Retrospektive Analyse der Todesursachen einer

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Retrospektive Analyse der Todesursachen einer Behandlungskohorte von
Schweizer Opioidabhängigen zwischen 2005 und 2012
Simone Graf, Nathalie Brunner, Luis Falcato, Philip Bruggmann
Arud Zentren für Suchtmedizin, Zürich, www.arud.ch
Hintergrund & Fragestellung
Ziel & Methode
 Hintergrund: Substitutionstherapien reduzieren die frühzeitige Sterblichkeit unter Opioidabhängigen (Soyka et al. 2011;
Degenhardt et al. 2010), die Patienten bleiben aber einem
erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt (Risser 2001).
 Ziel: Optimierung des Therapieangebots
 Methode: Retrospektive Erhebung (un)mittelbarer Todesursachen sowie Grunderkrankungen aus den Krankengeschichten;
Codierung/Kategorisierung nach ICD-10; Analyse bezüglich
(1) Häufigkeiten (absolut und relativ)
(2) Zusammenhängen (mittels Kreuztabellen/Chi2 )
(3) Veränderung über die Zeit (mittels Kreuztabellen/Chi2 )
 Fragestellung: An welchen Ursachen sterben Opioidabhängige in Substitutionsbehandlung? Stehen Todesursachen und
Grunderkrankungen in Beziehung zueinander?
Resultate
Abb. 1. Studienpopulation
Abb. 2. Todesursachen
Infektion
Kardiovaskuläres Ereignis
Komplikation Leberzirrhose
Lungenversagen
Neoplasie
Mischintoxikation
Gewalt
Suizid
Unfall
unbekannt
Abb. 3. Grunderkrankungen
0
5
27.8%
HIV
Hepatitis C (HCV)
Leberzirrhose
Diabetes mellitus Typ I&II
COPD
Epilepsie
Störung durch Alkohol
Persönlichkeitsstörung
Depression
Schizophrenie
8.9%
5.6%
25.6%
5.6%
7.8%
11.1%
3.3%
3.3%
5.6%
23.3%
10
15
20
Anzahl Todesfälle
25
54.4%
7.8%
6.7%
6.7%
6.7%
55.6%
44.4%
33.3%
7.8%
0%
20% 40% 60% 80%
Diagnosen in Prozent
100%
 Studienpopulation: Zwischen 2005 und 2012 verstorbene Arud-Patienten in Substitutionsbehandlung (n = 90); durchschnittliches
Todesalter (40.9 ± 7.5 Jahre); Geschlechterverhältnis repräsentativ für die Gesamtheit der Arud-Patienten in Substitutionsbehandlung (Abb. 1); 74.4% der Verstorbenen waren mit Methadon (n = 64), Morphin (n = 2) oder Buprenorphin (n = 1) substituiert,
24.4% (n = 22) in Heroingestützter Behandlung (HeGeBe), 1 Patient zum Ende nur noch in Gesprächstherapie
 Häufigkeiten:
Todesursachen: 53.3% der Todesfälle unmittelbare Folge von internistischen Erkrankungen (Abb. 2), davon 47.9% Komplikationen
der Leberzirrhose; Leberzirrhose mit 25.6% auch häufigste mittelbare Todesursache
Grunderkrankungen: Leberzirrhose als Grunderkrankung in 7.8% der Fälle diagnostiziert; 54.4% der Verstorbenen positiv auf HCV
und 27.8% positiv auf HIV getestet, 18 Personen (20%) HCV/HIV koinfiziert; Störungen durch Alkohol, Persönlichkeitsstörungen
und Depressionen häufigste psychiatrische Diagnosen (Abb.3)
 Zusammenhänge:
Grunderkrankungen: HIV- und HCV/HIV-Koinfektion positiv assoziiert mit Todesursache „Infektionen“; HCV-Infektion und Störungen
durch Alkohol positiv assoziiert mit Todesursache „Komplikationen der Leberzirrhose“ (Tab. 1)
Substitutionsmedikament: HeGeBe positiv assoziiert mit Todesursache „Infektionen“; Behandlung mit Methadon, Morphin oder
Buprenorphin positiv assoziiert mit Todesursache „Komplikationen der Leberzirrhose“; unter diesen Patienten ausserdem signifikant
mehr Störungen durch Alkohol diagnostiziert als unter Patienten in HeGeBe (Tab. 2)
 Veränderung über die Zeit: Signifikant weniger tödliche Mischintoxikationen zwischen 2009 und 2012 als in der Periode 20052008, dafür signifikant mehr letale Traumata, keine signifikante Veränderung bei einzelnen internistischen Todesursachen (Tab. 3)
Grunderkrankung Todesursache allgemein
p-Wert
Todesursache somatisch
p-Wert
HIV
mehr natürliche Ursachen
weniger Traumata
0.003
0.021
mehr Infektionen
0.002
HCV
mehr natürliche Ursachen
weniger Traumata
0.004
0.002
mehr Komplikationen der Leberzirrhose
0.024
Substitutionsmedikament Todesursache somatisch
p-Wert
Grunderkrankung
p-Wert
Somatischen
Ursprungs
25
23
-2
0.698
Koinfektionen
HIV/HCV
mehr natürliche Ursachen
weniger Traumata
0.011
0.039
mehr Infektionen
0.008
Methadon, Morphin,
Buprenorphin
mehr Komplikationen der
Leberzirrhose
0.013
mehr Störungen
durch Alkohol
0.000
Mischintoxikation
9
1
-8
0.013
mehr Komplikationen der Leberzirrhose
mehr Lungenversagen
0.000
0.008
Heroingestützte
Behandlung
mehr Infektionen
0.019
weniger Störungen
durch Alkohol
0.000
Trauma (Suizid,
Unfall, Gewalt)
3
8
+5
0.056
Störung durch
Alkohol
Todesursache
Tab. 1. Zusammenhänge Grunderkrankung
Tab. 2. Zusammenhänge Substitution
2005-2008
2009-2012
Veränderung
p-Wert
Tab. 3. Veränderung über die Zeit
Diskussion & Schlussfolgerung
 Präventiver und therapeutischer Handlungsbedarf besteht bezüglich Störungen durch Alkohol und entsprechenden Folgeerkrankungen.
 Patienten mit chronischer Hepatitis C-Infektion sollen verstärkt für HCV-Therapien motiviert werden.
 Das Fehlen von HIV/AIDS als (un)mittelbare Todesursache weist auf eine erfolgreiche Anwendung der antiretroviralen Therapien hin.
Literatur
• Degenhardt L, Bucello C, Mathers B, Briegleb C, Ali H, Hickman M, McLaren J (2010): Mortality among regular or dependent users of heroin and other opioids: a systematic
review and meta-analysis of cohort studies. Addiction 106:32-51.
• Risser D, Hönigschnabl S, Stichenwirth M, Pfudl S, D.Sebald, Kaff A, Bauer G (2001): Mortality of opiate users in Vienna, Austria. Drug and Alcohol Dependence 64:251-256.
• Soyka M, Träder A, Klotsche J, Backmund M, Bühringer G, Rehm JT, Wittchen HU (2011): Mortalität in der langfristigen Substitution: Häufigkeit, Ursachen und Prädiktoren.
Ecomed Medizin, 13(5), 247-252.
Präsentiert am 14. Interdisziplinären Kongress für Suchtmedizin, 4.-6. Juli 2013, München, Deutschland
Kontakt: Simone Graf, Arud Zentren für Suchtmedizin, Konradstrasse 32, CH-8005 Zürich, [email protected]
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