Gegen chronische Leberentzündungen und Leberkrebs

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Gegen chronische Leberentzündungen und Leberkrebs
Chronische Hepatitis B und C sind die Hauptursachen von Leberkrebs. Im Gegensatz zum
Hepatitis-B-Virus gibt es gegen das Hepatitis-C- Virus bisher keine Schutzimpfung. Neue
Arbeiten des Heidelberger Virologen Professor Bartenschlager und seiner Kollegen könnten
einen Weg zur Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten auch gegen die chronische
Hepatitis-C-Virusinfektion aufzeigen.
Leberentzündung (Hepatitis) ist heimtückisch. Sie verursacht kaum Schmerzen und die
Symptome sind oft so unspezifisch, dass die Betroffenen gar nichts von ihrer Erkrankung
wissen. Unerkannt und unbehandelt kommt es jedoch in vielen Fällen zu einer chronischen
Hepatitis, die als Spätfolge zu Leberzirrhose und Leberzellkrebs führen kann. Die Folgen von
Lebererkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen.
Warum Lebertests?
Menschliche Leber mit hepatozellulärem Karzinom © Charité, Berlin
Bei frühzeitiger Diagnose bestehen jedoch gute Chancen, mit den richtigen Medikamenten eine
Heilung zu erzielen. Schon einfache Tests beim Hausarzt, mit denen gezeigt wird, ob die
Leberwerte erhöht sind, geben Hinweise auf eine Lebererkrankung. Die Deutsche Leberstiftung
hat deshalb den „11. Deutschen Lebertag" am 20. November 2010 unter das Motto gestellt
„Wissenswerte Leberwerte", um in zahlreichen Veranstaltungen darüber aufzuklären, wie
außerordentlich wichtig eine frühe Diagnose der Leberentzündungen ist. Dem gleichen Ziel
hatte sich auch die WorldHepatitisAlliance mit dem „Welt Hepatitis Tag" am 19. Mai 2010
verpflichtet.
Virusinfektionen spielen als Ursachen für eine Leberentzündung eine große Rolle. Unter den
fünf Typen, die gemeinhin unterschieden werden - A, B, C, D und E - sind vor allem das
Hepatitis-B-Virus (HBV) und das Hepatitis-C- Virus (HCV) als Hauptverursacher chronischer
Hepatitis und Leberzellkarzinom (hepatocellular carcinoma, HCC) von großer Bedeutung. Nach
Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa 400 Millionen Menschen
chronisch mit HBV infiziert (170 Millionen mit HCV), von denen 60 Millionen innerhalb eines
Jahrzehnts an Leberkrebs erkranken werden, wenn sie keine wirksame Therapie erhalten. In
vielen Gegenden der Welt ist das HCC der häufigste Krebs überhaupt. Und Professor Harald zur
Hausen, der für seine Entdeckung krebserzeugender Viren den Nobelpreis für Medizin erhielt,
kam zu dem Schluss, dass von den 2006 weltweit registrierten 500.930 Fällen 80 Prozent, also
400.000, auf die Infektion mit HBV und ,in geringerem Maße, HCV zurückzuführen sind (Harald
zur Hausen: Infections Causing Human Cancer, Wiley-VCH, Weinheim, 2006). Die WHO hat HBV
deswegen als „wichtigstes natürlich vorkommendes menschliches Karzinogen" klassifiziert. In
Deutschland sind etwa eine Million Menschen von einer virusbedingten Leberentzündung
betroffen, und am Leberzellkarzinom erkranken bei uns jedes Jahr mehr als 5.000 Menschen
neu an diesem Tumor. „Trotz Verbesserungen in der Therapie der Hepatitis nimmt der
Leberzellkrebs weiter zu", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Leberstiftung, Professor Dr.
Michael P. Manns, „da zu wenig Lebererkrankungen rechtzeitig erkannt werden. Deshalb ist der
Lebertest so wichtig."
Das Kompetenznetz Hep-Net
Professor Dr. Ralf Bartenschlager © Universitätsklinikum Heidelberg
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gründete 2002 das „Kompetenznetz
Hepatitis", abgekürzt Hep-Net, um die Erforschung der virusbedingten Leberentzündungen in
Deutschland miteinander zu vernetzen und die Patientenversorgung bei chronischer Hepatitis
zu verbessern. Seit 2007 ist die Deutsche Leberstiftung Trägerin von Hep-Net, um die Arbeit
des Forschungsverbundes auch nach Auslaufen der öffentlichen Förderung 2010 fortzuführen.
In diesem Rahmen werden auch Lebererkrankungen, die nicht durch Viren ausgelöst werden,
wie zum Beispiel die Autoimmunhepatitis, genetisch bedingte Eisenspeicherkrankheit und
Nichtalkoholische Fettleber (NASH) auf verbesserte Therapiemöglichkeiten hin untersucht.
Die Abteilung Molekulare Virologie am Department für Infektiologie der Universität Heidelberg
ist eines der Hep-Net-Zentren mit dem Fokus auf der Forschung an Hepatitis auslösenden
Viren. Es ist eng mit dem Namen von Heinz Schaller verbunden, dem bedeutenden Virologen
und Pionier der Erforschung des Hepatitis-B-Virus, der lange am Zentrum für Molekulare
Biologie Heidelberg (ZMH) gearbeitet hatte und im April 2010 verstorben ist. Durch finanzielle
Unterstützung der von ihm und seiner Frau, der Neurobiologin Chica Schaller, ins Leben
gerufenen Chica und Heinz Schaller Stiftung wurde die Einrichtung der von Professor Dr. Ralf
Bartenschlager geleiteten Abteilung Molekulare Virologie ermöglicht.
Das Hepatitis-B-Virus
Das Genom des Hepatitis-B-Virus (HBV) besteht aus einer partiell als Doppelstrang
vorliegenden DNA, die in ein Kapsid verpackt ist, das aus vielen Kopien des „HBV core Antigen“
(HBVcAg) besteht und das von einer Lipidhülle umgeben ist. Das Virus wird durch
Körperflüssigkeiten übertragen und ist hoch infektiös, so dass schon kleinste Wunden zur
Ansteckung ausreichen. Seit Blutkonserven effektiv auf Viruskontamination kontrolliert
werden, erfolgen HBV-Infektionen in Deutschland hauptsächlich durch sexuelle Kontakte und
durch kontaminierte Spritzen bei Drogenabhängigen; eine Übertragung durch Tätowieren oder
Piercing ist möglich. Es gibt eine wirksame Prävention durch Impfung. An der Entwicklung
dieses Impfstoffes war Heinz Schaller maßgeblich beteiligt gewesen.
Häufigkeit des Leberkrebses weltweit © WHO
Etwa fünf bis zehn Prozent aller HBV-Infektionen verlaufen chronisch. Dieser Anteil stellt wegen
der Gefahr von Leberzirrhosen und Leberkrebs das hauptsächliche medizinische Problem dar,
dessen ganzes globales Ausmaß durch die erschreckende Häufigkeit sowohl von HBVInfektionen als auch von HCC vor allem in Ost-, Südost- und Zentralasien sowie im tropischen
Afrika demonstriert wird. In der letzten Zeit hat die Behandlung der chronischen Hepatitis B
mit dem Einsatz von Interferonen und vor allem der Entwicklung neuer Medikamente, die
direkt an der viralen Polymerase angreifen, große Fortschritte erzielt. Mit ihnen kann die
Virusvermehrung sehr wirksam gehemmt werden, solange die Medikamente eingenommen
werden. Auch in der von Dr. Stephan Urban geleiteten Hepatitis-B-Forschungsgruppe der
Molekularen Virologie Heidelberg ist ein spezifischer Inhibitor zur Behandlung akuter und
chronischer HBV- und HDV-Infektionen entwickelt worden. Dabei handelt es sich um ein von
dem HBV-Hüllprotein abgeleitetes Lipopeptid, das in präklinischen Studien erfolgreich den
Eintritt des Virus in Leberzellen blockiert und 2011 in einer klinischen Phase-I-Studie getestet
wird. Heute können in Ländern wie Deutschland viele Patienten mit fortgeschrittener Hepatitis,
die noch vor zehn Jahren kaum Überlebenschancen hatten, erfolgreich behandelt werden.
Langfristig ist auch damit zu rechnen, dass die Zahl der Patienten mit Leberzirrhose und HCC
sinkt. Eine vollständige Virusausheilung kann aber mit den verfügbaren Medikamenten, die
über sehr lange Zeiträume eingenommen werden müssen, nur sehr selten erreicht werden,
und eine Lösung des globalen Problems der weiten Verbreitung der chronischen Hepatitis B
und des Leberkrebses ist nicht in Sicht.
Das Hepatitis-C-Virus
Die Wissenschaftler der Molekularen Virologie Heidelberg untersuchen vor allem die
molekularen Mechanismen, mit denen die Hepatitisviren eine dauerhafte, chronische Infektion
der Leberzellen bewerkstelligen. Unter dem Titel „Persistenzmechanismen hepatotroper Viren“
wurde im Oktober 2009 eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte
Forschungseinheit (FOR 1202) eingerichtet, zu der außerdem auch Arbeitsgruppen der Medizin
II des Universitätsklinikums Freiburg unter Leitung von Professor Dr. Robert Thimme gehören.
Sprecher von FOR 1202 ist Professor Bartenschlager. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf
dem Hepatitis-C- Virus (HCV).
Immun-elektronenmikroskopische Aufnahmen von HCV-Partikeln aus Zellkulturen. Die Immunmarkierung wurde mit
einem E2-spezifischen Antikörper durchgeführt. Dieser wurde mit einem Sekundärantikörper, der mit 10 nm großen
Goldpartikeln (Pfeile) konjugiert war, detektiert. © A. Merz und G. Long, Molekulare Virologie, Heidelberg
HCV gehört in eine ganz andere Virusgruppe als HBV. Es ist ein einzelsträngiges RNA-Virus
(kein Retrovirus ) mit einer Hülle, nahe verwandt mit dem Erreger des tropischen
Denguefiebers, das in der letzten Zeit auch in Deutschland gehäuft auftritt. Über das DengueVirus wird in der Abteilung Bartenschlager ebenfalls geforscht. Die von HCV hervorgerufenen
Leberentzündungen waren bis zur Identifizierung des Virus im Jahr 1989 als Non-A-Non-BHepatitis bezeichnet worden. Die Infektion erfolgt fast immer parenteral (durch Blut,
Blutprodukte und kontaminierte Injektionsnadeln) und ist meistens asymptomatisch, so dass
sie im akuten Stadium oft nicht erkannt wird. In der Mehrzahl der Fälle (50-80 Prozent) wird sie
chronisch und führt sehr oft zur Leberzirrhose und weiter zum Leberzellkarzinom. Etwa
400.000 bis 500.000 Menschen sind in Deutschland chronisch mit HCV infiziert.
Mechanismen für eine Immunreaktion gegen Hepatitis-C-Virus
Im Gegensatz zu HBV hat man bisher trotz großer Anstrengungen keine Vorsorgeimpfung
gegen HCV entwickeln können. Jetzt haben die Arbeitsgruppen um Dr. Lohmann und Prof.
Bartenschlager, beide in der Molekularen Virologie in Heidelberg, und Prof. Thimme wichtige
Mechanismen entschlüsselt, die für eine erfolgreiche Immunantwort gegen eine HCV-Infektion
von zentraler Bedeutung sind. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Gastroenterology
veröffentlicht.
Bei den wenigen HCV-infizierten Patienten, die in der Lage sind, das Virus sofort unschädlich zu
machen, kann man in der Regel eine starke Immunreaktion auf HCV nachweisen, bei der
spezialisierte Killerzellen, die den CD8-Rezeptor auf ihrer Oberfläche exprimieren, eine
entscheidende Rolle spielen. Wie diese Killerzellen das Virus unschädlich machen, war aber
bisher nicht bekannt. In einem von ihnen entwickelten Zellkulturmodell konnten die
Heidelberger und Freiburger Forscher jetzt nachweisen, dass die CD8+ Killerzellen die
Vermehrung der Viren über zwei Mechanismen verhindern. Neben einer direkten Zerstörung
von HCV-infizierten Leberzellen setzen CD8+ Killerzellen Cytokine wie Interferon gamma frei,
die zu einer Hemmung der Virusvermehrung führen, wobei die Leberzellen erhalten bleiben. Mit
dem neuen Zellkulturmodell hoffen die Forscher auch die Frage zu klären, warum bei den
meisten Patienten die Killerzellen im Kampf gegen HCV versagen. Diese Erkenntnisse könnten
zur Entwicklung neuer Impfstoffe oder Medikamente beitragen, mit denen auch die Hepatitis C
vorbeugend oder therapeutisch bekämpft werden kann. Mit dem neuen Zellkulturmodell
hoffen die Forscher auch die Frage zu klären warum bei den meisten Patienten die Killerzellen
im Kampf gegen das Hepatitis-C- Virus versagen.
Fachbeitrag
29.11.2010
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Ralf BartenschlagerAbteilung Molekulare VirologieDepartment für InfektiologieIm Neuenheimer
Feld 34569120 HeidelbergTel.: 06221-56 4569Fax: 06221-56 4570E-Mail: ralf.bartenschlager(at)med.uniheidelberg.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Lebererkrankungen: Fortschritte in Therapie und Forschung
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