Kerntransfer und Reprogrammierung

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Fäden des Lebens
LMU
50 Jahre DNA - Doppelhelix
GENZENTRUM
Lehrstuhl für
Molekulare Tierzucht
und Biotechnologie
Münchner Wissenschaftstage
16. - 20. Juli 2003
Kerntransfer und Reprogrammierung –
Chancen für eine individuelle Zelltherapie?
Stammzellen – Heiler der Zukunft?
Sobald eine Zelle eine Herzmuskelzelle geworden ist oder eine Hautzelle
oder eine Nervenzelle, so bleibt sie dies bis zu ihrem Tod. Bei Stammzellen
ist das nicht so – ihr Schicksal ist noch nicht festgelegt. Stammzellen
können vermutlich viele Gewebe des Körpers bilden und eröffnen deshalb
ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin. Viele
ihrer außerordentlichen Fähigkeiten wurden erst vor wenigen Jahren
entdeckt.
Der Begriff Stammzelle definiert Zelltypen, die Teilungs- und Differenzierungspotential besitzen. Nach der Vereinigung von Ei- und Samenzelle entstehen bei
den ersten Zellteilungen zunächst Stammzellen, die als „totipotent“ bezeichnet
werden. Jede einzelne dieser Zellen ist noch in der Lage, einen vollständigen
Embryo mit Plazenta hervorzubringen. Nach gegenwärtigem Stand der Forschung
verlieren die Zellen diese Totipotenz spätestens mit dem Eintritt des Embryos in
das 16-Zell-Stadium und treten in den Zustand der Pluripotenz über. Im weiteren
Verlauf kommt es zur Ausbildung der Blastozyste mit der inneren und äußeren
Zellmasse - dem Embryoblast und dem Trophoblast. Aus den pluripotenten Zellen
des Embryoblasten bilden sich nachfolgend die drei Keimblätter mit den
Körperzellen. Aus dem Trophoblasten entsteht die Plazenta. Entnimmt man der
Blastozyste eine Zelle aus dem Embryoblasten, so ist diese pluripotent, denn sie
vermag zwar noch die Zellen des Körpers zu bilden, aber nicht mehr die Plazenta
und somit keinen vollständigen, lebensfähigen Embryo.
Pluripotente Stammzellen können auf verschiedenen Wegen erzeugt werden
(Abb.1). Ihre Vorteile liegen in ihrer Fähigkeit zur Selbsterneuerung und in ihrem
schnellen Wachstum. Dadurch kann vergleichsweise einfach die für eine
therapeutische Anwendung benötigte große Zellzahl erzeugt werden: werden
pluripotente ES-Zellen aus der Blastozyste isoliert, so vermehren sie sich unter
Kulturbedingungen in Gegenwart eines bestimmten differenzierungshemmenden
Faktors, ohne ihre Pluripotenz zu verlieren. Dabei bleibt ihr Potential erhalten, die
meisten der circa 210 verschiedenen Zelltypen eines Säugers zu bilden. Nach
Entzug des differenzierungshemmenden Faktors und Kultur der Zellen in Schalen,
in denen sie nicht anheften können, bilden sich spontan Zellaggregate, die man
auch als „embryoid bodies“ bezeichnet. Unter anderem findet man darin
Herzmuskelzellen vor, erkennbar als Regionen spontan kontrahierender Aktivität.
Pluripotente Stammzellen können in eine Vielzahl verschiedener Zelltypen
differenzieren und so Basis für die Therapie eines breiten Spektrums von
Erkrankungen sein. Die Differenzierung erfolgt unter verschiedenen Bedingungen
spontan und kann durch Zusatz von Faktoren, die Wachstum und Zellteilung
fördern, beeinflusst werden. In den meisten Fällen erhält man jedoch zunächst
eine Mischpopulation verschiedener Zelltypen, aus der die für die Therapie
benötigten Zellen erst selektiert werden müssen. Dafür stehen verschiedene
Methoden wie beispielsweise das Einschleusen von zelltypspezifischen
Markergenen zur Verfügung. In jedem Fall muss vor einer Transplantation erst
eine homogene Population differenzierter Zellen des gewünschten Typs erzeugt
werden. Eine Verunreinigung mit undifferenzierten Zellen birgt das Risiko der
Entstehung eines Tumors.
Innere Zellmasse
So könnte ein Bild/eine Grafik eingefügt werden.
Befruchtung
Blastozyste
Fetus
ES
ES = embryonale Stammzellen
EG = embryonale Keimzellen
EC = embryonale Karzinomzellen
EG
Teratokarzinom
EC
Pluripotente Stammzellen
Abb. 1. Möglichkeiten der Erstellung pluripotenter Stammzellen
„Therapeutisches Klonen“ – Schlüssel zur
individualspezifischen Zellersatztherapie?
Ein Problem bei der Verwendung von pluripotenten Zellen beziehungsweise ihren
differenzierten Abkömmlingen ist, dass sie eine Immunreaktion bei dem zu
behandelnden Patienten auslösen können. Daher wäre für eine Transplantation
eine Unterdrückung der Immunabwehr und/oder eine Toleranzinduktion
erforderlich. Zudem wird eine genetische Modifikation der transplantierten Zellen
diskutiert.
Ein zumindest in der Theorie sehr attraktiver Ansatz ist die Erzeugung
pluripotenter
Stammzellen
mit
Hilfe der
Kerntransfertechnik. Durch
Pionierexperimente am Roslin-Institut in Schottland wurde erstmals am Schaf
„Dolly“ gezeigt, dass die Kerne differenzierter Zellen nach Transfer in entkernte
Eizellen reprogrammiert werden können und sich aus den erzeugten
Kerntransferembryonen lebensfähige Nachkommen entwickeln können. Diese
Reprogrammierung spezialisierter Zellen
wurde unter dem Schlagwort
„Therapeutisches Klonen“ auch als Möglichkeit diskutiert, um pluripotente
Stammzellen zu generieren, die eine Zellersatztherapie ohne immunologische
Komplikationen ermöglichen könnten (Abb. 2).
So könnte ein
Bild/eine Grafik
eingefügt werden.
Abb. 2. Prinzip des „Therapeutischen Klonens“
Der Kerntransfer mit differenzierten Kernspenderzellen gelang mittlerweile bei
verschiedenen Tierarten. Allerdings ist die Erfolgsrate des Verfahrens bislang
gering: der Anteil normaler Nachkommen bezogen auf die in Empfängertiere
übertragenen Kerntransferembryonen bewegt sich bei den meisten Spezies in der
Größenordnung von nur wenigen Prozent. Als Ursachen für zahlreiche
Fehlschläge werden Fehler bei der Reprogrammierung diskutiert. Trotzdem gelang
es bei der Maus, nach dem Prinzip des therapeutischen Klonens pluripotente
Zellen aus Kerntransferblastozysten zu generieren und therapeutisch einzusetzen.
Die Strategie „Therapeutisches Klonen“ ist beim Menschen jedoch problematisch.
Neben den bislang nur unzureichend verstandenen Mechanismen der
Reprogrammierung und häufig dabei entstehenden Fehlern stellt allein schon die
Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl geeigneter Eizellen ein großes Problem
dar. Möglicherweise ließe sich dieses Problem jedoch durch die kürzlich gelungene
Herstellung von Eizell-ähnlichen Zellen aus embryonalen Stammzellen lösen.
Ethisch problematisch ist, dass beim „Therapeutischen Klonen“ totipotente Stadien
entstehen können, die nach Übertragung in eine Frau im geeigneten
Zyklusstadium eventuell voll entwicklungsfähig sind. Insofern wäre die Grenze
zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen nur durch die Intention, nicht
aber den Vorgang per se definiert.
Würde die Strategie „Therapeutisches Klonen“ tatsächlich möglich, so könnten
männliche Patienten hinsichtlich der immunologischen Verträglichkeit benachteiligt
sein: Mitochondrien, die energieerzeugenden Organellen in der Zelle, besitzen
eine eigene DNA. Diese Erbinformation wird nur von der Mutter über deren
Eizellen weitergegeben. Um Immunreaktionen auf Produkte dieser DNA zu
vermeiden, sollte die für den Kerntransfer bestimmte Eizelle idealer Weise aus der
erkrankten Person selbst gewonnen werden, was bei Männern ausgeschlossen ist.
Als mögliche Quelle kämen weibliche Verwandte mütterlicherseits in Frage.
Korrespondenz: Prof. Dr. Eckhard Wolf
Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie
Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität
Feodor-Lynen-Strasse 25, 81377 München
[email protected]
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Lehrstuhl für
Molekulare Tierzucht
und Biotechnologie
Münchner Wissenschaftstage
16. - 20. Juli 2003
Epigenetische Mechanismen beim
Kerntransfer
Epigenetik – molekulares Gedächtnis zur
Regelung spezifischer Zellfunktionen
Die meisten der etwa 210 unterschiedlichen Zelltypen eines Säugerorganismus enthalten die selbe genetische Information und unterscheiden
sich trotzdem stark in ihrer Morphologie und Funktion. Diese Unterschiedlichkeit hat ihre Ursache in der selektiven Expression beziehungsweise
Repression von Genen. Epigenetische Mechanismen stellen eine Art
molekulares Gedächtnis dar. So binden beispielsweise spezifische Proteinkomplexe an die DNA, wodurch stabile und an die Tochterzellen vererbbare
Chromatinstrukturen gebildet werden, die eine zelltypspezifische Expression
von Genen zulassen, während die Expression anderer Gene, die in einem
spezifischen Zelltyp nicht aktiv sein dürfen, unterdrückt wird. Trotz dieser
komplexen Mechanismen, die den Differenzierungsgrad einer Zelle regeln,
zeigen die erfolgreich durchgeführten Kerntransferexperimente bei verschiedenen Spezies, dass Zellkerne – auch wenn sie aus hochspezialisierten
Zellen kommen – durch den Transfer in eine entkernte Eizelle in den Status
der Totipotenz versetzt werden können. Die Mechanismen, die diese
außergewöhnliche Plastizität des Genoms ermöglichen, sind bislang nur
wenig bekannt, ihre Erforschung wird aber maßgeblich dazu beitragen,
Stammzellen für therapeutische Zwecke in einen geeigneten Differenzierungs- und Funktionszustand zu versetzen.
Der Kerntransfer mit differenzierten Spenderzellen ist mittlerweile für die Spezies
Schaf, Maus, Rind, Ziege, Schwein, Katze, Kaninchen und Pferd mehr oder
weniger gut etabliert [1]. Um eine erfolgreiche Entwicklung der Kerntransferembryonen zu gewährleisten, muss eine weitgehende epigenetische Reprogrammierung des Spenderzellkerns ablaufen. Die dabei involvierten Mechanismen sind
in Abb. 1 zusammengefasst.
Veränderungen der globalen DNA-Methylierung in der
Embryonalentwicklung sind bei Maus und Rind ähnlich
Nach der Befruchtung kommt es zu einer schnellen Demethylierung der SpermienDNA, während die DNA der Eizelle langsamer demethyliert wird. Der niedrigste
Methylierungsgrad ist bei der Maus im Morulastadium, beim Rind schon etwas
früher erreicht. Im Stadium der Blastozyste sind dann wieder starke
Methylierungssignale erkennbar (Abb. 3) (2).
Maus
Rind
Abb. 3. Globale DNA-Methylierung in der frühen Embryonalentwicklung
Bei Embryonen aus dem Kerntransfer kommt es zu
Störungen der DNA- und Histon H3-Methylierung
Bei vielen Kerntransferembryonen kommt es zu einer vorzeitigen Remethylierung
der DNA (Abb. 4) (2), die häufig mit einer verstärkten Methylierung des Lysin 9 an
Histonprotein H3 assoziiert ist (Abb. 5) (3). Somit treten bei zwei entscheidenden
Mechanismen der epigenetischen Genregulation nach Kerntransfer regelmäßig
Störungen auf.
Kerntransfer
Abb. 1. Epigenetische Mechanismen nach dem Kerntransfer
Die Effizienz der Kerntransfertechnologie ist beim Rind am höchsten. Etwa 10-25%
der auf Empfängertiere übertragenen Kerntransferembryonen können sich zu
lebenden Nachkommen entwickeln. Abb. 2 zeigt einen klinisch gesunden
Rinderklon, der in Kooperation mit der Biotechnologiefirma Agrobiogen GmbH,
Hilgertshausen erzeugt wurde. Nichtsdestoweniger gibt es auch beim Rind relativ
häufig Probleme bei Trächtigkeiten und Nachkommen aus dem Kerntransfer. Um
die Ursachen dieser Störungen zu klären, haben wir in Kooperation mit der
Arbeitsgruppe Wolf Reik in Cambridge Störungen der epigenetischen
Reprogrammierung nach Kerntransfer in frühen Embryonalstadien untersucht.
Abb. 4. Vorzeitige DNA-Remethylierung in Kerntransferembryonen
5-MeC
IVP
α-methH3-K9
IVP
NT
5-MeC
NT
Abb. 5. Abnormale DNA- und K9-H3-Methylierung bei Kerntransferembryonen
Abb. 2. Klinisch gesunder Rinderklon „Lara“
Literatur: (1) Shi et al., Differentiation 71, 91-113, 2003; (2) Dean et al., PNAS 98,
13734-13738, 2001; (3) Santos et al., Curr Biol 13, 1116-1121, 2003
Korrespondenz: Prof. Dr. Eckhard Wolf
Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie
Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität
Feodor-Lynen-Strasse 25, 81377 München
[email protected]
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