sonderserie Diagnose, Früherkennung und Therapieoptimierung mit natriuretischen Peptiden (Teil 2) Früherkennung von Herzinsuffizienz-Risikopatienten Die Herzinsuffizienz ist eine sehr schwere Erkrankung mit einer Gesamtmortalität von über 7% innerhalb eines Jahres (1). In der Arztpraxis ist Herzinsuffizienz die häufigste Ursache von Atemnot (Prävalenz von 25 bis 35%) (2). Es ist deshalb wichtig, Herzinsuffizienz bereits im Anfangsstadium zu erkennen, um ihren ungünstigen Verlauf zu verlangsamen. Die Bestimmung von NT-proBNP (BNP) hat sich BNP wurde einmal pro Jahr gemessen (Kon­troll- als grosse Hilfe bei der frühzeitigen Dia­gnose einer und Interventionsgruppe). Patienten, deren BNP- Herzinsuffizienz erwiesen. Zum Thema „Früher- Wert bei 50 ng/l (pg/ml) oder darüber lag, wurden kennung von Herzinsuffi­zienz bei Risikopatienten“ interdisziplinär durch ihren Hausarzt und einen wurden kürzlich zwei neue Studien veröffentlicht, Herzspezialisten betreut. Sie erhielten häufiger eine die PONTIAC-Studie und die STOP-HF-Studie. Therapie mit RAS-Antagonisten. Sie zeigten, dass kardiale Komplikationen durch Die Studien zeigen, dass die natriuretischen frühzei­tige Erkennung verhindert werden und Kli- Peptide BNP und NT-proBNP geeignet sind, un- nikeinweisungen reduziert werden können. ter Patienten mit kardialen Risikofaktoren dieje- Die PONTIAC-Studie (3) ist eine Studie an 300 nigen zu identifizieren, die von einer frühzeitigen, Diabetes-Patienten, die erhöhte NT-proBNP-Wer- intensiven Therapie profitieren. Intensiver betreu- te, aber keine Zeichen einer kardialen Erkrankung te Patienten entwickelten seltener eine kardiale Er- Interview mit Dr. med. Christoph Wineken ? Welchen Einfluss hat eine frühe Diagno- aufwiesen. 150 Teilnehmer erhielten eine Stan- krankung (Herzinsuffi­ zienz oder linksventrikuläre se der Herzinsuffizienz auf den Therapiever- dard-Diabetestherapie (Kontrollgruppe) und 150 Dysfunktion). Zirka 1/3 der Risikopatienten konnte lauf? Teilnehmer wurden zusätzlich in einer kardiologi- vor schweren Komplikationen bewahrt werden. Die Dr. Wineken: Ein frühzeitiges Erkennen einer schen Ambulanz betreut, wo man Betablocker und Anzahl an Einweisungen aufgrund schwerer kardi- Fehlentwicklung des Herzens, also z.B. der Leis- RAS-Antagonisten schrittweise möglichst hoch auf- aler Fälle wurde fast halbiert. tungsminderung, hat sicherlich Auswirkungen dosierte (Interventionsgruppe). Das Ziel war eine Die PONTIAC- und die STOP-HF-Studie zei- auf die Gesamtprognose der Erkrankung. Wenn Halbierung des NT-proBNP-Werts bzw. eine Re- gen, dass mithilfe einfacher Biomarker-Tests (NT- ein herzinsuffizienter Patient erst therapiert wird, duktion unter den Normalwert. proBNP- bzw. BNP-Bestimmung) Patienten mit wenn er kaum noch aus dem Bett aufstehen kann, Das Ergebnis dieser Studie war, dass der pri- erhöhtem kardialem Risiko selektiert werden kön- dann kommt das therapeutische Eingreifen viel zu märe Endpunkt (eine Kombination aus Hospita- nen. Bei früher, intensiver Therapie lassen sich in spät. Leider kommen zu mir immer wieder Pa- lisierung bzw. Tod aufgrund kardialer Erkrankung dieser Patienten­gruppe zahlreiche Komplikationen tienten im NYHA-Stadium 3 bis 4 mit einem NT- nach 2 Jahren) in der Interven­tionsgruppe um fast und Hospitalisierungen vermeiden. proBNP von 15 000 ng/l. zwei Drittel reduziert wurde. NT-proBNP und BNP-Werte korrelieren mit der Eine zweite Studie war die STOP-HF-Studie Schwere der Herzinsuffizienz (5). Die New York Heart ? Kann man eine Herzinsuffizienz im (4), für welche 1374 Patienten mit kardiovaskulä- Association und das American College of Cardiology NYHA Stadium 1 schon diagnostizieren? ren Risikofaktoren aus 39 irischen Hausarztpraxen haben diese Schweregrade auf Basis klinischer Symp­ Dr. Wineken: Ja, das ist möglich. Auch wenn rekrutiert wurden. Die Teilnehmer erhielten rando- tome definiert. (Abb. 1) Das ACC räumt der Früher- ein Patient noch nichts spürt, problemlos misiert entweder die übliche primärmedizinische kennung dabei eine besondere Rolle ein, in dem es Walking macht und Treppen steigt, kann er Versorgung (n = 677) oder sie nahmen an einem ein allererstes Stadium definiert für Risikopatienten schon eine Auswurfleistung unter 55% und Früherkennungsprogramm mit BNP teil (n=697). ohne Symptome einer Herzinsuffizienz (Abb. 1). ein erhöhtes NT-proBNP haben. Beschreibung ACC/AHAStadium Mit hohem Risiko für künftige Herzinsuffizienz, aber ohne funktionelle oder strukturelle Herzkrankheit A Strukturelle Herzkrankheit, aber ohne Zeichen und Symptome B NYHAStadium NT-proBNP (5) ? Ist die Herzinsuffizienz heilbar? Dr. Wineken: Wir haben heute eine Vielzahl von 83 Medikamenten und damit gute Chancen, die Menschen langfristig zu stabilisieren und ihre Lebensqualität zu verbessern. Aber es kommt auf die I 235 rauf, wie viel kontraktiles Myokard noch da ist. II Symptome für Herzinsuffizienz im Rahmen eines zugrunde liegenden Herzproblems, aber mit medizinischer Behandlung unter Kontrolle C Fortgeschrittene Erkrankung, die Spitalbetreuung, eine Herztransplantation oder palliative Betreuung erfordert D III IV individuelle Grunderkrankung an und vor allem da- 459 ? Können durch eine Früherkennung die Gesamtkosten im Gesundheitssystem 1119 Abb. 1: Herzinsuffizienzklassifizierung nach NYHA bzw. Kriterien des American College of Cardiology (ACC) und der American Heart Association (AHA) gesenkt werden? Dr. Wineken: Je früher man die Menschen mit Herzinsuffizienz entdeckt und gezielt medikamen- _ 2014 _ der informierte arzt 3211 sonderserie tös behandelt, desto eher kann man langfristige ? Was würden Sie dem Hausarzt empfehlen? Kosten sparen, so z.B. auch für operative Eingriffe Dr. Wineken: Dem Hausarzt würde ich emp- (z.B. die Implantation eines Defibrillators oder CRT fehlen, symptomorientiert vorzugehen und ins- [Kar­diale Resynchronisationstherapie] oder sogar besondere bei den Risikogruppen aktiv die eine Herztransplantation). Kurzluftigkeit in der Anamnese zu erfragen, Im Bereich der Medikamente sehe ich kaum Ein- also bei Patienten mit Hypertonie, Atheroskle- sparpotenzial. Diese werden zur Therapie unbe- rose, Diabetes, Übergewicht und bei Patienten, dingt benötigt. in deren Familienanamnese eine Häufung von Herzerkrankungen besteht. Darüber hinaus ? Bei welchen Patientengruppen empfeh- sehe ich beim Hausarzt den Mehrwert des NT- len Sie ein Screening mit NT-proBNP? proBNPs vor allem in der Therapie- und Ver- Dr. Wineken: Bei einem langjährigen Hypertoni- laufskontrolle. ker z.B. gehört die Überprüfung des N ­ T-proBNPs zur frühzeitigen Erkennung einer möglichen Herzinsuffizienz dazu, auch wenn diese nur zur Abklärung einer Herzinsuffi­zienz bei Kurzatmigkeit vergütet wird. Diese Personen laufen oft über Jahre mit einem ungenügend behandelten Hypertonus durch die Welt und denken „Mir geht es doch gut, warum soll ich Medikamente einnehmen?“ Es entwickelt sich eine Myokardhypertrophie, es folgt Pumpleistungsminderung, das Herz geht in die Dilatation. Das darf nicht geschehen. Take Home Message Literatur: 1. Maggioni AP et al. Are hospitalized or ambularoty patients with heart failure treated in accordance with European Society of Cardiology guidelines? Evidence from 12'440 patients of the ESC Heart Failure Long-Term Registry. Eur J Heart Fail. 2013; 15:1173-1184 2. Mueller C. B-Type Natriuretic Peptides and the General Practitioner. Journal of the American College of Cardiology Vol. 50, No. 17, 2007 3. Hülsmann M et al.: PONTIAC: NT-proBNP selected PreventiOn of cardiac eveNts in a PopulaTion of diabetic patients without A history of Cardiac disease. A prospective randomized controlled trial. J Am Coll Cardiol 2013. DOI: 10.1016/j.jacc.2013.05.069 4. Ledwidge M et al.: Natriuretic Peptide-Based Screenig and Collaborative Care for Heart Failure. The STOP-HF Randomized Trial. JAMA 2013;310(1):66-74 5. Wieczorek SI et al. A rapid B-type natriuretic peptide assay accurately diagnoses leftventricular dysfunction and heart failure: A multi center evaluation. Amer Heart J 2802; 144: 834-839 llDie Bestimmung von NT-proBNP (BNP) erlaubt ein frühzeitiges Entdecken der Herzinsuffizienz bereits im Anfangsstadium und eine entprechend frühe Therapie llBei einem langjährigen Hypertoniker gehört die Überprüfung des NT-proBNPWerts zur frühzeitigen Erkennung einer möglichen Herzinsuffi­zienz dazu IMPRESSUM Berichterstattung: Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen Redaktion: Eleonore E. Droux Unterstützt von: Roche Diagnostics (Schweiz) AG © Aerzteverlag medinfo AG, Erlenbach DoctorsXmas – Weiterhelfen mit Musik Eine Herzensangelegenheit Nach dem erfolgreichen Musikprojekt „Doctor`s Meeting“ aus dem Jahre 2012 hat sich die Gruppe musizierender Ärzte dieses Jahr wieder entschlossen, ein Charity-Projekt zu initiieren. Herausgekommen ist unter Mitwirkung prominenter musizierender Kollegen von nah und fern: Prof. Nicolas Diehm, Dr. Ernst Groechenig, Prof. Martin Czerny, Dr. Hans Kruger, Dr. Thomas Schmidle, Dr. Markus Streit und Dr. Jürg Traber, die weihnachtliche CD „DoctorsXmas“, bietet ein weites interdis­ ziplinäres Spektrum an wunderschöner Weihnachtsmusik. Der Reinerlös dieser CD kommt in diesem Jahr der Theodora Stiftung zugute, deren Ziel es ist, das Leiden von Kindern im Spital und in spezialisierten Institutionen durch Freude und Lachen zu lindern. Heute organisiert und finanziert die als gemeinnützig anerkannte Stiftung jede Woche den Besuch von 58 Spitalclowns in 54 Spitälern und spezialisierten Institutionen für Kinder mit Behinderung in der Schweiz. Im Jahr 2013 schenkten die Spitalclowns schweizweit bei rund 90 000 Kinderbesuchen den kleinen Patienten Lachen und Momente des Glücks. Schenken Sie Lachen . . . Die CD kostet 20 Franken und kann bestellt werden bei: Lucia Sidler, Chefarztsekretärin Abteilung für Angiologie, Kantonsspital Aarau 5001 Aarau, E-Mail: [email protected] Tel: +41 62 838 96 01 https://itunes.apple.com/ch/album/doctorsmeeting/id656938340 Der Aerzteverlag medinfo unterstützt dieses CharityProjekt und möchte ihm mit dem Kauf von 150 CD's als Weihnachtsgeschenk Rückenwind geben.