Patientenspezifische iPS-Zellen und de - ren

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iPS-Zellen
Patientenspezifische iPS-Zellen und deren Anwendung in der Herzforschung
KATRIN STRECKFUß-BÖMEKE, LUKAS CYGANEK
KLINIK FÜR KARDIOLOGIE UND PNEUMOLOGIE, UNIVERSITÄTSMEDIZIN GÖTTINGEN
A major research focus in the field of cardiovascular medicine is the prospect of using stem cells for cardiac
regeneration. With the advent of induced pluripotent stem cell (iPSC) technology, major efforts are also in
process to use iPSCs for modelling heart disease, screening for new drugs, and the development of treatment
strategies on a patient-specific level. Here we describe the generation of iPSCs, their efficient differentiation
into functional cardiomyocytes, and the power of the iPSC technology for modelling dilative cardiomyopathy on
a patient-specific level.
DOI: 10.1007/s12268-015-0595-6
© Springer-Verlag 2015
˚ Abb. 1: Schematische Darstellung unserer Forschungsschwerpunkte: (1) von der Patientenprobe über die Primärzellkultur zur Reprogrammierung in
patientenspezifische iPS-Zellen; (2) direkte in vitro-Differenzierung der iPS-Zellen z. B. in patientenspezifische Herzmuskelzellen; (3) verschiedene
Anwendungsbereiche der iPS-Herzmuskelzellen in der regenerativen Medizin, in in vitro-Krankheitsmodellierungen, in der Arzneimittelentwicklung und
in pharmakologischen Toxizitätsscreenings.
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Pluripotente Stammzellen
ó Die Entdeckung der Selbsterneuerung von lebenden Zellen war eine der
bahnbrechendsten Durchbrüche in der
Zellbiologie, die 1961 von Till und Mc
Culloch publiziert wurde [1]. Spätere
Studien erweiterten das Potenzial dieser Zellen zu der Fähigkeit, in Zelltypen aller drei Keimblätter zu differenzieren, und zur Selbsterneuerung ohne
Alterung und definierten sie als Stammzellen. Stammzellen werden aufgrund
ihres Ursprungs in adulte Stammzellen und embryonale Stammzellen eingeteilt, und ihr Differenzierungspotenzial lässt eine weitere Einteilung in unipotente, multipotente, pluripotente und
totipotente Stammzellen zu [2]. Totipotent werden Zellen genannt, wenn sie
sowohl in embryonales als auch in
extra-embryonales Gewebe, wie die
Plazenta, differenzieren können und so
einen Embryo und später einen reifen
Organismus produzieren können (Zygote bis Acht-Zell-Stadium). Pluripotente
Stammzellen können dagegen in alle
Zelltypen des adulten Körpers differenzieren. Diese Eigenschaft existiert
nur während einer spezifischen kurzen Zeitspanne in den Zellen, die die
innere Zellmasse des frühen Embryos
bilden. Während der Differenzierung
in verschiedene Zelllinien sinkt das
Selbsterneuerungspotenzial aufgrund
epigenetischer Veränderungen, was
wiederum zum Pluripotenzverlust in
adulten Stammzellen führt.
1981 wurden embryonale Stammzellen aus der inneren Zellmasse von murinen Blastozysten isoliert und kultiviert
[3], und die Herstellung von humanen
embryonalen Stammzellen (hES-Zellen)
folgte ganze 20 Jahre später [4]. Für die
Erzeugung von hES-Zellen sind humane Embryonen notwendig, und somit
traten ethische Probleme auf. Der wissenschaftliche Fokus war nun also auf
die Suche nach einer alternativen adulten Stammzelle mit den Eigenschaften
von hES-Zellen gelenkt, um diese ethische Hürde zu umgehen. Der größte
Durchbruch dabei war die Herstellung
von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) in der Gruppe des
Japaners Shinya Yamanaka, der hierfür
einige Jahre später, 2012, den MedizinNobelpreis erhielt [5]. iPS-Zellen können aus somatischen Zellen der Maus,
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des Primaten oder des Menschen hergestellt werden, indem verschiedene
Reprogrammierungsfaktoren in die Zellen „eingeschleust“ werden. Ebenso wie
hES-Zellen haben iPS-Zellen das Potenzial zur Selbsterneuerung und zur Differenzierung und können somit als
ethisch unbedenkliche Alternative für
hES-Zellen für verschiedene Anwendungen benutzt werden.
Vom Patienten zu patientenspezifischen iPS-Zellen
Für die Reprogrammierung von ausgereiften menschlichen Zellen in einen
den embryonalen Stammzellen ähnlichen pluripotenten Zustand sind vier
essenzielle Transkriptionsfaktoren
(Oct4, Sox2, c-Myc und Klf4) notwendig [5]. Diese iPS-Zellen können
aus somatischen Zellen unterschiedlichen Ursprungs, wie z. B. aus HautFibroblasten, Haarwurzelzellen oder
mononukleären Blutzellen, hergestellt
werden. Mittels dieser Methode lassen
sich also von jedem Menschen die
jeweiligen körpereigenen Stammzellen
in der Kulturschale herstellen, welche
das identische Genom des Spenders
und somit auch die gleichen genetischen Varianten oder Defekte in sich
tragen [6].
Wir rekrutieren in unserem Labor
Patienten mit genetisch bedingten
Herzerkrankungen sowie gesunde Probanden und legen aus den gespendeten
nur wenige Millimeter kleinen Hautbiopsien, Haarproben oder Blutproben
die jeweiligen Primärzellkulturen an.
Mithilfe von nicht-integrierenden
Viren, DNA-Plasmiden oder RNA-Proben werden die vier essenziellen Pluripotenzfaktoren in die patienteneigenen Zellen „geschleust“. Diese wandeln
sich anschließend über den Zeitraum
von ungefähr drei bis vier Wochen in
patientenspezifische iPS-Zellen um.
Die erzeugten iPS-Zelllinien werden in
unserem Labor in den folgenden Monaten auf ihre Stammzell-typischen
Eigenschaften überprüft, vervielfacht
und bis zur weiteren Anwendung in
großen, mit flüssigem Stickstoff gefüllten Tanks bei –155 °C aufbewahrt.
Somit konnten wir in den letzten Jahren eine Biobank mit iPS-Zellen von
Patienten mit unterschiedlichen genetischen Herzerkrankungen sowie von
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˚ Abb. 2: Reprogrammierung der Patienten-Ursprungszellen in patientenspezifische iPS-Zellen sowie die anschließende in vitro-Differenzierung zu
patientenspezifischen Herzmuskelzellen aufgenommen als lebende Zellen in Durchlicht oder als Immunfluoreszenz-gefärbte Zellen mit einem konfokalen Mikroskop.
A
B
C
D
˚ Abb. 3: Modellierung verschiedener Ausprägungen der dilatativen Kardiomyopathie (DCM)
mittels patientenspezifischer iPS-Herzmuskelzellen. A, schematische Darstellung des alternativen
Spleißfaktors RBM20 mit 14 verschiedenen Exons. Farblich markiert sind konservierte Bereiche
zwischen verschiedenen Spezies (P-rich: Prolin-reich; ZnF: Zinkfinger; RRM: RNA-recognition
motif; RS: Arginin-Serin-reich). Die Lokalisation der Mutationen der beiden untersuchten RBM20Patienten ist mit roten Pfeilen markiert. B, Desorganisierte α-Aktinin-Sarkomerstruktur in iPSHerzmuskelzellen von Patient 1 und 2 visualisiert in Immunfluoreszenz-gefärbten Zellen mit einem
konfokalen Mikroskop. C, Quantifizierung der Regularität von iPS-Herzmuskel-Sarkomerstrukturen
mittels der Fast-Fourier-Methode; n = 7 ± Standardfehler, ***: p < 0,001. D, verringerte mRNAExpression bestimmter Spleißformen des Titin-Gens (TTN) in iPS-Herzmuskelzellen von Patient 1;
n = 5 (Kontrolle) n = 3 (1-RBM20/2-RBM20) ± Standardfehler, **: p < 0,01.
zahlreichen gesunden Spendern aufbauen
(Abb. 1). Nach heutigem Forschungsstand ist
man bereits in der Lage, die iPS-Zellen ganz
gezielt in vielerlei unterschiedliche Zelltypen,
wie Nervenzellen, Leberzellen oder Herzmuskelzellen, zu entwickeln.
Von patientenspezifischen iPS- zu
Herzmuskelzellen
Aus zahlreichen Experimenten der letzten
Jahrzehnte an unterschiedlichen Tiermodellen
werden die Herzentwicklung im menschlichen Embryo und die damit verbundenen
wichtigen Signalwege immer besser verstanden [7]. Dies macht es uns heute möglich, die
Entwicklung in der Kulturschale nachzuahmen und aus iPS-Zellen gezielt Herzmuskelzellen herzustellen (Abb. 2). Durch eine
zeitlich exakt abgestimmte Beeinflussung der
kanonischen Wnt/β-Catenin-Signalwegkaskade können wir pluripotente Stammzellen
mithilfe kleiner chemischer Moleküle zunächst in Zellen des Mesoderms und anschließend in Richtung von Herz-Vorläuferzellen
entwickeln lassen. Bereits nach acht Tagen
können von selbst „schlagende“, kontrahierende Herzmuskelzellen beobachtet werden
[8]. Zudem ist es uns gelungen, gezielt
bestimmte kardiale Subtypen – Herzkammeroder Herzvorhofzellen – herzustellen und
diese in Kultur weiter ausreifen zu lassen.
Wir erreichen eine relativ homogene Population von funktionellen Herzmuskelzellen in
hoher Anzahl und Reinheit, welche viele
molekulare, strukturelle und funktionelle
Eigenschaften normaler, im Körper entwickelter Zellen aufweisen und somit ein einzigartiges Modell für alle weiteren Anwendungen bieten [9].
Durch die Verwendung patientenspezifischer iPS-Zellen in der biomedizinischen
Grundlagenforschung ist es möglich, die
jeweiligen patienteneigenen Herzmuskelzellen in vitro herzustellen, hierdurch den Krankheitsphänotyp zu rekapitulieren und ein besseres Verständnis der Entstehung, Entwicklung und des Fortschreitens der Herzerkrankungen, wie Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen, zu gewinnen. Mit dem
zukünftigen Ziel einer personalisierten Medizin lassen sich diese Zellen bei der Entwicklung neuer Behandlungsstrategien und Medikamente für die Bekämpfung menschlicher
Krankheiten sowie bei Arzneimitteltoxizitätstestungen verwenden. Die stammzellbasierte Therapie wird als innovative Option
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in therapeutischen Ansätzen der Herzregeneration betrachtet, wobei insbesondere die Herstellung von künstlichem Herzgewebe an immer größerer
Bedeutung gewinnt. Derzeit testen wir
in Zusammenarbeit mit weiteren
Arbeitsgruppen die Anwendung und
Transplantation von aus iPS-Zellen hergestellten patientenspezifischen Herzmuskel-Pflastern zur Verbesserung der
geschädigten Herzfunktion, z. B. nach
einem Herzinfarkt. Diese Einblicke zeigen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der patientenspezifischen iPS-Zellen als vielversprechendes Werkzeug in
regenerativen Anwendungen, in
Krankheitsmodellierungen in der Kulturschale, in der Arzneimittelentwicklung und in pharmakologischen Toxizitätsscreenings (Abb. 1).
In vitro-Krankheitsmodellierung
mit patientenspezifischen
Herzmuskelzellen
Wie bereits erwähnt, stellt ein mögliches Anwendungsgebiet von iPS-generierten Herzmuskelzellen das Etablieren eines in vitro-Krankheitsmodells dar,
um die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen zu entschlüsseln und anschließend wirksamere Strategien für die Prävention und
Behandlung der Erkrankungen zu entwickeln. Ein Fokus unserer wissenschaftlichen Arbeit ist die dilatative Kardiomyopathie (DCM), eine Erkrankung,
bei der das Myokard betroffen ist und
bei der es zu einer Vergrößerung des
Volumens im linken Ventrikel kommt.
Dadurch ist die systolische Pumpfunktion eingeschränkt, was oft in Herzversagen und damit verbundener Herztransplantation resultiert. Etwa 30 Prozent aller DCM-Fälle haben einen genetischen Hintergrund. Die Ursache sind
Mutationen in bislang etwa 30 verschiedenen Genen, die in unterschiedlichen Signalwegen eine Rolle spielen.
Eines dieser betroffenen Gene ist das
Gen für das RNA-bindende Motiv 20
(RBM20). RBM20 ist ein alternativer
Spleißfaktor und somit in viele verschiedene Regulationsmechanismen
involviert [10].
Mittels des patientenspezifischen iPSZellsystems war es uns im StammzellLabor der Kardiologie möglich, somatische Haut-Fibroblasten von zwei DCM-
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Patienten mit verschiedenen RBM20Mutationen in unterschiedlich stark konservierten Bereichen dieses Proteins in
iPS-abgeleitete Herzmuskelzellen zu differenzieren, um den krankheitsspezifischen Phänotyp zu untersuchen. Die beiden Patienten haben unterschiedliche
Ausprägungen der Erkrankung von
einer sehr schwerwiegenden DCM-Form
mit Mutation in einem konservierten
RBM20-Bereich bis hin zu einer milden
Ausprägung in dem zweiten Patienten
mit Mutation in einer wenig konservierten Region des RBM20-Proteins
(Abb. 3A). Wir haben uns die Fragen
gestellt, ob die Lokalisation der Mutation ausschlaggebend für den Phänotyp
ist und ob es möglich ist, mittels des iPSZellsystems diese unterschiedlichen
DCM-Phänotypen darzustellen. Wir
konnten zeigen, dass die generierten
patientenspezifischen iPS-Herzmuskelzellen eine desorganisierte Sarkomerstruktur haben (Abb. 3B), die mittels
mathemathischer Formeln (Fast-FourierMethode) bestimmt und grafisch aufgezeigt werden kann (Abb. 3C). Des Weiteren weisen die patientenspezifischen
iPS-Herzmuskelzellen einen Spleißdefekt anhand des kardialen Titins auf
(Abb. 3D). Darüber hinaus können
Unterschiede zwischen iPS-Herzmuskelzellen von verschiedenen Patienten
aufgezeigt werden, je nachdem, wo die
Mutation im RBM20 lokalisiert ist. Somit
wird der unterschiedliche Schweregrad
der Erkrankung beim Patienten auch
in vitro widergespiegelt. Mithilfe dieses Systems ist es nun nachfolgend möglich, auf patientenspezifischer Ebene
einen therapeutischen Ansatz zu entwickeln.
ó
Literatur
[1] Till JE, McCulloch EA (1961) A direct measurement of the radiation sensitivity of normal mouse
bone marrow cells. Radiat Res 14:213–222
[2] Lan ML, Acharya MM, Tran KK et al. (2012)
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multipotent human stem cells. PLoS One 7:e50048
[3] Evans MJ, Kaufman MH (1981) Establishment in
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Nature 292:154–156
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(1998) Embryonic stem cell lines derived from human
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[5] Takahashi K, Tanabe K, Ohnuki M et al. (2007)
Induction of pluripotent stem cells from adult human
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[6] Robinton DA, Daley GQ (2012) The promise of
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Comparative study of human-induced pluripotent stem cells
derived from bone marrow cells, hair keratinocytes, and skin
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[10] Guo W, Schafer S, Greaser ML et al. (2012) RBM20, a
gene for hereditary cardiomyopathy, regulates titin splicing.
Nat Med 18:766–773
Korrespondenzadresse:
Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke
Dr. Lukas Cyganek
Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Straße 40
D-37075 Göttingen
Tel.: 0551-39-66380 (K. Streckfuß-Bömeke),
-66280 (L. Cyganek)
[email protected], [email protected]
www.herzzentrum-goettingen.de/de/content/
forschung/142.html
www.herzzentrum-goettingen.de/de/content/
forschung/1277.html
AUTOREN
Katrin Streckfuß-Bömeke
1996–2002 Biologiestudium
an der Universität Göttingen,
dort 2006 Promotion und
Postdoc in der Mikrobiologie
und Genetik. 2006–2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin im
Stammzell-Labor der Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, dort
seit 2013 unabhängige Gruppenleiterin „Translationale
Stammzellforschung“.
Lukas Cyganek
2004–2009 Chemie- und Biologiestudium (Lehramt) an der
Universität Göttingen, dort
2012 Promotion am European
Neuroscience Institute. Seit
2013 Projekt-Koordinator in
der Stem Cell Unit – Göttingen
des Deutschen Zentrums für
Herz-Kreislaufforschung und
der Universitätsmedizin Göttingen sowie wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Stammzell-Labor der Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin
Göttingen.
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