Drosophila melanogaster als klassisches Objekt der Genetik

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Genetisches Grundpraktikum
1. + 3. Kurstag
14.04.04 + 28.04.05
Drosophila melanogaster als klassisches Objekt der Genetik
Gute Versuchsobjekte der Genetik haben typischerweise leicht erkennbare Merkmale, eine
kurze Generationszeit und geringe Ansprüche an ihre Umwelt bei der Vermehrung. Dies gilt unter
den diploiden Organismen in besonderer Weise für die Taufliege (Fruchtfliege) Drosophila melanogaster. Sie kann auf einfachem Maisbrei gezüchtet werden, hat eine Generationszeit von ca.
zwei Wochen und produziert dazu zahlreiche Nachkommen. Das erleben wir alle im Herbst, wenn
die Fliege überall an reifem oder fauligem Obst anzutreffen ist. Seit den zwanziger Jahren des
zwanzigsten Jahrhunderts wird Drosophila als Objekt der Genetik benutzt. Daher sind auch
zahlreiche gut bekannte Mutanten verfügbar, von denen Sie einige in diesem Versuch kennenlernen
werden.
In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Drosophila-Forschung einen neuen Aufschwung
genommen, weil der Organismus unter Einsatz auch gentechnischer Methoden zu einem wichtigen
Objekt der Entwicklungsgenetik geworden ist, was durch die Verleihung des Nobel-Preises an die
Tübinger Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard gewürdigt wurde.
Die Untersuchung von Erbgängen bei diploiden Organismen
Die Mendelschen Regeln, die für die Vererbung von Genen bei Diplonten die Uniformität
und Reziprozität der Vererbung in der ersten Nachkommengeneration (F1) und ein Aufspalten
von Merkmalen bei Erbgängen, in denen mehr als ein Merkmal untersucht wird, in der zweiten
Nachkommengeneration (F2) vorhersagen, lassen sich mit Drosophila leicht überprüfen. Da wir
nur zwei Kurstage, d. h. eine Drosophila-Generation zur Verfügung haben, beschränken wir uns
auf eine Fragestellung, die bereits nach einer Generation entschieden werden kann.
Mendel hat seine Regeln für autosomal vererbte Merkmale aufgestellt, da er zu seiner Zeit
nicht wissen konnte, dass es Gene gibt, die auf Geschlechtschromosomen liegen. In einem solchen
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Fall enthält ein Männchen nur ein X-Chromosom, während das Weibchen auch für dieses Chromosom diploid ist.
Daraus ergibt sich, dass im Männchen selbst ein rezessives Merkmal, das auf einem Xchromosomal (das nennt man auch geschlechtsgebunden oder gonosomal) vererbten Gen beruht,
sofort erkennbar wird, während es im Weibchen von einem dominanten Allel auf dem zweiten XChromosom verdeckt und erst in der F2-Generation erkennbar wird. Daher ist es in diesem Fall
nicht gleichgültig, ob man bei einer Kreuzung eine erkennbare Mutante als Männchen oder als
Weibchen mit einem Partner kreuzt, der für das Merkmal nur Wildtypallele enthält (und damit
eine "reine Linie" darstellt). Dieser Unterschied wird schon nach einer Generation deutlich. Wir
werden im Versuch daher anhand von zwei verschiedenen Mutanten überprüfen, ob das jeweilige
Merkmal autosomal oder geschlechtsgebunden vererbt wird.
Weiterhin werden wir mit Tieren der F1-Generation Kreuzungen ansetzen, die es uns erlauben,
das Aufspaltungsverhältnis der Merkmale in der F2-Generation zu untersuchen. Von dem gonosomal vererbten Merkmal werden mit Tieren der F1-Generation beider reziproker Kreuzungen
erneut Kreuzungen angesetzt, während von dem autosomal vererbten Merkmal nur von den F1Fliegen einer der beiden Kreuzungen die F2-Generation untersucht wird.
Statistische Überprüfung der Kreuzungsergebnisse im Vergleich zur
Erwartung
Das Geschlecht wird bei Drosophila durch die Zahl der X-Chromosomen festgelegt. Die
Geschlechterverteilung unter den Nachkommen ist theoretisch natürlich 1:1. Solche Aussagen sind
theoretisch schön und gut. Aber: treffen sie auch wirklich zu? Um Vorhersagen über den zahlenmäßigen Ausgang von Kreuzungen hinsichtlich der auftretenden Phänotypen zu bewerten, benutzt man statistische Verfahren, die aufgrund von Stichprobenanalysen eine Aussage erlauben,
mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Ergebnis bei Zutreffen der Hypothese
beobachtet wird. Dafür eignet sich das χ2-Verfahren (χ ist der griechische Buchstabe "Chi"). Es
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wird im Kurs noch einmal erklärt. Die Wertetabelle, aus der der Wahrscheinlichkeitswert abgelesen werden kann, liegt dieser Anleitung bei. Die Formel zur Berechnung von χ2 lautet:
χ =Σ
2
(beobachtet - erwartet)2
erwartet
Dabei ist jeweils zu beachten, wie viele Freiheitsgrade für die Verteilung der Werte existieren.
Diese werden von der Anzahl der unterschiedlichen Merkmale (z.B. Allele) bestimmt. Bei zwei
Geschlechtern liegt nach der Bestimmung des Anteils des einen Geschlechts der des anderen fest.
Man hat also nur einen variablen Wert oder einen Freiheitsgrad. Generell ist die Zahl der Freiheitsgrade immer die Anzahl der verschiedenen Wertegruppen (z.B. Allele) vermindert um 1.
Tipps zur Durchführung des Versuchs
Bei Kreuzungen verschiedener reiner Linien muss man darauf achten, dass die Weibchen
nicht schon vor der Kreuzung mit dem gewünschten Männchen befruchtet waren. Daher werden
frisch geschlüpfte Weibchen ("Jungfrauen") gesammelt und von Männchen getrennt gehalten.
Bei der Betäubung der Fliegen mit Ether beachten Sie bitte: Die Fliegen müssen im betäubten Zustand immer ausgestreckte Beine haben. Wenn sie angewinkelt sind, sind die Tiere tot.
Das macht nichts, wenn man nur Mutanten ansehen oder Kreuzungsergebnisse auswerten möchte,
aber natürlich kann man tote Tiere nicht mehr kreuzen!
Das Erkennen der Geschlechter ist bei frisch geschlüpften Tieren wegen der noch schwachen Pigmentierung des Hinterleibs schwierig. Im Zweifelsfall orientieren Sie sich am Vorhandensein des Geschlechtskamms an den Vorderbeinen der Männchen.
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Beim Ansetzen von Kreuzungen nimmt man stets mehr als ein Paar von Fliegen (5 Männchen
und 3 Weibchen) in eine Kreuzungsflasche um die Kreuzung zu gewährleisten. Bitte vermerken
Sie auf der Flasche stets die Zahl der eingesetzten Tiere.
Die Fliegen werden immer mit einem Pinsel bewegt, um Verletzungen zu vermeiden.
Rezept für Nahrungsbrei
Die Fliegen und ihre Larven ernähren sich überwiegend von Kohlenhydraten. Der Nahrungsbrei enthält daher Maismehl, Malzextrakt und Zuckerrübensirup. Um ihn zu versteifen wird Agar
zugesetzt, eine Algensubstanz, die nicht gefressen wird. Da dieser Nährboden auch für Schimmelpilze und Bakterien geeignet wäre, die man nicht wachsen lassen möchte, wird Propionsäure und
Nipagin (ein Antibiotikum gegen Pilze) zugesetzt.
Das Rezept (für ungefähr 80 Nährbodenflaschen des Typs, der im Praktikum verwendet
wird) enthält im einzelnen:
1200 ml Wasser, 9 g Agar, 18 g Hefe, 100 g Maismehl, 100 g Malzextrakt, 23 g Zuckerrübensirup, 12 ml Nipagin (20mg/ml in 70% Ethanol), 26 ml 20% Propionsäure.
Zuerst wird der Agar in 900 ml Wasser 15 min gekocht, dann Maismehl und Hefe, in 300 ml
kaltem Wasser angerührt, dazugegeben; 30 min leicht kochen lassen. Malzextrakt und Zuckerrübensirup, in 50 ml Wasser eingerührt, zugeben, auf 55°C abkühlen lassen. Nipagin und Propionsäure zusetzen und sofort 2-3 cm hoch in Flaschen gießen.
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