FORUM ERNÄHRUNGSMEDIZIN Wissenschaftliche Ernährungsinformation Ballaststoffe PROF. DR. MED. HEINRICH KASPER Wissenschaftliche Ernährungsinformation Ballaststoffe In der Reihe FORUM ERNÄHRUNGSMEDIZIN Inhaltsverzeichnis „Wissenschaftliche Ernährungsinformation: Ballaststoffe“ ist eine ernährungsmedizinische Informationsschrift in der Reihe FORUM ERNÄHRUNGSMEDIZIN Geschichte 4 Definitionen und Einteilung von Ballaststoffen Definitionen Einteilung in „lösliche“ und „unlösliche“ Ballaststoffe 5 Aufnahme und Empfehlungen für die Zufuhr Mittlere Ballaststoffzufuhr Richtwerte für die Tageszufuhr von Ballaststoffen 10 Physiologische Effekte von Ballaststoffen Wirkungen der Ballaststoffe auf den Dickdarm Wirkungen der Ballaststoffe im Dünndarm 12 Ballaststoffe in der Prävention und Therapie von Funktionsstörungen sowie Erkrankungen Darmerkrankungen Übergewicht und Adipositas Arteriosklerotische Gefäßerkrankungen Diabetes mellitus Typ 2 IMPRESSUM 19 Herausgeber: KELLOGG (DEUTSCHLAND) GMBH Postfach 10 42 40 D-28042 Bremen. Für die Beratung Tipps für einen gesunden Lebensstil Vorlage eines Fragebogens für die Beratung 30 Autor: Prof. Dr. med. Heinrich Kasper Literaturverzeichnis 34 Konzept und Redaktion: :relations GmbH 60598 Frankfurt a.M. Layout und Satz: Regler ComputerSatz 28211 Bremenhrista Herzer0596 Frankfurt a.M. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne ausdrückliche Genehmigung der KELLOGG (DEUTSCHLAND) GMBH reproduziert werden. © FORUM ERNÄHRUNGSMEDIZIN Stand: März 2008 1100/6000 Druck: Berlin Druck GmbH & Co. KGHella Pukowski 28832 Achim452 Hanau 3 Geschichte Definitionen und Einteilung von Ballaststoffen Das Interesse von Ernährungswissenschaft und Medizin war bis Anfang der 1970er Jahre auf die Bedeutung essenzieller Nährstoffe wie Vitamine, Spurenelemente und Proteine fokussiert. Die nicht unmittelbar für die Bedarfsdeckung relevanten Nahrungsbestandteile schienen ohne Bedeutung und fanden kaum wissenschaftliches Interesse – dies galt auch für die Ballaststoffe. Es gab jedoch, wie oft in der Geschichte, einige Wissenschaftler, die Weitsicht bewiesen. So schrieb der bekannte Chemiker von Liebig 1859: „Die Absonderung der Kleie vom Mehl ist eine Sache des Luxus und für die Ernährungszwecke schädlicher als nützlich.“ Im frühen 19. Jahrhundert hatten auch Graham und später die Brüder Kellogg in den USA die gesundheitsfördernde Wirkung von Getreideprodukten erkannt und propagierten eine Ernährung reich an Produkten aus dem ganzen Korn. Nach der „DietaryFiber-Hypothese“ begünstigt eine geringe Ballaststoffzufuhr die Entstehung zahlreicher Erkrankungen Breites Interesse an den Ballaststoffen und die wissenschaftliche Untersuchung ihrer Wirkungen auf die Organe des Gastrointestinaltrakts sowie den menschlichen Stoffwechsel setzte erst nach Bekanntwerden der von den Engländern Burkitt, Trowell, Painter und anderen in den 1960er Jahren aufgestellten „Dietary-FiberHypothese“ ein (1). Diese besagt, dass die Entstehung einer Vielzahl der in den westlichen Industrieländern häufigen Erkrankungen und Funktionsstörungen – wie Kolonkarzinom, Hämorrhoiden, Obstipation, Arteriosklerose, Diabetes mellitus und Adipositas – durch den stetig abnehmenden Verzehr von Ballaststoffen begünstigt wird. Die Hypothese stützt sich auf langjährige Erfahrungen überwiegend englischer Ärzte mit der indigenen Bevölkerung in Ostafrika und Indien. Sie beobachteten, dass diese Erkrankungen bei der afrikanischen und indischen Bevölkerung relativ selten auftraten, während sie in den westlichen Industrieländern epidemieartig zunahmen. Der binnen kurzer Zeit veränderte Lebensstil in den westlichen Industrieländern lag als eine der Möglichkeiten zur Erklärung dieses Phänomens am nächsten. Hier wandelten sich insbesondere die traditionellen Ernährungsgewohnheiten, während sich die Bevölkerung in Afrika weiterhin überwiegend von Vollkornprodukten, Gemüse und Obst bei geringer Zufuhr an Fleisch und Fett ernährte. 4 In Deutschland hat sich allgemein der Begriff „Ballaststoffe“ für die unverdaulichen Bestandteile pflanzlicher Lebensmittel durchgesetzt. Der durch den Wortbestandteil „Ballast“ eher irreführende Begriff wurde zu einer Zeit geprägt, als die Wissenschaftler die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Ballaststoffe noch nicht erkannt hatten. Seltener findet man auch die Bezeichnungen Nahrungsfasern, Pflanzenfasern oder Faserstoffe in Anlehnung an den Begriff „Dietary Fiber“ aus dem Angelsächsischen. DEFINITIONEN Nach wie vor existiert keine allgemein anerkannte Definition für Ballaststoffe. Während Kliniker und Ernährungswissenschaftler eine an den Effekten im Organismus orientierte Begriffserklärung wählen, beziehen sich Chemiker in ihrer Definition auf die Zusammensetzung der Einzelkomponenten. Einigkeit besteht aber darin, dass die Nicht-Verdaulichkeit das Hauptcharakteristikum der Ballaststoffe darstellt und eine Definition auf Basis ihrer physiologischen Eigenschaften unentbehrlich ist. Nicht-Verdaulichkeit stellt das Hauptcharakteristikum der Ballaststoffe dar Die „physiologische“ Definition der Codex-Alimentarius-Kommission besagt (2): Es handelt sich um Kohlenhydratpolymere (außer Mono- und Disacchariden), die im Dünndarm weder abgebaut noch resorbiert werden. Sie setzen sich zusammen aus Kohlenhydratpolymeren aus natürlichen, verzehrsfertigen Lebensmitteln, aus solchen, die aus Lebensmitteln mittels physikalischer, enzymatischer oder chemischer Methoden gewonnen werden, sowie aus synthetischen Kohlenhydratpolymeren. Ballaststoffe haben generell unter anderen die Eigenschaften, das Stuhlvolumen und -gewicht zu erhöhen und die intestinale Transitzeit zu verkürzen. Ballaststoffe werden partiell von der intestinalen Mikroflora abgebaut, sie reduzieren den Blutcholesterinspiegel und/oder das LDL-Cholesterin und senken die postprandiale Blutglukose und/oder den Insulinspiegel. Die Definition umfasst auch die sogenannte resistente Stärke, die ebenfalls im Dünndarm nicht abgebaut werden kann (siehe dazu auch Seite 8). 5 Die „chemische“ Definition lautet: Ballaststoffe sind Kohlenhydratpolymere und Nicht-Stärke-Polysaccharide sowie Lignin, die primär Bestandteile pflanzlicher Zellwände sind. Die Vielzahl der Ballaststoffe lässt sich nicht mit einer Methode erfassen Keine der Definitionen, über deren Formulierung seit Langem international diskutiert wird, ist voll zufriedenstellend. Das Gleiche gilt für eine exakte Analytik, mit der die sehr heterogene Stoffgruppe ausreichend sicher erfasst wird. Vielfach erfolgt die Analyse auf der von der Association of the Official Analytical Chemists (AOAC) entwickelten enzymatischen Methode. Zufuhrempfehlungen stützen sich aber auch auf Werte, die mit der sogenannten Englyst-Methode ermittelt wurden. Sicher ist nur eines: Die Vielzahl der heute den Ballaststoffen zugeordneten Stoffe lässt sich nicht mit einer einzigen Methode erfassen. EINTEILUNG IN „LÖSLICHE“ UND „UNLÖSLICHE“ BALLASTSTOFFE „Lösliche“ Ballaststoffe sind viskös und Gel bildend, „unlösliche“ quellen auf Die Unterteilung von Nicht-Stärke-Polysacchariden in „wasserlösliche“ und „wasserunlösliche“ stammt aus der frühen Analytik. „Löslich“ bedeutet dabei nicht, dass sich der Ballaststoff bis zum Verschwinden auflöst, wie es beispielsweise bei der Auflösung von Zucker in Wasser der Fall ist. Die Unterscheidung in „(wasser-)löslich“ und „(wasser-)unlöslich“ bezieht sich vielmehr auf die unterschiedliche Fähigkeit zur Wasserbindung. Nach damaligem Verständnis waren „lösliche“ Ballaststoffe visköse und Gel bildende Stoffe, die die Glukose- und Fettresorption beeinflussen. Zur Gruppe der „unlöslichen“ Ballaststoffe zählte man all diejenigen, die aufquellen und dadurch Effekte auf die Darmfunktion und -aktivität haben. Heute weiß man, dass diese einfache Einteilung aufgrund der physiologischen Wirkungen nicht für alle Ballaststoffkomponenten zutreffend ist. Gleichwohl ist sie nach wie vor sehr gebräuchlich und wird daher auch in dieser Broschüre verwendet. „Wasserunlösliche" Ballaststoffe, wie Zellulose, Hemizellulose und Lignin, werden im Dickdarm bakteriell nur geringfügig abgebaut und folglich zum größten Teil mit dem Stuhl ausgeschieden. Aufgrund des hohen Wasserbindungsvermögens erhöhen „unlösliche“ Ballaststoffe sowohl das Volumen als auch das Gewicht des Stuhls. Dadurch wird die Peristaltik angeregt und verkürzt sich 6 die Transitzeit im Dickdarm. Dieser Effekt beugt unter anderem Obstipation vor. Die wichtigsten „unlöslichen“ Ballaststoffe sind: ◆ Zellulose Sie ist der Hauptbestandteil von Pflanzenzellwänden und dient dort der Strukturbildung. Zellulose ist ein Glukosepolymer mit einem relativ hohen Wasserbindungsvermögen. Ein großer Teil der Ballaststoffe in Weizenkleie besteht aus Zellulose. Diese macht in Getreide und Früchten rund ein Viertel der gesamten Ballaststoffe aus, in Gemüse und Nüssen rund ein Drittel. ◆ Hemizellulose Ist ein aus Pentosen und Hexosen bestehendes Polysaccharid. Sie bildet zusammen mit Zellulose einen der wesentlichen stabilisierenden Bestandteile von Pflanzenzellwänden und ist ebenfalls reichlich in der Kleieschicht von Getreide enthalten. Ballaststoffe in Gemüse, Früchten, Hülsenfrüchten und Nüssen bestehen zu etwa einem Drittel aus Hemizellulose. ◆ Lignin Während die bisher genannten Ballaststoffe zur Gruppe der unverdaulichen Kohlenhydrate zählen, ist Lignin kein Kohlenhydrat, sondern ein Phenylpropanpolymer. Die auch als Holzstoff bezeichnete Substanz entsteht vermehrt während des Alterns von Pflanzen als Stützsubstanz zur Stabilisierung von Strukturen. „Wasserlösliche" Ballaststoffe wie Pektine in Blattgemüse und Obst und Beta-Glucane in Getreide, insbesondere Hafer und Gerste, verfügen über Quervernetzungen ihrer Moleküle. Hier entstehen im molekularen Aufbau „Hohlräume“, in die Wasser eingelagert werden kann. Die Wasserbindungskapazität ist so enorm groß, dass z. B. Pektin bis zum 60-Fachen seines Eigengewichts an Wasser binden und so sein Volumen um ein Vielfaches erhöhen kann. „Wasserlösliche“ Ballaststoffe werden allerdings nahezu vollständig von Mikroorganismen im Kolon abgebaut, wodurch das Wasser wieder frei wird. Somit hat die Volumenvermehrung durch Wassereinlagerung nur einen unbedeutenden Einfluss auf das für die Bewegungsabläufe im Dickdarm wichtige Stuhlvolumen. Die Bedeutung „löslicher“ Ballaststoffe besteht vielmehr darin, dass sie die glykämische Antwort des Körpers auf den Verzehr von verwertbaren Kohlenhydraten verbessern, Die Volumenvermehrung durch „lösliche“ Ballaststoffe ist unbedeutend 7 den Cholesterinspiegel senken und ihre Fermentationsprodukte im Kolon diverse Schutzwirkungen entfalten. Zu den wichtigsten „löslichen“ Ballaststoffen zählen: ◆ Pektine Sie sind Polymere aus Galakturonsäure mit Seitenketten aus verschiedenen Monosacchariden und Zuckeralkoholen. Pektine sind löslich in heißem Wasser und bilden beim Abkühlen Gele. Sie haben die Fähigkeit, verschiedene organische Substanzen wie Gallensäuren zu binden. Die Eigenschaften der Pektine variieren je nach Herkunft. Besonders reich an Pektin sind Äpfel und Zitrusfrüchte. In Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen machen sie 15 bis 20 Prozent der Ballaststoffe aus. ◆ Beta-Glucane Sie sind Glukosepolymere, die visköse Lösungen bilden. Beta-Glucane kommen reichlich in Hafer und Gerste vor, sind in Weizen hingegen nur in geringen Mengen enthalten. ◆ Sonstige Neben diesen wichtigsten Komponenten gibt es noch eine Vielzahl weiterer „löslicher“ Ballaststoffe, wie Pflanzengummis, Schleimstoffe und Speicherkohlenhydrate. Hierzu zählen Substanzen, die auch Bestandteile von Lebensmitteln sind bzw. bei deren Verarbeitung zur Stabilisierung, Wasserbindung, Verdickung und Konsistenzverbesserung verwendet werden. Zu ihnen zählen Gummi arabicum, Algin, Agar, Guaran, Carrageen und Johannisbrotkernmehl. Auch Inulin und Oligofruktose sind „lösliche“ Ballaststoffe. Wie sich die Ballaststoffe in verschiedenen Lebensmitteln zusammensetzen, zeigt Tabelle 1. Resistente Stärke entfaltet im Kolon ballaststoffähnliche Wirkungen Resistente Stärke nimmt eine Sonderstellung ein. Diese im Dünndarm enzymatisch nicht abbaubare Stärke tritt ins Kolon über und entfaltet hier ballaststoffähnliche Wirkungen. Der Gehalt an resistenter Stärke in pflanzlichen Lebensmitteln variiert stark. Zusätzlich wird er in hohem Maße durch die Dauer und Intensität der Hitzeeinwirkung bei der Zubereitung beeinflusst. Von Bedeutung ist weiterhin die kristalline Struktur der Stärkegranula. Es werden beispielsweise die Stärkegranula aus rohen 8 Kartoffeln oder grünen Bananen nur wenig abgebaut. Erst unter Hitzebehandlung kommt es zu einer Strukturänderung (Gelatinisierung), die einen Abbau durch Alpha-Amylase ermöglicht. Nach Abkühlung kann die Stärke rekristallisieren (retrogradieren) und so wieder in eine durch das Enzym nicht angreifbare Form übergehen. Verzehrt man eine frisch gekochte, noch heiße oder warme Kartoffel, so ist die Zufuhr an resistenter Stärke sehr gering. Einen relativ hohen Gehalt an resistenter Stärke dagegen haben gekochte und abgekühlte Kartoffeln. Auch Brot, gegarter Reis und Teigwaren sind nennenswerte Quellen für resistente Stärke. Lebensmittel Ballaststoffe gesamt (g/100g) Getreideprodukte Weizenkleie Haferkleie Weizenvollkornbrot Roggenmischbrot Weizenmischbrot Vollkornnudeln, gekocht Toastbrot Gemüse und Hülsenfrüchte Linsen, gekocht Limabohnen, gekocht Rosenkohl, gekocht Grüne Erbsen, gekocht Sauerkraut, gekocht Karotten, roh Grüne Bohnen, gekocht Endivie, roh Blumenkohl, gekocht Paprika, grün, roh Kartoffeln, gekocht Obst und Nüsse Mandeln Erdnüsse Aprikosen, getrocknet Pflaumen, getrocknet Walnüsse Orangen Äpfel Bananen davon "unlösliche" Ballaststoffe (g/100g) davon "lösliche" Ballaststoffe (g/100g) 49,3 18,6 6,9 6,0 4,8 4,4 3,8 45,7 10,4 4,9 3,8 2,1 0,7 2,0 3,6 8,2 2,0 2,2 2,7 3,7 1,8 5,2 5,0 4,5 4,4 3,5 3,2 3,0 2,8 2,6 1,6 1,5 4,6 4,0 2,7 3,8 2,6 1,7 2,3 2,0 1,7 1,1 1,2 0,6 1,0 1,8 0,6 0,9 1,5 0,7 0,8 0,9 0,5 0,3 11,2 8,8 7,8 6,6 4,8 2,4 2,0 2,0 10,1 5,5 5,2 2,8 2,8 0,9 1,3 1,4 1,1 3,3 2,6 3,8 2,0 1,5 0,7 0,6 Abgekühlte Pellkartoffeln, Brot und Teigwaren sind nennenswerte Quellen für resistente Stärke Tab. 1: Gehalt verschiedener Lebensmittel an „löslichen“ und „unlöslichen“ Ballaststoffen (1) 9 Aufnahme und Empfehlungen für die Zufuhr Während der Evolution adaptierten sich gastrointestinale und Stoffwechselfunktionen an eine hohe Ballaststoffzufuhr Für den Menschen war es während der Evolution zur Deckung seines Energiebedarfs vorteilhaft, Lebensmittel mit hoher Energiedichte zu bevorzugen, also Lebensmittel reich an Fett und leicht verwertbaren Kohlenhydraten, insbesondere Zucker. Doch wegen der geringen Verfügbarkeit solcher Lebensmittel nahm er gleichzeitig auch große Mengen an Ballaststoffen mit seiner Nahrung zu sich. Folglich adaptierten sich sowohl gastrointestinale als auch Stoffwechselfunktionen während langer Zeiträume an eine hohe Ballaststoffzufuhr. Als Folge der Fortschritte bei der Lebensmittelproduktion (Züchtung von Kulturpflanzen, technologische Entwicklungen wie z. B. neue Mühlentechniken) ist es erst während einer kurzen Phase der Menschheit möglich, überwiegend Lebensmittel mit hoher Energiedichte und geringem Ballaststoffanteil zu konsumieren. chenden Ableitung sowie durch verschiedene Analysemethoden und zugrunde gelegte Ballaststoffdefinitionen. Für Kinder fehlen hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungen von Ballaststoffen, weshalb bislang nur wenige Länder Zufuhrempfehlungen entwickelt haben. Die „American Health Foundation“ empfiehlt für Kinder ab drei Jahren und für Heranwachsende bis 20 Jahre als Mindestzufuhr eine Menge in Gramm, die sich aus dem Lebensalter + 5 errechnet (z. B.: Zufuhr bei Kindern von fünf Jahren = 10 g pro Tag). In Großbritannien wird empfohlen, dass Kinder unter zwei Jahren keine ballaststoffreichen Lebensmittel zu sich nehmen sollten, da diese zur Sättigung führen können, bevor der Energiebedarf gedeckt ist. Nur in wenigen Ländern gibt es Zufuhrempfehlungen für Kinder MITTLERE BALLASTSTOFFZUFUHR Die mittlere Ballaststoffzufuhr der Bevölkerung in Deutschland ist zu gering Die mittlere tägliche Aufnahme an Ballaststoffen lag in Deutschland zu Beginn des vorigen Jahrhunderts bei etwa 100 g pro Tag und Person und Mitte bis Ende der 1920er Jahre noch bei fast 40 g (3). Derzeit beträgt die mittlere Zufuhr nach Angaben des Ernährungsberichts der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2004 für 25- bis unter 51-jährige Frauen und Männer 23 g pro Tag und Kopf (4). Wobei von einer statistischen Schwankungsbreite von 15 g bis 30 g pro Tag ausgegangen wird (1). Je nach Ernährungsgewohnheiten nimmt ein Teil der Bevölkerung in Deutschland deutlich weniger als 16,5 g Ballaststoffe pro Tag zu sich. Generell – auch im internationalen Vergleich – ist die Ballaststoffzufuhr bei Frauen geringer als bei Männern. RICHTWERTE FÜR DIE TAGESZUFUHR VON BALLASTSTOFFEN Die Gesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz geben als Richtwert für die Zufuhr von Ballaststoffen für Erwachsene eine Menge von mindestens 30 g pro Tag an (5). Nach internationalen Richtlinien (EURODIET, WHO und FAO) sollte die tägliche Ballaststoffaufnahme bei mindestens 25 g liegen (6). Das amerikanische „Food and Nutrition Board“ empfiehlt erwachsenen Männern unter 50 Jahren sogar 38 g und gleichaltrigen Frauen 25 g Ballaststoffe täglich. Die Unterschiede bei den Empfehlungen ergeben sich aus der voneinander abwei- 10 11 Physiologische Effekte von Ballaststoffen Die Empfehlungen für eine optimale Ballaststoffzufuhr basieren auf Kenntnissen über den Einfluss von Ballaststoffen auf die Funktion von Organen des Gastrointestinaltrakts sowie auf den Glukose- und Lipidstoffwechsel. Dies begründet ihren Einsatz in Prävention und Therapie. WIRKUNG DER BALLASTSTOFFE AUF DEN DICKDARM Von der Vielzahl an Effekten, die Ballaststoffe im menschlichen Organismus haben, stehen die auf die Kolonfunktion im Vordergrund. Dies betrifft sowohl die Motilität des Organs und damit die sogenannte intestinale Transitzeit als auch die Einflüsse auf die intestinale Bakterienflora. „Lösliche“ Ballaststoffe werden bis zu 100 Prozent und hauptsächlich zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut n-Butyrat ist der Hauptnährstoff der Kolonschleimhaut 12 ◆ Fermentation zu kurzkettigen Fettsäuren Die Darmbakterien verfügen über Enzymsysteme, die Ballaststoffe je nach ihrer Art und Zusammensetzung abbauen (fermentieren) können. Wesentliche Effekte der Ballaststoffe beruhen auf den dabei entstehenden Spaltprodukten. Während die „löslichen“ Ballaststoffe bis zu 100 Prozent abgebaut werden, liegt die Fermentation der „unlöslichen“ Ballaststoffe darunter und ist eher unbedeutend: Bei Hemizellulose findet sie zu 50 bis 80 Prozent, bei Zellulose zu 30 bis 50 Prozent statt. Bei der Fermentation entstehen hauptsächlich die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat und n-Butyrat. Diese Fettsäuren werden etwa im Verhältnis 60 zu 25 zu 10 gebildet und zu einem hohen Prozentsatz von der Kolonschleimhaut resorbiert. Die Gesamtmenge an kurzkettigen Fettsäuren, aber auch die Relation der einzelnen Fettsäuren zueinander ist vom Substratangebot, d. h. von der Menge und der Art der Ballaststoffe im Darmlumen abhängig. Aufgrund der Fermentation geht man bei Ballaststoffen von einem durchschnittlichen Energieeintrag von ca. 2 kcal pro g (8 kJ/g) aus. Entsprechend liefert die wünschenswerte Ballaststoffmenge von täglich mindestens 30 g eine Energiemenge von ca. 60 kcal (240 kJ). Während Acetat und Propionat nach der Resorption mit dem Pfortaderblut abtransportiert werden, dient n-Butyrat der Kolonschleimhaut bevorzugt als Energie lieferndes Substrat. Etwa 70 Prozent ihres Energiebedarfs wird durch n-Butyrat gedeckt, d. h., es ist ihr Hauptnährstoff, der der Funktionsfähigkeit dient. Eine wichtige Funktion der Kolonschleimhaut ist die einer Barriere. Hierdurch wird der Übertritt (Translokation) von Bakterien, Allergenen, Toxinen etc. durch die Mukosa in die Blutbahn verhindert. Es gibt weiterhin deutliche Hinweise darauf, dass eine ausreichende n-Butyratsynthese regulierend auf Zellteilungsmechanismen in der Kolonschleimhaut wirkt und damit der malignen Entartung vorbeugt. Damit finden die epidemiologischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Ballaststoffzufuhr und Häufigkeit des Kolonkarzinoms eine biochemische Erklärung. Weitere Endprodukte der Fermentation sind die Gase Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan. Die Fermentation findet überwiegend im Caecum und Colon ascendens statt. Hier kommt es als Folge der bakteriellen Säureproduktion zu einem Abfall des pH-Wertes des Stuhls auf 6,5 bis 5,5. Dadurch wird das Wachstum pathogener Organismen gehemmt. Außerdem wird der Abbau von Peptiden sowie die Bildung toxischer Substanzen, wie Ammoniak und sekundäre Gallensäuren, reduziert. Die Gase werden teils nach Durchtritt durch die Mukosa physikalisch im Pfortaderblut gelöst und letztlich mit der Ausatmungsluft ausgeschieden. Ein weiterer Teil der Intestinalgase wird durch Flatus entleert (7, 8). ◆ Darmmotilität und Transitzeit Die intestinale Transitzeit, d. h. die Zeit von der oralen Nahrungsaufnahme bis zum Übertritt der Rückstände ins Rektum, wird wesentlich von der Passagezeit im Kolon bestimmt. Die Intestinalpassage, besonders die im Kolon, hängt abgesehen von hormonalen und psychischen Faktoren in großem Maße von der Ballaststoffzufuhr ab. Dabei sind das Stuhlgewicht bzw. das Stuhlvolumen wichtige Einflussgrößen: Je höher das Gewicht, umso kürzer ist die intestinale Transitzeit. Wie sehr das mittlere Stuhlgewicht mit der Ernährungsweise und folglich der unterschiedlichen Ballaststoffzufuhr zusammenhängt, zeigt der mittlere Anstieg des Stuhlgewichts durch die Zufuhr unterschiedlicher isolierter Ballaststoffe und Lebensmittel (Abb. 1). Es handelt sich um eine zusammenfassende Darstellung mehrerer in der Literatur mitgeteilter Befunde. Am effektivsten zeigt sich Weizenkleie mit einer mittleren Steigerung des Stuhlgewichts um 5,4 g + 0,7 g pro Gramm aufgenommener Kleie. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur bei isolierter Weizenkleie, sondern auch bei mit Weizenkleie angereicherten Produkten wie z. B. Durch bakterielle Säureproduktion wird u. a. das Wachstum pathogener Organismen gehemmt Je höher die Ballaststoffzufuhr, desto höher das Stuhlgewicht und desto kürzer die intestinale Transitzeit Weizenkleie steigert das Stuhlgewicht am effektivsten 13 Frühstückscerealien (9, 10). Den geringsten Einfluss dagegen hat das „wasserlösliche“ Pektin, das zu nahezu 100 Prozent bakteriell abgebaut wird. Dabei ist ein geringer Anstieg des Stuhlgewichts nachweisbar, der auf einer Zunahme der Bakterienmasse beruht. Der relativ hohe Anstieg bei der Zufuhr von Ballaststoffen aus Obst und Gemüse zeigt, dass trotz des hohen Gehaltes an „löslichen“ bakteriell abbaubaren Ballaststoffen mit dieser Lebensmittelgruppe auch relativ viel „unlösliche“, also nur gering abbaubare Ballaststoffe verzehrt werden, die das Stuhlgewicht steigern (Lit. bei 1, 7). Abb.1: Mittlerer Anstieg des Stuhlfeuchtgewichts pro Gramm verzehrter Ballaststoffe aus Lebensmitteln oder in isolierter Form (zit. nach 1, Cummings) Pektin Fruktosepolymere Inulin und Oligofruktose, die den gesundheitsfördernden Mikroorganismen als Substrat dienen und somit deren Wachstum und Vermehrung begünstigen. Sie finden sich in relativ hoher Konzentration vor allem in Weizen, Topinambur, Zichorien, Spargel, Knoblauch und Zwiebeln und werden Lebensmitteln in isolierter Form zugesetzt. Diese Substanzgruppen werden selektiv von Bifidobakterien fermentiert. Die hierbei entstehenden organischen Säuren und antibakteriell wirkenden Stoffwechselprodukte (Bacteriozine) hemmen das Wachstum von Clostridien, Kolibakterien, Bacteroides und wahrscheinlich auch von pathogenen Bakterien wie Lysterien oder Salmonellen. Pro- und Präbiotika steigern die Zahl gesundheitsfördernd wirkender Bakterien im Darm Neben der Begünstigung einer optimalen Zusammensetzung der Intestinalflora – dies gilt besonders auch für die Regeneration der physiologischen Flora nach Behandlung mit Breitbandantibiotika – üben Bifidobakterien einen stimulierenden Effekt auf das darmassoziierte Immunsystem aus. Ebenso wie die Ballaststoffe Inulin und Oligofruktose begünstigt der bifidogene Faktor der Muttermilch die überwiegende Besiedlung des Kolons gestillter Säuglinge mit Bifidobakterien (Lit. bei 7). Zellulose Weizenkleie Früchte + Gemüse Hafer Mais Hülsenfrüchte 0 1 2 3 4 5 6 7 Anstieg Stuhlgewicht (g pro g verzehrter Ballaststoffe) ◆ Stimulierung des darmassoziierten Immunsystems Der gesamte Gastrointestinaltrakt ist bakteriell besiedelt. Die höchste Dichte an Mikroorganismen findet sich im terminalen Ileum und im Kolon. Die Kolonflora setzt sich aus etwa 400 bis 500 verschiedenen Spezies zusammen. Die Gesamtkeimzahl im Darm wird mit 1.014 lebenden Mikroorganismen angegeben, einer Menge, die die Anzahl körpereigener Zellen etwa um das Zehnfache übertrifft. WIRKUNGEN DER BALLASTSTOFFE IM DÜNNDARM Die Freisetzung von Nährstoffen aus Lebensmitteln und deren enzymatischer Abbau zu resorptionsfähigen Spaltprodukten im Dünndarm sind von vielfältigen Faktoren abhängig. Der sehr komplexe Verdauungsvorgang wird bei pflanzlichen Lebensmitteln ganz wesentlich vom Ballaststoffgehalt und den Eigenschaften der Ballaststoffe mitbestimmt – also davon, ob diese „wasserlöslich“ oder „-unlöslich“ sind. So variiert z. B. je nach Grad der mechanischen Zerkleinerung und dem Ballaststoffanteil von Getreideprodukten die Angriffsfläche von Alpha-Amylase und damit das Ausmaß der Freisetzung von Maltose bzw. Glukose. Zusätzlich verzögert ein hoher Ballaststoffanteil der Kost die Magenentleerung und damit auch die Glukoseresorption. Menge und Art der Ballaststoffe bestimmen den Verdauungsvorgang wesentlich mit Die Darmflora hat verschiedene Wirkungen auf den Gesamtorganismus, so z. B. durch ihre Effekte auf das darmassoziierte Immunsystem. Gesundheitsfördernd wirken insbesondere Milchsäurebakterien (Lactobazillen) und Bifidobakterien, deren Zahl durch orale Gabe von Probiotika und sogenannten Präbiotika gesteigert werden kann. Präbiotika sind Ballaststoffe wie die 14 15 ◆ Glukosefreisetzung und Glykämischer Index Der Anstieg der Blutglukosekonzentration nach dem Verzehr eines kohlenhydratreichen Lebensmittels (postprandiale Blutglukosekonzentration) hängt wesentlich von der Geschwindigkeit der Glukosefreisetzung bei der Verdauung ab. Hierauf beruht der bei der diätetischen Behandlung des Diabetes mellitus hilfreiche sogenannte Glykämische Index (GI). Der Glykämische Index einer Mahlzeit wird durch viele Faktoren bestimmt Dieser Index wird in Testreihen mit Probanden ermittelt, bei denen nach dem Verzehr von Lebensmitteln mit jeweils gleicher Menge an verwertbaren Kohlenhydraten der Anstieg der Blutglukose gemessen wird. Als Standard gilt Traubenzucker (Glukose), dessen GI gleich 100 Prozent gesetzt wird. Werden Lebensmittel mit hohem GI, wie z. B. Weißbrot, Kartoffelpüree oder Geleefrüchte, verzehrt, steigt der Blutglukosespiegel sprunghaft und stark an und entsprechend hoch ist die Insulinantwort – eine Situation, die insbesondere Diabetiker meiden sollten. Neben dem Ballaststoffgehalt bestimmen weitere Faktoren wie beispielsweise die Art der Ballaststoffe, der Fett-, Eiweiß- sowie der Energiegehalt des Lebensmittels bzw. der Mahlzeit die Höhe des GI mit. Dieser Einfluss ist so stark, dass sich kein Zusammenhang zeigt zwischen dem aufgrund der Zusammensetzung einer Mahlzeit kalkulierten GI und dem GI, der nach dem Verzehr der Mahlzeit gemessen wurde (11). den Durchtritt von Zucker durch die „unstirred water layer“ auf der Mukosaoberfläche verzögern. Hierbei handelt es sich um eine Trennschicht zwischen wasserlöslichem Milieu im Darmlumen und der Lipidmembran der Dünndarmepithelzellen. Unter hoher Zufuhr etwa von Pektin, Guaran oder Johannisbrotkernmehl kommt es aufgrund des genannten Mechanismus zu einer deutlichen Verzögerung der Glukoseresorption. Der Verzehr dieser Substanzen zusammen mit einer Mahlzeit kann bei Diabetikern zur Vermeidung von postprandialen Blutzuckerspitzen genutzt werden. Blutglukose (mg/100 ml) ohne Guaran 200 mit Guaran 160 Abb. 2: Verhalten der mittleren Glukosekonzentration im Serum von Versuchspersonen nach oraler Gabe von Glukose mit und ohne Zusatz von 12 g Guaran (12) 120 80 Es ist auch nicht zwangsläufig so, dass der GI mit der Höhe des Ballaststoffgehaltes eines Lebensmittels korreliert. So hat Vollkornbrot einen vergleichbar hohen GI wie Weißbrot, sofern es nicht intakte Getreidekörner enthält. Der GI einer Frucht ist niedriger als der des daraus gewonnenen Safts, selbst dann, wenn dem Saft Ballaststoffe zugesetzt werden. Dies deutet darauf hin, dass intakte Zellen die Verwertung von Kohlenhydraten verzögern, und betont die Bedeutung des Verzehrs von Lebensmitteln in ihrer natürlichen bzw. in wenig bearbeiteter Form. „Lösliche“ Ballaststoffe senken die glykämische Antwort des Körpers 16 „Wasserlösliche“ Ballaststoffe – sowohl aus intakten Lebensmitteln wie Hafer und Gemüse als auch als Zusatz, z. B. als Guaran, Pektin oder Johannisbrotkernmehl – senken die glykämische Antwort des Körpers. Dieser Effekt beruht zum einen auf der Verzögerung der Magenentleerung, zum anderen auf einer Hemmung der Glukoseresorption. „Lösliche“ Ballaststoffe bilden mit Wasser Gele, die 0 1 2 3 4 Stunden ◆ Senkung des Cholesterinspiegels In einer Vielzahl von Studien fand sich eine inverse Beziehung zwischen der Serumcholesterinkonzentration und der Ballaststoffzufuhr, insbesondere der von „löslichen“ Ballaststoffen. So konnte z. B. gezeigt werden, dass der Verzehr von 120 bis 140 g Haferflocken oder 100 g Haferkleie pro Tag die Konzentration an Gesamtcholesterin binnen drei Wochen um bis zu 19 Prozent und die an LDL-Cholesterin um bis zu 23 Prozent senkt (13, 14). 17 Ballaststoffe in der Prävention und Therapie von Funktionsstörungen sowie Erkrankungen Insbesondere „lösliche“ Ballaststoffe steigern den Mehrbedarf an Cholesterin für die Synthese von Gallensäuren Ein negativer Einfluss von Phytin wird vermutlich durch den Nährstoffgehalt pflanzlich betonter Kost ausgeglichen Erklärt wird dieser im Rahmen der Infarktprävention in der Praxis nur wenig genutzte Effekt (15) wie folgt: Ballaststoffe binden im Dünndarm Gallensalze und transportieren sie ins Kolon, von wo aus sie mit den Faeces ausgeschieden werden. Dies gilt insbesondere für die „löslichen“ Ballaststoffe wie Pektin, Beta-Glukan und Guaran. Da unter üblichen Ernährungsbedingungen in den letzten etwa 30 cm des Ileums (terminales Ileum) weit über 90 Prozent der Gallensalze rückresorbiert und mit dem Pfortaderblut der Leber wieder zugeführt werden, stehen der Leber für die Synthese von Gallenflüssigkeit unter Gabe der genannten Ballaststoffe zu wenig rückresorbierte Gallensalze zur Verfügung. Die Folge ist eine Steigerung der Neusynthese von Gallensäuren bzw. Gallensalzen in der Leber. Die Ausgangssubstanz hierfür ist Cholesterin. Der Mehrbedarf für die Synthese verringert folglich den Cholesterinpool des Körpers und damit die Serumkonzentration. Ballaststoffe senken zudem das Serumcholesterin über eine Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber. Zumindest im Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass die beim bakteriellen Abbau von Ballaststoffen anfallende Propionsäure, die von der Kolonschleimhaut resorbiert und mit dem Pfortaderblut zur Leber transportiert wird, die Neusynthese von Cholesterin hemmt (Lit. bei 7). ◆ Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen Bei einigen Ballaststoffen, insbesondere denen in Kleie, die zusammen mit Phytin vorliegen, wurde vermutet, dass sie die Bioverfügbarkeit einiger Mineralstoffe negativ beeinflussen könnten. Dies betrifft vor allem die Mineralstoffe Eisen, Calcium und Zink, die mit Phytin einen nicht resorbierbaren Komplex bilden. Es spricht vieles dafür, dass ein hoher Ballaststoffanteil der Nahrung auch dann, wenn phytinreiche Vollkornprodukte verzehrt werden, zu keiner Beeinträchtigung der Bedarfsdeckung mit Mineralstoffen führt, wenn dies im Rahmen einer optimal zusammengesetzten Mischkost geschieht (16). Denkbar ist, dass mögliche negative Effekte auf die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen durch den in der Regel erhöhten Mineralstoffgehalt ballaststoffreicher und damit pflanzlich betonter Kost wettgemacht werden. Die eingangs genannte Ballaststoffhypothese war der Startpunkt für intensive ernährungswissenschaftliche und klinische Forschungen der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der Ballaststoffe. Ein Großteil der primär angenommenen Beziehungen zwischen der Ballaststoffzufuhr und der Entstehung von heute häufigen Erkrankungen in westlichen Industrieländern konnte in der Zwischenzeit wissenschaftlich belegt werden. Neue Erkenntnisse über Wirkungen verschiedener Ballaststoffe auf Organ- und Stoffwechselfunktionen sowie über Entstehungsmechanismen von Erkrankungen fanden Eingang in Ernährungsempfehlungen für die gesunde Bevölkerung und in die Therapie verschiedener Funktionsstörungen und Erkrankungen. Im Folgenden sind für die Praxis relevante Erkenntnisse aufgeführt. DARMERKRANKUNGEN ◆ Obstipation Unter Obstipation versteht man eine verminderte oder erschwerte Stuhlentleerung. Die Diagnose einer funktionellen Obstipation wird nach Ausschluss organischer Ursachen gestellt. Dies sind beispielsweise intestinale Passagestörungen, Diabetes mellitus, Hypothyreose und verschiedene neurologische Erkrankungen. In aller Regel spricht man dann von Obstipation, wenn sich der Darm seltener als alle zwei bis drei Tage spontan entleert. Eine umfassendere Definition nach den sogenannten Rom-2-Kriterien findet sich in Tab. 2. Innerhalb des letzten Jahres, während mindestens drei Monaten, die nicht zusammenhängen müssen, mindestens zwei der folgenden Symptome: Tab. 2: Definition der funktionellen Obstipation nach den Rom-2-Kriterien Heftiges Pressen bei wenigstens einem Viertel der Stuhlgänge Harter Stuhlgang bei wenigstens einem Viertel der Stuhlgänge Gefühl der inkompletten Entleerung bei mehr als einem Viertel der Stuhlgänge Gefühl der analen Blockierung bei wenigstens einem Viertel der Stuhlgänge Manuelle Manöver, um eine Defäkation zu ermöglichen, bei mehr als einem Viertel der Stuhlgänge Weniger als drei Stuhlgänge pro Woche 18 19 Exakte Angaben über die Häufigkeit der Obstipation, die den genannten Kriterien genügt, sind für die Durchschnittsbevölkerung nicht bekannt. Oftmals wird bei ängstlicher Selbstbeobachtung eine Obstipation angenommen, die letztlich den Diagnosekriterien nicht standhält. In Deutschland leiden schätzungsweise 30 bis 60 Prozent der Erwachsenen an Obstipation, wobei Frauen doppelt so oft betroffen sind wie Männer (17). Unter gleicher Ballaststoffzufuhr findet sich bei Frauen eine längere Kolontransitzeit als bei Männern. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt bei beiden Geschlechtern die Prävalenz der Obstipation zu. Besonders bei älteren Menschen wird sie zum ernst zu nehmenden Gesundheitsproblem (18). Zur Behandlung greifen viele Betroffene zu Laxantien, weil sie schnell wirken und eine solche Therapie unkompliziert erscheint. Zahlreiche der Wirkstoffe führen jedoch bei längerem Gebrauch zu Störungen im Elektrolythaushalt, vor allem zu Kaliummangel. Weiterhin kann es zur Schädigung von Nervenplexi in der Dickdarmwand kommen, so dass deren Ansprechbarkeit auf Dehnungsreize sinkt. Um eine gleichbleibende Wirkung zu erzielen, muss die Dosierung ständig erhöht werden. Ballaststoffreiche Kost statt Behandlung mit Laxantien Abb. 3: Die Beziehung zwischen mittlerem täglichem Stuhlgewicht und der Passagezeit im Intestinaltrakt bei Gruppen mit unterschiedlich hohem Ballaststoffverzehr (nach 7) Die Therapie mit ballaststoffreicher Kost ist eine sinnvolle Alternative, denn die bei der Obstipation verlängerte intestinale Transitzeit ist in erster Linie Folge eines geringen Stuhlvolumens bzw. -gewichtes infolge niedriger Ballaststoffzufuhr (Abb. 3). intestinale Passagezeit (Stunden) 160 • Vegetarier • afrikanische Dorfbewohner mit sehr ballaststoffreicher Ernährung • englische Schüler und Marineangehörige mit ballaststoffarmer Ernährung 120 80 40 60 20 120 180 240 300 360 420 480 540 600 mittleres Stuhlgewicht (g/Tag) Stuhlgewicht bei Grundkost Schätzungsweise 30 bis 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden an Obstipation Abb. 4: Zunahme des Stuhlgewichts bei Zugabe von 14 g Ballaststoffen aus verschiedenen Lebensmitteln zu einer ballaststoffarmen Kost (mod. nach 7) Obst (Äpfel, Birnen, Bananen) Leguminosen (Hülsenfrüchte) Kohl (verschiedene Sorten) Obst (Johannisbeeren, Äpfel, Birnen) Roggenvollkornmehl Weizenvollkornmehl +10 +20 +30 +40 +50 +60 +70 +80 +90 +100 Zunahme des Stuhlgewichts (g) Das Stuhlgewicht lässt sich durch den Verzehr von Vollkornprodukten, Weizenkleie bzw. mit Kleie angereicherten Vollkornprodukten optimieren (Abb. 4) (9). Zusätzlich stimulieren verschiedene beim bakteriellen Abbau von Ballaststoffen entstehende Substanzen die Motilität des Kolons. Dies sind z. B. niedermolekulare organische Säuren, die den pH-Wert senken, oder kleinmolekulare Substanzen, die aus der bakteriellen Spaltung von großmolekularen hervorgehen und zu einer Änderung des osmotischen Drucks im Darmlumen führen. Diätetische Maßnahmen sind sowohl zur Prävention als auch zur Therapie der Obstipation indiziert, mit ihnen sind in aller Regel aber keine Soforteffekte zu erzielen. Es ist deshalb wichtig, bei Patienten mit Obstipation, die bis zum Beginn der ernährungstherapeutischen Intervention Abführmittel benutzt haben, diese nicht abrupt abzusetzen, sondern während einer Woche parallel mit der ballaststoffreichen Kost zu geben und erst dann langsam zu reduzieren. Wichtig ist auch, dass eine ballaststoffreiche Ernährung, insbesondere eine Kost reich an Vollkornprodukten und Weizenkleie, immer mit einer hohen Flüssigkeitszufuhr verbunden wird. Die Umstellung auf eine ballaststoffreiche Kost muss schrittweise erfolgen, um mögliche Folgen wie abdominelle Missempfindungen und Blähungen abzumildern. Es ist sinnvoll, die Patienten vor Behandlungsbeginn darüber zu informieren. Diese Beschwerden verschwinden in aller Regel nach einer Eingewöhnungszeit von maximal einer Woche (Lit. bei 7). Ballaststoffreiche Kost muss mit hoher Flüssigkeitszufuhr verbunden sein 21 ◆ Kolondivertikulose Divertikel sind kleine, sackförmige Ausstülpungen der Kolonwand, die sich meist multipel entwickeln und vorwiegend im Bereich des Sigmas und des Kolon descendens lokalisiert sind. Diese Wandveränderungen finden sich mit zunehmendem Lebensalter häufiger. In den westlichen Industrieländern liegt die Prävalenz der Kolondivertikulose ab dem 60. bis 70. Lebensjahr bei 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung. Noch Ende des 19. Jahrhunderts war die Kolondivertikulose in westlichen Ländern extrem selten, ähnlich wie heute in Ländern mit noch traditioneller Ernährung. Mittleres tägliches Stuhlgewicht Mit einer Ernährung reich an Getreideballaststoffen lässt sich der Divertikelbildung vorbeugen Abb. 5: Beziehung zwischen dem mittleren täglichen Stuhlgewicht bei 23 Bevölkerungsgruppen weltweit und der Kolonkarzinominzidenz (19) 500 400 300 200 100 0 Nur etwa 20 Prozent aller Fälle von Divertikulose gehen mit einer klinischen Symptomatik, meist einer bakteriellen Wandentzündung (Divertikulitis), einher. Als Ursache für die Entstehung der Wandausstülpungen gilt der erhöhte intraluminale Druck im Kolon als Folge eines langjährigen geringen Stuhlvolumens, bedingt durch eine geringe Ballaststoffzufuhr. Eine Rückbildung der Divertikel ist mit diätetischen Maßnahmen nicht möglich. Zur Vorbeugung sollte bereits ab der Jugend auf eine ausreichende Zufuhr insbesondere an Getreideballaststoffen wie beispielsweise aus Weizenkleie oder damit angereicherten Vollkornprodukten geachtet werden. Geringes Stuhlgewicht und hoher Verzehr von Fett und rotem Fleisch gelten als ursächliche Faktoren für das Kolonkarzinom ◆ Kolonkarzinom In den westlichen Industrieländern ist seit vielen Jahren das Kolonkarzinom das häufigste Malignom des Gastrointestinaltraktes. Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass die hohe Prävalenz im Wesentlichen die Folge der derzeitigen Ernährungsgewohnheiten ist. Noch Anfang des vorigen Jahrhunderts war die Häufigkeit dieses Karzinoms vergleichsweise gering. Sehr früh wurde die nahe liegende Annahme untersucht, dass der Rückgang der Ballaststoffzufuhr ein ursächlicher Faktor für die Häufigkeitszunahme sei. Für eine wesentliche Bedeutung der „unlöslichen“ Ballaststoffe sprach die Beziehung zwischen Stuhlgewicht und Kolonkarzinomhäufigkeit, wie sie weltweit bereits Anfang der 1990er Jahre festgestellt wurde (Abb. 5). Auch wurden weitere Änderungen der Ernährungsgewohnheiten – besonders der höhere Konsum an Fett und rotem Fleisch – als mögliche Teilursachen für die Zunahme des Kolonkarzinoms 22 6 14 22 30 Kolonkarzinominzidenz diskutiert und untersucht. Die in verschiedenen Populationen unterschiedliche Häufigkeit des Kolonkarzinoms korreliert nicht nur negativ mit der Höhe der Ballaststoffaufnahme z. B. aus Vollkorngetreideprodukten, sondern auch positiv mit der Höhe des Fett- und Fleischverzehrs. Bei hoher Fettzufuhr treten vermehrt Gallensalze ins Kolon über und bilden sich vermehrt karzinogene und co-karzinogene bakterielle Gallensäureabbauprodukte. Epidemiologische Studien zeigen darüber hinaus eine positive Korrelation zwischen der Höhe des Verzehrs von Fleisch mit hohem Myoglobingehalt und der Prävalenz des Kolonkarzinoms auf. Da die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Myoglobin hoch ist, geht ein regelmäßig hoher Verzehr an rotem Fleisch mit einer Überladung der Eisendepots einher. Hohe Eisenkonzentrationen fördern die Bildung freier Radikale, die wiederum das Karzinogeneserisiko steigern (Lit. bei 7). Hohe Fettzufuhr steigert die Bildung karzinogener Gallensäureabbauprodukte Als Wirkmechanismen des protektiven Effekts von Ballaststoffen wurden folgende diskutiert und in experimentellen und klinischen Studien untersucht: ◆ Beschleunigung der Kolonpassage durch „unlösliche“ Ballaststoffe und folglich kürzere Kontaktzeit von Karzinogenen mit der Darmschleimhaut. ◆ Geringerer Kontakt von Karzinogenen mit der Darmschleimhaut bedingt durch einen Verdünnungseffekt bei höherem Stuhlvolumen und/oder teilweise Bindung von Karzinogenen an Ballaststoffe. 23 ◆ Änderung des Spektrums der Intestinalflora, gefolgt von geringerer Synthese an Karzinogenen und Co-Karzinogenen, insbesondere solchen aus primären Gallensäuren. ◆ Antikarzinogener Effekt der kurzkettigen Fettsäure n-Butyrat, die beim bakteriellen Abbau insbesondere von „löslichen“ Ballaststoffen entsteht. ◆ Vermehrte Zufuhr von Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen, speziell solcher mit einer antioxidativen Wirkung, durch eine an pflanzlichen Lebensmitteln reiche Kost. Wahrscheinlich bestimmt ein komplexes Zusammenwirken der genannten Mechanismen das Kolonkarzinomrisiko: Bei gegebener genetischer Disposition wirken einige hemmend, andere akzelerierend auf die Karzinogenese. Durch n-Butyrat lassen sich gestörte Zellteilungsmechanismen rückgängig machen Neuere große Studien bestätigen sinkendes Karzinomrisiko bei steigendem Vollkornverzehr 24 Der Schutzeffekt von n-Butyrat ist durch klinisch-experimentelle Studien besonders gut belegt. Tumorzellen entwickeln sich über verschiedene Zwischenstufen aus intakten Zellen. Sind deren normale Zellteilungsmechanismen gestört, kommt es zu einer gesteigerten Teilung (Hyperproliferation) dieser sogenannten präneoplastischen Zellen. Das führt letztlich zur Bildung von Kolonadenomen (Polypen), die sich wiederum zu Karzinomen weiterentwickeln können. Es konnte sowohl in Zellkulturen als auch an Biopsien vom Menschen gezeigt werden, dass die gestörten Zellteilungsmechanismen durch n-Butyrat rückgängig gemacht werden können. Dies bedeutet für die Kolonkarzinomprävention, dass der Intestinalflora genügend Substrat, d. h. fermentierbare „lösliche“ Ballaststoffe zur Verfügung stehen sollten (Lit. bei 7). Während experimentelle Daten, wie die am Beispiel von n-Butyrat und seinen Effekten demonstrierten, eine hohe biologische Plausibilität aufweisen, waren die Ergebnisse epidemiologischer Studien lange Zeit widersprüchlich. Gründe hierfür lagen oft in den methodischen Unzulänglichkeiten. Neuere große prospektive Studien haben jedoch die inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr und dem Risiko, an kolorektalem Karzinom zu erkranken, bestätigt (20, 21). So konnte an Kohorten mit fast 300.000 Männern und 200.000 Frauen gezeigt werden, dass der Verzehr von Vollkornprodukten mit einer niedrigen Erkrankungsrate korreliert, d. h. ein hoher Verzehr geht mit einem vergleichsweise niedrigen Erkrankungsrisiko einher (20). ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS Übergewicht und Adipositas sind nach einem Statement der WHO das größte vernachlässigte Gesundheitsproblem der heutigen Zeit. Seit einigen Jahrzehnten nehmen Übergewicht und Adipositas in allen industrialisierten Ländern an Häufigkeit zu. In Schwellenländern steigt konform mit dem Wechsel von der traditionellen ballaststoffreichen Ernährung auf eine westliche Ernährungsweise die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen an. Die Folge ist eine Zunahme der durch vermehrten Fettansatz begünstigten Erkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ 2 und Arteriosklerose. Die sich weltweit durchsetzende westliche Ernährungsweise ist charakterisiert durch eine hohe Energiedichte, d. h. eine hohe Energiezufuhr bei kleinen Nahrungsvolumina. Grund dafür ist der niedrige Gehalt an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen und der hohe Anteil an energiereichem Fett und schnell verfügbaren Kohlenhydraten. Um der Entstehung von Übergewicht vorzubeugen, empfiehlt die WHO, mit polysaccharidhaltigen Lebensmitteln, wie Vollkornprodukten und Gemüse, die Zufuhr von Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen zu erhöhen (zit. nach 4). Zur Vorbeugung von Übergewicht empfiehlt die WHO u.a., die Zufuhr von Ballaststoffen zu erhöhen Bereits in der Frühphase der klinischen Ballaststoff-Forschung wies der Engländer Heaton (22) auf die Bedeutung von ballaststoffreichen Lebensmitteln für das Zustandekommen des Sättigungsgefühls und damit für die Prävention von Übergewicht und Adipositas hin. Er konnte zeigen, dass Vollkornbrot im Vergleich zu Weißbrot und Äpfel im Vergleich zu Apfelsaft ein höheres Sättigungspotenzial besitzen. Auch fand er, dass die Kohlenhydrate aus den Lebensmitteln nach weitgehender Entfernung der Ballaststoffe wesentlich schneller resorbiert werden, mit der Folge hoher postprandialer Blutzucker- und Plasma-Insulinkonzentrationen. Das Zustandekommen des Hunger- und Sättigungsgefühls wird im Hypothalamus sehr komplex reguliert und ist bis heute nicht in allen Details aufgeklärt. Ballaststoffreiche Lebensmittel können das Eintreten des Sättigungsgefühls begünstigen, da sie länger gekaut werden und die Speichelsekretion stimulieren. Bereits die längere Verweildauer in der Mundhöhle beeinflusst über sogenannte orosensorische Sättigungssignale die Regulation der Energiezufuhr. Durch das vermehrte Einspeicheln und den Quelleffekt der Ballaststoffe wird das Volumen des Speisebreis Ballaststoffreiche Kost hat höheren Sättigungseffekt durch verlängerte Verweildauer im Mund 25 Ballaststoffe sättigen durch Dehnung und Füllung des Magens erhöht und die Dehnung der Magenwand verstärkt. Füllung und Dehnung des Magens sind für die Entstehung von Sättigungssignalen beim Menschen von zentraler Bedeutung (Lit. bei 23). Die Energiedichte der verzehrten Lebensmittel gewinnt damit eine besondere Bedeutung für die Entstehung von Übergewicht. Da die Sättigung wesentlich vom Volumen der Nahrung abhängt, wird durch besonders energiedichte Lebensmittel die Kalorienzufuhr und damit die Entstehung von Übergewicht bei gleichem Sättigungsverhalten besonders begünstigt. ARTERIOSKLEROTISCHE GEFÄSSERKRANKUNGEN Die Entstehung der sich mit zunehmendem Lebensalter in unterschiedlichem Ausmaß entwickelnden arteriosklerotischen Gefäßschäden ist, abgesehen von der Erbanlage, von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhängig. Die wichtigsten – Bluthochdruck und erhöhte Serumcholesterinkonzentration – sind ernährungsabhängig. Studien geben deutliche Hinweise, dass Getreideballaststoffe blutdrucksenkend wirken Bisher galten Übergewicht und eine hohe Kochsalzzufuhr als die entscheidenden Risikofaktoren für die Hypertonie. Dementsprechend bestanden die nicht medikamentösen Therapieempfehlungen darin, das Körpergewicht zu normalisieren und die Kochsalzzufuhr zu reduzieren. In den USA wurde 1997 die sogenannte DASH-Studie veröffentlicht (Dietary Approaches to Stop Hypertension). Sie zeigte, dass es bei Personen mit Blutdruckwerten im obersten Normbereich bzw. mäßiger Hypertonie unter vegetarisch betonter Ernährung – bei unveränderter Natriumzufuhr und konstantem Körpergewicht – zu signifikanten Senkungen des Blutdrucks kommt. Es wurde angenommen, dass der positive Effekt auf erhöhte Blutdruckwerte eine Folge der hohen Kalium- und Magnesiumzufuhr mit der vegetarischen Ernährung ist (7). Dem hohen Gehalt an Ballaststoffen in der Diät wurde in der DASHStudie keine besondere Bedeutung beigemessen. In der Folgezeit gaben jedoch Studien deutliche Hinweise darauf, dass Ballaststoffe aus Getreide, teils in Form von Supplementen verabreicht, blutdrucksenkend wirken und das Risiko von koronaren Herzerkrankungen, zerebralem Insult und peripherer Arteriosklerose senken (Lit. bei 24). Eine eindeutige Bestätigung des protektiven Effektes von Getreideballaststoffen erfolgte durch eine spanische prospektive 26 epidemiologische Studie an 5.880 Männern und Frauen. Nach der Erhebung von Ernährungsanamnesen und dem Ausschluss von Begleitkrankheiten und weiteren Störfaktoren fand sich nach im Mittel 28 Monaten bei 108 Personen eine neu aufgetretene Hypertonie. Beim statistischen Vergleich der erhobenen Daten zur Ernährung mit dem Risiko einer Hypertonieentwicklung fand sich eine signifikant inverse Beziehung zwischen der verzehrten Menge an Getreideballaststoffen und dem Hypertonierisiko. 66 Prozent der Ballaststoffe wurden mit Vollkornbrot und 27 Prozent mit Weißbrot aufgenommen. Die mit Gemüse und Früchten verzehrte Menge an Ballaststoffen zeigte keine Assoziation zum Hypertonierisiko (24). Der Serumcholesterinkonzentration kommt neben der Hypertonie eine zentrale Bedeutung bei der Vorbeugung gegen die häufigsten arteriosklerotischen Folgekrankheiten, wie zerebrale und koronare Mangeldurchblutung und Herzinfarkt, zu. Die Höhe der Serumcholesterinkonzentration ist ebenfalls abhängig vom Verzehr ballaststoffreicher Lebensmittel (siehe dazu auch Seite 17). Ballaststoffreiche Kost senkt den Cholesterinspiegel In einer Reihe großer epidemiologischer Studien konnte gezeigt werden, dass ein hoher Verzehr an pflanzlichen Lebensmitteln dem ischämischen Insult (Schlaganfall) vorbeugt. So z. B. die Nurses Health Study und die Health Professionals’ Follow-up Study, in denen insgesamt 115.000 Frauen und Männer über 14 bzw. 8 Jahre kontrolliert wurden (Lit. bei 8). Auch eine aktuelle Metaanalyse von acht Kohortenstudien mit einer mittleren Untersuchungsdauer von 13 Jahren kam zum gleichen Ergebnis (25). Bei all diesen epidemiologischen Studien muss berücksichtigt werden, dass pflanzliche Lebensmittel neben Ballaststoffen weitere protektive Substanzen enthalten. Dass ballaststoffreiche Lebensmittel, insbesondere aus Getreide, auch das Risiko, an einem tödlichen oder nicht tödlichen Herzinfarkt zu erkranken, signifikant verringern, konnte in einer prospektiven amerikanischen Studie gezeigt werden. Bei rund 47.700 Männern im Alter zwischen 40 und 75 Jahren wurden die Ernährungsgewohnheiten erfasst und die Teilnehmer prospektiv während sechs Jahren kontrolliert. Dokumentiert wurden währenddessen 743 Fälle von Herzinfarkt, die je nach Höhe des mittleren täglichen Ballaststoffkonsums in fünf Gruppen eingeteilt wurden. Hierbei ergab sich ein signifikant geringeres alterskorrigiertes Erkrankungsrisiko in der Quintile mit Epidemiologische Studien belegen: Risiko für Herzinfarkt sinkt bei steigender Ballaststoffzufuhr, insbesondere aus Getreide 27 der höchsten Ballaststoffzufuhr von im Mittel 28,9 g pro Tag im Vergleich zur Quintile mit dem geringsten Konsum von im Mittel 12,4 g täglich. Die Ergebnisse der Studie stimmen mit denen kleinerer, früher publizierter Studien überein und zeigen, dass ein hoher Verzehr an Ballaststoffen, vor allem auch aus Getreide, das Risiko koronarer Herzerkrankungen signifikant senkt (26). Zum selben Resultat kommt auch ein Literatur-Review von Flight und Clifton aus dem Jahr 2006 (27). DIABETES MELLITUS TYP 2 Ein hoher Konsum an Getreideballaststoffen geht mit einer signifikant niedrigeren Erkrankungsrate an Typ2-Diabetes einher Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die durch hohe Nahrungsverfügbarkeit und geringe körperliche Aktivität bedingte Adipositas, neben Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen, auch die Entstehung des Typ-2-Diabetes begünstigt. Hierbei kommt dem Verteilungsmuster des Körperfetts eine entscheidende Bedeutung zu: Im Wesentlichen ist ein vergrößertes viszerales Fettdepot für die Entstehung der genannten Erkrankungen verantwortlich. Neuere epidemiologische Studien zeigen, dass nicht nur die aus einer positiven Energiebilanz resultierende Adipositas, sondern auch einzelne Nahrungskomponenten das Diabetesrisiko mitbestimmen. Dies gilt speziell für Ballaststoffe aus Weizen und Mais. Die Metaanalyse von neun Kohortenstudien ergab eine inverse Korrelation zwischen dem Verzehr von Getreideballaststoffen und der Häufigkeit eines Typ-2-Diabetes. Bestätigt wurde dieser Befund durch zwei neuere prospektive Kohortenstudien an über 91.000 Frauen bzw. 25.000 Männern und Frauen, bei denen während 8 bzw. 11 Jahren die Inzidenz eines Typ-2-Diabetes registriert wurde. Beide Studien bestätigen, dass ein hoher Konsum an Getreideballaststoffen mit einer signifikant niedrigeren Rate an Typ-2-Diabetes-Erkrankungen einhergeht. Ein entsprechender protektiver Effekt von Ballaststoffen aus Obst und Gemüse wurde nicht gefunden (28, 29). Es bedarf noch der Klärung, warum Getreideballaststoffe, die reich an „wasserunlöslichen“ Ballaststoffen sind, mit einer signifikant niedrigeren Prävalenz an Typ-2-Diabetes assoziiert sind als „wasserlösliche“, welche die Viskosität steigern und folglich die Glukoseresorption verzögern (Abb. 2). Während die Bedeutung von Ballaststoffen für die Diabetesprävention noch wenig bekannt ist, ist die Ballaststoffzufuhr zur 28 diätetischen Behandlung von Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 Teil nationaler und internationaler Empfehlungen. Eine Veröffentlichung von Toeller mit dem Titel: „Evidenz der Ernährung in der Therapie und Prävention des Diabetes mellitus“ beginnt mit folgenden Sätzen: „Erstmals stehen europäische evidenzbasierte Empfehlungen zur Ernährungstherapie und Prävention des Diabetes mellitus zur Verfügung, die auch von relevanten deutschen Fachgesellschaften mitgetragen werden. Die Ernährung hat sowohl in der Therapie als auch in der Prävention des Diabetes mellitus einen hohen Stellenwert. Sie ist effektiv und kostengünstig.“ (30) In den Ernährungsleitlinien zur Kohlenhydrataufnahme bei Diabetes mellitus wird auf die Bedeutung von Ballaststoffen wie folgt hingewiesen: Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Getreideprodukte aus vollem Korn sollten Bestandteil der Kost von Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes sein. Liegt die Kohlenhydrataufnahme mit 50 bis 60 Prozent der Tagesenergie im obersten Bereich, so sind Nahrungsmittel reich an Ballaststoffen und mit einem niedrigen Glykämischen Index besonders wichtig. Es wird darauf hingewiesen, dass ungünstige Auswirkungen einer stärkereichen Kost auf die Nüchtern-Triglyzeridkonzentration im Plasma und auf den postprandialen Blutglukosespiegel vermeidbar sind, wenn ballaststoffreiche Lebensmittel mit einem niedrigen Glykämischen Index verzehrt werden. In der Diabeteskost sind ballaststoffreiche Lebensmittel mit niedrigem Glykämischem Index besonders wichtig Der positive Effekt von Ballaststoffen auf Stoffwechselparameter bei Diabetikern wurde durch eine große Zahl klinischer Studien bestätigt. Dass eine Steigerung der Ballaststoffzufuhr über die für Diabetiker empfohlene Menge mit einer weiteren Verbesserung relevanter Laborparameter einhergeht, zeigt eine randomisierte Crossover-Studie an Typ-2-Diabetikern. Verglichen wurde eine isokalorische Diät mit 24 g Ballaststoffen (8 g „wasserlösliche“ und 16 g „wasserunlösliche“) entsprechend den Empfehlungen der Amerikanischen Diabetesgesellschaft mit einer Diät mit 50 g Ballaststoffen (25 g „wasserlösliche“, 25 g „wasserunlösliche“). Nach sechs Wochen lagen bei der Gruppe, die die Diät mit dem höheren Ballaststoffanteil konsumiert hatte, folgende Parameter niedriger als in der Gruppe mit dem für Diabetiker empfohlenen Ballaststoffanteil: Nüchtern-Glukosekonzentration, Uringlukoseausscheidung im 24-Stunden-Harn, die Flächen unter der Plasmainsulin- und -glukosekonzentration, die Gesamtcholesterinsowie Triglyzeridkonzentration im Plasma (31). Verbesserung relevanter Laborparameter durch Erhöhung der Ballaststoffzufuhr 29 Für die Beratung TIPPS FÜR EINEN GESUNDEN LEBENSSTIL Getränke wie Mineral- und Leitungswasser, Früchte- und Kräutertee oder Saftschorlen. Ballaststoffreich essen Täglich Getreideprodukte und davon mindestens die Hälfte aus Vollkorn Obst, Gemüse und Hafer sind gute Quellen für „lösliche“ Ballaststoffe Ballaststoffzufuhr nicht abrupt, sondern schrittweise erhöhen ◆ Anzustreben ist eine Aufnahme von mindestens 25 g, besser noch 30 g Ballaststoffen pro Tag, wobei diese zur Hälfte aus „unlöslichen“ und zur Hälfte aus „löslichen“ bestehen sollten. ◆ Getreideprodukte sollten täglich auf dem Speiseplan stehen und mindestens die Hälfte sollte aus Vollkorn sein. Schon zum Frühstück, z. B. durch kleieangereicherte Vollkorncerealien, kann man einen nennenswerten Anteil an der empfohlenen Tageszufuhr an Ballaststoffen aufnehmen. Getreideprodukte aus dem vollen Korn, insbesondere Weizenkleie bzw. damit angereicherte Produkte, liefern in erster Linie „unlösliche“ Ballaststoffe. Sie erhöhen das Stuhlgewicht und -volumen, verkürzen die Transitzeit und regen die Darmaktivität an. So wird auf natürliche Weise eine gesunde Darmfunktion gefördert. ◆ In Obst, Gemüse und Hafer finden sich mehrheitlich „lösliche“ Ballaststoffe, die u. a. den Glukose- und Cholesterinspiegel positiv beeinflussen können. Besonders reich an „löslichen“ Ballaststoffen ist Trockenobst, das man zwischendurch oder auch eingeweicht im Müsli zu sich nehmen kann, sowie Haferkleie und -vollkornflocken. Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Bohnen und Linsen, Kohlsorten (Rosenkohl, Brokkoli, Weißkohl/Sauerkraut, Rotkraut), Kartoffeln sowie Nüsse und Leinsamen sind gute Ballaststofflieferanten (Tab. 1). Achtung bei Nüssen: Sie sind fettreich. ◆ Wer sich ballaststoffreicher ernähren möchte, sollte seine Kost nicht von einem Tag auf den anderen umstellen. Der Körper braucht etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Ratsam ist, im Laufe einer Woche die Ballaststoffzufuhr schrittweise zu erhöhen. Man sollte in der Beratung darauf hinweisen, dass es dabei auch zu abdominellen Missempfindungen und Blähungen kommen kann, die aber in der Regel nach etwa einer Woche verschwinden. Viel trinken ◆ Ballaststoffe binden viel Wasser und insbesondere die „unlöslichen“aus Kleie und Vollkorn entfalten dadurch ihre Wirkungen auf die Darmtätigkeit. Es ist wichtig, bei einer ballaststoffreichen Ernährung täglich mindestens 2 Liter zu trinken. Zu empfehlen sind kalorienfreie bzw. -arme 30 Weniger rotes Fleisch und Fett ◆ Da die Häufigkeit des Kolonkarzinoms negativ mit der Höhe der Zufuhr an Fett und rotem Fleisch korreliert, sollte man in der Beratung auch darauf hinweisen. Empfehlenswert ist, nicht mehr als 30 Prozent seiner Gesamtenergie über Fett zu sich zu nehmen: Das entspricht bei einer Zufuhr von täglich 2.000 kcal einer Gesamtfettmenge von rund 65 g. Viele Menschen überschreiten diese Grenze und sollten Fett sparen. ◆ Diese Empfehlungen lässt sich gut mit Hinweisen auf eine Reduktion des Verzehrs von rotem Fleisch und daraus hergestellten Produkten verbinden. Wird stattdessen mehr mageres Geflügel und Fisch gegessen, reduziert sich auch die Fettzufuhr. Fettzufuhr auf rund 65 g pro Tag reduzieren und mehr Geflügel und Fisch essen Ruhe und Entspannung ◆ Hektik und Stress können die Verdauung negativ beeinflussen, deshalb sollte man auch diesen Aspekt in der Beratung ansprechen. Sich Zeit nehmen für die Mahlzeiten, öfter mal eine kleine Pause einlegen oder auch das Erlernen einer Entspannungstechnik wie z. B. autogenes Training kann mehr Ruhe in den Tag bringen. Sich viel bewegen ◆ Aus vielerlei Gründen sollte man zu mehr Bewegung und Sport raten, auch weil körperliche Aktivität helfen kann, die Verdauung anzuregen. ◆ Wer vom Sporttreiben nicht zu überzeugen ist, sollte in seinem Alltag für Bewegung sorgen. Kürzere Strecken lassen sich statt mit dem Auto zu Fuß oder per Fahrrad zurücklegen, auch Treppenlaufen statt Rolltreppefahren sorgt für Bewegung. Haus- und Gartenarbeit, ein kurzer Spaziergang nach dem Mittagessen, eine Verabredung mit Freunden zum Wandern oder Schwimmengehen: Anregungen für einen schwungvolleren Tag gibt es viele. 31 VORLAGE EINES FRAGEBOGENS FÜR DIE BERATUNG Erläuterungen zum Fragebogen Vom Patienten/Ratsuchenden ausfüllen bzw. ankreuzen lassen. Name: Alter: Größe: Gewicht: Treiben Sie regelmäßig Sport? Datum: ja BMI*: nein (*wird vom Arzt/Berater ausgefüllt) Wenn ja, wie oft? Wie häufig essen und trinken Sie folgende Lebensmittel? Gruppe Lebensmittel Vollkornbrot / Vollkornbrötchen Müsli / Getreideflocken / Frühstücksflocken Frühstücksflocken mit Kleie / aus Vollkorn 1 Mischbrot / Weißbrot / Brötchen Reis, hell / Nudeln, hell täglich Der ausgefüllte Fragebogen gibt wichtige Anhaltspunkte für die Beratung. Dazu im Folgenden einige Hinweise. fast täglich 3-4x pro 1-3x pro seltener Woche Woche oder nie Oberer Abschnitt Der Body Mass Index (BMI) errechnet sich nach folgender Formel: BMI = Körpergewicht (in kg) Körpergröße ( in m)2 Bewertung: Normalbereich = BMI von 18,5 - 24,9 Übergewicht = BMI von 25,0 – 29,9 Adipositas = BMI höher 30,0 Wenn Übergewicht oder Adipositas vorliegt, sollte zur Gewichtsabnahme geraten werden, die dann besonderer Begleitung bedarf. Hinweise auf die Einschränkung der Fett- und Energiezufuhr und mehr Bewegung sind dann umso wichtiger. Vollkornreis / Vollkornnudeln Pellkartoffeln / Salzkartoffeln Pommes frites / Bratkartoffeln Gemüse, frisch oder tiefgekühlt Gemüse- und Obstkonserven 2 Grüne Salate / Rohkostsalate Salate mit Mayonaise- / Sahnesauce Hülsenfrüchte (getr. Bohnen, Erbsen, Linsen u.a.) Obst, frisch Zu den Lebensmitteln in Gruppe 1 Bei Vollkornprodukten, Müsli, Frühstücksflocken mit Kleie, Vollkornreis und Kartoffeln sollten die Felder „täglich“ oder „fast täglich“ angekreuzt sein. Bei Mischbrot, Weißbrot, hellem Reis und Nudeln sowie bei Pommes frites/Bratkartoffeln sollten sich die Kreuze in den Kategorien „1-3 x pro Woche“ und „seltener oder nie“ befinden. In diesem Zusammenhang insbesondere auch die Flüssigkeitszufuhr ansprechen, die mindestens 2 Liter pro Tag betragen sollte. Zu den Lebensmitteln in Gruppe 2 Bei frischem oder tiefgekühltem Gemüse, Salat und frischem Obst sollte „täglich“ angekreuzt sein, alle anderen sollten seltener als 1-3 x pro Woche oder nie verzehrt werden. Milch 3 Joghurt / Kefir / Buttermilch / Quark Sahne / Creme fraîche / Creme double Käse Rotes Fleisch / Wurst / Innereien Geflügel / Wurst 4 Fisch, frisch, tiefgekühlt oder Konserve Zu den Lebensmitteln in Gruppe 3 Hier sollten bei Milch, Joghurt und (magerem) Käse Kreuze in der Spalte „täglich“ stehen, denn Milchzucker fördert die Verdauung. Sahne/Crème fraîche/Crème double sollten wegen ihres hohen Fettgehaltes selten oder nie verzehrt werden. Zu den Lebensmitteln in Gruppe 4 Rotes Fleisch und daraus hergestellte Wurst sowie Innereien sollten 1-3 x pro Woche, seltener oder nie auf dem Speiseplan stehen. Geflügel und daraus hergestellte Wurst können 3-4 x pro Woche, Fisch 1-3 x wöchentlich verzehrt werden. Krabben / Muscheln / andere Meeresfrüchte Eier (auch in Speisen) Kuchen / Torten / süßes Gebäck Chips / Knabbergebäck 5 Schokolade / Süßigkeiten Eis / Pudding / Sahnecremes Marmelade / Honig / Nusscremes Mineral- / Leitungswasser / Kräuter- / Früchtetee Kaffee / schwarzer Tee 6 Zu den Lebensmitteln in Gruppe 5 Insbesondere fettreiche Back- und Süßwaren sowie Knabberartikel sollten maximal 1-3 x pro Woche und dann in mäßiger Menge gegessen werden. Hier hängt die Einschätzung auch damit zusammen, wie ausgewogen die gesamte Ernährung ist. Keinesfalls sollte man diese Genussprodukte verbieten, da rigide Vorgaben eine Ernährungsumstellung gefährden. Zu den Lebensmitteln in Gruppe 6 Mineral-/Leitungswasser, Kräuter- oder Früchtetee sollten täglich reichlich getrunken werden. Insgesamt mindestens 2 Liter pro Tag. Das Kreuzchen bei Limonaden, Colagetränken sowie alkoholischen Getränken sollte in der letzten Kategorie seltener als 1-3 x pro Woche oder nie stehen. Limonade / Colagetränke Fruchtsaft Bier / Wein / Schaumwein 32 Spirituosen 33 Literaturverzeichnis 1 Spiller G. A.: Dietary Fiber in Human Nutrition. 2nd Edition (1993) CRC Press 2 Codex Alimentarius Commission (CAC): Report of the 27th Session of the Codex Committee on Nutrition and Foods for Special Dietary Uses, Bonn, Germany, 21-25 November 2005. ALINORM 06/29/26, 2006 18 Füsgen J.: Obstipation bei geriatrischen Patienten. Zeitschr. f. Gastroenterologie, Suppl. 1 (2000) S. 17 3 Rottka H.: Der Verzehr von Ballaststoffen in der Bundesrepublik Deutschland in: Pflanzenfasern – Ballaststoffe in der menschlichen Ernährung. (1980) G. Thieme Verlag, Stuttgart 19 Cummings J. H., Bingham S. A., Heaton K. W., Eastwood M. A.: Fecal weight, colon cancer risk and dietary intake of non-starch polysaccharides (dietary fiber). Gastroenterology 103 (1992) S. 1783-1789 4 Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Ernährungsbericht 2004. Vertrieb: DGEMedienservice Bonn 20 Schatzkin A., Mouw T., Park Y. et al: Dietary fiber and whole-grain consumption in relation to colorectal cancer in the NIH-AARP Diet and Health Study. Amer. J. Clin. Nutr. 85 (2007) S. 1353-1360 5 Deutsche Gesellschaft für Ernährung/Österreichische Gesellschaft für Ernährung/ Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung/Schweizerische Vereinigung für Ernährung: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1. Auflage (2000) Verlag Umschau Braus, Frankfurt 21 Bingham, S. A., Day N. E., Luben R. et al: Dietary fiber in food and protection against colorectal cancer in the European Perspective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC): an observational study. Lancet 136 (2003) S. 1496-1501 6 Nutrition & Diet for Healthy Lifestyle in Europe: The EURODIET Evidence. Public Health Nutrition Vol 4.2 (A) und 2 (B) (2001) 22 Heaton K.W.: Food fibre as an obstacle to energy intake. Lancet II (1973) S. 1418-1421 7 Kasper H.: Ernährungsmedizin und Diätetik. 10. Auflage (2004) Verlag Urban & Fischer, München 23 Slavin J., Green H.: Dietary fibre and satiety. Nutr. Bulletin 32/Suppl. (2007) S. 32-42 8 Scheppach W., Pascu M. E., Richter F.: Ballaststoffe, kurzkettige Fettsäuren und Kolonkarzinom. Akt. Ernähr. Med. 22 (1997) S. 321-326 24 Alonso A., Beunza J., Bes-Rastrollo M., Pajares R. M., Martinez-Gonzalez M. A.: Vegetable protein and fiber from cereal are inversely associated with the risk of hypertension in a Spanish cohort. Arch. Med. Res. 37 (2006) S. 778-786 9 Cummings J. H., Hill M. J., Jenkins D. J. A., Pearson J. R., Wiggins H. S.: Changes in fecal composition and colonic function due to cereal fiber. Am. J. Clin. Nutr. 29 (1976) S. 1468-1473 25 He F. J., Nowson C. A., MacGregor G. A.: Fruit and vegetable consumption and stroke: meta-analysis of cohort studies. Lancet 367 (2006) S. 320-326 10 McRorie J, Kesler J, Bishop L, Filloon T, Allgood G, Sutton M, Hunt T, Laurent A, and Rudolph C (2000): Effects of wheat bran and olestra on objective measures of stool and subjective reports of GI symptoms. Am J Gastroenterol 95: 1244-1252 26 Rimm W. B., Scherio A., Giovannucci E., Spiegelmann D., Stampfer M. J., Willett W. C.: Vegetable, fruit and cereal fiber intake and risk of coronary heart disease among men. J. Amer. Med. Ass. 275 (1996) S. 447-451 11 Flint et al.: The use of glycaemic index tables to predict glycaemic index of composite breakfast meals. Brit. J. Nutr. 91 (2004) S. 979-989 27 Flight I., Clifton P.: Cereal grains and legumes in the prevention of coronary heart disease and stroke: a review of the literature. Europ. J. Clin. Nutr. 60 (2006) S. 1145-1159 12 Tunali, G., Cremer H.-D., Huth K.: Vergleichende Untersuchungen der Glukoseund Galaktoseassimilation bei Verabfolgung von Füll- und Quellstoffen. Akt. Ern. med. 2 (1976) S. 76 13 Kasper H.: Einfluß von Ballaststoffen auf die Serum-Lipid-Konzentration. Akt. Ernähr. 13 (1988) S. 75 14 DeGroot, A. P., Luyken R., Pikaar N. A.: Cholesterol-lowering effect of rolled oats. Lancet II (1963) S. 303 15 Lairon D., Arnault N., Bertrais S. et al: Dietary fiber intake and risk factors for cardiovascular disease in French adults. Amer. J. Clin. Nutr. 82 (2005) S. 1185-1194 16 Frohlich W.: Mineral bioavailibility from high fiber cereal products. In: Wallace G., Bell L.: Fiber in human and animal nutrition. The Royal Society of New Zealand (1983) Wellington, NZ 34 17 Kasper H., Scheppach W.: Erkrankungen des Intestinaltrakts. In: Biesalski H.-K. et al: Ernährungsmedizin. G. Thieme Verlag (2004) Stuttgart 28 Schulze M. B., Liu S., Rimm E. B., Manson J. E., Willett W. C., Hu F. B.: Glycemic index, glycemic load, and dietary fiber intake and incidence of type 2 diabetes in younger and middle-aged women. Amer. J. Clin. Nutr. 80 (2004) S. 348-356 29 Schulze M., Schulz M., Heidemann C., Schienkiewitz A., Hoffmann K., Boeing H.: Fiber and magnesium intake and incidence of type 2 diabetes. Arch. Intern. Med. 167 (2007) S. 956-965 30 Toeller M.: Evidenz der Ernährung in der Therapie und Prävention des Diabetes mellitus. Aktuell. Ernähr. Med. 30 (2005) S. 197-203 31 Chandalia M., Garg A., Lutjohann D., von Bergmann K., Grundy M., Brinkley L. J.: Beneficial effects of high dietary fiber intake in patients with type 2 diabetes mellitus. New Engl. J. Med. 342 (2000) S. 1392-1398 35