VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Vorlesung Grundbegriffe Marc Ensenbach Vorkurs Mathematik Universität Siegen 04.09. – 22.09.2017 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 1. Vorlesung Logik und Mengenlehre Inhalte: I logische Aussagen I Verknüpfung von Aussagen I Wahrheitstafeln I Beweisverfahren I Mengen I Verknüpfungen von Mengen I Existenz- und Allquantoren I Teilmengen I kartesische Produkte DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition I Man bezeichnet »wahr« (w) und »falsch« (f) als Wahrheitswerte. I Eine sprachliche Äußerung von einer Form, so daß die Frage nach dem Wahrheitswert sinnvoll ist, nennt man Aussage. Definition Sind A und B Aussagen, so steht I ¬A für »nicht A«, I A∧B für »A und B«, (Konjunktion) I A∨B für »A oder B«, (Disjunktion) I A ⇒ B für »wenn A, dann B«, A ⇔ B für »A genau dann, wenn B«. I (Negation) (Implikation) (Äquivalenz) Gilt A ⇒ B (wofür man auch B ⇐ A schreiben kann), so sagt man auch »A ist hinreichend für B« oder »B ist notwendig für A«. DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH In Wahrheitstafeln wird für alle möglichen Kombinationen von Wahrheitswerten von Teilaussagen der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Aussage dargestellt. Beispiel A ¬A A f w f f f w w f w w w f B A∧B A∨B A⇒B A⇔B f f f w f w w w w w f w w f f w Stimmen in Wahrheitstafeln die Ergebnisspalten zweier Aussagen Zeile für Zeile überein, sind die Aussagen äquivalent. DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Satz Seien A und B sowie C logische Aussagen. Dann gilt: I A ⇒ B ist äquivalent zu (¬B) ⇒ (¬A). (Kontraposition) I ¬(A ∧ B) ist äquivalent zu (¬A) ∨ (¬B). (DeMorgan-Regel) I ¬(A ∨ B) ist äquivalent zu (¬A) ∧ (¬B). (DeMorgan-Regel) I A ∧ (B ∨ C) ist äquivalent zu (A ∧ B) ∨ (A ∧ C). (Distributivität) I A ∨ (B ∧ C) ist äquivalent zu (A ∨ B) ∧ (A ∨ C). (Distributivität) Diese Aussagen beweist man beispielsweise mit Wahrheitstafeln. Man hat noch einige weitere elementare Beweisverfahren: I direkter Beweis: A ⇒ C gezeigt durch A ⇒ B und B ⇒ C I indirekter Beweis: A ⇒ C gezeigt durch (A ∧ ¬C) ⇒ f I Äquivalenzzerlegung: A ⇔ B gezeigt durch A ⇒ B und B ⇒ A VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition I Eine Menge ist eine Zusammenfassung von Elementen zu einem Ganzen, so daß jedes Objekt entweder Element der Menge ist oder nicht. I Ist ein Objekt x Element einer Menge M, so schreibt man x ∈ M und andernfalls x ∈ / M. I Zwei Mengen gelten genau dann als gleich, wenn sie dieselben Elemente beinhalten. I aufzählende Notation: Elemente durch Komma getrennt zwischen geschweiften Klammern I Mengenbildungsoperator: Die Menge aller Objekte x, für die die Aussage A(x) wahr ist, wird mit {x | A(x)} bezeichnet. Ist M eine Menge, so verwendet man die Kurzschreibweise {x ∈ M | A(x)} für {x | x ∈ M und A(x)}. I Die Menge {x | x 6= x} heißt leere Menge. Notation: ∅ oder {} VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beispiel I Durch A = {Berlin, Hamburg, München} wird eine Menge definiert. I Durch B = {x | x war im Jahr 2000 deutsche Millionenstadt} wird eine Menge definiert, es gilt B = A. I Durch C = {x | x ist eine große Zahl} wird keine Menge definiert, da »große Zahl« keine eindeutig definierte Eigenschaft ist. I Die Menge D = {a, b, a} enthält genau die Elemente a und b, es gilt D = {a, b} = {b, a}. I Die Menge E = {a, {b, c}} enthält genau die Elemente a und {b, c}, es gilt a ∈ E und {b, c} ∈ E, aber b ∈ / E und c ∈ / E; man hat E 6= {a, b, c}. I Für die Menge F = ∅ und jedes Objekt x gilt x ∈ / F. I Für die Menge G = {∅} gilt ∅ ∈ G und G 6= ∅. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Seien A und B Mengen. Dann definiere I den Durchschnitt A ∩ B von A und B als {x | x ∈ A und x ∈ B}, I die Vereinigung A ∪ B von A und B als {x | x ∈ A oder x ∈ B}, I die Differenz A \ B von A und B als {x | x ∈ A und x ∈ / B}. Gilt A ∩ B = ∅, so nennt man A und B disjunkt. Beispiel I {a, b, c} ∩ {c, d} = {c} I {a, b, c} ∪ {c, d} = {a, b, c, d} I {a, b, c} \ {c, d} = {a, b} I Die Mengen {a, b, c} und {c, d} sind nicht disjunkt. I Die Mengen {a, b, c} und {d, e} sind disjunkt. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien A und B sowie C Mengen. Dann gilt: I A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C), I A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C), I A \ (B ∩ C) = (A \ B) ∪ (A \ C), I A \ (B ∪ C) = (A \ B) ∩ (A \ C). Beweisidee: Zeige L = M durch Übersetzen von x ∈ L sowie x ∈ M in zusammengesetzte Aussagen und Wahrheitstafelvergleich. Definition Sei M eine Menge und A(x) eine von x abhängige Aussage. I Allquantor-Schreibweise: ∀x ∈ M : A(x) steht kurz für »Für alle x aus M gilt A(x)« (Notation im Text auch A(x) ∀x ∈ M). I Existenzquantor-Schreibweise: ∃x ∈ M : A(x) steht kurz für »Es gibt ein x in M mit A(x)«. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beispiel Sei M die Menge aller Menschen. I ∀x ∈ M : x ist sterblich steht für die Aussage »Alle Menschen sind sterblich.« I ∃x ∈ M : x ist unsterblich steht für die Aussage »Es gibt einen unsterblichen Menschen.« Bei Aussagen mit mehreren Variablen werden mehrere Quantoren benötigt. Dann kommt es auf die Reihenfolge an! Satz Sei M eine Menge und A(x) eine von einer Variablen abhängige Aussage. I ¬∀x ∈ M : A(x) ist äquivalent zu ∃x ∈ M : ¬A(x). I ¬∃x ∈ M : A(x) ist äquivalent zu ∀x ∈ M : ¬A(x). VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beispiel Sei M die Menge aller Vorkurs-Teilnehmer. I Die Aussage »Alle Vorkurs-Teilnehmer haben Quantoren verstanden.« lautet kurz ∀x ∈ M : x hat Quantoren verstanden. I Die Verneinung der letzten Aussage lautet ∃x ∈ M : x hat Quantoren nicht verstanden, also »Es gibt einen Vorkurs-Teilnehmer, der Quantoren nicht verstanden hat.« Definition Seien A und B Mengen. Liegt jedes Element von A auch in B (formal: gilt ∀x ∈ A : x ∈ B), so nennt man A eine Teilmenge von B und B eine Obermenge von A. Notation: A ⊆ B oder auch B ⊇ A. Beispiel I {c, a} ist eine Teilmenge von {a, b, c}. I {c, d} ist keine Teilmenge von {a, b, c}. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien A und B sowie C Mengen. I Es gilt ∅ ⊆ A und A ⊆ A. I Gilt A ⊆ B und B ⊆ C, so folgt A ⊆ C. I A = B ist äquivalent zu A ⊆ B und B ⊆ A. Beweisidee: L ⊆ M ist äquivalent dazu, daß aus x ∈ L stets x ∈ M folgt. Definition Sei M eine Menge. Die Menge aller Teilmengen von M heißt Potenzmenge von M und wird mit P(M) bezeichnet. Beispiel I P({a, b}) = {∅, {a}, {b}, {a, b}} I P({a, b, c}) = {∅, {a}, {b}, {c}, {a, b}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}} VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Seien A und B Mengen. I Für alle a ∈ A und b ∈ B heißt das Symbol (a, b) das (geordnete) Paar mit erster Komponente a und zweiter Komponente b. I Zwei geordnete Paare (a, b) und (a0 , b0 ) gelten genau dann als gleich, wenn sie komponentenweise übereinstimmen, also genau dann, wenn a = a0 und b = b0 gilt. I Das kartesische Produkt A × B von A und B ist definiert als {(a, b) | a ∈ A, b ∈ B}. Analog definiert man (geordnete) Tripel (a, b, c) und das kartesische Produkt A × B × C von drei Mengen. Beispiel I (a, b) 6= (b, a) I {a, b} × {a, b, c} = {(a, a), (a, b), (a, c), (b, a), (b, b), (b, c)} VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 2. Vorlesung Rationale Zahlbereiche Inhalte: I natürliche Zahlen I ganze Zahlen I rationale Zahlen DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Man definiert die natürlichen Zahlen, das Einselement und zu jeder natürlichen Zahl den Nachfolger so, daß die folgenden Eigenschaften gelten. (N1) Das Einselement ist eine natürliche Zahl. (N2) Zu jeder natürlichen Zahl ist der Nachfolger ebenfalls eine natürliche Zahl. (N3) Das Einselement tritt nicht als Nachfolger einer natürlichen Zahl auf. (N4) Zwei natürliche Zahlen, die denselben Nachfolger haben, sind stets gleich. (N5) Enthält eine Menge natürlicher Zahlen das Einselement und zu jedem Element auch den Nachfolger, so beinhaltet diese Menge stets alle natürlichen Zahlen. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition I Die Menge der natürlichen Zahlen wird mit N bezeichnet. I Das Einselement wird mit 1 bezeichnet. I Der Nachfolger von 1 wird mit 2 bezeichnet, der Nachfolger von 2 mit 3 und so weiter. Es gilt also N = {1, 2, 3, . . .}. Definition Sei M eine Menge mit N ⊆ M. Je zwei Elementen x, y ∈ M sei eine Summe x + y ∈ M und ein Produkt x · y ∈ M zugeordnet, so daß die folgenden Bedingungen für alle x, y, z ∈ M erfüllt sind. (R1) Im Fall x ∈ N ist x + 1 der Nachfolger von x. (R2) x + (y + z) = (x + y) + z (R3) x · 1 = x (R4) x · (y + z) = (x · z) + (x · z) (Assoziativität der Addition) (Neutralität der Eins) (Distributivität) Dann sagt man, daß auf M Addition und Multiplikation definiert sind. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Auf der Menge der natürlichen Zahlen lassen sich Addition und Multiplikation definieren. Sie sind eindeutig bestimmt. Beispiel Hat man Addition und Multiplikation auf N eingeführt, so gilt: I 3 + 2 = 3 + (1 + 1) = (3 + 1) + 1 = 4 + 1 = 5, I 3 + 3 = 3 + (2 + 1) = (3 + 2) + 1 = 5 + 1 = 6, I 3 · 2 = 3 · (1 + 1) = (3 · 1) + (3 · 1) = 3 + 3 = 6. Satz Für Addition und Multiplikation auf der Menge der natürlichen Zahlen gilt das Assoziativgesetz, das Kommutativgesetz und das Distributivgesetz: Für alle x, y, z ∈ N hat man x + (y + z) = (x + y) + z und x · (y · z) = (x · y) · z sowie x + y = y + x und x · y = y · x sowie x · (y + z) = (x · y) + (x · z). VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Man definiert Mengen Z und Q mit Addition und Multiplikation, ein Nullelement 0 ∈ Q sowie zu jedem x ∈ Q die Gegenzahl −x und im Fall x 6= 0 auch den Kehrwert x −1 ∈ Q, so daß Folgendes gilt: (K1) (K2) (K3) (K4) (K5) (K6) (K7) (K8) (K9) (Z) (Q) x + (y + z) = (x + y) + z für alle x, y, z ∈ Q x + 0 = x für alle x ∈ Q x + (−x) = 0 für alle x ∈ Q x + y = y + x für alle x, y ∈ Q x · (y · z) = (x · y) · z für alle x, y, z ∈ Q x · 1 = x für alle x ∈ Q x · x −1 = 1 für alle x ∈ Q \ {0} x · y = y · x für alle x, y ∈ Q (x + y) · z = (x · z) + (y · z) für alle x, y, z ∈ Q Z = N ∪ {0} ∪ {−x | x ∈ N} Q = {x · y −1 | x ∈ Z, y ∈ N} DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Definition I Die Elemente von Z heißen ganze Zahlen. I Die Elemente von Q heißen rationale Zahlen. I Man definiert N0 = N ∪ {0}. I Sind x, y ∈ Q, so schreibe x − y für x + (−y) und x y für x · y −1 . Satz Seien x, y ∈ Q mit x + y = y. Dann muß x = 0 gelten. Beweis: Es gilt x = x + 0 = x + (y + (−y)) = (x + y) + (−y), und durch Einsetzen der Voraussetzung erhält man (x + y) + (−y) = y + (−y) = 0, was die Behauptung liefert. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien x, y ∈ Q. Dann ist x · y = 0 äquivalent zu x = 0 oder y = 0. (Ein Produkt ist Null genau dann, wenn einer der Faktoren Null ist.) Beweis: I Sei x = 0. Dann gilt x · y = 0 · y. Weiter hat man 0 · y = (0 + 0) · y = (0 · y) + (0 · y), und mit dem letzten Satz folgt 0 · y = 0, also x · y = 0. I Sei y = 0. Dann folgt x · y = y · x = 0 · x = 0. I Sei x 6= 0 und y 6= 0. Dann muß x · y 6= 0 gelten: Nimmt man an, daß x · y = 0 gilt, so erhält man einen Widerspruch, denn wegen y 6= 0 existiert y −1 und es folgt 0 = 0 · y −1 = (x · y) · y −1 = x · (y · y −1 ) = x · 1 = x 6= 0. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Die letzten beiden Sätze gelten nicht nur für Q, sondern auch für andere Mengen M, solange die Körperaxiome (K1) – (K9) für M statt Q erfüllt sind. Definition Seien m, n ∈ Z. Man nennt d ∈ Z einen Teiler von n, wenn ein k ∈ Z mit n = k · d existiert. Gibt es kein d ∈ N \ {1}, das sowohl Teiler von m als auch Teiler von n ist, so nennt man m und n teilerfremd. Satz Sei x ∈ Q. Dann gibt es eindeutig bestimmte teilerfremde Zahlen m, n ∈ Z mit x = mn und n ∈ N. Der Beweis dieses Satzes benötigt nicht nur die Körperaxiome (K1) – (K9), sondern auch noch die Eigenschaften (Z) und (Q). Die Darstellung von x aus diesem Satz bezeichnet man als (vollständig) gekürzte Bruchdarstellung. DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Satz Es gibt keine rationale Zahl x mit x 2 = 2. Beweis: Nehme an, es gebe ein x ∈ Q mit x 2 = 2. I Es existieren teilerfremde m, n ∈ Z mit x = I Aus x 2 = 2 folgt m2 = 2n2 . I Aus m2 = 2n2 folgt, daß m2 gerade ist. I Da m2 gerade ist, muß auch m gerade sein. I Da m gerade ist, existiert ein u ∈ Z mit m = 2u. I Aus m2 = 2n2 folgt 2u2 = n2 . I Aus 2u2 = n2 folgt, daß n2 und damit auch n gerade ist. I m n und n ∈ N. m und n gerade ist hier widersprüchlich ⇒ Annahme falsch ⇒ Es gibt kein x ∈ Q mit x 2 = 2. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK 3. Vorlesung Reelle Zahlen, Summen und Produkte Inhalte: I reelle Zahlen I Summen- und Produktzeichen I Potenzen I Fakultäten I Binomialkoeffizienten VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Man definiert die Menge R der reellen Zahlen mit Addition, Multiplikation und Kleiner-Relation <, so daß die Körperaxiome (K1) – (K9) gelten und die folgenden Aussagen für alle x, y, z ∈ R erfüllt sind. (A1) Es gilt entweder x < y oder x = y oder y < x. (A2) Gilt x < y und y < z, so gilt auch x < z. (A3) Gilt x < y, so gilt auch x + z < y + z. (A4) Gilt x < y und 0 < z, so gilt auch x · z < y · z. (V) Sind A und B nichtleere Mengen reeller Zahlen mit a < b für alle a ∈ A und b ∈ B, so gibt es eine reelle Zahl c mit A = {x ∈ R | x < c} oder A = {x ∈ R | x < c} ∪ {c}. Man sagt dazu auch, daß die reellen Zahlen einen vollständigen angeordneten Körper bilden. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien a, b ∈ R mit a < b. Dann gilt −b < −a. Beweis: Man hat a<b ⇒ a + ((−a) + (−b)) < b + ((−a) + (−b)) ⇒ −b < −a. Satz Es gilt 0 < 1. Beweis: I Nach den Körperaxiomen gilt 1 6= 0. I Die Annahme 1 < 0 liefert einen Widerspruch: 1 < 0 ⇒ 0 < −1 ⇒ 0 · (−1) < (−1) · (−1) ⇒ 0 < 1. I Es verbleibt nur der Fall 0 < 1. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Seien x, y ∈ R. Dann definiere I x 6 y als äquivalent zu x < y oder x = y, I x > y als äquivalent zu y < x, I x > y als äquivalent zu x > y oder x = y. Satz Es gibt eine reelle Zahl x mit x 2 = 2. Beweisidee: Setze A = {x ∈ R | x 6 0 oder x 2 6 2} und B = {x ∈ R | x > 0 und x 2 > 2}. Wende (V) auf A und B an und erhalte eine reelle Zahl c. Für diese gilt c 2 = 2. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Ist I eine Teilmenge von R, so daß für alle x, y, z ∈ R mit x < y < z aus x, z ∈ I auch y ∈ I folgt, so heißt I Intervall. Für alle a, b ∈ R hat man die folgenden Intervallnotationen: I [a, b] = {x ∈ R | a 6 x 6 b} (beschränktes abgeschlossenes I.) I (a, b) = {x ∈ R | a < x < b} (beschränktes offenes I.) I [a, b) = {x ∈ R | a 6 x < b} (beschränktes rechtsoffenes I.) I (a, b] = {x ∈ R | a < x 6 b} (beschränktes linksoffenes I.) I [a, ∞) = {x ∈ R | x > a} I (a, ∞) = {x ∈ R | x > a} I (−∞, b] = {x ∈ R | x 6 b} I (−∞, b) = {x ∈ R | x < b} I (−∞, ∞) = R Jedes Intervall läßt sich mit einer dieser Notationen schreiben. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Seien m, n ∈ Z und am , . . . , an ∈ R. Dann definiert man das Summenzeichen ( n X am + am+1 + · · · + an−1 + an , falls m 6 n, ak = 0, falls m > n k=m und das Produktzeichen ( n Y am · am+1 · · · · · an−1 · an , falls m 6 n, ak = 1, falls m > n. k=m Als Indexvariable (hier k) kann ein beliebiges nicht anderweitig verwendetes Symbol gewählt werden. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beispiel I I I I I 4 X k =1+2+3+4 k=1 3 X (k + 1) = (0 + 1) + (1 + 1) + (2 + 1) + (3 + 1) = 1 + 2 + 3 + 4 k=0 3 X (2k + 1) = (2 · 1 + 1) + (2 · 2 + 1) + (2 · 3 + 1) = 3 + 5 + 7 k=1 5 X k=1 5 Y k=1 2=2+2+2+2+2 k =1·2·3·4·5 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien m, n, r ∈ Z sowie am , . . . , an , bm , . . . , bn ∈ R, und sei c ∈ R. n n n X X X I (ak + bk ) = ak + bk I I I I k=m n X k=m n X k=m n X k=m n X (ak − bk ) = k=m n X k=m n X k=m c · ak = c · ak − k=m n X bk k=m ak k=m ak = ak = r X ak + k=m n+r X k=m+r n X ak , falls m 6 r 6 n k=r+1 ak−r = n−r X k=m−r ak+r (Indexverschiebung) DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Beispiel 4 X (3k + 2) = 3 k=1 4 X k+ 4 X k=1 2 = 3 · (1 + 2 + 3 + 4) + 4 · 2 = 38 k=1 Satz Seien m, n ∈ Z mit m 6 n, und seien am , . . . , an ∈ R. Dann gilt n−1 X (Teleskopsumme) (ak+1 − ak ) = an − am . k=m Beweis: n−1 n−1 n−1 n n−1 X X X X X (ak+1 − ak ) = ak+1 − ak = ak − ak k=m = k=m n−1 X k=m+1 k=m ak + an − k=m+1 n−1 X am + k=m+1 k=m ! ak = an − am . VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien m, n, r ∈ Z und am , . . . , an , bm , . . . , bn ∈ R. ! ! n n n Y Y Y I (ak · bk ) = ak · bk k=m k=m n Y I n Y k=m I I n Y k=m n Y k=m ak = k=m n Y bk ak = ak = k=m ak , falls bm , . . . , bn 6= 0 bk k=m r Y k=m n+r Y k=m+r ! ak · ak−r = n Y ! ak , falls m 6 r 6 n k=r+1 n−r Y k=m−r ak+r (Indexverschiebung) VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei a ∈ R und n ∈ N0 sowie k ∈ N0 mit k 6 n. Dann definiere die Potenzen an (lies »a hoch n«) und a−n , die Fakultät n! (lies »n Fakultät«) und den Binomialkoeffizienten kn (lies »n über k«) durch n a = n Y a, a −n i=1 1 = n, a n! = n Y i=1 i, n n! = . k k!(n − k)! Beispiel I 25 = 2 · 2 · 2 · 2 · 2 = 32 I 2−5 = I 5! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120 6 6! 1·2·3·4·5·6 5·6 = = = = 15 4 4!(6 − 4)! (1 · 2 · 3 · 4) · (1 · 2) 1·2 I 1 25 = 1 32 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Die elementaren Potenzrechengesetze werden im Vorlesungsmodul »Basiswissen« besprochen. Satz Sei q ∈ R mit q 6= 1, und sei n ∈ N0 . Dann gilt n X k=0 n+1 − 1 q qk = . q−1 (geometrische Summe) Beweis: Aus (q − 1) · n X qk = k=0 = n X k=0 n X (q − 1) · qk = n X (q · qk − 1 · qk ) k=0 (q k+1 k −q ) Teleskopsumme = qn+1 − q0 = qn+1 − 1 k=0 folgt nach Division durch q − 1 die Behauptung. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien n, k ∈ N0 mit k 6 n. I I I I I I n! · (n + 1) = (n + 1)! n n = k n−k Y k n n−i+1 = i k i=1 n n =1= 0 n n n n+1 + = , falls k < n k k+1 k+1 n ∈N k (Additionstheorem) DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH k = 0 Aus dem Additionstheorem erhält man die Möglichkeit der Berechnung von Binomialkoeffizienten mit dem Pascalschen Dreieck: = 1 1 k n=0 2 1 = 1 k n=1 1 3 2 = 1 k n=2 3 1 4 3 = 1 k n=3 6 4 1 5 4 = 1 k n=4 n=5 1 5 10 10 5 1 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 4. Vorlesung Abbildungen – Teil 1 Inhalte: I Abbildungsbegriff I Bildmengen I Urbildmengen I Verkettungen von Abbildungen DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f = (A, B, G) für Mengen A, B und G mit G ⊆ A × B, so daß zu jedem a ∈ A genau ein b ∈ B mit (a, b) ∈ G existiert. I Man nennt f eine Abbildung von A nach B. Notation: f : A → B I Man nennt A den Definitionsbereich von f . I Man nennt B den Zielbereich von f . I Man nennt G den Graph von f . I Ist a ∈ A und b ∈ B mit (a, b) ∈ G, so nennt man b das Bild von a unter f und a ein Urbild von b unter f . Notation: b = f (a) I Man nennt x 7→ f (x) Abbildungsvorschrift zu f . Notation auch: f : A → B, x 7→ f (x) Statt von Abbildungen und Bildern spricht man auch von Funktionen und Funktionswerten. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beachte: I Zur vollständigen Angabe einer Abbildung gehören neben der Abbildungsvorschrift stets auch Definitions- und Zielbereich. I Strenggenommen ist die Sprechweise »die Funktion f (x)« nicht sinnvoll, besser ist: »die Funktion f «. Beispiel I I I f : R → R, x 7→ x 2 definiert die Abbildung f mit Definitionsbereich R, Zielbereich R und Abbildungsvorschrift x 7→ x 2 . Es gilt etwa f (3) = 32 = 9. g : R → [0, ∞), x 7→ x 2 definiert die Abbildung g mit Definitionsbereich R, Zielbereich [0, ∞) und Abbildungsvorschrift x 7→ x 2 . Sie ist nicht gleich f . Durch h : [0, ∞) → R, x 7→ h(x) mit h(x)2 = x wird keine Abbildung definiert, da etwa h(4) nicht eindeutig definiert ist (2 und −2 wären beide als Wert für h(4) möglich). VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f : X → Y eine Abbildung. I Für alle A ⊆ X nennt man {f (a) | a ∈ A} die Bildmenge von A unter f . Notation: f (A). I Die Bildmenge f (X ) des Definitionsbereichs von f nennt man auch die Wertemenge von f . Beispiel I I Für f : R → R, x 7→ x 2 gilt etwa f ({1, 2, −2}) = {1, 4}. Die Funktion g : R → R, x 7→ x 2 + 2x + 2 hat die Wertemenge [1, ∞), denn für y ∈ R besitzt g(x) = y ⇔ x 2 + 2x + 2 = y ⇔ (x + 1)2 = y − 1 ⇔ genau im Fall y > 1 eine Lösung x ∈ R. x 2 + 2x + 1 = y − 1 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f : X → Y eine Abbildung. I Für alle B ⊆ Y nennt man {x ∈ X | f (x) ∈ B} die Urbildmenge von B unter f . Notation: f −1 (B). I Die Urbildmenge f −1 ({0}) von {0} nennt man auch die Nullstellenmenge von f . Beispiel I I I Für f : R → R, x 7→ x 2 gilt etwa f −1 ({1, 4}) = {1, −1, 2, −2} und f −1 ({−1}) = ∅. Für g : [0, ∞) → R, x 7→ x 2 gilt etwa g −1 ({1, 4}) = {1, 2}. Für h : R → R, x 7→ (x − 1)(x 2 − 5x + 6) lautet die Nullstellenmenge {1, 2, 3}, denn für alle x ∈ R gilt h(x) = 0 ⇔ (x − 1)(x 2 − 5x + 6) = 0 ⇔ x − 1 = 0 oder x 2 − 5x + 6 = 0 ⇔ x ∈ {1, 2, 3}. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Seien f : A → B und g : B → C Abbildungen. Die Verkettung g ◦ f von g und f ist definiert durch g ◦ f : A → C, x 7→ g(f (x)). Beispiel Sei I f : [0, ∞) → [0, ∞), x 7→ x + 1 √ g : [0, ∞) → [0, ∞), x 7→ x I h : [0, ∞) → R, x 7→ x 2 − 1 I Für alle x ∈ [0, ∞) gilt dann I √ (g ◦ f )(x) = g(f (x)) = g(x + 1) = x + 1 √ √ (f ◦ g)(x) = f (g(x)) = f ( x) = x + 1 I (h ◦ f )(x) = h(f (x)) = h(x + 1) = (x + 1)2 − 1 = x 2 + 2x I Die Verkettung f ◦ h ist nicht definiert. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 5. Vorlesung Abbildungen – Teil 2 Inhalte: I Injektivität I Surjektivität I Bijektivität I Umkehrabbildungen DEPARTMENT MATHEMATIK DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Definition Sei f : A → B eine Abbildung. Folgt für w, x ∈ A aus f (w) = f (x) stets w = x, so nennt man f injektiv. Beispiel I Die Abbildung f : R → R, x 7→ x + 1 ist injektiv: Für w, x ∈ R mit f (w) = f (x) gilt stets f (w) = f (x) I I ⇒ w +1=x +1 ⇒ w = x. Die Abbildung g : R → R, x 7→ x 2 ist nicht injektiv, da etwa g(1) = 12 = 1 und g(−1) = (−1)2 = 1 gilt. Die Abbildung h : (0, ∞) → R, x 7→ x 2 ist injektiv: Für alle w, x ∈ (0, ∞) mit h(w) = h(x) gilt h(w) = h(x) ⇒ ⇒ w2 = x2 ⇒ w2 − x2 = 0 (w + x)(w − x) = 0 w,x>0 ⇒ w = x. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f : A → B eine Abbildung. Hat f die Wertemenge B, so nennt man f surjektiv. Beispiel I Die Abbildung f : R → R, x 7→ x + 1 ist surjektiv: Für y ∈ R besitzt f (x) = y ⇔ x +1=y ⇔ x =y −1 stets eine Lösung x ∈ R, also gilt f (R) = R. I I Die Abbildung g : R → R, x 7→ x 2 ist nicht surjektiv: Zu y = −1 gibt es kein x ∈ R mit g(x) = y, denn für alle x ∈ R hat man g(x) = x 2 > 0 > −1, also gilt g(R) 6= R. Die Abbildung h : R → [0, ∞), x 7→ x 2 ist surjektiv: Für y ∈ [0, ∞) besitzt x 2 = y stets eine Lösung x ∈ R, nämlich √ etwa x = y, also gilt h(R) = [0, ∞). VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f : A → B eine Abbildung. Ist f injektiv und surjektiv, so nennt man f bijektiv. Beispiel I Die Abbildung f : R → R, x 7→ x + 1 ist injektiv und surjektiv, also bijektiv. I I Die Abbildung g : R → R, x 7→ x 2 ist nicht injektiv (und auch nicht surjektiv), also nicht bijektiv. Die Abbildung h : [0, ∞) → [0, ∞), x 7→ x 2 ist bijektiv: Wie zuvor gilt w 2 = x 2 ⇒ w = x für alle w, x ∈ [0, ∞), was Injektivität zeigt, und weiter gilt h([0, ∞)) = [0, ∞), da man zu √ y ∈ [0, ∞) stets x = y wählen kann und dann f (x) = x 2 = y gilt, was Surjektivität zeigt. DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Satz Sei f : A → B eine Abbildung. I f ist genau dann injektiv, wenn zu jedem y ∈ B höchstens ein x ∈ A mit f (x) = y existiert. I f ist genau dann surjektiv, wenn zu jedem y ∈ B mindestens ein x ∈ A mit f (x) = y existiert. I f ist genau dann bijektiv, wenn zu jedem y ∈ B genau ein x ∈ A mit f (x) = y existiert. Beispiel Sei f : [0, ∞) → [0, 1), x 7→ f (x) = y ⇔ x x+1 x x+1 und x ∈ [0, ∞) sowie y ∈ [0, 1). Aus =y ⇔ ··· ⇔ x= y 1−y y und 1−y ∈ [0, ∞) folgt, daß zu jedem y ∈ [0, 1) genau ein x ∈ [0, ∞) mit f (x) = y existiert. Damit ist f bijektiv. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei f : A → B bijektiv. Die Umkehrabbildung f −1 : B → A von f ist definiert durch f (x) = y ⇔ x = f −1 (y) für alle x ∈ A und y ∈ B. Beispiel I Sei f : R → R, x 7→ x + 1. Man hatte f (x) = y ⇔ x = y − 1, also erhält man die Umkehrfunktion f −1 : R → R, y 7→ y − 1. I x Sei g : [0, ∞) → [0, 1), x 7→ x+1 . Für alle x ∈ [0, ∞) und y y ∈ [0, 1) hatte man g(x) = y ⇔ x = 1−y , also erhält man die Umkehrfunktion g −1 y : [0, 1) → [0, ∞), y → 7 . 1−y VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 6. Vorlesung Vollständige Induktion I vollständige Induktion I Bernoullische Ungleichung I verallgemeinerte binomische Formeln DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Grundlage für Beweise von Aussagen über natürliche Zahlen ist häufig das sogenannte Induktionsprinzip: (N5) Enthält eine Menge natürlicher Zahlen das Einselement und zu jedem Element auch den Nachfolger, so beinhaltet diese Menge stets alle natürlichen Zahlen. Satz Sei A(n) für jedes n ∈ N eine Aussage. Weiter I sei A(1) wahr, I folge für jedes beliebige n ∈ N die Gültigkeit von A(n + 1), sofern A(n) wahr ist. Dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. Beweisidee: I Da A(1) wahr ist, folgt die Gültigkeit von A(2). I Da A(2) wahr ist, folgt die Gültigkeit von A(3). I ... VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Für Beweise, die das Induktionsprinzip benutzen, verwendet man das Beweisschema der vollständigen Induktion: I Induktionsanfang (IA): Zeige, daß die Behauptung für 1 gilt. I Induktionsvoraussetzung (IV): Setze die Gültigkeit der Behauptung für ein n ∈ N voraus. I Induktionsschluß (IS): Zeige unter Benutzung der Induktionsvoraussetzung, daß die Behauptung für n + 1 gilt. Damit ist die Behauptung nach dem Induktionsprinzip für alle natürlichen Zahlen gezeigt. Ersetzt man in obigem Schema im Induktionsanfang 1 durch 0 und in der Induktionsvoraussetzung N durch N0 , so ist die Behauptung für alle n ∈ N0 gezeigt. Analog behandle auch andere Startwerte m ∈ Z für den Nachweis der Behauptung für alle n ∈ Z mit n > m. Im Induktionsschluß zeigt man nicht, daß A(n) gilt, sondern man setzt A(n) voraus und zeigt damit A(n + 1). VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Satz Für alle n ∈ N gilt n X k=1 DEPARTMENT MATHEMATIK n(n + 1) k= . 2 Beweis: (IA) Die Behauptung gilt für n = 1, denn man hat 1 X k=1 und k=1 1 · (1 + 1) = 1. 2 (IV) Sei n ∈ N, und gelte die Behauptung für dieses n, das heißt, es gelte n X n(n + 1) k= . 2 k=1 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beweis (Fortsetzung): (IS) Zu zeigen ist die Behauptung für n + 1 anstelle von n, also n+1 X k=1 (n + 1)(n + 2) . k= 2 Man hat n+1 X k=1 k= n X k=1 n(n + 1) k + (n + 1) = + (n + 1) 2 (IV) n(n + 1) 2(n + 1) n+1 (n + 1)(n + 2) = + = (n + 2) = , 2 2 2 2 was die Behauptung für n + 1 anstelle von n beweist. Mit dem Induktionsprinzip folgt die Gültigkeit der Behauptung für alle n ∈ N, was zu beweisen war. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Sei x ∈ R mit x > −1. Für alle n ∈ N0 gilt dann (1 + x)n > 1 + nx. (Bernoullische Ungleichung) Beweis: (IA) Die Behauptung gilt für n = 0, denn man hat (1 + x)0 = 1 und 1 + 0 · x = 1. (IV) Sei n ∈ N0 , und gelte die Behauptung für dieses n. (IS) Man hat n+1 (1 + x) n = (1 + x) (1 + x) (IV),1+x>0 > (1 + nx)(1 + x) x 2 >0 = 1 + nx + x + nx 2 > 1 + nx + x = 1 + (n + 1)x, was die Behauptung für n + 1 anstelle von n beweist. Mit dem Induktionsprinzip folgt die Behauptung für alle n ∈ N0 . VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Mit vollständiger Induktion lassen sich – unter anderem durch Verwenden des Additionstheorems für Binomialkoeffizienten – Verallgemeinerungen von binomischen Formeln beweisen. Satz Seien a, b ∈ R. Für alle n ∈ N0 gilt n X n n−k k n I (a + b) = a b , k (verallg. erste bin. Formel) k=0 I (a − b) n X an−k bk = an+1 − bn+1 . (verallg. dritte bin. Formel) k=0 Beispiel I (a + b)3 = = I 3 0 a3 a3 b 0 + 3 1 + 3a2 b + + 32 3ab2 + b3 a2 b 1 (a − b)(a2 + ab + b2 ) = a3 − b3 a1 b 2 + 3 3 a0 b 3 für alle a, b ∈ R für alle a, b ∈ R VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH 7. Vorlesung Komplexe Zahlen Inhalte: I Grundrechenarten I Gaußsche Zahlenebene I Polardarstellung DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Führe ein Symbol i mit i2 = −1 als imaginäre Einheit ein und definiere auf der Menge C = {a + ib | a, b ∈ R} der komplexen Zahlen die Grundrechenarten unter Beibehaltung der Rechenregeln (K1) – (K9). Beispiel I (2 + 3i) + (1 − i) = (2 + 1) + (3 − 1)i = 3 + 2i I (2 + 3i) − (1 − i) = (2 − 1) + (3 − (−1))i = 1 + 4i I (2 + 3i) · (1 − i) = 2 · 1 + 3i · 1 + 2 · (−i) + 3i · (−i) = 2 + 3i − 2i − 3i2 = 2 + i − 3 · (−1) = 5 + i I (1 + 3i)2 = 12 + 2 · 1 · 3i + (3i)2 = 1 + 6i + 9 · (−1) = −8 + 6i I (1 − 3i)2 = 12 − 2 · 1 · 3i + (3i)2 = 1 − 6i + 9 · (−1) = −8 − 6i I (1 + 3i)(1 − 3i) = 12 − (3i)2 = 1 − 9 · (−1) = 10 VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei z ∈ C, und seien x, y ∈ R mit z = x + iy. Dann nennt man x − iy die konjugierte komplexe Zahl zu z. Notation: z Für die Auswertung eines Bruchs komplexer Zahlen erweitere mit der konjugierten komplexen Zahl zum Nenner. Beispiel 1−i (1 − i)(2 − 3i) 2 − 2i − 3i + 3i2 2 − 5i − 3 = = = 2 2 2 + 3i (2 + 3i)(2 − 3i) 2 − (3i) 4 − 9 · (−1) −1 − 5i 1 = = − 13 − 13 5 13 i. Satz Seien x, y ∈ R. Dann gilt 1 x y = 2 −i 2 . 2 2 x + iy x +y x +y VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Definition Sei z ∈ C, und seien x, y ∈ R mit z = x + iy. I Man nennt x den Realteil von z. Notation: Re z I Man nennt y den Imaginärteil von z. Notation: Im z p √ Man nennt x 2 + y 2 = z · z den Betrag von z. Notation: |z| I Beispiel Sei z = 4 − 3i. I Re z = 4 I Im z = −3 p √ √ 2 2 |z| = 4 + (−3) = 16 + 9 = 25 = 5 I VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Darstellung komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene: I Realteil ist x-Koordinate I Imaginärteil ist y-Koordinate I Betrag ist Abstand vom Ursprung I konjugierte Zahl einer komplexen Zahl entsteht durch Spiegelung an der x-Achse I Gegenzahl einer komplexen Zahl entsteht durch Punktspiegelung am Ursprung (entspricht Drehung um den Ursprung um 180°) I Addition zweier komplexer Zahlen entspricht Vektoraddition I Subtraktion zweier komplexer Zahlen entspricht Vektorsubtraktion VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK In der Gaußschen Zahlenebene bilden die komplexen Zahlen mit Betrag 1 den Einheitskreis. Definition Sei ϕ ∈ R. Mit exp(iϕ) wird die komplexe Zahl bezeichnet, die in der Gaußschen Zahlenebene Endpunkt des Einheitskreisbogens ist, der I in 1 beginnt, I gegen den Uhrzeigersinn gezeichnet ist und I Bogenlänge ϕ hat (entsprechend dem Winkel ϕ im Bogenmaß). Beispiel I π 2 I π I I I im Bogenmaß entspricht 90°, es gilt exp(i π2 ) = i. im Bogenmaß entspricht 180°, es gilt exp(iπ) = −1. 2π im Bogenmaß entspricht 360°, es gilt exp(i2π) = 1. √ √ π π 1 1 4 im Bogenmaß entspricht 45°, es gilt exp(i 4 ) = 2 √2 + 2 2 i. π π 1 1 im Bogenmaß entspricht 30°, es gilt exp(i ) = 3 + 6 6 2 2 i. DEPARTMENT MATHEMATIK VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Satz Seien ϕ, ψ ∈ R, und sei n ∈ Z. I exp(i(ϕ + ψ)) = exp(iϕ) · exp(iψ) I exp(inϕ) = (exp(iϕ))n I exp(i(ϕ + 2nπ)) = exp(iϕ) I exp(iϕ) = cos ϕ + i sin ϕ Beispiel I Der Winkel 225° entspricht im Bogenmaß 45 π, es gilt exp(i 54 π) = exp(i(π + π4 )) = exp(iπ) · exp(i π4 ) √ √ √ √ 1 1 1 1 = (−1) · ( 2 2 + 2 2 i) = − 2 2 − 2 2 i. I Der Winkel 60° entspricht im Bogenmaß π3 , es gilt exp(i π3 ) = exp(i2 π6 ) = (exp(i π6 ))2 = ( 21 √ 3+ 1 2 2 i) = ... = 1 2 + 1 2 √ 3 i. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH Für jedes z ∈ C \ {0} gilt z = |z| · z |z| . Dabei hat z |z| DEPARTMENT MATHEMATIK den Betrag 1. Satz Sei z ∈ C \ {0}. Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes ϕ ∈ [0, 2π) mit z = |z| · exp(iϕ). (Polardarstellung) Definition Das ϕ aus dem letzten Satz heißt Argument von z. Notation: arg z. Beispiel √ √ 2 2 Sei z = 1 + i. Dann gilt |z| = 1 + 1 = 2 und z 1 i 1√ 1√ =√ +√ = 2+ 2 i = exp(i π4 ), |z| 2 2 2 2 √ z also z = |z| · |z| = 2 · exp(i π4 ). Insbesondere hat z das Argument π4 . VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Satz Seien c, w ∈ C \ {0}, und seien ϕ, ψ ∈ R mit c = |c| · exp(iϕ) und w = |w| · exp(iψ). Weiter sei n ∈ N. I Es gilt c · w = |c| · |w| · exp(i(ϕ + ψ)). I Es gilt w n = |w|n · exp(inψ). I Die Gleichung z n = c für z ∈ C hat genau n verschiedene Lösungen. √ n Die Gleichung z = c für z ∈ C hat n |c| · exp(i n1 ϕ) als eine Lösung. I I n = c für z ∈ C, so ist Ist ζ = exp(i 2π ) und w eine Lösung von z n die Lösungsmenge dieser Gleichung gleich {w, wζ, wζ 2 , wζ 3 , . . . , wζ n−1 }. VORKURS MATHEMATIK • GRUNDBEGRIFFE DR. M. ENSENBACH DEPARTMENT MATHEMATIK Beispiel Man kann −4 = 4 · (−1) = |−4| · exp(iπ) schreiben. Als eine Lösung von z 4 = −4 für z ∈ C erhält man somit q √ √ √ √ √ 4 1 π 1 1 |−4| · exp(i 4 π) = 4 · exp(i 4 ) = 2 · ( 2 2 + 2 2 i) = 1 + i. π 4 = −4 ) = exp(i ) = i. Die Lösungsmenge von z Weiter gilt exp(i 2π 4 2 für z ∈ C lautet also {1 + i, (1 + i) · i, (1 + i) · i2 , (1 + i) · i3 } = {1 + i, −1 + i, −1 − i, 1 − i}. geometrische Interpretationen in der Gaußschen Zahlenebene: I Eine Multiplikation mit c ∈ C \ {0} entspricht einer zentrischen Drehstreckung mit Streckfaktor |c| und Drehwinkel arg c. I Ist n ∈ N und c ∈ \{0}, so bilden die Lösungen der Gleichung z n = c für z ∈ C die Eckpunkte eines regelmäßigen n-Ecks.