SILAC in Mikroorganismen

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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
Quantitative Proteomics
SILAC
in Mikroorganismen
WOLFGANG SCHÜTZ, MIRITA FRANZ-WACHTEL, BORIS MACEK
PROTEOME CENTER, INTERFAKULTÄRES INSTITUT FÜR ZELLBIOLOGIE,
UNIVERSITÄT TÜBINGEN
SILAC (stable isotope labeling by amino acids in cell culture) ist eine
effektive Methode zur quantitativen Proteomanalyse in Mikroorganismen.
Sie ermöglicht eine genaue und reproduzierbare relative Proteinquantifizierung in einer bisher unerreichten Tiefe.
SILAC (stable isotope labeling by amino acids in cell culture) is an effective method for quantitative proteomics in microorganisms. It enables
accurate and reproducible relative protein quantitation at unprecedented
depth of analysis.
ó SILAC (stable isotope labeling by amino
acids in cell culture) [1] ist eine geeignete
Methode, um die Proteome verschiedener
Zellzustände quantitativ zu vergleichen, beispielsweise Knock-out-Mutanten gegen Wildtyp oder behandelte gegen nicht behandelte
Kontrollzellen. Dazu werden die Proteine der
zu vergleichenden Zellen metabolisch über
den Einbau von stabile (nicht radioaktive) Isotope enthaltenden Aminosäuren unterschiedlich markiert. Diese Aminosäuren, die
eine bestimmte Anzahl 2H-, 13C- und 15N-Atome enthalten, werden dem Kulturmedium
zugesetzt, von den Zellen aufgenommen und
in alle neu gebildeten Proteine eingebaut.
Wenn die zu vergleichenden Proben nun
gemischt, die Proteine mit geeigneten Proteasen verdaut und die Peptide massenspektrometrisch gemessen werden, erhält man für
jedes Peptid ein Signalpaar mit einem spezifischen Massenunterschied bedingt durch den
Einbau der markierten Aminosäuren (Abb. 1).
Die Unterschiede zwischen den Einzelintensitäten innerhalb der einzelnen Signalpaare
spiegeln dann die veränderte Proteinexpression in beiden Zuständen wider. Wenn die
Voraussetzungen erfüllt sind (siehe unten),
ist diese Methode zur metabolischen Markierung des zellulären Proteoms einfach und
hocheffizient und wurde deshalb bereits in
vielen Studien mit eukaryotischen Zellen verwendet; in einem Experiment lassen sich rou-
tinemäßig mehrere Tausend Proteine quantitativ untersuchen [2].
Zur Markierung der Proteine werden am
häufigsten die Aminosäuren Arginin und
Lysin verwendet, da bei der Probenvorbereitung für die Massenspektrometrie in der
Regel die Enzyme Trypsin (schneidet nach
Lysin und nach Arginin) oder Lys-C (schneidet nach Lysin) eingesetzt werden. Dadurch
trägt jedes Peptid im Idealfall genau eine
schwere Aminosäure, was die Datenauswertung einfacher macht.
SILAC in Mikroorganismen
Meistens wird SILAC im Zusammenhang mit
Säugerzellen eingesetzt, und es gibt nur
wenige Studien, die diese Methode in Mikroorganismen angewendet haben. Dabei eignen sich gerade diese aus mehreren Gründen besonders gut für SILAC. Aufgrund ihres
kleinen Genoms und der Tatsache, dass es in
den meisten Mikroorganismen kein alternatives Spleißen gibt, sind umfassende Proteomstudien über Gel-freie „Shotgun“-Ansätze [3] weniger problematisch, und es
kann ein höherer Anteil des Proteoms erfasst
werden als mit „klassischen“ 2D-Gel-basierten Ansätzen. So wurde beispielsweise Ende
2008 für die Hefe Saccharomyces cerevisiae
eine Studie veröffentlicht, in der praktisch
alle Produkte Protein-codierender Gene, die
in exponentiell wachsenden Zellen tatsächBIOspektrum | 05.10 | 16. Jahrgang
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lich exprimiert sind, über Massenspektrometrie identifiziert werden konnten; die erste
Studie überhaupt, die mit dieser Methodik
eine solche Tiefe erreichte [4]. Ein weiterer
großer Vorteil ist die problemlose Markierung des Proteoms (unter gegebenen Voraussetzungen, siehe unten). Um mehr als
95 Prozent des Proteoms zu markieren, sind
fünf Zellteilungen notwendig [1]. Bei eukaryotischen Zellen dauert das je nach verwendeter Zelllinie ein bis zwei Wochen, bei
Bakterien geht dies aufgrund ihrer sehr viel
höheren Wachstumsrate deutlich schneller;
im Allgemeinen genügt eine Über-Nacht-Kultur des entsprechenden Stamms, um eine
nahezu hundertprozentige Markierung des
bakteriellen Proteoms zu erreichen (Abb.
2B).
¯ Abb. 1: Aufbau
eines Peptid-basierten
SILAC-Experiments
mit zwei Proben unterschiedlich markierter Zellen (Lys0, Lys8).
Die Proben werden
gemischt und gemeinsam analysiert und
quantifiziert. Um die
Komplexität der Proben zu reduzieren, erfolgt meist eine Fraktionierung entweder
der Proteine (z. B.
über Gelelektrophorese) oder der Peptide
(z. B. chromatographisch oder mithilfe
isoelektrischer Fokussierung (IEF)). Aufgrund der Intensitätsunterschiede in den
Signalpaaren werden
die Proben quantifiziert.
Notwendige Voraussetzungen
Im Gegensatz zu eukaryotischen tierischen
Zellen können die meisten bakteriellen
Modellorganismen alle Aminosäuren selbst
herstellen. Daher muss zunächst ein auxotropher Stamm generiert werden, der die entsprechende Aminosäure (z. B. Arginin oder
Lysin) nicht selbst synthetisieren kann. Diese Aminosäure wird dann einem definierten
Minimalmedium zugesetzt, die Bakterien nehmen diese auf und bauen sie in alle neu gebildeten Proteine ein. Das Minimalmedium muss
eventuell noch an die Ansprüche des verwendeten Bakterienstamms angepasst werden durch Zusatz bestimmter Ionen, Salze,
spezifischer Wachstumsfaktoren oder einzelner anderer Aminosäuren. Bei Bakterien wird
häufig nur Lysin zur Markierung verwendet,
da die Stoffwechselwege von Arginin und Prolin miteinander verwoben sind und es zur
Übertragung schwerer Isotope auf Prolin kommen kann. Dadurch können die Mengenverhältnisse Arginin-haltiger Peptide verfälscht
und deren Auswertung erschwert werden.
Dieses Phänomen ist aber nicht auf Mikroorganismen beschränkt, sondern wurde auch
in einigen eukaryotischen Zelllinien beobachtet, vor allem in Stammzellen [5].
Anwendungsmöglichkeiten
Die Anwendung von SILAC im Zusammenhang mit Gel-freien „Shotgun“-Ansätzen
ermöglicht die routinemäßige Identifikation
und exakte relative Quantifizierung von bakteriellen Proteinen mit geringem experimentellem Aufwand (Abb. 2A). Die Identifikationen und ermittelten Mengenverhältnisse von
Peptiden und Proteinen basieren dabei nicht
nur auf einer robusten Statistik [6], sondern
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sind darüber hinaus auch gut reproduzierbar
(Abb. 2C). SILAC wurde bereits in Proteomikstudien verwendet, in denen Veränderungen im Proteom unter verschiedenen
metabolischen Bedingungen (z. B. Wachstum
auf Succinat bzw. unter Phosphatmangel in
Bacillus subtilis) umfassend untersucht wurden [7, 8].
SILAC lässt sich auch anwenden auf die
Untersuchung posttranslationaler Modifikationen und deren Dynamik, wobei die Phosphoanalytik aktuell am ausgereiftesten ist.
Für phosphorylierte Peptide gibt es sehr gute
Verfahren einerseits zur Anreicherung (z. B.
mithilfe von Kationenaustauschchromatografie und Titandioxid) und andererseits für
die Analyse im Massenspektrometer [9],
wobei die Analyse dieser Modifikationen bis
auf die genaue Position im Protein aufgelöst
werden kann. Dies ermöglicht wiederum die
Dynamik spezifischer Modifikationsmuster
aufzuklären.
Neben der relativen Quantifizierung bietet
die Methode die Möglichkeit, die Anzahl der
Moleküle eines bestimmten Proteins pro Zelle zu ermitteln („absolute SILAC“, [10]). Dabei
werden die entsprechenden Proteine rekombinant in Bakterien in „schwerem“ Medium
exprimiert und anschließend gereinigt. Diese
gereinigten „schweren“ Proteine werden dann
in genau definierten Mengen den aus den Zellen isolierten Proteinen zugegeben. Bei der
Messung im Massenspektrometer sieht man
für die Peptide der untersuchten Proteine wie
in einem normalen SILAC-Experiment Signalpaare mit spezifischen Einzelintensitäten,
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¯ Abb. 2: A, Schematische Darstellung des Beispielexperiments
(log: exponentielle Wachstumsphase; stat: stationäre Phase). B,
Markierungstest aus der ÜberNacht-Kultur (mit Lys8). C,
Zusammenfassung der Ergebnisse
und deren Reproduzierbarkeit.
Derselbe Proteinextrakt wurde
zwei Mal unabhängig prozessiert
(Verdau, Fraktionierung und MSAnalyse). Bei quantifizierten Proteinen konnten Peptide mit Signalpaaren detektiert und so die Mengenverhältnisse bestimmt werden.
über die das Mengenverhältnis zwischen zelleigenem und zugegebenem Protein ermittelt
werden kann.
Modellen für systembiologische Fragestellungen.
ó
Eine geeignete Methode zur
Analyse bakterieller Proteome
Literatur
SILAC ist eine gut geeignete Methode zur
umfassenden und genauen relativen ProteomQuantifizierung von zwei oder mehr Proben.
Neben der Proteinexpression lassen sich auch
Unterschiede und die Dynamik posttranslationaler Modifikationen exakt erfassen, und
rekombinant in Bakterien exprimierte und
isotopenmarkierte Proteine eignen sich gut
zur absoluten Quantifizierung spezifischer
Proteine. Sind die Voraussetzungen geschaffen (Generierung auxotropher Stämme), eignen sich Bakterien für SILAC und „Shotgun“Proteomics, da einerseits die Markierung des
Proteoms schnell zu erreichen und andererseits deren Proteomstruktur weniger komplex ist. Somit kann ein größerer Anteil des
Proteoms einfach erfasst werden und macht
diese Organismengruppe dadurch zu idealen
[1] Ong S, Blagoev B, Kratchmarova I et al. (2002) Stable isotope labeling by amino acids in cell culture, SILAC, as a simple and accurate approach to expression proteomics. MCP
1:376–386
[2] Cox J, Mann M (2007) Is proteomics the new genomics?
Cell 130:395–398
[3] Domon B, Aebersold R (2006) Mass spectrometry and protein analysis. Science 312:212–217
[4] de Godoy LMF, Olsen JV, Cox J et al. (2008)
Comprehensive mass-spectrometry-based proteome quantification of haploid versus diploid yeast. Nature 455:1251–1254
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SILAC for accurate quantitation of proteins in complex mixtures down to the attomole level. J Prot Res 7:1118–1130
Wolfgang Schütz, Mirita Franz-Wachtel und
Boris Macek (v. l. n. r)
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Boris Macek
Interfakultäres Institut für Zellbiologie
Proteome Center
Eberhard Karls Universität Tübingen
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