IFG - Internet Forum Gesundheit Mit Sinn und Verstand - Nahrungser-gänzungsmittel Ammenmärchen Obst & Gemüse können mehr Kein Schutz vor Krebs Manche brauchen sie Zu wenig Sonne Nebenwirkungen Kommentar Gesundes Essen statt Vitaminpillen Vitamine und Mineralstoffe aus dem Regal. Nahrungsergänzungen sind keine Wundermittel. Manchmal schaden sie sogar. In bestimmten Fällen kann eine Extraportion Nährstoffe aber durchaus sinnvoll sein. Das Angebot an Tabletten, Pulvern, Kapseln und Säften, die angeblich der Gesundheit zuträglich sind, ist schier unüberschaubar. Drogeriemärkte, Apotheken und die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) freuen sich über ein stark zunehmendes Interesse der Konsumenten an diesen Produkten. Die Österreicher geben laut Expertenschätzungen rund 40 Millionen Euro pro Jahr dafür aus. Jeder Fünfte schluckt regelmäßig und meist ohne ärztliche Betreuung Vitamine, Mineralstoffe und Antioxidantien. Aus der Sicht von Ärzten und Ernährungsexperten ist das der falsche Weg. Wer sich ausgewogen und gesund ernähre, so die einhellige Meinung, brauche keine Nahrungsergänzung. Eine schwere Unterversorgung mit Vitaminen und Nährstoffen gibt es laut dem aktuellen österreichischen Ernährungsbericht nicht. Die Studie stellt zwar fest, dass die Versorgung bei Folsäure, Calcium sowie bei Vitamin D hierzulande besser sein könnte. Für Mag. Marlies Gruber, die wissenschaftliche Leiterin des Vereins forum.ernährung heute, ist das allerdings kein Grund, zur Vitaminpille zu greifen. Sie empfiehlt den Ausgleich über die Ernährung, etwa über den Verzehr von Milchprodukten, Hartkäse oder Fisch. Ammenmärchen Vieles von dem, was der Körper sonst noch an Nährstoffen braucht, liefern Obst und Gemüse. Das immer wieder angeführte Argument, dass heutzutage die Böden an Nährstoffen verarmt seien und sich daher im angebauten Gemüse viel zu wenig Nährstoffe und Vitamine bilden würden, stimmt nicht. Der Nährstoffgehalt wird – mit wenigen Ausnahmen – im Vergleich zu früher von Experten sogar höher eingeschätzt. Nicht die so genannten nährstoffverarmten Böden sind das Problem, sondern die Fehl- und Mangelernährung vieler Menschen. Obst & Gemüse können mehr Falsche Ernährung kann auf Dauer krank machen. Doch was im Kochtopf fehlt, lässt sich nicht so einfach mit der Pillenschachtel ausgleichen. Das zeigt zum Beispiel das Thema Erkältung. Dass ein Mangel an Vitamin C und dem Spurenelement Zink den Körper anfälliger für Erkältungserkrankungen macht, ist wissenschaftlich erwiesen. Daher klingt es verlockend und einleuchtend, diese beiden „Schnupfenkiller“ einfach in Form einer Tablette zu schlucken. Das funktioniert aber leider nicht. Studien zeigen, dass Menschen nicht weniger oft erkältet sind, wenn sie Vitamin C und Zink als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Kein Schutz vor Krebs Ähnliches gilt für das Thema Krebs oder Herzinfarkt. Wer regelmäßig Obst und Gemüse isst, hat ein geringeres Risiko, an bestimmten Krebsarten und Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken. Mit dem Schlucken von Vitaminen lässt sich diese Schutzwirkung allerdings nicht erreichen. Die ausbleibende Wirkung hängt vermutlich damit zusammen, dass es nicht die einzelnen Vitamine oder Mikronährstoffe sind, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken, sondern vielmehr ihr Zusammenspiel innerhalb der gesamten Ernährung. Das bestätigt eine aktuelle Studie der Harvard Medical School. Die Forscher wollten herausfinden, ob die Einnahme von Beta-Carotinen, Vitamin C und Vitamin E vor diesen Volkskrankheiten schützt. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Die Vitaminpillen bewahrten die untersuchten Menschen weder vor Krebs noch vor Herzinfarkt. Im Gegenteil: Wer Beta-Carotine schluckte, hatte sogar ein etwas höheres Lungenkrebs-Risiko. Ähnliches weiß man von anderen NEM. Calcium-Ergänzungen etwa senken das Risiko für Darmkrebs, erhöhen aber das Risiko für Prostatakrebs. Selen schützt möglicherweise vor Prostatakrebs, doch noch ist nicht klar, ob es nicht gleichzeitig andere Krebsarten fördert. Auch die oft angeführte Entgiftungswirkung von Nahrungsergänzungsmitteln ist nicht wissenschaftlich bewiesen. Manche brauchen sie Nahrungsergänzungen dürfen aber keinesfalls in Bausch und Bogen verdammt werden. Denn im Falle einer Krankheit oder eines tatsächlich bestehenden Mangels sind sie oft notwendig. So profitieren etwa Frauen mit Brustkrebs im Zuge ihrer Therapie von Vitamin-C-Infusionen, wie eine Studie am Institut für Naturheilkunde der Uni Köln ergab. Sehr alten Menschen können Extraportionen an Vitamin C und B 12 guttun. Auch wer eine strenge Diät einhalten muss oder sich vegan – also ganz ohne tierische Produkte – ernährt, kann einen Nährstoffmangel entwickeln. Das gilt auch für Menschen, die keinen Frucht- oder Milchzucker vertragen. Zu wenig Sonne Auch Vitamin D ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das durchaus sinnvoll sein kann. Der Körper kann das Vitamin nur dann bilden, wenn Sonne auf die Haut trifft. Derzeit mehren sich Anzeichen dafür, dass es in Ländern mit relativ wenig Sonneneinstrahlung häufig einen Mangel an diesem wichtigen Vitamin gibt. Und es scheint, dass das D-Vitamin für die Gesundheit wichtiger ist, als man bisher geglaubt hatte. Das zeigt eine siebenjährige Studie, die in Ludwigshafen unter der Leitung von Prof. Winfried März durchgeführt und an der Medizinischen Uni Graz von Dr. Harald Dobnig analysiert und veröffentlicht wurde. Sie belegt, dass Menschen, die zu wenig von diesem „Sonnenvitamin“ besitzen, leichter erkranken und sogar ein höheres Sterberisiko haben. Das untermauert, was Mediziner schon länger wissen, nämlich dass das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Krebs oder multiple Sklerose ansteigt, je weiter im Norden ein Mensch lebt. Mitteleuropäer können wegen der geografischen Lage von November bis April kein Vitamin D in der Haut bilden, da die dafür notwendige UVB-Strahlung im Sonnenlicht nicht ausreichend enthalten ist. Die häufig für alle Menschen empfohlenen 15 Minuten an der Sonne, um damit genug Vitamin D zu bilden, seien eine Mär, so Dr. Dobnig. Auch die Deckung des Bedarfs über die Nahrung ist im Gegensatz zu den „Mangelkandidaten“ Folsäure und Calcium schwierig, da nur wenige Lebensmittel wie etwa Sardinen oder Makrelen das Vitamin enthalten. Dr. Dobnig empfiehlt daher vor allem älteren und kränklichen Personen, zumindest in der Zeit zwischen Oktober und März Vitamin D 3 zu nehmen. Eine ausreichende Versorgung ist besonders bei Patienten mit Osteoporose wichtig, um Brüche zu verhindern. Denn es gibt Hinweise darauf, dass Vitamin D bei älteren Menschen die Muskelfunktion verbessert. Aber auch Jugendliche hätten, so Dr. Dobnig, oft einen Vitamin-D-Mangel. Die gezielte Einnahme von Vitaminen und Nährstoffen kann also durchaus sinnvoll sein. Doch leider nehmen viele Menschen NEM nach der Devise „Hilft’s nichts, so schadet’s nicht!“ ein. Das ist ein Irrglaube, denn diese Mittel können Nebenwirkungen haben, sich mit anderen Medikamenten nicht vertragen oder krank machende Stoffe enthalten. Nebenwirkungen So wurden etwa in den USA in Braunalgen, auch Kelp genannt, hohe Dosen des gefährlichen Gifts Arsen gefunden. NEM können sogar den Erfolg einer Operation beeinträchtigen. Man sollte daher bei der Vorbereitung auf den Eingriff bei der Frage nach Medikamenten, die ständig genommen werden, auch die Nahrungsergänzungsmittel erwähnen! Wer Vitamine oder andere Nährstoffe einnimmt, sollte daran denken, dass in Österreich ein Ergänzungsmittel nicht automatisch sicher ist, nur weil es hier verkauft wird. NEM sind laut österreichischem Recht Lebensmittel. Sie werden nach einem nationalen Probenplan routinemäßig von der AGES, der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, untersucht. Die AGES wird auch aktiv, wenn akute Probleme auftauchen, etwa um zu klären, ob Dioxin in Fischöl oder Schwermetalle in Algenprodukten enthalten sind. „Aufgrund des nahezu unendlichen Angebotes und der unterschiedlichsten Vertriebswege von NEM ist es jedoch nicht möglich, alle Anbieter, vor allem wenn diese außerhalb der EU lokalisiert sind, durch Probenziehung zu prüfen“, erklärt AGES-Experte Mag. Markus Zsivkovits. Hier ist die Eigenverantwortung des Konsumenten daher besonders gefragt. „Produkte mit hohen – oft den mehrfachen Tagesbedarf erreichenden – Dosierungen oder verdächtigen Inhaltsstoffen sowie marktschreierische Anpreisungen, die Wunderdinge versprechen, sollten äußerst kritisch hinterfragt werden“, rät Mag. Zsivkovits. Er empfiehlt außerdem, die Einnahme immer mit einem Arzt, Apotheker oder Ernährungswissenschaftler abzuklären. Besondere Vorsicht sei bei allen Mitteln angesagt, die über das Internet, über Postfächer oder telefonisch verkauft würden. Dr. Regina Sailer Fotos: Mauritius, Shutterstock Kommentar „Das Hauptproblem für Verbraucher im Zusammenhang mit Nahrungsergänzungsmitteln ist der Aspekt der Irreführung und Täuschung. Verbraucher sollten daher ihre Vernunft einsetzen. Wundermittel gibt es nicht. NEM sind auch keine Arzneimittel. Sie dienen nicht zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten.“ Mag. Markus Zsivkovits Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), Wien Gesundes Essen statt Vitaminpillen Univ.-Doz. Dr. Bernhard Paulweber, Leiter der Abteilung für Stoffwechselerkrankungen und medizinische Molekularbiologie an der Landesklinik Salzburg, sprach mit FORUM GESUNDHEIT, über die Grenzen und Möglichkeiten von Nahrungsergänzungsmitteln. Reicht bei einem gesunden Menschen eine ausgewogene Ernährung aus, um den Körper ausreichend mit allen Nährstoffen zu versorgen? Ja, ein gesunder Mensch braucht keine Nahrungsergänzungsmittel. Es kann sogar den gefährlichen Effekt haben, dass jemand glaubt, durch die Einnahme von NEM, wie zum Beispiel von Multivitaminpräparaten, eine gesunde Ernährung vernachlässigen zu können. Also haben auch die beliebten Vitaminpillen keinen Nutzen? Es gibt meines Wissens keine wissenschaftlichen Daten, die zeigen, dass Vitaminpräparate einen medizinischen Nutzen bringen. Sogar das Gegenteil kann eintreten: 2007 wurde eine große Meta-Analyse von zahlreichen Studien veröffentlicht. Sie zeigte, dass Menschen, die Präparate mit Vitamin A oder E einnehmen, ein geringfügig, aber signifikant erhöhtes Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder an Krebs zu sterben. Eine Ausnahme stellt die Einnahme von Folsäure dar, für die gezeigt werden konnte, dass sie das Risiko für das Auftreten eines Schlaganfalls vermindern kann. Was bringen NEM für bereits Erkrankte oder für Schwangere? Bei Menschen mit Vorerkrankungen können NEM unter bestimmten Umständen schon etwas bringen. So lässt sich etwa mit Folsäure das Schlaganfallrisiko senken. Ebenso unbestritten ist der positive Effekt von Omega-3Fettsäuren nach Herzinfarkten, und zwar in einer Menge, die man durch das Essen von Fisch alleine nicht schafft. In diesen Fällen sind Nahrungsergänzungen bestimmt sinnvoll. Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen, die zu Osteoporose neigen, Calcium nehmen sollen. Und dann gibt es natürlich noch Sonderfälle wie etwa Schwangere. Für diese Gruppe ist eindeutig belegt, dass die Einnahme von Folsäure das Risiko für die Entstehung von Neuralrohrdefekten vermindern kann. Es ist also nicht erwiesen, dass NEM gesunde Menschen vor Krankheiten schützen. Gibt es diesen Beweis für eine ausgewogene Ernährung? Ja, es gibt Studien, die einen klaren Zusammenhang aufzeigen zwischen der Menge an Obst und Gemüse, die jemand isst, und seinem Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und manche Krebserkrankungen. Leider essen die Österreicher viel zu wenig davon. Wir haben hier in Salzburg eine Untersuchung gemacht, die zeigt, dass nur zehn Prozent der Männer vier Portionen Obst und Gemüse pro Tag essen. Bei den Frauen sind es 15 Prozent. Dabei würde diese Menge das Risiko für einen Herzinfarkt und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um fast ein Drittel verringern. Wer dann noch ausreichend Fisch isst, sich bewegt und auf Nikotin verzichtet, kann das Risiko sogar um bis zu 80 Prozent senken. Da kann wirklich keine Vitaminpille mithalten. Raten Sie Verbrauchern davon ab, sich selbst in der Apotheke oder in der Drogerie ein Nahrungsergänzungsmittel zu besorgen? Ja, davon würde ich eher abraten, denn da kann man unnötigerweise viel Geld ausgeben. Wenn man solche Präparate nehmen möchte, sollte man es vorher mit dem Arzt besprechen. Wer dafür Geld übrig hat, sollte sich lieber Omega-3-Fettsäuren besorgen oder Calcium. Interessant ist auch der Aroniasaft – Aronia ist eine Beere mit einem sehr hohen Gehalt an bestimmten Flavonoiden mit starker antioxidativer Wirkung, der deutlich über dem vieler anderer Obst- oder Beerensorten liegt. Es gibt Hinweise darauf, dass Aronia tatsächlich messbare, günstige Effekte haben dürfte. Es existieren aber noch keine wirklich aussagekräftigen Studien mit harten klinischen Endpunkten. Und natürlich kann auch Aronia eine gesunde Ernährung nicht ersetzen. http://www.forumgesundheit.at/portal/index.html?ctrl:cmd=render&ctrl:window=forumgesundheitportal.channel_co ntent.cmsWindow&p_menuid=61364&p_tabid=3&p_pubid=634204