Volltext - Krause und Pachernegg

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6. Jahrgang 2009 // Nummer 2 // ISSN 1810-2107
Journal für
2009
ReproduktionsmedizinNo.2
und Endokrinologie
– Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology –
Andrologie • Embryologie & Biologie • Endokrinologie • Ethik & Recht • Genetik
Gynäkologie • Kontrazeption • Psychosomatik • Reproduktionsmedizin • Urologie
Editorial: Funktionelle Neuronen aus Fibroblasten
Beier HM
J. Reproduktionsmed. Endokrinol 2010; 7 (2), 58-59
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Editorial
Vom Stanford-Campus kommen überraschende Nachrichten. Wie die Nature-Ausgabe vom 25. Februar
2010 berichtet, hat die Arbeitsgruppe von Marius Wernig am „Institute for Stem Cell Biology and Regenerative Medicine“ Fibroblasten der Maus in funktionelle Nervenzellen umgewandelt [1]. Diese zelluläre Umwandlung gelang durch den Transfer von spezifischen Transkriptionsfaktoren in Fibroblasten
auf direktem Wege, ohne dass eine Reprogrammierung in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)
vorausging.
In einer bereits im Oktober 2009 veröffentlichten Stellungnahme der Leopoldina, Nationale Akademie
der Wissenschaften, gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften,
wurde zusammenfassend dargestellt, dass heute menschliche pluripotente Stammzellen als so genannte
„induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS-Zellen) durch Reprogrammierung adulter Körperzellen
hergestellt werden können [2]. Diese Stellungnahme publizieren wir als Nachdruck in diesem Heft des
Journals für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie (s. Seite 68–77).
Die zellbiologische Methode, adulte Zellen in pluripotente Stammzellen zu reprogrammieren, wurde
von der japanischen Arbeitsgruppe um Shinya Yamanaka 2006 erstmals beschrieben [3]. Zahlreiche
Forschergruppen in USA und Deutschland haben diese revolutionäre Labortechnik bestätigt und weiterentwickelt. Aus Fibroblasten der Haut kann man mithilfe der 4 Gene Oct-4, Sox-2, Klf-4 und c-myc
oder der von ihnen kodierten Proteine, die allesamt pluripotenzassoziierte Transkriptionsfaktoren darstellen, pluripotente Stammzellen herstellen (iPS-Zellen). Diese iPS-Zellen sind pluripotenten embryonalen Stammzellen ähnlich. Aus ihnen können neue differenzierte Zellen aller 3 Keimblätter entstehen.
Da die Reprogrammierung auch mit menschlichen Zellen möglich ist [4, 5], hofft man, in absehbarer
Zukunft aus iPS-Zellen patientenspezifische differenzierte Zellen für regenerative Therapien herstellen
zu können.
Es lassen sich faszinierende Forschungsprojekte mit iPS-Zellen zur Aufklärung von zellulären Entwicklungs- und Differenzierungsprozessen durchführen, sodass grundlegende zellbiologische Mechanismen nun im direkten Vergleich mit der Entwicklungspotenz von embryonalen Stammzellen analysiert werden können. Die Reprogrammierung von ausdifferenzierten Zellen in pluripotente Stammzellen hat in den letzten Jahren frühere entwicklungsbiologische Erkenntnisse untermauert, dass
Transkriptionsfaktoren Grad und Richtung der zellulären Differenzierung steuern.
Als aktuellste bemerkenswerte Neuigkeit kommt nun aus Marius Wernigs Labor der Stanford University die Botschaft, dass adulte Fibroblasten der Maus auch direkt in funktionelle Nervenzellen umgewandelt werden können (Thomas Vierbuchen, Austin Ostermeier, Zhiping P. Pang, Yuko Kokubu,
Thomas C. Südhof & Marius Wernig [1]). Wie Cory Nicholas und Arnold Kriegstein [6] im Begleitartikel in der gleichen Nature-Ausgabe beschreiben, war die erste robuste Reprogrammierung von
pankreatischen exokrinen Zellen in insulinproduzierende endokrine Zellen Zhou et al. 2008 gelungen
[7], indem die Transkriptionsfaktoren Ngn3, Pdx1, und Mafa spezifisch aktiviert wurden. Auch andere
transkriptionsfaktorbasierte Reprogrammierungen aus Fibroblasten in Skelettmuskelzellen oder in
Herzmuskelzellen wurden bereits in den vergangenen Jahren beschrieben. Während jedoch zunächst
die Reprogrammierungen bei nahe verwandten Zelltypen aus dem gleichen Keimblatt erfolgten, gelingt
jetzt die direkte Umwandlung aus einer mesodermalen in eine ektodermale Zellpopulation. Man kann
dies mit gutem Grund als zellbiologische Sensation bezeichnen. Noch steht allerdings aus, an menschlichen Zellen denselben Nachweis zu führen.
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J Reproduktionsmed Endokrinol 2010; 7 (2)
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H. M. Beier
Editorial:
Funktionelle Neuronen aus Fibroblasten
Editorial
Die Reprogrammierung von Fibroblasten in Neuronen funktioniert nach Transfektion und Aktivierung
der 3 Transkriptionsfaktoren Ascl 1, Brn2 und Myt 1l. Erstaunlich ist, dass die direkte Herstellung
neuer Nervenzellen deutlich effizienter und schneller verläuft als über ES- oder iPS-Zellen. Die Reprogrammierungsrate in Wernigs Labor liegt nahe 20 % gegenüber 1 % von iPS-Zellen. Die Umwandlung
funktioniert zudem deutlich schneller, benötigt nur wenige Tage gegenüber etwa 4 Wochen zur Herstellung von Nervenzellen aus reprogrammierten iPS-Zellen.
Das Phänomen der zellulären Differenzierung zu entschlüsseln ist das große Ziel der Stammzellforschung. Diesem sind die jungen Wissenschaftler der Stanford University nun einen großen Schritt
näher gekommen.
Univ.-Prof. em. Dr. med. Dr. rer. nat. Henning M. Beier
Aachen
Literatur:
1. Vierbuchen T, Ostermeier A, Pang ZP, Kokubu Y, Südhof TC, Wernig M. Direct conversion of fibroblasts to functional neurons by defined factors. Nature 2010;
463: 1035–41.
2. Beier HM, Fehse B, Friedrich B, Götz M, Hansmann I, Hucho F, Köchy K, Müller-Röber B, Rheinberger H-J, Reich J,Ropers H-H, Schöler HR, Schöne-Seifert B,
Sperling K, Tanner K, Taupitz J, Wobus AM. Neue Wege der Stammzellforschung: Reprogrammierung von differenzierten Körperzellen. Schriftenreihe der BBAW,
Oktober 2009.
3. Takahashi K, Yamanaka S. Induction of pluripotent stem cells from mouse embryonic and adult fibroblast cultures by defined factors. Cell 2006; 126: 663–76.
4. Takahashi K, Tanabe K, Ohnuki M, Narita M, Ichisaka T, Tomoda K, Yamanaka S. Induction of pluripotent stemm cells from adult human fibroblasts by defined
factors. Cell 2007; 131: 861–72.
5. Yu J, Vodyanik MA, Smuga-Otto K, Antosiewicz-Bourget J, Frane JL, Tian S, Nie J, Jonsdottir GA, Ruotti V, Stewart R, Slukvin II, Thomson JA. Induced pluripotent stem cell lines derived from human somatic cells. Science 2007; 318: 1917–20.
6. Nicholas CR, Kriegstein AR. Cell reprogramming gets direct. Nature 2010; 463: 1031–2.
7. Zhou Q, Brown J, Kanarek A, Rajagopal J, Melton DA. In vivo reprogramming of adult pancreatic exocrine cells to β-cells. Nature 2008; 455: 627–32.
J Reproduktionsmed Endokrinol 2010; 7 (2)
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