87 E Zusammenfassung Glykosidspaltende Enzyme aus Digitalis-Arten sind bereits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen; dabei wurde aus Blättern von D. lanata ein Enzym gereinigt und charakterisiert (MAY und KREIS, 1997; SCHÖNIGER et al., 1998), das die Reaktion von Primär- zu Sekundärglykosiden katalysiert und aufgrund seiner Spezifität als Cardenolid16´-O-glucohydrolase (CGH I) bezeichnet wurde. Durch die Klonierung von Enzymen wird nicht nur deren vollständige cDNA-Sequenz zugänglich, sondern es eröffnen sich damit auch molekularbiologische Methoden, mit denen Aussagen über die Funktion, Lokalisation und Bedeutung eines Enzyms gemacht werden können. Deshalb wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein cDNA-Klon der CGH I isoliert und sowohl molekularbiologisch als auch biochemisch charakterisiert. 1. Aus cDNA von jungen, inneren Rosettenblättern von D. lanata konnten mit Primern, die aus Peptidfragmenten der CGH I abgeleitet waren (SCHÖNIGER et al., 1998), mittels Polymerasekettenreaktion 4 PCR-Fragmente amplifiziert werden. Das PCRFragment cghI 374 wurde kloniert und zeigte Homologien zu anderen pflanzlichen β-Glucosidasen. 2. Eine cDNA-Bank von Blättern von D. lanata wurde mit cghI 374 auf einen vollständigen cDNA-Klon durchsucht, wobei 3 Klone isoliert werden konnten. Die Sequenzen der Inserte erwiesen sich als identisch, das längste Insert bestand aus 2198 bp. Der offene Leserahmen umfasste 1954 bp und codierte für ein Protein mit einem theoretischen Molekulargewicht von 73,2 kDa und einem sauren pI (5,76), wobei in der Sequenz die Peptide der CGH I (SCHÖNIGER et al., 1998) wiedergefunden werden konnten. Jedoch wich die Aminosäuresequenz des cDNA-Klons um etwa 14 % von der gereinigten CGH I ab. Mit den zur Verfügung stehenden Programmen konnten weder Signalsequenzen noch transmembrane Domänen erkannt werden. Die Sequenz war zu anderen β-Glucosidasen homolog. Auffällig dabei war die Existenz von 2 Domänen (∆491-495 und ∆205-300), die in anderen β-Glucosidasen nicht zu finden E Zusammenfassung 88 waren und die die Größenunterschiede der CGH I zu anderen β-Glucosidasen erklärten. Die cDNA-Sequenz wurde als cghI bezeichnet und in die EMBL- (DLA 133406) und die SpTrEMBL-Datenbank (Q9ZPB6) eingetragen. 3. cghI wurde in den Expressionsvektor pQE 30 kloniert und die Sequenz in E. coli exprimiert. Dabei konnte bei Expressionsbedingungen bei 37°C im SDS-PAGE eine induzierte Bande bei 70 kDa beobachtet werden; in den Zellysaten war jedoch keine CGH I-Aktivität zu finden. Wurden Expressionsbedingungen bei 17°C und 4°C gewählt, konnte in den Zellysaten CGH I-Aktivität detektiert werden. 4. Einige enzymkinetische Parameter, wie pH- und Temperaturoptimum, Km-Werte und Temperaturstabilität, konnten für das rekombinate Protein (rCGH I) bestimmt werden. Die Ergebnisse waren mit den für die gereinigte CGH I gemessenen Werten vergleichbar. 5. Expressionsplasmide, in denen jeweils die Domänen ∆491-495 bzw. ∆205-300 deletiert waren, wurden in E. coli exprimiert. Es konnte unter keinen Expressionsbedingungen im Zellysat CGH I-Aktivität gemessen werden, was eine Rolle dieser Domänen für eine richtige Proteinfaltung und damit die Substraterkennung bzw. die Enzymkatalyse vermuten läßt. 6. Da sich die putative Protonendonator-Region in cghI im Gegensatz zu anderen Vertretern der Familie 1 der Glykosyl-Hydrolasen statt aus den Aminosäuren NEP aus NEA konstituiert, wurde ein Expressionsplamid generiert, in dem Alanin gegen Prolin ausgetauscht war. Es wurde unter unterschiedlichen Bedingungen in E. coli exprimiert; CGH I - Aktivität konnte in keinem der Zellysate gefunden werden, so daß das Alanin eine Bedeutung für die Substraterkennung bzw. die Enzymkatalyse der cghI haben könnte. 7. Aufgrund der Sequenzabweichungen zwischen der gereinigten CGH I und der Sequenz cghI wurde die Existenz von CGH I-Isoformen postuliert. Isoenzyme von β-Glucosidasen konnten in anderen Pflanzen bereits nachgewiesen werden. Trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen (Southern-Blot-Analyse, PCR, Bank-Screening) E Zusammenfassung 89 konnte kein weiterer experimenteller Nachweis für Isoformen der CGH I in D. lanata erbracht werden. 8. Mittels Northern-Blot-Analyse wurde die Expression von cghI in unterschiedlichen Geweben der Pflanze und im Verlauf der somatischen Embryogenese von Proembryogenen Massen (PEMs) von D. lanata untersucht. Dabei konnten die meisten cghI-Transkripte in 6-8 Wochen alten Keimlingen, einjährigen Blättern und Früchten detektiert werden. Schwächere Signale waren in zweijährigen Blättern und Blüten zu finden. Im Verlauf der somatischen Embryogenese wurden in keinem Stadium cghI-Transkripte gefunden. Die gewebsspezifische Expression der cghI korreliert mit dem Gehalt des jeweiligen Gewebes an Cardenoliden.