DEPARTEMENT GESUNDHEIT UND SOZIALES Gesundheitsversorgung MERKBLATT Spezialisierte Demenz; Definition und Kodierung nach ICD-10 Die Demenz wird im ICD-10 definiert als ein Syndrom, verursacht durch eine meist chronische oder fortschreitende Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen und einer Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Zum klinisch-psychopathologischen Erscheinungsbild des demenziellen Syndroms gehören – mehr oder minder ausgeprägt – sowohl kognitive als auch „nicht-kognitive“ Störungen. Laut ICD-10 betrifft die kognitive Beeinträchtigung neben dem Gedächtnis auch andere kognitive Fähigkeiten (z. B. Denkvermögen, Orientierung, Fähigkeit zu planen und zu organisieren, Auffassung, Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsfähigkeit). Zu den „nicht-kognitiven“ Verhaltensstörungen gehören die Verminderung der Affektkontrolle (emotionale Labilität, Reizbarkeit) und des Antriebs und der Motivation (Apathie) sowie die Veränderung des Sozialverhaltens. Die Abnahme der kognitiven Fähigkeiten führt zu einer Einschränkung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (Waschen, Ankleiden, Nahrungsaufnahme, Hygiene, etc.) und insbesondere bei der Ausführung komplexerer Aktivitäten, wie z. B. Einkaufen oder Umgang mit Geld. In der Schweiz ist die Verwendung der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM) Version 2010 für alle Spitäler und Kliniken obligatorisch. Diese Version wird vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erstellt. http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/kodesuche/onlinefassungen/htmlgm2012/block-f00-f09.htm Das ICD-10 Klassifikationssystem hat an erster Stelle einen Buchstaben. Der Buchstabe F steht für die psychischen Störungen. Die zweite Stelle (0) weist auf eine organische, einschliesslich symptomatische psychische Störung hin. An der Stelle drei wird mit einer Kodierung von 0 bis 3 auf das Vorhandensein einer Demenzerkrankung und auf ihre Ursache hingewiesen. F00 = Demenz bei Alzheimer-Krankheit (G30+) F01 = vaskuläre Demenz F02 = Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten F03 = nicht näher bezeichnete Demenz Einzige Ausnahme von dieser einheitlichen Kodierung bilden Demenzen, die in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol oder einer anderen psychotropen Substanz stehen. Eine alkohol- oder substanzbedingte Demenz wird im ICD-10-GM nämlich unter F1x.73 kodiert. Zur Vereinfachung und Anpassung an die Systematik der anderen Demenzen werden diese Krankheiten im Formular „Mitteilung über die Abrechnung eines Demenzzuschlages“ unter F02.8 (Demenz bei anderorts klassifizierten Krankheitsbildern) statt unter F1x.73 kodiert. Mit der vierten Stelle wird die zugrunde liegende Demenzursache genauer angegeben. Wenn auch „nicht-kognitive“ psychiatrische Symptome vorkommen, aber die operationalisierten Kriterien nach ICD-10 für eine andere psychische Störung (z. B. depressive Episode oder Wahnstörung) nicht erfüllt werden, können diese mit der fünften Stelle kodiert werden: .x0 .x1 .x2 .x3 .x4 ohne zusätzliche Symptome mit anderen (zusätzlichen) Symptomen, vorwiegend wahnhaft mit anderen (zusätzlichen) Symptomen, vorwiegend halluzinatorisch mit anderen (zusätzlichen) Symptomen, vorwiegend depressiv mit anderen (zusätzlichen) gemischten Symptomen (z. B. Kombinationen aus o. g. Symptomen resp. andere Symptome wie Bewegungsdrang oder Sundowning) Mit einer sechsten Stelle kann der Schweregrad der Demenz näher gekennzeichnet werden: .xx0 .xx1 .xx2 leicht mittelgradig schwer Bezüglich der Kriterien zur Differenzierung des Schweregrads (Staging) macht das ICD-10 keine weiteren Präzisierungen und enthält keine operationalisierten Kriterien. Die Skala zur Beurteilung der Demenz (Clinical Dementia Rating CDR) wird zur Bestimmung des Schweregrades in der Praxis häufig verwendet. Bewertung Jede Funktion wird einzeln beurteilt, der Gedächtnisscore hat das grösste Gewicht. Der globale Score wird unter Berücksichtigung der einzelnen Funktionen berechnet (automatisierte Berechnung des globalen CDR-Scores: http://www.biostat.wustl.edu/adrc) CDR 0.5= Fragliche Demenz CDR 1 = Leichte Demenz CDR 2 = Mittelschwere Demenz CDR 3 = Schwere Demenz Der CDR-Score lässt sich folgendermassen in die ICD-10 Kodierung übertragen: Sc h w e r e g r a d F r agl i ch e / l ei cht e D e m en z M it t elgr adig e Dem e nz Sc h w e r e D e m e n z CD R 0. 5 - 1 2 3 IC D - 1 0 - G M F xx. xx0 F xx. xx1 F xx. xx2 2 von 4 STAGING Skala zur Beurteilung der Demenz Clinical Dementia Rating(CDR) Referenz: Morris JC: Neurology 1993; 43:2412-2414 / Waid-Guide, (2. Aufl.) 2010 Funktionen Gedächtnis Gesund CDR = 0 Kein Gedächtnisverlust oder leichte inkonstante Vergesslichkeit. Fragliche Demenz CDR = 0,5 Leichte konstante Vergesslichkeit. Nur partielle Erinnerung. „Benigne“ Vergesslichkeit. Leichte Demenz CDR = 1 Gedächtnisstörung mässig, Frischgedächtnis ausgeprägter. ADL Funktionen beeinträchtigt. Mittelschwere Demenz CDR = 2 Ausgeprägte Gedächtnisstörung. Nur intensiv Erlerntes bleibt erhalten, Neues geht rasch verloren. Schwere Demenz CDR = 3 Schwere Gedächtnisstörung. Nur Erinnerungsbruchstücke. Orientierung Voll orientiert. Voll orientiert, abgesehen von leichten Schwierigkeiten bez. zeitlicher Zusammenhänge. Mässige Schwierigkeiten bez. zeitlicher Zusammenhänge. Örtlich meist orientiert. Starke Schwierigkeiten bez. zeitlicher Zusammenhänge. Meist zeitlich desorientiert, oft auch örtlich. Nur noch autopsychisch orientiert (ein Wort). Problemlösung und Urteilsfähigkeit Gute Problemlösungsfähigkeit. Erledigt geschäftliche und finanzielle Angelegenheiten gut. Gute Urteilsfähigkeit. Nur fragliche Beeinträchtigung bezüglich Problemlösungsfähigkeit. Mässige Schwierigkeiten bei Problemlösung. Meist erhaltene Urteilsfähigkeit. Schwere Beeinträchtigung der Problemlösungsfähigkeit. Urteilsfähigkeit normalerweise beeinträchtigt. Unfähigkeit zur Problemlösung. Keine Urteilsfähigkeit. Angelegenheiten des Gemeinwesens Unabhängige Funktion in gewohnter beruflicher Position, beim Einkaufen und in der Gesellschaft. Nur fragliche Beeinträchtigung. Unfähig, selbständig sinnvoll zu wirken, obwohl z.T. noch engagiert. Gute Fassade. Keine unabhängige Funktion ausserhalb des Zuhauses. Kann zu Anlässen auswärts mitgenommen werden. Keine unabhängige Funktion ausserhalb des Zuhauses. Kann nicht mehr zu Anlässen auswärts mitgenommen zu werden. Haus/Hobby Leben zu Hause, Hobbys u. intellektuelle Interessen nicht beeinträchtigt. Leben zu Hause, Hobbys u. intellektuelle Interessen leicht beeinträchtigt. Milde, definitive Funktionsbeeinträchtigung zu Hause. Komplexe Arbeiten/Hobbys/ Interessen aufgegeben. Nur einfache Hausarbeiten. Stark eingeschränkte Interessen; diese werden kaum aufrechterhalten. Keine signifikante Funktion zu Hause. Persönliche Pflege Völlig selbständig. Völlig selbständig. Aufforderung nötig. Hilfe nötig beim Anziehen, bei der Hygiene, beim Umgang mit persönlichen Effekten. Braucht viel Hilfe. Häufig inkontinent. 3 von 4 Referenzen • WHO, Dilling H, Mombour W, Schmidt MH (Hrsg): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Diagnostische Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien (8. Auflage unter Berücksichtigung der Änderungen entspr. ICD-10-GM 2011). Bern: Huber, 2011. • WHO, Dilling H, Freyberger HJ (Hrsg):Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen: Mit Glossar und Diagnostischen Kriterien sowie Referenztabellen ICD-10 vs. ICD-9 und ICD-10 vs. DSM-IV-TR (6. Auflage). Bern: Huber, 2012. • Morris JC. The Clinical Dementia Rating (CDR): Current version and scoring rules. Neurology 1993;43:2412-2414. • Waid-Guide, Teil 3 (2. Aufl.) Klinik für Akutgeriatrie, Stadtspital Waid Zürich, 2010. 4 von 4