MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Vorlesungsbegleitendes Material zum Unterricht Marketing I Dozent: Werner Hankel Abschnitt 1: Geschichte des Marketings Begriffe im Marketing Marketingprozess Marketinginstrumente Mathematische Funkionen im Marketing Version: 10/2008 Seite 1 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Die Geschichte des Marketings „Marketing“ beschränkt sich nicht nur auf Vertrieb und Absatz. Während diese Unternehmensbereiche der Produktion nachfolgen, beginnt „Marketing“ bereits davor durch die Ermittlung von Bedürfnissen und die Definition von Zielgruppen (Märkten) und nimmt Einfluss auf Forschung und Entwicklung. Erst durch eine intensive Auseinandersetzung mit den Kundenerwartungen kann ein Unternehmen entscheiden, welche Produkte hergestellt und vermarktet werden sollen. Somit ist Marketing als umfassendes, zukunftsorientiertes Unternehmenskonzept zu verstehen. Das war nicht immer so und ist auch heute in vielen Unternehmen noch nicht der Fall. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts begann man damit Austauschprozesse wissenschaftlich zu untersuchen. Daraus entwickelte sich eine erste Absatzlehre, die Marktforschung und Käuferverhalten berücksichtigte. Ein aus der Massenproduktion hervorgehender Wandel vom Käufer zum Verkäufermarkt führte in den 50er Jahren schließlich zu einer verstärkten Absatzorientierung die von effizienten Absatzzielen und einer verstärkten Preispolitik gekennzeichnet war. Mc Carthy’s „4P-Programm“ (Price, Product, Place, Promotion) bestimmte dann Ende der 50er das Denken vieler Unternehmen, die ein Marketing-Mix als Führungsinstrument einsetzten. In den 60er Jahren führte die Integration von Bedürfnis und Kundenorientierung zu einem erweiterten Marketingbewusstsein. 1969 wurde in Münster der erste Lehrstuhl für Marketing eingerichtet und markierte auch in der Lehre einen Wechsel hin zur nachfrageorientierten Sichtweise. War es zunächst überwiegend die Konsumgüterindustrie, die Marketing als Unternehmenskonzept nutze, entdeckten in den 70er Jahren auch der Investitionsgüter-Bereich und der Handel die Notwendigkeit einer stärkeren Kundenorientierung. Gesättigte Märkte und der dort herrschende Verdrängungswettbewerb führten in den 80er Jahren zu einer Einbeziehung konkurrierender Markteilnehmer in die marketingpolitischen Überlegungen. Seite 2 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Marketingprogramme lebten also nicht mehr nur von der Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse, sondern mussten sich auch im Vergleich mit dem Wettbewerb bestehen können. Die 90er schließlich waren durch Globalisierung gekennzeichnet, was ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung des Marketings nahm und durch eine Ausdehnung des Marketings auf „non profit“-Organisationen. Heute müssen wir im Marketing mit einer Fülle unterschiedlicher Definitionen leben. Unzählige Mutationen des Marketingbegriffes (z.B. CRM) verhindern angesichts immer komplexer werdender Märkte und individuellerer Kundenstrukturen eher eine effiziente Handhabung als das sie ihr dienen. Marketing scheint in so viele Einzelelemente zerfallen zu sein, dass sich Unternehmen heute schwer tun, dieses Führungsinstrument umfassend und zielgerichtet anzuwenden. Seite 3 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Begriffe im Marketing Bedürfnisse Bedürfnisse sind Ausdruck eines Mangels an Zufriedenstellung. Bedürfnisse können folgende Ursachen haben: :: natürliche Bedürfnisse :: kulturell geprägte Bedürfnisse :: sozial geprägte Bedürfnisse :: individuell entwickelte Bedürfnisse Wünsche Wünsche sind das Verlangen nach konkreter Befriedigung Nachfrage Nachfrage ist der konkrete Wunsch nach spezifischen Produkten in Verbindung mit ausreichendem Potential (Kaufkraft) und Motivation (Kaufbereitschaft) Wege zur Bedürfnisbefriedigung Grundsätzlich gibt es vier Wege, um Bedürfnisse befriedigen zu können: :: Eigenproduktion [Kein Markt, also auch kein Marketing] :: Gewaltanwendung [Nur einer hat einen Nutzen] :: Betteln [Kein Marketing, da keine Gegenleistung erbracht wird] :: Tauschen [Tausch von Nutzen] Tauschprozess Nur der Tauschprozess macht Marketing erforderlich. Ohne den Tauschprozess gäbe es kein Marketing. Für einen erfolgreichen Tauschprozess müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: :: Es muss mindestens zwei Parteien geben :: Jede Partei muss etwas besitzen, was für die andere Partei von Wert ist und so einen Nutzen stiften könnte. :: Jede Partei muss in der Lage sein, mit der anderen Partei zu kommunizieren und das Tauschobjekt übertragen zu können. :: Der Tauschprozess findet freiwillig statt :: Jede Partei darf den Umgang mit der anderen Partei nicht ablehnen. Seite 4 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Produkt Produkt ist der Oberbegriff für alles, was einer Person oder Institution angeboten werden kann, um ein Bedürfnis, einen Wunsch oder eine konkrete Nachfrage zu befriedigen. Der Begriff „Produkt“ steht dabei sowohl für physische (materielle) Güter wie auch für immaterielle Güter (Dienstleistungen). Wichtig: Produkt = Nutzen Markt Ein Markt besteht aus allen potentiellen Kunden mit einem bestimmten Bedürfnis oder Wunsch, die willens und fähig sind, durch einen Austauschprozess das Bedürfnis oder den Wunsch zu befriedigen. Wichtig: Zielgruppe = Markt Die Größe des Marktes wird von der Anzahl der Personen bestimmt, die :: ein bestimmtes Bedürfnis zeigen (Marktpotential) :: über austauschbare Ressourcen verfügen (Marktvolumen) :: willens sind, diese Ressourcen gegen etwas zu tauschen, was sie haben möchten. Märkte können zur Abgrenzung nach verschiedenen Kriterien benannt werden: :: Nach dem Bedürfnis (Diätmarkt) :: Nach dem Produkt (Schuhmarkt) :: Nach der Demographie (Markt der Senioren) :: Nach der Geografie (Europäischer Markt) Seite 5 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Zusammenfassende Definition des Marketingbegriffes: Marketing ist ein zielgerichteter Einsatz der marketingpolitischen Instrumente um auf einem nach Bedürfnissen und Wünschen definierten Markt durch Nutzen stiftende Angebote Nachfrage zu entwickeln und gewinnbringend zu befriedigen. Aufgabenstellungen für das Marketing Grundsätzlich lassen sich acht Nachfragesituationen beschreiben, aus denen sich unterschiedliche Aufgabenstellungen für das Marketing ableiten lassen: 1. Negative Nachfrage Hier wird vorausgesetzt, dass die Zielgruppe über ein tatsächlich vorhandenes Bedürfnis verfügt, allerdings unter gewissen Umständen sogar dafür zahlen würde, um die angebotene Leistung nicht in Anspruch zu nehmen. [Wurzelkanalbehandlung, Darmspiegelung etc.] Aufgabe: Konvertierungsmarketing 2. Fehlende Nachfrage Hier wird vorausgesetzt, dass ein existierendes Angebot fähig ist, vorhandene Bedürfnisse oder Wünsche zu befriedigen, die Zielgruppe aber keine Informationen besitzt, um das Angebot auch in Anspruch zu nehmen. Aufgabe: Stimulationsmarketing 3. Latente Nachfrage Möglicherweise existieren bei der Zielgruppe konkrete Bedürfnisse und Wünsche, für deren Befriedigung noch keine Produkte existieren. Aufgabe des Marketings ist es, hierfür spezifische Angebote zu entwickeln und damit Nachfrage auszulösen. Aufgabe: Entwicklungsmarketing Seite 6 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL 4. Sinkende Nachfrage Wenn die Nachfrage nach bestimmten Produkten dauerhaft sinkt, kann es dafür verschiedene Gründe geben. Änderungen im Verbraucherverhalten, veränderte Wertesysteme oder ganz einfach eine Überalterung der Zielgruppe. Aufgabe des Marketings ist es die Gründe für den Nachfragerückgang zu ermitteln und das Angebot wenn möglich zu aktualisieren. Aufgabe: Relaunchmarketing 5. Schwankende Nachfrage Eine zu bestimmten Zeiten überhöhte Nachfrage führt zu Kapazitätsengpässen einerseits und andererseits zu mangelnder Auslastung. Durch Promotionmaßnahmen und/oder flexible Preisgestaltung kann versucht werden, das Nachfrageverhalten zu beeinflussen. Aufgabe: Synchromarketing 6. Ausgeglichene Nachfrage Der Idealfall für den Marketingfachmann ist es, wenn die Nachfrage sich auf hohen Niveau stabilisiert. Nun muss alles getan werden, um diese Situation zu pflegen. Aufgabe: Erhaltungsmarketing 7. Übersteigerte Nachfrage Führt eine übersteigerte Nachfrage zu Auftragsspitzen, die Leistungsfähigkeit der angebotenen Produkte gefährden, muss mit entsprechenden Marketingmaßnahmen reagiert werden. Preiserhöhungen und das Angebot von Alternativen können die Interessenten dazu bringen auf substituierende Angebote auszuweichen. [Beispiel: Alpenpässe in der Urlaubssaison = Reisende wechseln auf die Bahn.] Aufgabe: Dämpfungsmarketing 8. Schädliche Nachfrage Die Nachfrage nach gesundheitsschädlichen Produkten kann die Volkswirtschaft belasten (Zigaretten, Alkohol). Hier kann es notwendig werden, die Interessenten durch intensive Marketingmaßnahmen dazu zu bewegen, entsprechende Produkte nicht mehr nachzufragen. Aufgabe: Kontramarketing (vgl. Kotler/Bliemel: Marketingmanagement) Seite 7 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Grundkonzepte von Unternehmen Neben den zuvor aufgeführten grundsätzlichen Nachfragesituationen lassen sich ebenso grundsätzliche Einstellungen von Unternehmen skizzieren. Die Betrachtung dieser Grundhaltungen erlaubt einen Vergleich zwischen marketing- und nicht-marketingorientierten Unternehmen. 1. Produktionsorientierung Das Unternehmen geht davon aus, dass die Interessenten jene Produkte bevorzugen werden, die weithin verfügbar und kostengünstig sind. Unternehmensziele: Hohe Fertigungseffizienz um niedrige Produktionskosten zu bieten und eine möglichst flächendeckende Distribution. (vgl. Kotler/Bliemel: Marketingmanagement) 2. Produktorientierung Das Unternehmen geht davon aus, dass die Interessenten jene Produkte bevorzugen werden, die ein Höchstmaß an Qualität, Leistung und Nutzen bieten. Unternehmensziele: Herstellung guter Produkte und kontinuierliche Produktverbesserung. (vgl. Kotler/Bliemel: Marketingmanagement) 3. Absatzorientierung Das Unternehmen ist überzeugt, dass die Interessenten von sich aus keine ausreichende Menge der angebotenen Produkte kaufen wird. Unternehmensziele: Aggressiver Verkauf und aggressive Maßnahmen zur Verkaufsförderung sollen die Kaufhäufigkeit erhöhen. (vgl. Kotler/Bliemel: Marketingmanagement) 4. Gewinnorientiertes Unternehmen Natürlich müssen alle Unternehmen gewinnorientiert denken und handeln. Eine ausschließliche Konzentration auf den Kapitalertrag muss aber nahezu zwangsläufig zu Einsparungen und damit zu einer Kürzung des Nutzens führen. Mittelfristig ist durchaus damit zu rechnen, dass unzufriedene Kunden zum Wettbewerb wechseln und die Ertragslage des Unternehmens verschlechtern. Seite 8 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL 5. Marketingorientierung Das Unternehmen ist der Ansicht, dass die Unternehmensziele nur erreicht werden können, wenn die eigenen Produkte die Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes besser befriedigen, als der Wettbewerb. Unternehmensziele: Konzentration auf den Zielmarkt und Orientierung an den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden. Die ganzheitliche Ausrichtung des Unternehmens auf den Zielmarkt soll für zufriedene, langfristige Kundenbeziehungen sorgen und damit Gewinne ermöglichen. Problemfelder: Sinkende Absatzzahlen können dazu führen, dass das Unternehmen seine Zielsetzung aufgibt. Langsame Lernprozesse im Unternehmen und möglicherweise sogar organisierter Widerstand der Beschäftigten verhindern eine konsequente Marketingorientierung. Zudem kann es Probleme geben, die kontinuierliche Ausrichtung auch im normalen Alltagsgeschäft immer wieder voranzutreiben und zu pflegen. (vgl. Kotler/Bliemel: Marketingmanagement) Seite 9 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Der Marketingprozess Marketing ist ein sich ständig wiederholender Prozess, welcher sich aus sechs aufeinander folgenden Schritten bildet. Ein Marketingprozess hat stets nur für einen Markt zu gelten. Bedient ein Unternehmen verschiedene Märkte, so ist für jeden dieser Märkte ein spezieller Marketingprozess erforderlich. 1. Analyse 2. Ziele 6. Kontrolle 5. Durchführung Die Phasen des Marketingprozesses 3. Strategie 4. Marketing-Mix Phasen des Marketingprozesses 1. Situationsanalyse Mit Hilfe der Informationsinstrumente wird der Markt auf erforderliche Bedürfnisstrukturen untersucht und Marktgrößen ermittelt. Grundlegendes Ziel der Informationsinstrumente ist die Ermittlung der Marktkoordinaten, die entscheidend sind für die strategische Marketingplanung. Marktinformationen können auf zwei Weisen gewonnen werden. Primärerhebung Hier initiiert das Unternehmen die Gewinnung von Marktinformationen durch Umfragen, die schriftlich, telefonisch oder durch persönliche Befragung erhoben werden. Seite 10 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Sekundärmaterial Bereits von Dritten erhobene Datenquellen werden gesichtet um Erkenntnisse über Marktgrößen, Konsumentenverhalten und die Wettbewerbssituation zu gewinnen. Internes Berichtswesen Auch das interne Berichtswesen liefert wichtige Informationen zur Bestimmung der Marktkoordinaten. Controlling, Vertrieb und Handelspartner verfügen oft über wertvolle Kenntnisse, die wesentlichen Einfluss auf zukünftige Planungsprozesse im Marketing haben können. Das interne Berichtswesen dient dazu diese Informationen zu transportieren und zu strukturieren. 2. Zielformulierung Auf Basis der im Rahmen der Situationsanalyse gewonnenen Erkenntnisse werden die angestrebten Marktziele formuliert, wobei diese im Einklang mit den unternehmerischen Oberzielen stehen müssen. :: Marktanteil :: Bekanntheitsgrad :: Markterschließung etc. 3. Strategieentwicklung Im Rahmen der strategischen Planung werden auf Basis der Situationsanalyse die Mittel und Wege bestimmt, mit deren Hilfe das gesetzte Ziel erreicht werden soll. „Marketingstrategien verkörpern das Bindeglied zwischen Marketingzielen einerseits und den erforderlichen Maßnahmen des Marketing-Mix andererseits“ (vgl. Scharf/Schubert „Marketing“, 2. Auflage). 4. Marketing-Mix Auf Basis der strategischen Planung werden die geeigneten marketingpolitischen Aktionsinstrumente gewählt und so kombiniert, dass eine hohe Effizienz bei wirtschaftlichem Einsatz gewährleistet ist. 5. Einsatz der marketingpolitischen Aktionsinstrumente Auf der taktischen Ebene werden die im Marketingmix zusammengefügten Aktionsinstrumente zielgerichtet eingesetzt. 6. Erfolgskontrolle Der Grad der Zielerreichung oder –verfehlung wird im Rahmen der periodischen oder aktionsbegleitenden Erfolgskontrolle beobachtet und die gewonnenen Erkenntnisse fließen in eine neue oder korrigierte Situationsanalyse ein, die wiederum Grundlage für Zielkorrekturen oder neue Zielsetzungen dient. Seite 11 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Die Marketingpolitischen Aktionsinstrumente Anmerkung: Es gibt eine gewisse „Unschärfe“ bezgl. der Bezeichnung für die Marketingaktionsinstrumente. Oft werden diese schlicht als Marketinginstrumente bezeichnet - was im Rahmen meines Unterrichts ausnahmsweise gestattet ist. Richtig ist aber, dass die Bezeichnung „Marketinginstrumente“ als Oberbegriff für die Marketing-Informationsintrumente, die Marketing-Steuerungsinstrumente und eben die Marketingpolitischen Aktionsinstrumente (Produkt-, Preis-, Kommunikations-, Distributions- und Servicepolitik) steht. Die Marketingpolitischen Aktionsinstrumente sind die Werkzeuge, die im Rahmen des Marketingprozesses eingesetzt werden, um die jeweils gesetzten Marketingziele zu realisieren. Lange Zeit galt Mc Carthy’s „4PProgramm“ (Price, Product, Place, Promotion) als ausreichend. In den 80er Jahren des 20. JH wurden diese vier Instrumente dann durch die Servicepolitik ergänzt, was meiner Auffassung nach auch Sinn macht. Gesättigte Märkte führen dazu, dass konkurrierende Produkte kaum noch objektiv feststellbare Unterscheidungsmerkmale aufweisen, die dem potentiellen Käufer zur Präferenzbildung dienen können. Neben der Kommunikationspolitik kommt vor allem der Servicepolitik die Aufgabe zu, ein unterscheidbar zu machen und damit aus dem unmittelbaren Preisvergleich zu befreien. Seite 12 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL 1. Produktpolitik :: Programmpolitik (Dimension des Produktprogramms) :: Produktausstattung (Dimension des Produktnutzens) :: Produktleistung (Nutzenwirksame Faktoren) :: Konformität :: Haltbarkeit :: Zuverlässigkeit :: Instandsetzung :: Styling 2. Kontrahierungspolitik (Preispolitik) :: Preisbildung Kostenorientiert (Voll- oder Teilkostenbasis) :: Preisbildung Nachfrageorientiert (z.B. nach verhaltenstheoretischen Modellen) :: Preisbildung Wettbewerbsorientiert :: Strategische Preisbildung (Preislagenpolitik, Differenzierung, Neueinführung) :: Handelsorientierte Preisbildung :: Konditionen (Rabattpolitik, Absatzkredit-Pol., Liefer- und Zahlungsbedingungen) 3. Distributionspolitik :: Distributionsgrad (Verfügbarkeit, Vertriebsgebiet) :: Distributionskanäle (Vertriebswege) :: Vertriebsorganisation (Eigene, selbst.Absatzhelfer, Handel) 4. Kommunikationspolitik :: Werbung (Zielgruppe, pot. Käufer, Endverbraucher) :: Verkaufsförderung (Absatzmittler, Handel, Messen) :: PR = Public Relations (Öffentlichkeit, Unternehmensumfeld, Mitarbeiter etc.) 5. Servicepolitik :: Auftragshilfen :: Zustellung :: Installation :: Beratung :: Kundenschulung, Anwenderschulung :: Instandsetzung und Instandhaltung :: Sonstige Dienstleistungen zur Optimierung des Kundennutzens Seite 13 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Mathematische Größen im Marketingmix Marketingaufwendungen sind Investitionen, die unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt und geplant werden müssen. Demzufolge muss es auch Möglichkeiten geben, die Wirkung von Marketingmaßnahmen mathematisch zu erklären. Die Ertragsgleichung Bei der Ertragsgleichung geht man davon aus, dass eine Veränderung im Einsatz der Marketingmittel zu einer Veränderung der Ertragssituation führt. Die Formel für die Ertragsgleichung lautet: Z = [(P-k)-c]Q-F-M Der Gesamtertrag (Z), der mit einem Produkt oder einer Produktgruppe zu erzielen ist, wird ermittelt, in dem vom Nettopreis (P‘) die variablen Stückkosten (c) abgezogen werden und das Ergebnis mit der Menge der Verkauften Produkte (Q) multipliziert wird. Nachdem auch noch die Produktbezogenen Fixkosten (F) und die Marketingaufwendungen (M) abgezogen werden verbleibt der Gewinn, der mit dem Verkauf des jeweiligen Produktes oder Produktgruppe erzielt wurde. Den Nettopreis (P‘) erhält man, indem vom Listenpreis (P) die Nachlässe (k) abgezogen werden. Z = Gesamtertrag (Gewinnhöhe) P = Listenpreis k = durchschnittlicher Nachlass/Stück c = variable Stückkosten Q = verkaufte Menge in Stück F = Fixkosten (Produktbezogen) M = Marketingkosten (Aufwand für Werbung und Verkaufsförderung) Ertrag (Z): Umsatz (U): Nettopreis (P‘) Produktkosten (C) Z=U–C U=P·Q P‘ = P – k C=c·Q+F+M Seite 14 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Fixkosten Fixe Kosten sind unabhängig von der produzierten Menge und bleiben unverändert, gleich ob hohe oder geringe Stückzahlen eines Produktes hergestellt werden. (Z. B.: Miete für Lager- und Büroräume, Gehälter für die Marketingabteilung etc.) Variable Kosten ... sind dagegen abhängig von der produzierten Menge. (Akkordlöhne, Materialverbrauch nach Stücklisten etc.) Verkaufsmengengleichung Die Verkaufsmengengleichung besagt, dass die Verkaufsmenge (Q) eine Funktion von X– und Y-Faktoren ist. Q = f(X1, X2, ...Xn, Y1, Y2, ... Yn) Während das Unternehmen X-Faktoren unter Kontrolle hat und diese also beeinflussen kann, sind die Y-Faktoren externer Natur und entziehen sich der Einflussnahme des Unternehmens. X-Faktoren sind z. B. die Marketinginstrumente. Y-Faktoren sind Kaufkraftschwankungen, Wettbewerbsaktivitäten oder gesetzliche und fiskalische Maßnahmen. Zwar hat das Unternehmen keine unmittelbaren Einfluss auf diese Y-Faktoren, allerdings können die X-Faktoren genutzt werden, um auf die Auswirkungen der Y-Faktoren zu reagieren. Absatz-Reaktions-Funktion In Anlehnung an die Preis-Mengen-Funktion, welche zeigt wie die Verkaufszahlen eines Produktes steigen werden wenn der Verkaufspreis gesenkt wird, belegt die Absatz-Reaktions-Funktion, dass eine Veränderung der Marketingaufwendungen ebenfalls zu einer Veränderung der Verkaufszahlen führt. (s. Abb. Seite 16) Seite 15 MARKETING I GRUNDLAGEN DOZENT: WERNER HANKEL Neben diversen atypischen Absatz-Reaktions-Funktionen (z. B. konstant [1], linear [2], konkav [3]) gilt der s-förmige Verlauf einer Absatz-Reaktions-Funktion als typisch, da dieser eine „realistische“ Umsatzentwicklung abbildet. Eine solche „realistische“ Umsatzentwicklung unterliegt folgenden Gesetzmäßigkeiten: 1. Für jedes Produkt gibt es eine Obergrenze potentieller Nachfrage. Je näher man dieser Obergrenze kommt, desto aufwendiger wird es, weitere Umsatzzuwächse durch eine Steigerung der Marketingaufwendungen zu generieren. 2. Es ist anzunehmen, dass der Wettbewerb ebenfalls seine Marketingaufwendungen erhöht, um einen möglichen Nachteil auszugleichen. 3. Könnte das Absatzwachstum durch Marketingaufwendungen ständig beschleunigt werden, würde dies unweigerlich zu einem Monopol führen (s. lineare Absatz-Reaktions-Funktion). Seite 16 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Vorlesungsbegleitendes Material zum Unterricht Marketing I Dozent: Werner Hankel Abschnitt 2: Strategische Marketingplanung Produktlebenszyklus Kampf um Marktanteile Version: 10/2008 Seite 17 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Strategische Marketingplanung Zwei Begriffe sind für die Wahl geeigneter Marketingstrategien von großer Bedeutung: 1. Die Markattraktivität Die Marktattraktivität gibt Auskunft über die Aufnahmefähigkeit des Marktes. Je höher die Marktattraktivität, desto größer die Menge der Produkte, die an eine Zielgruppe verkauft werden kann. Ist ein Markt noch unerschlossen, dann ist die Marktattraktivität entsprechend groß und sie nimmt bei fortschreitender Durchdringung kontinuierlich ab. Die Marktattraktivität steht in direktem Zusammenhang mit Marktvolumen und Marktpotential. 2. Der Marktanteil Der Marktanteil bezeichnet den Teil des Marktes, der von einem Unternehmen im Vergleich zu den Wettbewerbern bereits erschlossen werden konnte. Je größer der Marktanteil, desto höher die eigene Wettbewerbsposition. Der Marktanteil steht in direktem Zusammenhang mit Absatzvolumen und Absatzpotential. Bei nahezu allen Strategiemodellen spielen diese beiden Begriffe (auch wenn sie nicht explizit genannt werden) eine entscheidende Rolle. Entweder geht es um die Reaktion auf eine sich verändernde Marktattraktivität oder um den Kampf um Marktanteile, welche erobert werden sollen oder zu verteidigen sind. Strategiefindung Es gibt zahlreiche Entscheidungsmodelle, die zur Strategiefindung dienen. Wegen Ihrer Einfachheit besonders beliebt ist die 4-Feld-Matrix der „Boston Consulting Group“. Mit dieser lassen sich Produkte in ein Koordinatensystem aus eben „Marktwachstum“ und „Marktanteil“ als Question Mark, Star, Cash Cow oder Poor Dog einordnen. Eine Seite 18 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL weitere 4-Feld-Matrix basiert auf Igor Ansoff und unterscheidet einerseits zwischen neuen und gegenwärtigen Märkten sowie zwischen neuen und gegenwärtigen Produkten. Beide Rastersysteme werden hier nur kurz vorgestellt: Produkt-Marktexpansions-Raster nach Ansoff Durch die Zuordnung von Produkten in das Produkt-MarktexpansionsRaster nach Ansoff können folgende Fragen beantwortet werden: 1. Lassen sich mit derzeitigen Produktangeboten zusätzliche Anteile an den gegenwärtig bearbeiteten Märkten erobern? (Strategie der Marktdurchdringung) 2. Können für derzeitige Produktangebote neue Märkte gefunden werden? (Strategie der Marktentwicklung) 3. Kann der gegenwärtige Abnehmerkreis mit neuen Produkten bedient werden? (Strategie der Produktentwicklung) Seite 19 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL 4. Sollten ganz neue Produkte für ganze neue Zielgruppen entwickelt werden? (Diversifizierung: horizontal, vertikal, lateral) Vierfeld-Matrix der Boston-Consulting-Group Eine vereinfachte Form der Marktkoordinaten liefert die Vierfeldmatrix. Hier werden die Produkte analog zum Produktlebenszyklus in vier Felder eingeordnet, die sich aus den Achsenbezeichnungen Marktwachstum und Marktanteil ergeben. Die Vierfeld-Matrix ermöglicht eine schnelle Zuordnung verschiedener Produkte in die entsprechende Marktsituation: 1. „Question Marks“ Neue Produkte mit großen Wachstumschancen sind „Fragezeichen“, weil der Markerfolg zwar wahrscheinlich ist, aber nicht zwangsläufig eintreten muss. „Question Mark“ ist das Produkt am Beginn des Lebenszyklus. Es muss erst noch unter Beweis stellen ob es markttauglich ist und sich zum „Star“ entwickeln kann oder ob Seite 20 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL ihm als „Flop“ nur ein kurzes Dasein beschieden ist. 2. Stars Stark wachsende Umsatzzuwächse machen aus einem „Fragezeichen“ einen Star. Ein Star ist ein Produkt, dass sich auf einem wachsenden Markt etabliert hat und gegen Wettbewerber durchsetzen kann. 3. „Cash Cow“ Wurde ein Markt erfolgreich eingenommen, ist aus dem Star eine „Milchkuh“ geworden. Logischer Weise ist das Wachstum eines erschlossenen Marktes nur noch gering und die Milchkuh wirft hohe Erträge ab. 4. „Poor Dog“ Zurückgehende Umsätze machen aus der Milchkuh allmählich einen „armen Hund“, der irgendwann vom Markt genommen wird, um unnötige Kosten für Vertrieb, Kommunikation und zu vermeiden. Nur selten gelingt ein Relaunch und dann meist nur für kurze Zeit. Seite 21 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Produktlebenszyklus Das Modell eines theoretischen Produktlebenszyklus (PLZ) eignet sich hervorragend, um anhand einer kontinuierlich abnehmenden Marktattraktivität die für die jeweilige Marktsituation erforderliche strategische Überlegung nachvollziehbar zu veranschaulichen. Vor allem die Aspekte der „Marktwachstum-Marktanteil-Matrix der BCG lassen sich im PLZ wieder finden, da sich in den einzelnen Phasen eines Produktlebens die Situation von „Questionmarks“, „Stars“, „Cash Cows“ und „Poor Dogs“ spiegeln. Folgende Punkte müssen bei der Verwendung eines PLZ berücksichtigt werden: :: Gelänge es, für ein Produkt die gegenwärtige Phase im PLZ zu bestimmen, könnte man das Marketingmix bestimmen und die Budgetplanung entsprechend umstrukturieren. :: Es gibt Produkte, die keinen ausgeprägten Lebenszyklus haben, allenfalls Nachfrageschwankungen aufweisen (Coca Cola). :: Die Dauer einer Zyklusphase ist in der Regel unbekannt. :: Das Maximum eines Produktlebenszyklus ist mit dem Eintritt eines Produktes in die Sättigungsphase erreicht. :: Der Lebenszyklus eines Produktes ist um so kürzer, je konsumnäher das Produkt ist. :: Der Lebenszyklus ist um so kürzer, je modeabhängiger ein Produkt ist. :: Der Relaunch eines Produktes, mit dem der Lebenszyklus eines Produktes in der Degenerationsphase verlängert werden kann, ist die Ausnahme. Der Lebenszyklus eines Produktes wird mit Hilfe einer Kurve dargestellt, die der einer s-förmigen Absatzreaktionsfunktion stark ähnelt. Der große Unterschied besteht aber darin, dass die Kurve eines PLZ auch eine negative (rückläufige) Absatzentwicklung aufweist. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen exemplarischen Produktlebenszyklus, dessen y-Achse die verkaufte Menge (Q) eines Produktes abbildet, während die x-Achse die Lebensdauer (t) dieses Produktes zeigt. Seite 22 Seite 23 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Q Marktattraktivität Einführungs- Wachstums- Reifephase phase phase Sättigungs- Degeneration phase t 1. Einführungsphase Die teuerste Phase im Leben eines Produktes. Hohe Entwicklungskosten sind bereits vor dem Markteintritt entstanden und jetzt fordert die erfolgreiche Markterschließung hohe Werbeaufwendungen um die Zielgruppe über Exi-stenz sowie Nutzen des neuen Produktes zu informieren. Zwar wachsen die Umsätze allmählich, aber die verkauften Stückzahlen reichen bei weitem nicht aus, um die hohen Marketingaufwendungen refinanzieren zu können. Allerdings kann das Unternehmen als Pionier die Preise hoch ansetzen, da i.d.R. noch keine Wettbewerbsprodukte existieren und potentielle Kunden somit keinen unmittelbaren Preisvergleich vornehmen können. Strategie der Markterschließung Produkt- und Kommunikationspolitik sind in dieser Phase die wichtigsten Instrumente im Marketing-Mix. Neben der Konfiguration des Nutzens gilt es nun die Zielgruppe von den Vorteilen des neuen Produktes in Kenntnis zu setzen und Nachfrage zu generieren. MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL 2. Wachstumsphase Rasch wachsende Umsätze deuten darauf hin, dass unser Produkt die Bedürf-nisse und Wünsche unsere Zielgruppe erfüllt. Starke Nachfrage führt zu immer höheren Verkaufszahlen. Ein Erfolg, der auch dem Wettbewerb nicht verbor-gen bleibt. Erste „Me Too“-Produkte tauchen auf und surfen auf der Werbe-welle des Pioniers in den Markt. Gleichzeitig kann der Wettbewerb die Produkte preisgünstiger anbieten, da die Entwicklungskosten sich des Wettbewerbers auf den Erwerb eines Schraubenziehers beschränken, mit dem die Vorteile des Pionierproduktes erkundet werden. Das zwingt unser Unternehmen dazu die Werbeaufwendungen weiter hoch zu halten, um den erfolgreich erschlossenen Markt schneller zu durchdringen als der Wettbewerb. Wachsende Produktionszahlen ermöglichen es jetzt, den Preis zu senken und damit auf die günstigeren Angebote des Wettbewerbs zu reagieren, bevor dieser – ebenfalls auf Grund höherer Ausstoßmengen – seine Preise noch weiter senken kann. Dabei ist zu beachten, dass der Wettbewerb mit den preisgünstigeren Angeboten vor allem Zielgruppen bedient, die mangels Po-tential von Erwerb des Pionierproduktes ausgeschlossen waren. Die rasche Durchdringung des Marktes führt dazu das die Marktattraktivität kontinuierlich abnimmt. Auffällig ist, dass die Marktattraktivität während der Wachstumsphase eines Produktes dramatisch abnimmt. Im ersten Abschnitt der Wachstumsphase verfügt der Markt über eine noch hohe bis mittlere Marktattraktivität, während im zweiten Abschnitt nur noch eine mittlere bis niedrige Marktattraktivität verbleibt. Aus diesem Grunde halte ich eine einzige Strategie in dieser Phase nicht für ausreichend. Strategie der Marktdurchdringung (Erster Abschnitt der Wachstumsphase) Ziel ist es in diesem Abschnitt der Wachstumsphase, den Pionierstatus und die offensichtliche Akzeptanz in der Zielgruppe zu nutzen, um die Markenbildung voranzutreiben. Im Marketing-Mix spielen daher die Kommunikationspolitik (Markenbildung) und die Distributionspolitik (Verfügbarkeit) die wichtigsten Rollen. Eine Preisanpassung, um damit auf die günstigeren Wettbewerbsan- Seite 24 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL gebote zu reagieren, ist in dieser Phase nicht notwendig, da der Wettbewerb sich an kaufkraftschwächere Zielgruppensegmente richtet. Aus Gründen der Refinanzierung hoher Markteintrittskosten ist es sinnvoll die eigenen Preise weiterhin auf hohem Niveau zu halten. Strategie der Marktausschöpfung (Zweiter Abschnitt der Wachstumsphase) Ziel ist es im zweiten Abschnitt der Wachstumsphase, den Markt möglichst umfassend zu bedienen. Erstmals wird daher auch der Preis gesenkt, um in Zielgruppensegmente vorzustoßen, die bislang von günstigeren Wettbewerbsprodukten erreicht wurden. Die Preiskorrektur ist aber keine unmittelbare Reaktion auf den Wettbewerb, sondern rechtfertigt sich in erster Linie durch hohe Produktionsraten, die zu günstigeren Stückkosten führen. Der Markting-Mix bildet sich in dieser Phase vor allem aus der Kommunikationspolitik sowie der Distributions- und Preispolitik. 3. Reifephase Sinkende Umsatzzuwächse deuten auf ein baldiges Erreichen der Sättigungsphase hin. Niedrige Marktattraktivität führt zu einem Verdrängungswettbewerb um die noch verbleibenden Interessenten. Weiteres Wachstum kann möglicherweise im Absatzpotential der Mitbewerber generiert werden indem der Preis erneut reduziert wird, was durch niedrigere Marktetingaufwendungen bei hohen Stückzahlen gerechtfertigt ist. Strategie der Marksegmentierung Weitere Umsatzzuwächse können trotz relativ niedriger Marktattraktivität erreicht werden, indem Zielgruppensegmente gebildet werden, deren Bedürfnisse noch homogener sind als die des Gesamtmarktes. Die Zielgruppen werden nun mit speziellerem Nutzen besser bedient. Dazu werden Produktvarianten angeboten, die den Bedürfnisse der einzelnen Segmente noch stärker gerecht werden. Im Marketing-Mix spielt daher die Produktpolitik erneut eine wichtige Rolle. Zwar müssen auch die neuen spezielleren Nutzenargumente kommuniziert werden, allerdings ermöglicht eine gezielte Ansprache der neugebildeten Zielgruppensegmente den wirtschaftlicheren Einsatz der insgesamt reduzierten Aufwendungen für die Kommunikationspolitik. Seite 25 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Häufig wird der Fehler gemacht, die Definition eines Marktes (einer Zielgruppe) schon als Segmentierung zu bezeichnen. Dabei ist zu beachten, das eine Segmentierung im Sinne der Marketingstrategie nur dann erfolgt, wenn ein bereits definierter Markt in kleinere Zielgruppen gegliedert wird, die homogenere Bedürfnisstrukturen aufweisen welche mit spezielleren Nutzenkonzepten befriedigt werden. 4. Sättigungsphase Die Umsätze stagnieren auf hohem Niveau. Endlich kann das Unternehmen die Werbeaufwendungen drastisch kürzen. Weitere Marktausschöpfung wäre nur mit enormen Kosten möglich, die geringe Marktattraktivität rechtfertigt das allerdings kaum. Die Bemühungen konzentrieren sich jetzt darauf, den Wettbewerb im Zaum zu halten. Konsolidierungsstrategie Pflege der Absatzkanäle und die Sicherung der Kundenzufriedenheit fordern vor allem die Distributions- und Servicepolitik. Die Aufwendungen für die Kommunikationsmaßnahmen sollten nun deutlich gesenkt werden. 5. Degenerationsphase Sinkende Umsätze zeigen, dass unser Produkt den Zenit des Lebenszyklus überschritten hat. Ein Verfall ist nur in Ausnahmefällen zu verhindern und kann allenfalls hinausgezögert werden. Es empfiehlt sich die Marketing-aufwendungen einzustellen. Diese werden ohnehin dringender an anderer Stelle benötigt: vorausschauend hat das Unternehmen schon beim Eintritt in die Sättigungsphase neue Produkte (mit eigenen Lebenszyklen) auf den Markt gebracht. Entwicklungskosten und Marketingaufwendungen werden aus den Umsätzen des verfallenden Produktes gedeckt, das selbst nur noch geringe Marketingaufwendungen erfordert. Eine Wiederbelebung (Relaunch) ist nur in Ausnahmefälle möglich, da die eingetretene Marktsättigung kaum ausreichende Erträgszuwächse erwarten lässt, mit denen erhöhte Marketingaufwendungen refinanziert werden könnten. Desinvestmentstrategie Die Senkung der Marktingaufwendungen spielt dabei die wichtigste Rolle. Allenfalls Serviceleistungen für vorhandene Kunden sollten Seite 26 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL nun noch aufrecht gehalten werden.Marketingstrategien aus der Vierfeld-Matrix Seite 27 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL Der Kampf um Marktanteile Die Strategieentscheidung basiert auf der Zielsetzung Marktanteile vom Wettbewerb zu erobern oder gegen diesen zu verteidigen. Begriffe wie „Werbefeldzug“ oder „Preiskrieg“ lassen ahnen, wie ähnlich – und zum Glück doch wieder ganz anders – der Kampf um den Markt dem Kampf auf dem Schlachtfeld ist. Kein Wunder also, dass Marketingmanager immer wieder zu den Militärs hinüber schielen, um von diesen strategische Finessen zu lernen, mit denen Wettbewerber in die Schranken gewiesen werden können. Der preußische Offizier Carl von Clausewitz war einer der bedeutendsten Strategen. Ihm verdanken wir ein umfassendes Grundlagenwerk über die Strategie an sich. Und Carl v. Clauswitz hat wohl auch Pate gestanden, für die Strategieempfehlungen, mit denen Herausforderungen des Wettbewerbs begegnet wird. Der Marktanteil ist eine der wesentlichen Größen, wenn es darum geht die richtige Angriffs- oder Verteidigungsstrategie zu wählen. Strategien für Herausforderer In dieser Ausgangssituation ist der Angreifer als Marktführer größer als der Verteidiger. Wie im Krieg, wo das Kräfteverhältnis an Menschen und Material entscheidenden Einfluss auf den Ausgang einer Schlacht hat, spielen die ein-gesetzten Resourcen auch beim Kampf um Märkte eine entscheidende Rolle. Nur handelt es sich hier um finanzielle Mittel, die eingesetzt werden, um die strategischen Ziele zu erreichen. 1. Der Frontalangriff Die Erweiterung des Gesamtmarktes kann bei niedriger Marktattraktivität nur noch erfolgen, wenn dem Wettbewerber Marktanteile abgerungen werden. Der Frontalangriff ist die wirkungsvollste, aber auch teuerste Form des Kampfes um Marktanteile. Hier werden die verfügbaren Resourcen gebündelt und die Kernmärkte des Verteidiger direkt angegriffen. Kernmärkte sind die Märkte, die der Verteidiger über seine Kernkompetenzen erfolgreich erschlossen hat. Diesen Kernkompetenzen stellt der Angreifer adäquate Produkte gegenüber und nutzt dafür Seite 28 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL ähnliche Leistungsversprechen. Entscheidend für den Erfolg sind: Kräfteverhältnis: Angreifer verfügt über deutliche Stärkenvorteile Angriffsziel: Kernmarkt, Kernkompetenzen Waffen: Qualität, Preis, Kommunikation 2. Flankenangriff Ist der Herausforderer kleiner als der Gegner, empfiehlt sich der Angriff auf Flankenmärkte des Verteigiders, die abseits der Kernkompetenzen liegen und vom verteidigenden Unternehmen möglicherweise nur unzureichend bedient werden. Auf diesen Märkte kann das verteidigende Unternehmen in der Regel keine beherrschende Marktstellung vorweisen. Wie in einem militärischen Manöver sollte zunächst ein Scheinangriff auf den Kernmarkt über die wahren Absichten hinweg täuschen, um möglichen Abwehrmaßnahmen zu verhindern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein erfolgreicher Angriff auf Flankenmärkte den Verteidiger mittel- oder langfristig so sehr schwächt und die gleichzeitig die Marktposition des Angreifers so sehr stärkt, dass dieser schon bald Angriffe auf die Kernmärkte starten kann. Kräfteverhältnis: Stärkenvorteile beim Verteidiger Angriffsziel: Flankenmarkt, Sekundärkompetenz Waffen: Befriedigung nicht gedeckter Marktbedürfnisse 3. Umzingelungsangriff Der Herausforderer ist erheblich größer als der Verteidiger und hat das klare Ziel, diesen von allen relevanten Märkten zu verdrängen. Stehen erhebliche Resourcen zur Verfügung, wird der Angreifer den Umzingelungsangriff wählen und den Verteidiger auf allen Märkten gleichzeitig angreifen. Kräfteverhältnis: Deutliche Stärkenvorteile beim Angreifer Angriffsziel: Alle vom Wettbewerber bedienten Märkte Waffen: Komplettes Marketingmix Seite 29 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL 4. Guerillataktik Ist der Herausforderer erheblich schwächer, als der Verteidiger, empfiehlt sich eine Guerilla-Taktik. Sie ist resourcenschonend und kann bei intelligenter Planung zu deutlichen Vorteilen für den Angreifer führen. Bei der Guerilla Taktik lässt sich keine eindeutige Strategie erkennen. Mit überraschenden Angriffen auf die unterschiedlichsten Märkte wird der Vertei-diger soweit zermürbt, bis er freiwillig Teilmärkte freigibt oder sich gezwun-gen sieht, seine Resourcen auf Kernmärkten zu bündeln. Kräfteverhältnis: Deutliche Stärkenvorteile beim Verteidiger Angriffsziel: Kräfte binden und den Gegner am strukturierten Angriff hindern Waffen: Alles, was sich resourcenschonend einsetzen lässt. Realisierung der Angriffsstrategien mit Hilfe von: :: Preisunterbietung :: Billigangeboten :: Prestigeangeboten :: Produktvielfalt :: Produktinnovationen :: Serviceleistungen :: Innovativen Vertriebswegen :: Senkung der Herstellungskosten :: Intensivierung von Werbung und VKF Strategien für Verteidiger 1. Stellungssicherung ... durch Errichten von Wettbewerbsblockaden. (Gefahr: statisches Verhalten) 2. Flankensicherung ... Sicherung der Kernmärkte durch bessere Betreuung der Kunden Seite 30 MARKETING I STRATEGIE WERNER HANKEL 3. Präventivschlag ... dem mutmaßlichen Gegner zuvorkommen und strukturierte Angriffe verhindern 4. Gegenoffensive ... den Gegner nach erfolgreicher Verteidigung unter Druck setzen 5. Mobile Verteidigung Kontraktion (Zusammenziehen) und Umgruppierung von eigenen Kräften. (z. B. durch das Aufgeben von Flankenmärkten) Seite 31