3 pathogenese und klinische symptome bei kindern und jugendlichen

Werbung
Seite 2
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
3
PATHOGENESE UND KLINISCHE SYMPTOME
BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN
3.1
Einleitung
3.2
Pathogenese und Transmission
3.3
Klinische Symptome bei Kindern
3.4
3.4.1
3.4.2
Saisonale Influenza
Klinische Symptome und Komplikationen
Hospitalisierung und Todesfälle
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
Pandemische Influenza A/H1N1/2009
Klinische Symptome und Komplikationen
Hospitalisierung
Tödliche Verläufe
3.6
Literatur
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
3.1
Einleitung
Grundsätzlich unterscheiden sich Pathogenese und klinische Symptome der
pandemischen A/H1N1/2009-Infektion bei Kindern nicht von der saisonalen
Influenza. Dennoch gibt es einige Besonderheiten. Zunächst erfolgt eine kurze
Rekapitulation der Pathogenese der Influenzainfektion.
3.2
Pathogenese und Transmission
Wirtszellen für Influenzaviren sind v. a. die Epithelien der Atemwege und die
Endothelien der Blutgefäße. Die Infektion der Wirtszellen erfolgt in konsekutiven
Schritten. Zunächst bindet das Influenzavirus an die Zellmembran. Hierbei haftet
das Hämagglutinin (HA) an spezielle Rezeptoren der Zelloberfläche. Danach
gelangt das Virus per Endozytose komplett in die Wirtszelle. Hierbei fusioniert das
Viruspartikel mit der Membran der aufnehmenden Endosomen. Dieser Vorgang
wird durch die proteolytische Spaltung des HA in H1 und H2 vermittelt.
Endosomale Milieuveränderungen (Erhöhung des pH-Wertes!) können diese
Fusionen und damit die Infektion verhindern. Sodann erfolgt das un-coating, bei
dem das Virus von seiner Hülle befreit wird. Es folgen die Transkription der viralen
RNS und die Replikation. Hierbei entstehen 3 Arten von RNA: vRNA, mRNA
(Produktion virusspezifischer Proteine) und Minusstrang-vRNA. Die mRNA gelangt
in das Zytoplasma; hier induziert sie in den Ribosomen die Synthese der
Virusproteine (Translation). Neu gebildete HA- und Neuraminidase- (NA-)Moleküle
werden zur Zellmembran transportiert. Auch die übrigen Virusbestandteile werden
ebenfalls zur Zellmembran transportiert, dort werden die neuen Virusbestandteile
gepackt (assembly) und nach extrazellulär ausgeschleust. Die Freisetzung der
fertigen Viruspartikel erfolgt mithilfe der Spaltung der seralinhaltigen Rezeptoren
durch die NA des Virus. Mit Influenza infizierte Zellen sterben ab. Ist die Infektion
mit Influenzaviren als Aerosol über den Respirationstrakt erfolgt, sind auch die
(s. oben) zunächst betroffenen Zellen die Epithelien der Atemwege. Die hieraus
resultierenden Symptome sind nahezu immer hohes Fieber und Husten.
Anders als bei der saisonalen Influenza bzw. saisonalen H1N1-Infektion liegt bei
der pandemischen H1N1-Infektion experimentellen Daten zufolge offensichtlich
eine deutlich ausgeprägtere Virusverbreitung (virus shedding) vom oberen
Respirationstrakt aus vor. In einer niederländischen, tierexperimentellen Studie [1]
wurden je 6 Frettchen mit 106 TCID50 (50 % tissue culture infectious dose) des
pandemischen H1N1-Influenzavirus bzw. des saisonalen Influenzavirus intranasal
infiziert. Das 2009-A/H1N1-Virus war aus einem Patienten mit mildem Verlauf
isoliert worden. Frettchen mit einer pandemischen H1N1-Infektion nahmen
innerhalb der ersten Woche etwas mehr an Gewicht ab: Mit saisonalem
Influenzavirus infizierte Tiere verloren innerhalb von 7 Tagen 10 % des Gewichtes,
während H1N1 (pandemisch) infizierte Frettchen 12 % ihres Gewicht einbüßten.
Klinisch erholten sich die Frettchen mit einer saisonalen Infektion nach 4 Tagen
deutlich schneller als mit H1N1 infizierte Frettchen. Letztere wiesen eine um
2 Tage verzögerte Besserung der klinischen Symptome auf. Darüber hinaus
verbleibt das H1N1-Virus länger in Nase und Rachen der Tiere und ist auch noch
nach 7 Tagen signifikant nachweisbar. Die Virusausscheidung im Rachen der
Frettchen war in der Gruppe der mit 2009-A/H1N1-infizierten Tiere um 1,5-fach
höher als in der Gruppe mit saisonalem Virus. Je 3 Tiere wurden nach 3 bzw.
7 Tagen getötet und histopathologisch untersucht. Nach 3 Tagen war der
Virusbefall der Lungen (Anfärbung mit monoklonalen Antikörpern) in beiden
Gruppen vergleichbar. Nach 7 Tagen waren 10, 20 und 40 % (saisonale Influenza)
sowie 20, 40 und 70 % (2009-A/H1N1) der Lungen virusinfiziert. Im weiteren
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Seite 3
Seite 4
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
Verlauf wurden 4 „naive“, influenzagesunde Frettchen in Käfige mit infizierten
Tieren überführt. Bereits nach kurzer Zeit (Tabelle 1) waren die zuvor gesunden
Frettchen infiziert.
Infizierte Frettchen
Virus
Schnupfen
Saisonal
A/H1N1
2009
A/H1N1
Virus
shedding
Aerosolkontakte, zuvor gesunde Tiere
Beginn nach
Inokulation
Schnupfen
(Tage)
Virus
shedding
Beginn nach
Inokulation
(Tage)
4/4
4/4
1
3/4
4/4
1,2
4/4
4/4
1,2
4/4
4/4
1,2
Tabelle 1 Transmission im Tierexperiment (saisonal H1N1 vs. 2009 H1N1).
Das Virus verbreitete sich bei den je 4 Versuchstieren unabhängig von der Art des
Erregers nach intranasaler Applikation genauso schnell wie nach Aerosolkontakt.
Die Autoren schließen aus den tierexperimentellen Daten, dass das 2009-A/H1N1Virus aufgrund der längeren Persistenz und der höheren Virusdichte im
Respirationstrakt bei vergleichbaren Transmissionscharakteristika das Potenzial
hat, das saisonale H1N1-Virus kompetitiv zu verdrängen.
3.3
Klinische Symptome bei Kindern
Systematische Untersuchungen, die klinische Symptome der saisonalen (H1N1)
Influenza mit der pandemischen (H1N1) Influenza) Influenza vergleichen, liegen
nicht vor. Im Folgenden werden daher zunächst klinische Symptome,
Komplikationen, Hospitalisierung und Todesfälle der saisonalen Influenza
kursorisch zusammengestellt. Anschließend erfolgt die Darstellung von
Einzelberichten zu Symptomen und Komplikationen der pandemischen Influenza
auf Basis von Einzelberichten. Systematische nationale oder internationale
(Sentinel-) Untersuchungen liegen nicht vor.
3.4
Saisonale Influenza
3.4.1
Klinische Symptome und Komplikationen
Neben den typischen Symptomen wie plötzlicher Beginn mit hohem Fieber,
respiratorischen Symptomen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen,
allgemeinem Krankheitsgefühl sind Komplikationen bekannt. Hierzu gehört mit
einer Häufigkeit von bis zu 15 % der Fälle die Otitis media. Daneben treten
folgende Komplikationen auf:
•
Enzephalopathie,
•
Krupp und Epiglottitis,
•
Pneumonie, Tracheobronchitis und Bronchiolitis,
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
•
Myokarditis und
•
Reye-Syndrom.
Nicht selten gehen mit dem Fieber auch Fieberkrämpfe einher. Das Kind spielt bei
der Verbreitung der saisonalen und der pandemischen Influenza eine große Rolle.
Kinder sind "Dreh- und Angelpunkt" des Infektionsgeschehens, weil die
Ausscheidung einer großen Anzahl von Viren im Zusammenhang mit der (Erst-)
Infektion überdurchschnittlich lange erfolgt. Die Unterbringung in Kinder-, Jugendund Gemeinschaftseinrichtungen geht zudem mit einer hohen Exposition und
Kontaktrate einher, und das kindertypische "unhygienische Verhalten" begünstigt
die Virusverbreitung. Neben virusspezifischen Besonderheiten spielen für die
klinischen Symptome der Influenza (Respirationstrakt!) im Kindesalter anatomische
Besonderheiten eine besondere Rolle. Der Innendurchmesser der Atemwege ist
bei Kindern im Verhältnis zum späteren Lebensalter geringer (Abb. 1); dies
begünstigt
pathogenetisch
schwere
Verläufe
des
entstehenden
Schleimhautödems.
Kleinkind
Erwachsener
1 mm dickes Ödem im
Bereich des Rinknorpels
Durchmesser
Strömmungsfläche
Atemwegswiderstand
50% verringert
75% erniedrigt
16 x erhöht
< 25% verringert
ca. 44% erniedrigt
3 x erhöht
Abbildung 1 Folgen einer Schwellung im Bereich des Ringknorpels bei Kleinkindern im
Vergleich zum Erwachsenen. (Abb.: Knuf).
3.4.2
Hospitalisierung und Todesfälle
Säuglinge und Kleinkinder werden besonders häufig wegen Atemwegsinfektionen
durch eine Influenza zur Behandlung vorgestellt. Die Konsultationsrate je
100.000 Einwohner ist mit bis zu 8000 deutlich höher als bei Erwachsenen.
Zweifelsohne liegt bei Senioren eine deutliche Übersterblichkeit, meist infolge einer
influenzaassoziierten Pneumonie vor. Andererseits finden sich neben der höheren
Rate an Arztkontakten im Kindesalter auch, insbesondere im Vergleich zu jungen
Erwachsenen und Erwachsenen, deutlich erhöhte Hospitalisierungsraten. Die
Notwendigkeit zur Krankenhausbehandlung ist durchaus mit der bei älteren
Menschen (über 60 Jahre) vergleichbar. Tabelle 2 ergibt die Inzidenz der
influenzaassoziierten Hospitalisationen bei Kindern in den Vereinigten Staaten und
in Deutschland aufgrund verschiedener Studien wieder.
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Seite 5
Seite 6
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
Ort
[Referenz]
Zeit
Inzidenz
pro 100.000
0 bis < 5 Jahre
Inzidenz
relatives Risiko
pro 100.000 0 < 5/5-16
5-16 Jahre
Houston
[Glezen 1993]
1985-90
427
5
85
Kalifornien
[Mullooly 1982]
1967-73
120
40
3
Kalifornien
[Izurieta 2000]
1993-97
136
19
7,2
Seattle
[Izurieta 2000]
1992-97
90
16
5,6
Kiel
[Weigl 2002]
1996-01
123
22
5,6
Kalifornien
[Mullooly 1982]
1967-72
470*
210
2,2
Tennessee
[Neuzil 2000]
1973-93
382**
40
9,6
Tabelle 2 Influenzaassoziierte Hospitalisationen bei Kindern (Nach CDC).
Die Studien unterscheiden sich methodologisch erheblich; dies erklärt die
unterschiedlichen Ergebnisse. Sehr eindrücklich liegt jedoch ein einheitlicher Trend
vor. Die Inzidenz influenzaassoziierter Hospitalisationen ist allen Studien zufolge
besonders häufig bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Verbreitung des Virus
durch Kinder illustriert Abb. 2. Kleinkinder, Kinder (und Jugendliche) unterhalten
das „Feuer der Influenza“. Die im Vergleich zu Erwachsenen deutlich höheren
Transmissionsraten sind durch eine längere Ausscheidungsdauer, enges/beengtes
Miteinander und mangelhafte Hygiene bedingt [2, 3]. Diese Umstände sind für die
saisonale Influenza und auch für die pandemische Influenza zu berücksichtigen.
Kinder
Kindergarten
KJGE
Schnelle Ausbreitung der Influenza
(1-2 Wochen)1
Ausscheidung von hoher Viruslast, länger als
Erwachsene2
Transmission
Geschwister
Eltern
Betreuer
Großeltern
Abbildung 2 Kinder als „Transmitter“ der Influenza. (Abb.: Knuf).
Neben dem hohen Hospitalisierungsrisiko ist besonders hervorzuheben, dass
Frühgeborene oder Kinder mit einer Lungenerkrankung bzw. einer kardialen
Erkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf
(Hospitalisation) aufweisen. Die durchschnittliche Krankenhausaufenthaltsdauer
bei Kindern unter 5 Jahren liegt bei 6,3 Tagen [6]. Die ambulante Konsultationsrate
für respiratorische Infektionen durch Influenza lag in Deutschland bei 1,1 % [6].
Analysiert man die Hospitalisationsraten genauer, so sind insbesondere junge
Säuglinge hiervon betroffen. Der Krankenhausbehandlung gehen schwerwiegende, v. a. respiratorische Symptome voraus. Wenig beachtet, jedoch ein
Faktum, sind influenzabedingte Todesfälle, auch bei Kindern. Todesfälle
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
unterliegen ebenfalls einer deutlichen Altersabhängigkeit. Die meisten Fälle treten
bei Säuglingen auf. Während der Influenzasaison 2003/2004 starben in den
Vereinigten Staaten 153 Kinder (unter 17 Jahren) an Influenza [7]. Es waren 63 %
der Kinder jünger als 5 Jahre und 75 % der Betroffenen jünger als 2 Jahre.
Bemerkenswert war, dass 47 % der Kinder zuvor gesund gewesen waren. Nach
den Senioren (älter als 65 Jahre) weist die Altersgruppe der unter 6 Monate alten
Kinder die höchste Sterblichkeitsrate auf. Da sich besonders in interpandemischen
Perioden die Aufmerksamkeit häufig auf ältere Menschen mit schweren
Krankheitsverläufen konzentriert, entsteht offenbar der falsche Eindruck, dass die
Influenza bei Kindern nicht besonders gravierend verläuft. Tatsächlich werden bei
Kindern schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle beobachtet (s. oben). Monto u.
Sullivan [8] analysierten 1993 die Altersverteilung in 2 Ausbrüchen von Influenza
A/H3N2. Alle Altersgruppen waren an den Infektionen mit Influenza-A/H3N2-Viren
beteiligt, jedoch überwogen in beiden Ausbrüchen die Erkrankungen von Kindern
und Jugendlichen deutlich.
3.5
Pandemische Influenza A/H1N1/2009
3.5.1
Klinische Symptome und Komplikationen
Bezüglich der pandemischen A/H1N1-Influenza ist festzustellen, dass zunächst in
Nordamerika junge Erwachsene betroffen waren [9]. In Europa (Großbritannien)
hingegen wurden v. a. Klein- und Schulkinder von der H1N1-Influenza befallen
[10]. Hauptansteckungsort war bei 101 von 238 Kindern die Schule [10]. ClusterUntersuchungen in den USA führten zu einer attack rate unter Haushaltsbedingungen von bis zu 27,3 %. Die Analyse eines Ausbruchs in einer Schule
ergab, dass ein Schulkind 2,4 andere Kinder innerhalb der Schule infiziert hatte
[11].
Eine britische Untersuchung [12] analysierte 89 Kinder, bei denen mithilfe der
Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) Influenza A/H1N1
(pandemisch) nachgewiesen wurde. Die Kinder waren im Median 5,7 Jahre alt. Es
waren 50 der 89 Kinder männlichen Geschlechts. Die überwiegende Anzahl der
Patienten wies hohe Temperaturen, Husten, eine Rhinorrhö und auskultarisch
diagnostizierbares Giemen auf. Weniger häufige Symptome waren Tachypnoe,
Atemnot, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Myalgien, Erbrechen, Durchfall,
Fieberkrämpfe und abdominelle Beschwerden.
Im Vergleich zur saisonalen H1N1-Infektion im Kindesalter ist die pandemische
Form offenbar bislang klinisch „milder“ verlaufen.
Zwischen 2004 und 2007 wurden in Großbritannien 58 Kinder mit einer
saisonalen H1N1-Infektion auf eine Intensivstation eingewiesen [13]. Die Kinder
waren 2,7 Jahre (Median) alt. Im Vordergrund standen respiratorische Symptome.
Neun Kinder wiesen neurologische Symptome auf. Von den 58 Kindern starben
9 Betroffene. Prädisponierende Erkrankungen (neurologische Erkrankungen,
chronische respiratorische Erkrankungen, Frühgeburtlichkeit) hatten 32 Patienten
und alle 9 Verstorbenen. Es mussten 17 Kinder mit Inotropika behandelt werden.
Drei Patienten erhielten eine extrakorporale Membranoxygenierung. Myokarditisfälle traten nicht auf.
Neurologische Komplikationen der saisonalen Influenza (Krampfanfälle,
Enzephalitis, Reye-Syndrom) sind seit Langem bekannt (s. Abschn. 3.4.1). Es
liegen aber auch erste Berichte von neurologischen Komplikationen durch die
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Seite 7
Seite 8
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
pandemische H1N1-Influenza vor [14]. In Dallas wurden innerhalb eines Monats
405 Patienten mit einer H1N1-Infektion identifiziert. Es mussten 44 Betroffene
hospitalisiert werden; hierbei waren 83 % der Patienten jünger als 18 Jahre. Vier
Kinder bzw. Jugendliche wiesen erhebliche neurologische Probleme auf
(Tabelle 3).
Charakteristikum
Patient A
Patient B
Patient C
Patient D
Alter (Jahre)
17
10
7
11
Geschlecht
Männlich
Weiblich
Männlich
Weiblich
Hospitalisation
Mai 18–21
Mai 23–29
Mai 26–28
Mai 27–30
Neurologic
complication(s)
diagnosed
Enzephalopathie
Anfälle,
Enzephalopathie
Anfälle
Enzephalopathie
1
4
2
1
39,2
40,0
38,2
38,9
2
2
4
4
(Keine Diff.)
(65 % Lymphozyten
(Keine Diff.)
(95 % Lymphozyten
Intervall “Beginn
respiratorischer
Symptome bis erste
neurologische
Auffälligkeiten“ (Tage)
Fieber (maximal, °C)
Liquordiagnostik
Leukozyten (per mm3;
Differentierung)
31 % Monozyten)
5 % Monozyten)
Glukose (mg/dl;
normal: 50–80 mg/dl)
39
63
58
65
Protein (mg/dl;
normal: 10–45 mg/dl)
37
50
15
21
Kultur
Kein Wachstum
Kein Wachstum
Kein Wachstum
Kein Wachstum
Punktförmige
Verkalkung,
linksfrontaler Kortex
Keine
intrakraniellen
Auffälligkeiten
Keine
intrakraniellen
Auffälligkeiten;
Sinusitis
Keine
intrakraniellen
Auffälligkeiten
Neurotope Diagnostik
Kraniale
Keine
Computertomographie intraparenchymatösen
Auffälligkeiten,
Pansinusitis
Magnetic resonance
imaging
Nicht durchgeführt
Keine
parenchymatösen
Auffälligkeiten
Kortikal (T2):
Hyperintense
Fokusse in
weißer
Substanz
Elektroenzephalogra-
Nicht durchgeführt
Generalisierte,
kontinuierliche,
polymorphe, δAktivität, kein Fokus
Parietal
Verlangsamte
intermittierende, Hintergrundaktivität
polymorphe δAktivität
phie
Tabelle 3 Charakteristika bei pädiatrischen Patienten mit neurologischen Komplikationen
durch pandemische H1N1-Infektion, Dallas, April bis Mai 2009.
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
In einer anderen Untersuchung wurden die ersten 45 pandemischen InfluenzaA/H1N1-Fälle in Zypern (Juni bis August 2009) hinsichtlich der klinischen
Charakteristika untersucht. Vorzugsweise waren Schulkinder betroffen [15].
Tabelle 4 fasst die klinischen Symptome bei Kindern mit durch Laboruntersuchungen bestätigter nachgewiesener A/H1N1-Infektion zusammen.
Symptom
Anzahl/Kinder mit Angaben
Anteil ( %)
Fieber
44/45
98
Husten
43/45
96
Rhinorrhö
34/43
79
Erbrechen
8/39
21
Durchfall
7/40
18
Konjunktivitis
3/45
7
25/34
73
Krankheitsgefühl
21/31
68
a
17/30
57
8/34
24
Halsweh
a
Kopfschmerzen
a
Arthralgien
a
Bei Kindern über 5 Jahre (n=35).
Tabelle 4 Klinische Charakteristika von A/H1N1-Infektion (Nach ECDC/CDC).
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass 19 der 45 Kinder
mit Oseltamivir behandelt wurden. Die Autoren heben hervor, dass das InfluenzaA/H1N1-Virus sich auf Zypern rasch verbreitet hat und die Infektion mit
„klassischen“ Symptomen einherging. Der Verlauf war praktisch nicht von einer
saisonalen Influenza zu unterscheiden und in der klinischen Ausprägung eher
"mild".
3.5.2
Hospitalisierung
Besonders häufig mussten pädiatrische Patienten (bis zum vierten Lebensjahr)
stationär behandelt werden, wenn eine pandemische Influenza A/H1N1
nachgewiesen wurde. Mit ansteigendem Alter ist danach die Hospitalisierungsrate
(d. h. die Zahl der Hospitalisierungen pro 100.000 Einwohner) der von
erwachsenen Patienten relativ ähnlich (Australien, USA; [16]).
Der Altersmedian von 829 hospitalisierten Fällen lag in Deutschland zum
28.08.2009 bei 20 Jahren. Übereinstimmend liegen Berichte aus den USA,
Australien und Kanada vor, dass Kinder unter 4 Jahren die höchste
Hospitalisierungsrate aufwiesen. Diese lag (Analogie zur saisonalen Influenza!)
etwa 4- bis 7-mal höher als bei den höheren Altersgruppen. In den USA wurden
4,5 je 100.000 der 0- bis 4-jährigen Einwohner, 2,1 je 100.000 der 5- bis 24Jährigen, 1,1 je 100.000 der 25- bis 49- Jährigen und 1,2 je 100.000 der 50- bis
64-Jährigen stationär behandelt. Eine ansteigende Inzidenz (1,7 pro 100.000) war
dann bei den über 65-Jährigen aufgrund einer laborbestätigten Infektion mit
Influenza A/H1N1 zu beobachten [17]. Auch in Großbritannien kamen die höchsten
Hospitalisierungsraten bei Kindern unter 5 Jahren vor [18].
Die kumulativen Hospitalisierungsraten für die Influenza A/H1N1 in Bezug auf
verschiedene Altersgruppen in den USA von Mai bis Juli 2009 [19] näherten sich
den durchschnittlichen Hospitalisierungsraten der saisonalen Influenza der letzten
3 Saisons schon frühzeitig an (Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen) oder
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Seite 9
Seite 10
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
überschritten sie sogar bei Schulkindern [19], obwohl die reguläre Influenzasaison
noch gar nicht begonnen hatte. Für Deutschland liegen solche Daten allerdings
(noch) nicht vor.
3.5.3
Tödliche Verläufe
Französische Autoren haben alle weltweiten Todesfälle durch A/H1N1 (bis
16.07.2009) analysiert. Die meisten Todesfälle traten bei Patienten in einem Alter
zwischen 20 und 49 Jahren auf. Allerdings wurden hier auch regional deutliche
Unterschiede festgestellt [20]. Die Aufteilung hinsichtlich Alter und Geschlecht von
448 Todesfällen (weltweit) gibt Abb. 3 wieder. Kleinkinder sind in ähnlicher Weise
betroffen wie Erwachsene im "Risikoalter" über 60 Jahre.
Abbildung 3 Todesfälle durch pandemische A/H1N1-Infektion, Differenzierung nach Alter
und Geschlecht [20].
Übereinstimmend konnte in den USA, Australien und Kanada gezeigt werden,
dass besonders häufig junge Kinder unter 4 Jahren hospitalisiert werden mussten
[21]. Dies könnte allerdings auch mit einem besonderen Konsultations- und
Aufnahmeverhalten in dieser Altersgruppe assoziiert sein. In Deutschland waren
bisher besonders die Altersgruppen zwischen 15 und 24 Jahren von der
pandemischen A/H1N1-Influenza betroffen. Die Erkrankungen in dieser
Altersgruppe gingen allerdings bislang nicht mit einem höheren Anteil schwerer
Verläufe oder Todesfälle einher. In einer am 04.09.2009 erschienenen Publikation
[21] wurden die bis Ende August in den Vereinigten Staaten gemeldeten InfluenzaA/H1N1-Todesfälle zusammengefasst. Bis dahin waren 36 Todesfälle bei Kindern
unter 18 Jahren beobachtet worden. Hiervon waren 19 % jünger als 5 Jahre!
Höher als bei saisonaler Influenza war in dieser Population der Anteil von Kindern
mit Grundkrankheiten: Es wiesen 67 % der verstorbenen Kinder eine
Grundkrankheit auf; hierbei überwogen neurologische Grundkrankheiten (61 %),
gefolgt von chronischen Lungen- (28 %) und angeborenen Herzkrankheiten (8 %).
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
3.6
Literatur
1.
Munster VJ, de Wit E, van den Brand JM, Herfst S, Schrauwen EJ, Bestebroer TM, van de
Vijver D, Boucher CA, Koopmans MM, Rimmelzwaan GF, Kuiken T, Osterhaus AD,
Fouchier RA (2009) Pathogenesis and transmission of swine origin 2009 A(H1N1) influenza
in ferrets. Science 325:481–483
2.
Reichert TA, Sugaya N, Fedson DS, Glezen WP, Simonsen L, Tashiro M (2001) The
Japanese experience with vaccinating schoolchildren against influenza. N Engl J Med
344(12):889–896
3.
Haas W, Köpke K, Schweiger B, Buda S, Buchholz U, Harder T, Krause G (2009) Deutsch
Arztebl 106:A1
4.
Turner D, Wailoo A, Nicholson K, Cooper N, Sutton A, Abrams K (2003) Systematic review
and economic decision modelling for the prevention and treatment of influenza A and B.
Health Technol Assess 7(35):iii–iv, xi–xiii, 1–170
5.
Principi N, Esposito S, Marchisio P, Gasparini R, Crovari P (2003) Socioeconomic impact of
influenza on healthy children and their families. Pediatr Infect Dis J 22 [Suppl10]:207–210
6.
Forster J (2003) Influenza in children: the German perspective. Pediatr Infect Dis J 22
[Suppl 10]: 215–217
7.
Bhat N, Wright JG, Broder KR, Murray EL, Greenberg ME, Glover MJ, Likos AM, Posey DL,
Klimov A, Lindstrom SE, Balish A, Medina MJ, Wallis TR, Guarner J, Paddock CD, Shieh
WJ, Zaki SR, Sejvar JJ, Shay DK, Harper SA, Cox NJ, Fukuda K, Uyeki TM (2005)
Influenza-associated deaths among children in the United States, 2003–2004. N Engl J Med
353(24):2559–2567
8.
Monto AS, Sullivan KM (1993) Acute respiratory illness in the community. Frequency of
illness and the agents involved. Epidemiol Infect 110:145–160
9.
Shinde V, Bridges CB, Uyeki TM, Shu B, Balish A, Xu X, Lindstrom S, Gubareva LV, Deyde
V, Garten RJ, Harris M, Gerber S, Vagasky S, Smith F, Pascoe N, Martin K, Dufficy D,
Ritger K, Conover C, Quinlisk P, Klimov A, Bresee JS, Finelli L (2009) Triple-reassortant
swine influenza A (H1) in humans in the United States, 2005–2009. N Engl J Med
360(25):2616–2625
10.
http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=19232
11.
Yang Y, Sugimoto JD, Halloran ME, Basta NE, Chao DL, Matrajt L, Potter G, Kenah E,
Longini IM (2009) The transmissibility and control of pandemic influenza A (H1N1) virus.
Science, DOI 10.1126/science.1177373
12.
Hackett S, Hill L, Patel J, Ratnaraja N, Ifeyinwa A, Farooqi M, Nusgen U, Debenham P,
Gandhi D, Makwana N, Smit E, Welch S (2009) Clinical characteristics of paediatric H1N1
admissions in Birmingham, UK. Lancet 374:605
13.
Lister P, Reynolds F, Parslow R, Chan A, Cooper M, Plunkett A, Riphagen S, Peters M
(2009) Swine-origin influenza virus H1N1, seasonal influenza virus, and critical illness in
children. Lancet 374:605–607
14.
Centers for Disease Control and Prevention (CDC) (2009) Neurologic complications
associated with novel influenza A (H1N1) virus infection in children – Dallas. MMWR Morb
Mortal Wkly Rep 58(28):773–778
15.
Koliou M, Soteriades ES, Toumasi MM, Demosthenous A, Hadjidemetriou A (2009)
Epidemiological and clinical characteristics of influenza A(H1N1)v infection in children: the
first 45 cases in Cyprus, June – August 2009. Euro Surveill 14(33)
16.
National Center for Immunization and Respiratory Diseases, Centers for Disease Control
and Prevention (2009) Use of influenza A (H1N1) 2009 monovalent vaccine:
recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), 2009.
MMWR Recomm Rep 58(RR-10):1–8
17.
http://www.cdc.gov/vaccines/recs/ACIP/downloads/mtg-slides-jul09-flu/02-Flu-Fiore.pdf
18.
HPA
Weekly
National
Influenza
Report
06
http://www.hpa.org.uk/web/HPAwebFile/HPAweb_C/1249543005132)
19.
European Centre for Disease Prevention and Control (2009) Pandemic (H1N1) 2009 –
Weekly report: individual case reports EU/EEA countries. 31 July 2009:
http://ecdc.europa.eu/en/healthtopics/Documents/090731_Influenza_A(H1N1)_Analysis_of_
individual_data_EU_EEA-EFTA.pdf
20.
Vaillant L, La Ruche G, Tarantola A, Barboza P, for the epidemic intelligence team at InVS
(2009) Epidemiology of fatal cases associated with pandemic H1N1 influenza 2009. Euro
Surveill 14(33)
21.
http://www.cdc.gov/vaccines/recs/ACIP/downloads/mtg-slides-jul09-flu/02-Flu-Fiore.pdf;
http://www.phac-aspc.gc.ca/fluwatch/08-09/w32_09/index-eng.php,
http://www.mja.com.au/public/rop/contents_rop.html
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
August
2009;
Seite 11
Seite 12
Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf
22.
Centers for Disease Control and Prevention (2009) Surveillance for pediatric deaths
associated with 2009 pandemic influenza A/H1N1 virus infection – United States; AprilAugust 2009. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 58(34):941–947
Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt.
Herunterladen