Herausforderung Islam Basis und Grenzen für einen notwendigen Dialog Bearbeitet von Rolf Heiderich, Götz Schwarzrock 1. Auflage 2017. Taschenbuch. 212 S. Paperback ISBN 978 3 7345 8453 4 Format (B x L): 14,8 x 21 cm Gewicht: 313 g Weitere Fachgebiete > Religion > Islam > Der Islam und die Moderne (Westliche) Welt Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. Rolf Heiderich Götz Schwarzrock Herausforderung Islam Basis und Grenzen für einen notwendigen Dialog Inhalt Vorwort .......................................................................................... 3 Kapitel 1: Der Religionsverkünder Mohammed ................... 5 Kapitel 2: Die Ausbreitung des Islam und das Kalifat .......... 18 Kapitel 3: Das religiöse Fundament .......................................... 29 Kapitel 4: Scharia – Das islamische Recht ............................... 41 Kapitel 5: Die Spaltung des Islam ............................................. 46 Kapitel 6: Die Menschenrechte ................................................. 50 Kapitel 7: Die Frau im Islam ........................................................ 54 Kapitel 8: Heiliger Krieg .............................................................. 88 Kapitel 9: Terror im Namen Allahs ........................................... 95 Kapitel 10: Islam und Demokratie ............................................. 110 Kapitel 11: Offener Brief der 126 muslimischen Gelehrten 116 Kapitel 12: Türkische Muslime in Deutschland ...................... 155 Kapitel 13: Großer Dschihad für die Bildung .......................... 162 ANHANG Kleines Lexikon des Islam .............................................................. 178 Dialog fördernde Institutionen .................................................... 205 Literaturverzeichnis .......................................................................... 209 Bildquellenverzeichnis und Impressum .................................... 212 Zur Annäherung an ein komplexes Thema Die islamistischen Fanatiker und Terroristen produzieren Angst und Gewalt. Sie pflanzen mit ihrer unerbittlichen Gnadenlosigkeit Angst in die Köpfe der Menschen. Es schleichen sich Gefühle von Ohnmacht und Furcht ein. Wie die Anschläge in Paris im November 2015 gezeigt haben, könnte jeder an jedem Ort Opfer oder Betroffener sein. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird in Deutschland seit Jahren immer wieder eine neue Diskussion über den Islam, Islamismus, den Umgang mit islamischer Religion und Kultur und das Zusammenleben mit Muslimen eröffnet. Ob Flüchtlinge in Heimen untergebracht werden, eine Moschee gebaut, islamischer Religionsunterricht eingeführt oder ein Kopftuchverbot ausgesprochen werden sollen – in der Öffentlichkeit setzt eine heftige Diskussion ein. Offenkundig ist dabei, dass Vorurteile und Unwissen weit verbreitet sind und die notwendige rationale gesellschaftliche Auseinandersetzung kaum stattfindet. Stattdessen werden das Vokabular und die Auseinandersetzungen immer radikaler und irrationaler. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel dieses Buches, auf einer elementaren Ebene Grundwissen über den Islam zu vermitteln und damit die Basis für einen rationalen Dialog zu legen. Gleichzeitig werden aktuelle politische Themen aufgegriffen und in einen Zusammenhang mit islamischer Tradition einerseits, den Grundelementen unserer demokratischen Ordnung andererseits gestellt. Um den notwenigen Dialog zu ermöglichen, werden in 13 Kapiteln folgende Themenkomplexe behandelt: - Es wird ein Überblick über die historische Entwicklung des Islam von den Anfängen bis heute gegeben. - Es werden die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Grundelemente des Islam vorgestellt. - Es werden die grundsätzlichen kontroversen Punkte wie z. B. die Stellung der Frau und die Bedeutung der Menschenrech- te herausgearbeitet. - Es wird ein Überblick über die aktuelle politische Situation und Entwicklung sowohl vor dem Hintergrund des 3 weltweiten islamistischen Terrorismus als auch der Lage der Muslime in Deutschland, vor allem der türkischen Mitbürger, gegeben. Über diese grundlegenden Elemente hinaus möchten wir auch eine Perspektive für ein friedliches Zusammenleben aufzeigen und praktische Hilfestellungen geben, um der Spaltung unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und die Entwicklung von Parallelgesellschaften zu verhindern. Im Anhang befindet sich ein „Kleines Lexikon des Islam“. Es soll helfen, sich in kurzer Form zu den wichtigsten Begriffen, Gruppierungen und Strömungen im Islam zu informieren. Wir haben uns bemüht, eine möglichst komprimierte und verständliche Darstellung zu geben. Es kam uns dabei auch darauf an, eine klare Gegenüberstellung zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Islam vorzunehmen und einen Bezug zu aktuellen Entwicklungen, insbesondere in Deutschland, herzustellen. Außerdem wollen wir auf Missstände hinweisen und Wege zu ihrer Überwindung aufzeigen. Wie bei einem solchen kontroversen Thema nicht anders zu erwarten, konnten wir als Autoren diese Publikation nicht als „Unbeteiligte“ verfassen. Der Maßstab unserer Parteilichkeit sind einerseits die universellen Menschenrechte und andererseits unser Engagement für ein friedliches, demokratisches Zusammenleben. Die Autoren 4 Kapitel 1: Der Religionsverkünder Mohammed Die vorislamische Zeit Mohammed, mit vollem Namen Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, wurde um 570 n.Chr. in der Oasenstadt Mekka auf der Arabischen Halbinsel geboren. Wegen des felsigen Bodens in der größten zusammenhängenden Wüste der Welt war Ackerbau in dieser Region kaum möglich, aber die Stadt entwickelte sich zu einem reichen Handelsplatz. Mekka kontrollierte große Teile des Handels im arabischen Raum. Im Zentrum der Stadt steht die Kaaba, ein würfelförmiges Gebäude, der Überlieferung nach das älteste Gotteshaus der Welt. Abraham und Ismael gelten als ihre Erbauer. Die Kaaba war auch in vorislamischer Zeit ein Heiligtum verschiedener Gottheiten. Der geweihte Ort brachte wirtschaftliche Vorteile und Schutz vor Blutrache. Damals wie heute spielten Sippen eine wichtige Rolle. Mohammeds Familie gehörte zu der hochangesehenen Sippe der Haschemiten vom Stamme Quraish. Seine Eltern zählten zu den Ärmeren. Sie starben früh. Mohammeds Erziehung und Ausbildung als Kaufmann übernahmen sein Großvater und später sein Onkel. Mit 25 Jahren heiratete er die um 15 Jahre ältere und reiche Kaufmannswitwe Khadija kennen. Khadija (Chadīdscha bint Chuwailid) blieb bis zu ihrem Tod 25 Jahre lang Mohammeds einzige Ehefrau. Sie trat als erste Anhängerin Mohammeds zum Islam über und wird deshalb auch als „Mutter der Gläubigen“ bezeichnet. Unter ihrer Leitung wurde Mohammed Karawanenführer. Nach ihrem Tod führte er die Handelsgeschäfte erfolgreich weiter. Mit ihr hatte Mohammed vier Töchter und zwei Söhne. Von seinen Kindern blieb nur Fatima am Leben. Sie heiratete später Ali, mit vollem Namen Ali Ibn Abi Talib, der in der 5 Geschichte des Islam noch eine große Rolle spielen sollte. Fatima lebte etwa von 606 bis 632. Sie setzte sich mit all ihrer Kraft für ihren Mann Ali ein. In der islamischen Welt genießt sie höchstes Ansehen. Die Begründer Kairos leiten ihre Abstammung von ihr ab. Sie nannten sich Fatimiden. Brauchtum und Volksfrömmigkeit haben Fatima verklärt. So soll die Hand der Kalligraphie: Fatima als Amulett oder Kette Iqra = Lies vor! vor Bösem schützen. Nach islamischer Überlieferung ist sie „die Mutter der Frauen der Welten“. Ihr Name bedeutet, dass ihre Anhänger vom Bösen und der Hölle ferngehalten werden. Ihr Ehemann Ali Ibn Abi Talib lebte etwa von 600 bis 661. Er war einer der hingebungsvollsten Anhänger Mohammeds. Er hatte mit Fatima zwei Söhne, Hasan und Husain. Ali bewarb sich um die Nachfolge Mohammeds, verlor aber gegen drei Rivalen. Zu seinen heftigsten Widersachern gehörte auch Aischa, die Witwe Mohammeds. Die Sippe Othmans aus dem Stamm der Umayaden warf ihm die Unterstützung der Mörder des dritten Kalifen, Utham, vor. Sie etablierte einen Gegenkalifen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen führten zur Ermordung Alis in Kufa. In Nadschaf (Irak) steht Alis Mausoleum. Es gehört zu den wichtigsten islamischen Heiligtümern. Die Offenbarung Mohammed setzte sich mit jüdischem und christlichem Gedankengut sowie der Vielgötterei auseinander. Nach langem Meditieren in einer einsamen Wüstenhöhle erschien ihm der Überlieferung zufolge im Jahre 610 der Engel Gabriel. Dieser zeigte ihm ein beschriebenes Tuch und befahl ihm: „Lies!“ Mit dieser Aufforderung begannen die Offenbarungen. Bis zum Jahr 632 wurden Mohammed 114 Suren (Kapitel) of6 fenbart, die in 6348 Verse aufgeteilt sind. Sie gelten als unmittelbare Worte Gottes und sind auf Veranlassung des Propheten im Koran gesammelt und niedergeschrieben worden. Die Reihenfolge der Suren hat mit der ursprünglichen Offenbarung nichts zu tun. In der Regel sind sie nach der Länge geordnet. Vielfach wird angenommen, dass die Suren 112–114 zu den frühesten gehören. Die heutige Fassung stammt von dem Kalifen Othman (auch Uthman oder Osman genannt) aus dem Jahr 653. Die Offenbarungen stehen nicht in Widerspruch zu den zwei bestehenden monotheistischen Religionen Judentum und Christentum. Der Urvater dieser Religionen und des Islams ist Abraham, im Koran Ibrahim genannt. Über Abraham führt eine direkte Linie über Isaak und Jesus zu Mohammed. Der Jesus im Koran stimmt jedoch nicht mit der Jesusvorstellung des Christentums überein. So ist Jesus im Chri- Ali mit seinen Söhnen Husain (links) und Hasan. Auf diesem Bild hält Ali das zweispitzige Schwert Dhu L-Faqar in seinen Händen. Der Überlieferung nach hat Mohammed es in der Schlacht von Badr erbeutet. Wie in vielen anderen Darstellungen fehlt auch hier Alis Ehefrau Fatima, die Tochter Mohammeds. 7 Mohammeds Offenbarung Gottes durch Gabriel Kalligraphie: Im Namen Allahs stentum Gottes Sohn, nach der Lehre des Islams aber ein Prophet. Nach Auffassung des Islams ist Mohammed der Gesandte Gottes und der letzte Prophet. Er besiegelt Gottes Wort, weil es nach ihm keinen Propheten und damit keine Offenbarung mehr geben wird. Ein Scheich aus dem 12. Jahrhundert beschrieb die Bedeutung Mohammeds bildhaft: „Es war einmal ein Rosenstock. Man hatte ihn mit Sorgfalt gepflanzt, seine Wurzeln reichten tief in den Boden, den man für ihn vorbereitet hatte.Seine Wurzeln waren Abraham. Eine Rose begann zu wachsen, und es wurde notwendig, ihr ein Veredelungsreis aufzupfropfen, denn sie sollte nicht verwildern, sondern dem entsprechen, was der Gärtner von ihr erwartete. Die Stütze, die gute Erde und das Pfropfreis waren verlässlich. Diese Stütze war Moses. Eines Tages bildete sich eine Knospe der vollkommensten roten Rose, die man je gesehen hatte. Diese Knospe war Jesus. Dann entfaltete sich diese Knospe, und ihre Blüte war Mohammed.“ (Geneviéve Chauvel, Ich Saladin, Bergisch-Gladbach 1992, S. 92) Es kann kaum Zweifel geben, dass Mohammed die Grundlagen der jüdischen und christlichen Religion kannte. „Fünfundzwanzig Mal taucht Jesus als ‚Issa‘ im Koran auf. Er tritt als ‚Gottes Sohn‘ auf, so- 8 gar als Messias und ‚kalima min Allah‘ (Wort von Allah). Das Evangelium wird zwölf Mal erwähnt und als ‚Licht der Religion‘ gelobt. Sure 19 dreht sich vor allem um Maria und ihren Sohn“ (Der Spiegel 13/2013). Das Wunder der Auferstehung wird im Koran allerdings nicht bestätigt. In Sure 19, Vers 88 - 93 wird auch die christliche Trinitätslehre scharf verworfen: „Und sie (die Christen) sagen: ‚Der Erbarmer hat sich ein Kind genommen.‘ Ihr habt da eine ungeheuerliche Sache begangen. Die Himmel brechen bald auseinander, und die Erde spaltet sich, und die Berge stürzen in Trümmern darüber, dass sie den Erbarmern ein Kind zuschreiben. Es ziehmt doch den Erbarmer nicht, sich ein Kind zu nehmen. Niemand in den Himmeln und auf der Erde wird zum Erbarmer anders als denn als Diener kommen können. ...“ (vgl. auch Martin Bauschke, Der Sohn Marias, Jesus im Koran, Darmstadt 2013, S. 168 ff ) Mohammed in Medina: Schiedsrichter und Prophet Mohammeds Aufforderung, nur einem Gott (Allah) zu dienen, stand den religiösen und wirtschaftlichen Interessen der Stämme in seiner Heimatstadt Mekka entgegen. Mohammed beklagte das übermäßige Gewinnstreben der Händler und setzte sich für Arme und Sklaven ein. Die meisten Stammesfürsten standen ihm feindlich gegenüber. Sein Leben war bedroht. Inzwischen hatte Mohammed in Mekka und Medina Anhänger gefunden: Die islamische Urgemeinde war entstanden. Im Jahr 622 wurde die Lage in Mekka für Mohammed immer bedrohlicher. Seine Handelspartner gerieten unter Druck. Sein Haus wurde durch Exkremente und Abfall beschmutzt. Deshalb wanderte der Prophet nach Medina (früher Yathrib genannt) aus. Schon vorher hatten ihn dort ansässige Stämme um Hilfe gebeten. Diese Auswanderung bzw. Flucht wird Hidschra genannt. Mit ihr beginnt die islamische Zeitrechnung. In Medina sollte Mohammed Kraft seiner religiösen Ausstrahlung Streitigkeiten schlichten. Rechts-, Erbschafts-, Sippen- und Handelsfragen behinderten die Gemeinschaft. Nach der Überlieferung empfing Mohammed in dieser Zeit die meisten Offenbarungen. Mohammed war Schiedsrichter und Prophet 9 Mohammed und seine Anhänger ziehen nach Mekka, Miniatur 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts für die Menschen von Medina. Er kaufte Land und ein Haus, das als erste Moschee angesehen wirtd. Moschee ist der „Ort, an dem man vor Gott zum Gebet niederfällt“. Mit großer Autorität schlichtete Mohammed Streitigkeiten. Grundlagen waren stets seine prophetischen Eingebungen. Sie enthielten praktische Regelungen für das Zusammenleben seiner Anhänger. Auch seine persönlichen Belange wurden durch Offenbarungen geregelt: Als seine Lieblingsfrau Aischa des Ehebruchs bezichtigt wurde und große Schwierigkeiten bei ihren Eltern und in der Sippe hatte, rettete eine Offenbarung die Ehre, wenn nicht gar das Leben von Aischa, die er auf keinen Fall als Lieblingsfrau verlieren wollte. (Sure 24) Auch die Bestrafung der Verleumder wurde festgelegt (Sure 24,4): 10 „Diejenigen, die den unter Schutz gestellten Frauen (ehrbare Frauen) Untreue vorwerfen und hierbei nicht vier Zeugen beibringen, die sollt ihr mit 80 Hieben geiseln. Nehmt von ihnen nie mehr Zeugenaussagen an.“ Der Islam wird Gesetzesreligion Religion und Politik Muhammed Ibn Ishaq (geboren etwa 704 in Medina, gestorben um 768 in Bagdad), gilt bis heute als einer der bedeutendsten Chronisten Mohammeds und arabischer Historiker. Vor allem ihm verdankt die Nachwelt die älteste Biografie Mohammeds. Er hat eine vierbändige Abhandlung geschrieben, in der es um die Erschaffung der Welt, das Leben des Propheten und seine Nachfolger geht. Der erste und der vierte Band sind verloren gegangen. Doch der wichtigste ist erhalten geblieben: „Die Sendung und die Kämpfe des Propheten“. Ibn Ishaqs Darstellung gilt vielen Moslems als klassische Lebensbeschreibung des Propheten. Sie ist weniger von Legenden verklärt als viele der romanhaft ausgeschmückten späteren Darstellungen über Mohammed. Ibn Ishag berichtet auch von folgendem Ereignis: Wie üblich ließ Mohammed das Los entscheiden, welche seiner Frauen ihn auf einem Feldzug begleiten sollte. In einer geschlossenen Sänfte, auf ein Kamel geschnürt, durfte Aischa seine Begleiterin sein. Auf dem Rückweg in der Nähe von Medina wurde eine Rast eingelegt. Aischa entfernte sich von der Karawane, um ihre Notdurft zu verrichten. Auf dem Weg zurück stellte sie fest, dass sie ihre Halskette verloren hatte. Sie suchte in der Wüste nach ihr. In dem Glauben, Aischa befände sich in der Sänfte, zog die Karawane weiter. Ein zurückgebliebener Kamelreiter fand Aischa allein und einsam in der nächtlichen Wüste. Trotz aller Bemühungen konnten die beiden die Karawane nicht vor dem hellen Morgen erreichen. Dies war Anlass, in Medina über Aischa und ihren Retter Gerüchte zu verbreiten. Sie habe ihren Mann Mohammed betrogen und damit die Ehre des 11 Mohammed empfängt eine Offenbarung von Gabriel Propheten besudelt. Selbst Mohammed schien gewisse Zweifel zu haben. Am heftigsten reagierte Mohammeds Neffe Ali. Er riet Aischa aus dem Haus zu entfernen. Aischa hat Ali diese Reaktion nie verziehen. 12 In vielen Darstellungen wird Aischa (etwa 614 bis 678) die Lieblingsfrau Mohammeds genannt. Sie kam im achten Lebensjahr in das Haus des Propheten. Aischa war die Tochter von Abu Bakr. Dieser war ein früher und ergebener Anhänger des Propheten und sein erster Nachfolger. Aischa wird von den Sunniten „Mutter der Gläubigen“ genannt. Die letzten Tage seines Lebens soll Mohammed in ihrer Kammer verbracht haben. Geprägt durch die Nachfolgekämpfe, besonders nach dem Tod ihres Vaters Abu Bakr, schloss sie sich dem Kampf gegen den vierten Kalifen Ali an. Ali war ein Vetter Mohammeds, der ihm in vielen Schlachten gedient hat. Oft wird er auch neben Mohammeds erster Frau Khadija als sein frühester Anhänger gesehen. Ali schlug bei Basra einen Aufstand nieder. Er ließ Aischa leben, begnadigte sie und schickte sie nach Medina zurück. Dort starb sie im Jahr 678. Sure aus einer frühen Ausgabe des Koran 13 Mohammeds Himmelsreise auf Buraq Die Schiiten - entstanden aus den Wörtern Schiat-Ali, der Partei Alis - sehen in Aischa eine boshafte und rachsüchtige Gegnerin Alis. Ali, verheiratet mit Mohammeds Tochter Fatima, ist in ihren Augen 14 der einzig rechtmäßige Nachfolger des Propheten. Für die Schiiten ist Aischa eine Feindin Gottes. Die Sunniten sehen hingegen in Aischa ein Vorbild. Sie gilt bei ihnen als wichtige Zeugin des Korans. Vor allem sehen die Sunniten Aischa als zuverlässige Übermittlerin der Aussprüche und der beispielhaften Taten Mohammeds an. Diese sind gesammelt und werden Hadith genannt. Nach Mohammeds Bestimmung zum Stadtoberhaupt wurde der Islam zur Gesetzesreligion. Alle Regelungen, die der Prophet als Führer aller Stämme zu treffen hatte, galten als heilig. Sie wurden so zu ewig gültigen und im Prinzip unabänderlichen Normen. Gehorsam Mohammed gegenüber wurde mit Gehorsam gegenüber Allah gleichgesetzt, Treulosigkeit und Ungehorsam mit Verrat gegen Allah. Eine Trennung von Staat und Religion war ab jetzt unislamisch bzw. ketzerisch. Mohammed gelang es, durch eine kluge Verbindung von Religion und Politik die verschiedenen Stämme zu einen. Viele Streitigkeiten wurden beendet, weil die Stämme nicht mehr allein auf ihre Führer verpflichtet wurden, sondern das Treuebekenntnis zu Allah einen höheren Rang hatte. Mohammed verkündete nicht nur das Wort Allahs, sondern war auch Begründer einer religiösen Gemeindeordnung. Darin ist festgelegt, wie sich der Einzelne sittlich, moralisch und sozial zu verhalten hat. Der Islam musste sich in der Realität beweisen. Es reichte nicht aus, sich nur auf das Jenseits zu beschränken. Die Verkündigungen im Islam enthalten von Anfang an auch ordnungspolitische Maßstäbe. Mohammeds Offenbarungen beinhalten genaue rechtsverbindliche Weisungen. Besonders das Ehe-, Familien- Erbschaftsrecht wurde geregelt. So finden sich auch fünf Strafrechtsnormen, die insbesondere in der heutigen Diskussion über den Islam eine wichtige Rolle spielen. Für die Gläubigen war es selbstverständlich und eine Pflicht, diese Ordnung auch in andere Regionen zu tragen und anzuwenden. Die Suren, die in Medina entstanden sind, werden „harte Suren“ genannt, die von Mekka die „weichen“. Die Medina-Suren sind scharf und endgültig und erlauben keinerlei Abweichungen und Widersprüche. Wer sie nicht befolgt, muss mit schwersten Strafen rechnen. Den Berichten nach hinterließ Mohammed trotz seiner zahlreichen 15 Ehefrauen keinen Sohn, nur die leibliche Tochter Fatima. Sein Heiratsverhalten entsprach den Gebräuchen der damaligen Zeit. Zwischen frommen Asketentum und Freude an sexueller Aktivität sah man keinen Widerspruch, auch wenn es heute nur schwer vorstellbar ist, dass seine Lieblingsfrau Aischa bei der Hochzeit erst neun Jahre alt war. Die volkstümliche Verehrung hebt Mohammed in Vergangenheit und Gegenwart in mythische Höhen. Mit Allahs Erlaubnis wirkte Mohammed zahlreiche Wunder. Als größtes Wunder gilt die Offenbarung des Korans. Dennnoch war Mohammed ein Mensch, kein Gott. Nur sein Auftrag als Gesandter Allahs hebt ihn hervor. Um sein Leben ranken sich viele Legenden. So heißt es, dass Mohammed keinen Schatten warf, weil er selbst durch seine Eigenschaften voller Licht war. Ein Zeitzeuge überliefert das Wunder vom fließenden Wasser aus Mohammeds Fingern: Als seine Gefährten sehr durstig waren und nur noch wenig Wasser in einem Gefäß hatten, beklagten sie sich bei ihm. Sie hatten weder für die Gebetswaschungen noch zum Trinken Wasser. Da hielt Mohammed seine Hand in das Gefäß, und das Wasser begann zwischen seinen Fingern hervorzusprudeln. So konnten 1500 Gefährten ihre Waschungen durchführen und ihren Durst löschen. In Sure 17,1 heißt es: „Preis sei dem, der seinen Diener bei Nacht von der heiligen Moschee zur fernsten Moschee, die Wir ringsrum gesegnet haben, reisen ließ, damit Wir ihm etwas von unseren Zeichen zeigen. Er ist der, der alles hört und sieht.“ Anschließend an diese Sure entstand die Überlieferung von der Himmelsreise (al-Isra) Mohammeds. Danach ist er zusammen mit dem Engel Gabriel durch die Luft auf einem paradisischen geflügelten Reittier von Mekka nach Jerusalem gereist. Auch um die Stadt Jerusalem ranken sich viele Legenden. Nach einer Legenden wurde von Allah Glanz und Schönheit der Welt in zehn Teile aufgeteilt. Neun Teile bekam Jerusalem, ein Teil blieb für die übrige Welt. Doch auch Trauer und Leid wurden von Allah so aufgeteilt. Neun Teile davon bekam Jerusalem, ein Teil der Rest der Welt. Allah ließ die Stadt zum Heiligtum von Juden, Christen und Moslems werden. Alle drei Religionen glauben, dass ihre eigene Religion vor 16 den anderen hervorgehoben wurde. Dies ist bis heute ein Grund für die Konflikte um Jerusalem. Die Muslime nennen Jerusalem „Al Kuds“, die Heilige. An der Stelle, von der Mohammed seine Himmelsreise antrat, steht heute die weltbekannte Al-Aksa-Moschee. Nach der Überlieferung führte der Engel Gabriel Mohammed durch sieben Paradiese und ließ ihn schließlich Allah selbst schauen. Gläubigen Moslems wird nach ihrem Tod in ähnlicher Weise der Himmel gezeigt. Im Alter von etwa 62 Jahren unternahm Mohammed im Jahr 632 seine letzte Pilgerreise nach Mekka, die nun für alle Zeiten den rituellen Charakter aller Pilgerfahrten bestimmte. Im selben Jahr starb Mohammed. Sein Grab in der Propheten-Moschee von Medina ist ein bedeutender Wallfahrtsort. Im Islam wird Mohammed immer als Mensch angesehen, nicht wie der christliche Religionsstifter Jesus als Gottes Sohn. Er darf für Strenggläubige nie mit einem Gesicht dargestellt werden. Herausgehoben ist er als Gesandter und Prophet Allahs. Mohammed genießt in der islamischen Welt große Verehrung. Muslime sind betroffen darüber, dass ihr Prophet in anderen Religionen oft Gegenstand schärfster Polemik ist. Seine Worte sind Muslimen für alle Zeiten gültig, und zwar wortwörtlich. Nicht zuletzt deshalb lehnen streng gläubige Muslime eine Übersetzung aus dem Arabischen ab, weil damit bereits eine Deutung verbunden wäre. 17 Kapitel 2 Die Ausbreitung des Islam und das Kalifat Die Kalifenreiche Mohammeds Ziele Die folgende Darstellung der Kalifenreiche ist keine vollständige Beschreibung der islamischen Ausbreitung. Es wird nur auf die Ereignisse Bezug genommen, die die Entwicklung des Islam bestimmt haben. Ohne diese Grundkenntnisse sind der historisch gewachsene Islam und die heutigen, teils blutigen Auseinandersetzungen nicht zu verstehen. Mohammed ist trotz seiner Offenbarungen ein Mensch seiner Zeit und seiner Stammeskultur geblieben. So hat er sich einerseits der Armen angenommen, andererseits hat er nicht daran gedacht, die Sklaverei abzuschaffen. Er nahm auch keine eindeutige Stellung gegen die damals üblichen Raubzüge. Im heiligen Monat überfielen Mohammed und seine Anhänger eine Karawane und brachen damit den bisher allgemein gültigen Landfrieden. Gerechtfertigt wird dies mit einer göttlichen Offenbarung: „Sie fragen dich nach dem heiligen Monat, nach dem Kampf in ihm [...] Kampf in dieser Zeit wiegt schwer, aber jemanden abzuhalten vom Weg Gottes [...] wiegt schwerer.“ (Sure 2,217) Vor seinen Eroberungszügen musste sich Mohammed mit den Juden Medinas auseinandersetzen. Die Juden anerkannten Mohammed zwar als weltlichen Herrscher, jedoch nicht als jemand, der die jüdische Religion weiterentwickelt hat. Nach einem Anschlag auf sein Leben rächte sich Mohammed mit blutiger Vertreibung der Juden. Danach orientierte er die bisher übliche Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka, ohne allerdings die Heiligkeit Jerusalems aufzuheben. Ein Ziel Mohammeds war es, seine Geburts- und Heimatstadt Mekka zu erobern. Im Jahre 624 schlug Mohammed bei Badr die zahlenmäßig überlegenen Krieger Mekkas in die Flucht. Die Anhänger Mohammeds glaubten fest daran, nur mit Hilfe Allahs den Sieg errungen zu 18 haben. Nach mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen hat Mohammed 628 mit Mekka einen Friedensvertrag geschlossen. Mit einer Pilgerschar zog er in seine Geburtsstadt ein. Er ließ aus der Kaaba alle Götzenbilder entfernen und erklärte Mekka zur heiligen Stadt, die jeder Moslem einmal in seinem Leben besuchen sollte. Mohammeds Schlacht gegen Ungläubige 19 Für die weitere Ausbreitung des Islam spielte für Mohammed und seine Nachfolger der Glaube eine wesentliche Rolle. Mohammed fühlte sich berufen, den Islam - wenn nötig auch mit Gewalt - auszubreiten. Die Bemühung um den Glauben ist demnach eine immerwährende Pflicht für die Gemeinschaft der Muslime. Diese Gemeinschaft wird Umma genannt. Der Glaube an die Aufgabe der Ausbreitung des Islams und das Sendungsbewusstsein stützt sich auf den Koran, wie z. B. in der Sure 110: „Wenn die Unterstützung Gottes kommt und auch der Erfolg, und du die Menschen in Scharen in die Religion Gottes eintreten siehst, dann sing das Lob deines Herren und bitte ihn um Vergebung. Siehe, Er wendet sich gnädig wieder zu.“ Das bedeutet, wer sich an der Verbreitung des Islam beteiligt, dem ist die Gnade Allahs sicher. Der Prophet und sein Gefolge befreien die Kaaba von Götzenbildern und Statuen 20