12 akademie INHALT 12 –13: Kardiologische Diagnostik 14 –15: Gen-Diagnostik 16 –19: Kardiorenales Syndrom Kardiologische Diagnostik NT-proBNP in der Arztpraxis Jede Herzinsuffizienz führt zu einer Volumen- und Druckbelastung des Herzens, das mit einer vermehrten Sekretion von proBNP reagiert. NT-proBNP ist daher ein zuverlässiger Laborparameter zur Diagnostik, Prognose- und Risikobewertung der Herzinsuffizienz. Was ist NT-proBNP? Natriuretische Peptide und deren N-terminale Prohormone (N-terminal pro brain natriuretic peptide) sind spezifische Marker der kardialen Dysfunktion. Es handelt sich um hormonelle Peptide, die in der Homöostase des Blutkreislaufs durch verschiedene direkte und indirekte Interaktionen Einfluss auf die Nieren und Herz-/Kreislauf-Funktionen ausüben. Bei erhöhter Volumenbelastung und erhöhter Wandspannung des Herzens kommt es zu einer Steigerung der Syntheserate von proBNP im Kardiomyozyten. Unter proteolytischer Spaltung wird das aminoterminale Peptid NT-proBNP und das hormonell aktive Peptid BNP im Verhältnis 1:1 in den Blutkreislauf sezerniert. Die natriuretischen Peptide bilden ein Gegengewicht zum Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und reduzieren Volumen- und Drucküberlastung. Erhöhte Plasmakonzentrationen der natriuretischen Peptide sind unabhängig von der Ursache der hämodynamischen Störung bei allen pathophysiologischen kardialen Situationen mit einer ungünstigen Prognose verbunden, von der instabilen Angina pectoris bis hin zur Chronischen Herzinsuffizienz. Primär- und Ausschlussdiagnostik Wie funktioniert der Test? In der hausärztlichen Praxis sind bildgebende Verfahren wie Echokardiographie und Röntgen oft nicht verfügbar. Daher werden einerseits viele Patienten mit Herzinsuffizienz – insbesondere im symptomarmen Frühstadium – nicht erkannt, andererseits wird ein hoher Prozentsatz von Patienten zur Echokardiographie überwie- 4_2011 sen, bei denen die Verdachtsdiagnose Herzinsuffizienz nicht bestätigt werden kann. Um den Marker NT-proBNP zu bestimmen, genügt ein einfacher Bluttest auf der Basis eines Elektrochemischen Lumineszenzimmunoassays (ECLIA). Die hohe Sensitivität ermöglicht die sichere Ausschlussdiagnose (negativer prädiktiver Wert > 97 Prozent) einer ventrikulären Dysfunktion bei Verdachtssymptomatik (Dyspnoe) und darüber hinaus den Nachweis einer ventrikulären Dysfunktion bereits im asymptomatischen Frühstadium oder bei milder beziehungsweise diffuser Symptomatik. Problemlose Präanalytik BNP versus NT-proBNP. Aus den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen bei Patienten mit milden Formen der Herzinsuffizienz wird ein signifikanter Unterschied zwischen den Markern BNP und NT-proBNP deutlich: Im Hinblick auf die Diskriminationsfähigkeit zwischen Gesunden und leichten Formen der Herzinsuffizienz sind NT-proBNP und ähnlich BNP aussagekräftig. Aus der Sicht der Labormedizin sprechen folgende Punkte für NT-proBNP: 1. Präanalytik: – Serum, Heparinplasma, EDTA-Plasma können verwendet werden. – Unabhängig von circadianer Rhythmik. – Drei Tage Probenstabilität, auch bei Raumtemperatur, somit ist der – Versand von Vollblutproben möglich. 13 2. Sensitiv und stark in der Differenzierung: – Frühzeitige Erkennung von Herzinsuffizienzpatienten im Anfangsstadium mit milder beziehungsweise diffuser Symptomatik. 3. Keine Beeinflussung durch Medikamente mit natriuretischem Wirkprinzip (z.B. Nesiritide). Positionierung Spezifität/Sensitivität. Der NT-ProBNP-Test weist eine diagnostische Sensitivität von 88 Prozent und eine Spezifität von 92 Prozent auf. Der positiv prädiktive Wert ist 80 Prozent, der negative prädiktive Wert > 97 Prozent. Wenn das Testergebnis unauffällig ist, kann eine Herzinsuffizienz also praktisch ausgeschlossen werden. Ist das Testergebnis positiv, muss eine weitergehende Abklärung erfolgen. Die European Society of Cardiology (ESC) positioniert in ihren Richtlinien für die Diagnose beziehungsweise den Ausschluss einer Herzinsuffizienz den NT-proBNP-Test folgendermaßen: • Für chronische Herzinsuffizienz: gleiche Stufe mit EKG/ Echokardiographie. • Für akute Herzinsuffizienz: gleichrangig mit EKG vor Echokardiografie. Asymptomatisches Frühstadium 138 Herzinsuffizienz-Patienten wurden nach den Leitlinien der ACC/AHA mittels Echokardiographie klassifiziert (1). Es zeigte sich, dass NT-proBNP insbesondere in den symptomlosen Stadien der Herzinsuffizienz (Stadien A und B) einen deutlichen Hinweis auf die Erkrankung gibt. Auch bei ventrikulographisch „normaler“ Auswurffraktion und NYHA-Stadium I zeigen bereits Konzentrationen des NT-proBNP von 100 bis 400 ng/l ein etwa zweifach erhöhtes Risiko für Gesamtsterblichkeit an. Steigt NT-pro BNP über 400 ng/l, so erhöht sich das Risiko bereits auf etwa das Zehnfache (2). Fotos: Kaulitzki/Fotolia, Paul Schwarzl Therapiemonitoring In einer randomisierten Studie (3) mit HerzinsuffizienzPatienten (LVEF < 40 Prozent, NYHA II – IV) wurde eine Patientengruppe (n = 36) anhand der klinischen Symptomatik therapiert und mit einer Patienten gruppe (n = 33) unter einer NT-proBNP-gesteuerten Therapie verglichen. Durch die NT-proBNP gesteuerte Therapie wurde ein signifikant niedrigeres relatives Risiko hinsichtlich der Endpunkte Tod und Hospitalisierung erreicht. Anwendungsgebiete Eine sichere Datenbasis, welche den Nutzen des NTproBNP-Tests belegt, gibt es für folgende Indikationen: • Diagnostischer Nachweis aller Formen und Schweregrade der Herzinsuffizienz bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten (auch im subklinischen Frühstadium). • Objektivierung des Schweregrades, orientiert an der NYHA-Klassifizierung, und Anpassung der Pharmakotherapie anhand des NYHA-Stufenschemas. • Leitlinienkonforme Ausschlussdiagnostik der LV-Dysfunktion bei Patienten mit Verdachtssymptomatik für Herzinsuffizienz (Dyspnoe, akute Atemnot). • Prognosestellung und Risikostratifizierung bei allen kardiovaskulären Erkrankungen, vom akuten Koronarsyndrom bis zur chronischen Herzinsuffizienz, unabhängig von Ätiologie und Ursache der hämodynamischen Störung. • Therapiewirksamkeitskontrolle anhand des Markerverlaufs nach therapeutischer Intervention. Bernd Harder Mueller T et al. Head to head comparison of the 1 diagnostic utility of BNP and NT-proBNP in symptomatic and asymptomatic structural heart disease. Clinica Chimica Acta 2004; 341: 41-48. März W et al. N-terminal pro-B-type natriu- 2 retic peptide predicts total and cardiovascular mortality in individuals with or without stable coronary artery disease: The Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study. Clinical Chemistry 2007; 53: 1075-1083. Troughton RW et al. Treatment of heart failure guided by 3 plasma aminoterminal brain natriuretic peptide (N-BNP) concentrations. Lancet 2000; 355: 1126-30. Kontakt Prof. Dr. med. Winfried März synlab-Akademie, Mannheim Telefon: 0621 – 43 17 94 32 E-Mail: [email protected] 4_2011