123Folgen - Supervision

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3.2.7 Die Folgeerkrankungen des Alkoholismus
Es war zu erfahren, dass die Ursachen für eine Abhängigkeitserkrankung in der Lebensgeschichte der betroffenen Menschen liegt.
Bevor jemand anfängt problematisch zu trinken, liegt also bereits eine
Störung vor. Manche Therapeuten sprechen auch von einer Störung
von Krankheitswert, die den späteren Alkoholiker dazu veranlasst im
Alkohol ein Heilmittel zu sehen, mit dem er diese Vorerkrankung
behandelt. Nun handelt es sich bei dem „Heilmittel Alkohol“ allerdings auch um ein Gift mit Nebenwirkungen, genauso wie das bei
vielen anderen Heilmitteln oder Medikamenten auch der Fall ist. Eine
dieser Nebenwirkungen des Alkohols ist sein Suchtpotential, welches
dazu führt, dass die Menschen, die sich mit diesem „Heilmittel“ selbst
behandeln davon abhängig werden können. Wenn diese Menschen
nun von dem „Heilmittel Alkohol“ abhängig geworden sind, führen
sie ihn in so großen Mengen zu sich, dass das Heilmittel nun auch
seine giftige Wirkung auf den Organismus ausübt. Der Alkoholkranke
vergiftet sich also zunehmend und muss dadurch eine ganze Reihe von
Folgeerkrankungen erleiden. Über diese Folgeerkrankungen sind viele
dicke medizinische Bücher1 verfasst worden, so dass an dieser Stelle
nur ein kleiner Überblick darüber gegeben werden soll, der die spektakulärsten und verbreitetsten Alkoholfolgekrankheiten kurz beschreibt.
Leberschäden sind die häufigsten und bekanntesten Alkoholfolgekrankheiten. Es gibt die Fettleber, die Leberzirrhose und verschiedene Formen der Gelbsucht (Hepatitis).
Da der Alkohol fast ausschließlich von der Leber abgebaut wird,
ist dieses Hauptstoffwechselorgan am stärksten durch die Droge belastet. Schon bei relativ geringen Mengen an Alkohol reagiert die Leber
und der Arzt kann erhöhte Leberwerte feststellen. Diese bilden sich
aber wieder zurück, wenn der Patient seinen Alkoholkonsum reduziert
oder einstellt. Wenn aber über längere Zeit größere Mengen alkoholischer Getränke konsumiert werden, kann es zu schwereren Schäden
kommen. Die kritische Menge liegt bei Männer bei etwa vier Flaschen
Bier oder einer Flasche Wein täglich. Diese Menge über einen länge1 Z.B. Singer/Teysen (Hrsg) Alkohol und Alkoholfolgekrankheiten – Heidelberg, 1999
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ren Zeitraum getrunken führt zunächst zu einer Verfettung der Leber,
weil die Leberzellen das überschüssige Fett nicht mehr abführen können und stattdessen speichern. Der Arzt kann dann die vergrößerte
Leber leicht ertasten. Durch die Verfettung nimmt nun die Funktionsfähigkeit der Leber ab, sie arbeitet nicht mehr so gut. Auch in diesem
Stadium ist durch eine Diät und eine Alkoholabstinenz noch eine Heilung zu erwarten.
Während die Fettleber noch behandelt werden kann und sich bei
gesunder Ernährung sogar zurückbildet, ist dies bei der Leberzirrhose
nicht der Fall. Sie kann sich sogar weiterentwickeln, wenn der Patient
bereits abstinent ist.
Oftmals geht der Leberzirrhose eine alkoholbedingte Hepatitis voraus. Diese Leberentzündung kann die geschwächte Fettleber befallen
und sich so weiterentwickeln. Die Ärzte haben errechnet, dass eine
Fettleber sich nach durchschnittlich zehn ein halb Jahren zu einer Leberzirrhose entwickelt. Als Vorläufer der Zirrhose wird auch die Leberfibriose betrachtet. Hier bildet sich Bindegewebe, jedoch wird dabei noch kein Lebergewebe geschädigt.
Bei der Zirrhose handelt es sich darum, dass, laienhaft gesprochen,
verletztes Lebergewebe vernarbt und somit zu Bindegeben wird. So
zersetzt sich die ganze Leber nach und nach wodurch sie ihre Abbaufunktionen nicht mehr erfüllen kann. Infolge davon treten typische
Symptome auf. Es sind im fortgeschrittenen Stadium ein starkes und
andauerndes Völlegefühl, häufige Blähungen, Wassersucht und besonders die Ösophagusvaritzen. Letzteres sind Krampfadern in der
Speiseröhre, die durch eine Erweiterung der Blutgefäße zu Stande
kommen. Das Aufplatzen dieser Krampfadern mit den inneren Blutungen, die nicht mehr gestillt werden können, ist häufigste Todesursache, die durch die Leberzirrhose verursacht wird. Grundsätzlich ist
die Leberzirrhose die Folgeerkrankung an der die meisten alkoholkranken Menschen versterben. Der Grund für eine Leberzirrhose ist in
den allermeisten Fällen der Alkoholmissbrauch. In seltenen Fällen
können andere Erkrankung zu einer Zirrhose führen.
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Die Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) ist ebenfalls
eine sehr gefährliche Erkrankung die häufig zum Tode führt. Die
Symptome dieser Krankheit sind heftige Schmerzen im Oberbauch
mit Durchfällen und Verdauungsstörungen. Etwa ein Viertel der von
der Krankheit betroffenen Menschen sind Alkoholkranke. Bei ihnen
zersetzt sich die Bauchspeicheldrüse ähnlich wie die Leber bei der
Leberzirrhose.
Magenschleimhautentzündungen (Gastritis) werden bei Alkoholkranken einerseits durch psychischen Stress hervorgerufen, andererseits jedoch auch durch den langandauernden Konsum hochprozentiger Alkoholika selbst. Durch die Schädigung der Magenschleimhaut
kann es zu Magenbluten mit dem Erbrechen von Blut kommen. Neben
den andauernden Magenschmerzen leiden diese Patienten unter
Brechreiz, Völlegefühl und Appetitlosigkeit. Beim Arzt müssen die
Betroffenen dann einen „Schlauch schlucken“. Diese unangenehme
diagnostische Prozedur kennen die meisten Alkoholkranken.
Herzmuskelerkrankungen werden heutzutage vermehrt auch dem
chronischen Alkoholismus zuschrieben. Diese Krankheit äußert sich
in gehäuften Herzrhythmusstörungen, Kurzatmigkeit, geschwollenen
Beinen und allgemein verminderter körperlicher Belastbarkeit. Herzkreislauferkrankungen stellen allgemein die häufigste Todesursache
dar, Alkoholiker sind besonders anfällig dafür.
Nervenentzündungen (Polyneuropathie) sind äußerlich sehr auffällig. Die Betroffenen können sich oftmals nur noch sehr staksig bewegen, manchmal sind sie sogar auf einen Rollstuhl angewiesen. Die
Polyneuropathie beginnt zunächst mit Kribbeln und Schmerzen in den
Beinen. Im späteren Stadium wird das Geh- und Stehvermögen durch
Lähmungen in der Muskulatur auf das Schwerste gestört und die Patienten bewegen sich teilweise roboterhaft. Etwa zwanzig Prozent der
Alkoholkranken sind von dieser Erkrankung betroffen. Sie bildet sich
allerdings bei anhaltender Abstinenz zurück und der abstinent lebende
Alkoholiker kann wieder völlig davon geheilt werden.
Krampfanfälle sind etwa jedem siebenten Alkoholiker bekannt.
Dabei handelt es sich u epileptische Anfälle, die meistens schlagartig,
etwa ein bis zwei Tage nach der Beendigung einer längeren Trinkperiode, auftreten. Sie gehen mit einem plötzlichen Bewusstseinsverlust
einher und werden von Muskelkrämpfen begleitet. Bei dauerhafter
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Abstinenz treten diese Krampfanfälle in den allermeisten Fällen nicht
mehr auf. Selten entwickelt sich eine andauernde Epilepsie.
Alkoholpsychosen treten relativ selten auf. Es gibt hierbei Ähnlichkeiten zum Delirium. Die Betroffenen können nach dem Abklingen der Psychose sich noch an deren Inhalte erinnern. Dies ist beim
Delirium nicht der Fall. Die Patienten hören während der Alkoholpsychose oft Stimmen, die sie sehr ängstigen. Oftmals werden sie von
diesen Stimmen bewertet, beschimpft und verflucht. In Einzelfällen
kann es auch zum Wahn kommen, der Eifersuchtswahn ist von vielen
Angehörigen und Partnern gefürchtet.
Das Delirium tremens ist die häufigste und spektakulärste psychische Störung beim Alkoholismus. Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche akute „Geisteskrankheit“, die meistens nach einem
plötzlichen Alkoholentzug auftritt. Manchmal kommt es auch ohne
Absetzen der Droge zum Delirium. Dabei treten schwerste Angst- und
Unruhezustände mit körperlichen Begleiterscheinungen auf. In ihren
Sinnestäuschungen sehen die Betroffenen weiße Mäuse, Spinnen und
anderes Kleingetier, welches nach ihnen trachtet. Die grausigen Geschehnisse, die diese Menschen zu durchleiden haben werden häufig
von Krampfanfällen begleitet oder durch diese ausgelöst. Sie zittern
und schwitzen sehr stark und müssen unter Fieber und Kreislaufschwankungen leiden. Zwanzig Prozent der Betroffenen sterben ohne
rechtzeitige sachkundige Hilfe. Bei entsprechender Behandlung kann
ein Delirium nach einem Zeitraum von zwei Tagen bis zu maximal
zwei Wochen wieder abklingen. Es stellt immer einen akuten medizinischen Notfall dar, der intensivmedizinisch behandelt werden muss.
In vielen Fällen bleiben Hirnschädigungen zurück, die später zum
Hirnabbau mit verminderter Merkfähigkeit führen können.
Das Korsakow-Syndrom ist die auffälligste neurologische Alkoholfolgeerkrankung weil die betroffenen Menschen oft völlig
schwachsinnig wirken. Das Kurzzeitgedächtnis der Patienten ist oft
hochgradig beeinträchtigt. Sie sind unfähig neue Gedächtnisinhalte zu
speichern, während aber der aktuelle und unmittelbar Kontakt nicht
gestört erscheint. Die Patienten sind meistens stark desorientiert und
kennen während eines Krankenhausaufenthalts üblicher Weise ihre
Zimmernummer, das Stockwerk, den Wochentag, ihre letzte Mahlzeit
oder auch nahe Angehörige nicht mehr. Gleichzeitig können aller126
dings Teile des Alltagsgedächtnisses detailgenau widergegeben werden. Patienten mit einem Korsakow-Syndrom sind sich ihrer Defizite
nicht bewusst. Die Aufmerksamkeit und die Sprachproduktion sind
zwar meistens intakt, dennoch kommt es häufig zu Konfabulationen,
d.h. zu Wortneuschöpfungen und Erzeugung von unzusammenhängenden irrealen Wörtern und Sätzen. Menschen mit einem KorsakowSyndrom zeigen oft noch andere alkoholbedingte neurologische
Symptome, wie Gangstörungen, unwillkürliche rhythmische Bewegungen von Körperteilen u.ä. Das Ausmaß dieser „Geisteskrankheit“
wird daran deutlich, dass die meisten Korsakow-Kranken nicht mehr
trinken, einfach weil sie es vergessen zu haben scheinen.
3.2.8 Fazit zum Alkoholproblem
Alkohol ist Nahrungsmittel, Genussmittel, Rauschmittel und Gift
zugleich. Für sehr viele Menschen in der westlichen Kultur ist das
mittlerweile kein Problem mehr, weil sie von Kindesbeinen an gelernt
haben mit diese harten Droge umzugehen.
Einige Menschen in unseren Breiten jedoch glauben der Alkohol
sei auch ein Heilmittel. Ein Heilmittel, welches ihnen dazu verhelfen
soll, die Schädigungen, die sie im Laufe ihres Lebens an ihrer Persönlichkeit erlitten haben, zu beheben. Die Illusion, dass der Alkohol ein
Medikament sei, mit dem man die tiefe Ich-Schwäche behandeln
kann, leitet diese Menschen in die Irre und das Heilmittel entpuppt
sich schließlich als Gift welches Körper, Geist, Seele und die soziale
Eingebundenheit zerstört.
Die Illusion, Alkohol sei dieses Heilmittel, welches seine Anwender von Schwächen, Ängsten und Zwängen befreit wird allerdings von
gewissen gesellschaftlichen Kräften genähert. Dieses sind diejenigen
gesellschaftlichen Kräfte, die am Konsum verdienen, die sich genaugenommen am Elend der Abhängigen bereichern.
Heilen lassen sich seelische und soziale Störungen und Konflikte
nicht durch Heilmittel, Medikamente oder Drogen. Heilen lassen sich
diese Probleme nur, indem diese Konflikte kommuniziert werden.
Darüber zu reden, verstanden zu werden, Mitgefühl zu erhalten und zu
geben scheinen letztlich doch die einzigen Wege zu sein, mit denen
man diese Konflikte bewältigen kann.
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