienten mit Herzschwäche wird im allgemeinen empfohlen, die Zufuhr von Kochsalz auf 4 bis 5 Gramm pro Tag zu begrenzen, in manchen Fällen auf 2 bis 3 Gramm. Die Flüssigkeitszufuhr sollte auf 2 Liter beschränkt werden, bei schwerer Herzschwäche auf 1,5 Liter. Auf diese erlaubte Menge müssen nicht nur Getränke, sondern auch Nahrung mit hohem Flüssigkeitsgehalt angerechnet werden, zum Beispiel Suppen. Bei großer Hitze, bei Durchfall, Fieber, Erbrechen muss der Flüssigkeitsverlust durch vermehrtes Trinken ausgeglichen werden. Damit man nicht zu viel Flüssigkeit zu sich nimmt, kontrolliert man durch tägliches Wiegen, dass das Gewicht erhalten bleibt. Das Einschränken der Salzaufnahme bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten. Außerdem klagen Patienten, die Diuretika einnehmen, oft über Durst und tun sich schwer, die Trinkmenge zu verringern, vor allem in der warmen Jahreszeit. Welche Tipps können Sie hier geben? Wieviel Salz steckt in Lebensmitteln? Darüber werden wir unzureichend informiert. Wenn überhaupt, wird Natrium ausgewiesen. Natrium x 2,5 = Salz (NaCl) Besonders salzreich sind Fleischwaren, Käse, Fertiggerichte: Lebensmittel Natrium in 100 g essbarem Anteil Salami Schweineschinken geräucherter Schinken Schmelzkäse Gouda Harzer Dagegen: Frischkäse (20 %) * Schichtkäse (10 –20 %) Speisequark (20 %) Speisequark (Magerstufe) 2130 mg (also 5,3 g Salz) 965 mg 2121 mg 1 260 mg 512 mg 787 mg 40 mg 40 mg 35 mg 40 mg Obst und die meisten Sorten Frischgemüse sind nahezu natriumfrei – im Gegensatz zu Dosengemüse: Bohnen 1,5 mg Bohnen in Dosen 249 mg Spargel, gekocht und abgetropft 2 mg Spargel in Dosen 375 mg * Der Natriumwert von Frischkäse wurde entnommen aus: „Die große Wahrburg/Egert Kalorien- & Nährwerttabelle“, Wahrburg/Egert 2009. Alle anderen Werte stammen aus: „Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Nährwert-Tabellen“, Souci/Fachmann/Kraut 2008. 26 Wer an stark gesalzene Speisen gewöhnt ist, wird salzarme Kost zunächst als fad empfinden. Der Gaumen gewöhnt sich aber mit der Zeit an einen niedrigeren Salzgehalt. Außerdem kann man vielen Speisen durch andere Gewürze und Kräuter Geschmack verleihen. Ganz wichtig: Man sollte zu Hause den Salzstreuer vom Tisch verbannen, damit man gar nicht erst in Versuchung kommt nachzusalzen. Bei der Auswahl der Speisen ist zu beachten, dass Konserven und Fertiggerichte oft sehr viel Kochsalz enthalten, ebenso einige Brotsorten. Am besten ist daher, Speisen aus Frischprodukten zuzubereiten. Für die Flüssigkeitszufuhr gilt der Rat, langsam in kleinen Schlucken zu trinken, auch wenn es schwerfällt. Oft genügt es schon, den Mund zu befeuchten, um das Durstgefühl zu lindern. Hilfreich können auch zuckerfreie Bonbons mit Zitronengeschmack sein, die den Speichelfluss anregen. Woran merkt ein Patient, wenn sich verstärkt Wasser im Körper sammelt? Wenn Wasser in der Lunge eingelagert wird, fällt das Atmen schwerer, man bekommt Luftnot, besonders im Liegen. Bei Wassereinlagerung im Bauchraum oder in den Beinen wird die Kleidung subjektiv enger oder die Schuhe passen nicht mehr wie gewohnt. Um eine Wassereinlagerung frühzeitig zu bemerken, bevor sich solche Symptome eingestellt haben, wird Patienten mit Herzschwäche empfohlen, sich täglich zu wiegen. Das Wiegen sollte immer unter den gleichen Bedingungen erfolgen, zum Beispiel morgens nach dem Zähneputzen in leichter Bekleidung. Verändert sich das Gewicht innerhalb von drei Tagen um mehr als 2 Kilogramm, ist das ein Warnsignal! Dann muss Kontakt zum Arzt gesucht werden. Müssen Patienten mit Herzschwäche auf Alkohol verzichten? Ein Patient mit einer durch Alkohol verursachten Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie) darf selbstverständlich keinerlei Alkohol trinken. Für die Mehrzahl der Patienten mit Herzschwäche gilt aber, dass geringe Mengen vermutlich nicht schaden. Eine geringe Menge heißt für Männer höchstens 30 Gramm Alkohol pro Tag, für Frauen höchstens 20 Gramm. 30 Gramm Alkohol entsprechen etwa einem halben Liter Bier oder einem Viertelliter Wein. Da es vielen Menschen schwerfällt, diese Grenzen einzuhalten, kann es leichter sein, gar keinen Alkohol zu trinken. Von hochprozentigen Alkoholika wird generell abgeraten. Und was ist zum Rauchen zu sagen? Patienten mit Herzschwäche sollten aus verschiedenen Gründen komplett auf Tabak verzichten. Rauchen ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für das Entstehen und Fortschreiten einer koronaren Herzerkrankung, Es empfiehlt sich, ein Tagebuch zu führen und darin Gewicht, aber auch Puls und Blutdruck einzutragen. Dadurch wird man auf eine Verschlechterung der Herzschwäche rechtzeitig aufmerksam. Das Tagebuch (112 Seiten, DIN A5) können Sie bei der Deutschen Herzstiftung gegen 1,45 € in Briefmarken anfordern (für Mitglieder kostenlos). die, wie am Anfang gesagt, bei vielen Patienten Ursache der Herzschwäche ist. Darüber hinaus enthält Tabakrauch in nennenswerten Mengen Kohlenmonoxid, das die bereits verminderte Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff zusätzlich verschlechtert und die Atmung noch schwerer macht. Interview: Ulrich Scharmer Dieser Artikel ist in unserer Broschüre „Das schwache Herz – Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz heute“ erschienen (s. S. 59). 27