Das Gallensystem Foto: Sebastian Kaulitzki/Fotolia (groß), Stell98/wikipedia MUM September 2012 Seite 3 Fettlöser und Vorratskammer Der eine Teil des Gallensystems ist für die Verdauung unverzichtbar, der andere Teil dagegen ein Relikt aus früheren Zeiten. Beiden jedoch, sowohl den Gallengängen als auch der Gallenblase, können kieselsteingroße Gebilde zu schaffen machen. Doch nicht immer verursachen Gallensteine Beschwerden. V iele halten die Galle irrtümlich für ein Organ. Tatsächlich ist sie eine säurehaltige Flüssigkeit, die in der Leber produziert und teilweise in der Gallenblase gespeichert wird. Täglich sondern die Leberzellen zwischen einem halben und einem Liter des grün-gelblichen Gallensafts ab, der für die Verdauung von Fetten unverzichtbar ist. Gallensäure ist in der Lage, Fette in immer kleinere Tröpfchen aufzuspalten, sie so weit aufzulösen, bis sie die Darmwand problemlos passieren können. Außerdem transportiert das Sekret Abfallprodukte der Leber in den Darm, wo sie mit dem Stuhlgang ausgeschieden werden. Zu den Organen des Gallensystems gehören erstens die Gallengänge, die die Gallensäure in den Darm befördern. Sie durchziehen die Leber wie ein Netz aus feinen Kanälen, vereinigen sich an der Leberpforte zu einem großen Gallengang, der sich nach dem Austritt aus der Leber gleich wieder teilt. Eine Abzweigung führt wie eine Sackgasse zur Gallenblase. Der große Gallengang dagegen Gallensteine und Gallenblasenentzündung Etwa jeder sechste Erwachsene hat Gallensteine. Vor allem wenn sich die Störenfriede einklemmen und sich die Gallensäure bis in die Leber staut, kann es zu höllischen Schmerzen und manchmal einer akuten Entzündung der Gallenblase kommen. Gallensteine hängen mit einem Ungleichgewicht der löslichen Stoffe in der Gallenflüssigkeit zusammen. Das zähe Sekret besteht zu etwa 80 Prozent aus Wasser, dazu Gallensalze, Enzyme, Cholesterin, Farbstoffe und Abfallprodukte aus der Leber. Bei einem Überangebot bestimmter Stoffe können die sich verfestigen und zu kieselsteingroßen Gebilden entwickeln. Die Risikofaktoren sind als die „5-F-Regel“ bekannt: female, fat, fertile, forty, fair (weiblich, übergewichtig, mehrere Kinder, vierzig, blond und hellhäutig). Frauen sind fast doppelt so häufig betroffen wie Männer. Wissenschaftler vermuten, dass Östrogen die Entstehung von Gallensteinen begünstigt. Mit dem Gewicht und Alter steigt die Gefahr. Als Hauptursachen gelten eine zu fettreiche Ernährung und Bewegungsmangel. Symptome: Nur ein Viertel der Betroffenen hat Symptome wie Blähungen, Druck- oder Völlegefühl im Oberbauch. Patienten klagen oft darüber, dass sie bestimmte Speisen nicht vertragen, vor allem fette, gebratene Mahlzeiten, Kaffee oder kalte Getränke. Heftige krampfartige Schmerzattacken, die auch in den Rücken oder die rechte Schulter ausstrahlen können, deuten darauf hin, dass ein Stein in den Gallengängen stecken geblieben ist. Die Muskeln der Gallenwege ziehen sich dann zusammen, um ihn loszuwerden. Solche Koliken können 15 Minuten oder auch fünf Stunden dauern. Kommt als Komplikation eine akute Gallenblasenentzündung dazu, äußert sich das durch Fieber, Schüttelfrost und Erbrechen. Diagnose: Gallensteine, die sich in der Gallenblase befinden, lassen sich ab einer Größe von fünf Millimetern mithilfe einer Ultraschalluntersuchung fast immer nachweisen. Bei Entzündungen ist auch die Wand der Gallenblase verdickt. Um Steine in den Gallengängen abzubilden, werden meistens endoskopische Verfahren eingesetzt. Der Arzt führt ein schlauchartiges Gerät mit einer kleinen Kamera über die Speiseröhre bis zur Mündung des Gallengangs ein und füllt die Gallenwege unter Röntgenkontrolle mit einem Kontrastmittel auf. Kleinere Steine lassen sich dabei gleich entfernen. Klein, aber oho: Bereiten Gallensteine Probleme, wird die Gallenblase entfernt. Behandlung: Bei Koliken helfen Bettruhe, Schmerzmittel, krampflösende Medikamente. Außerdem darf der Patient nichts essen. Besteht gleichzeitig eine akute Entzündung der Gallenblase, muss der Betroffene sofort ins Krankenhaus. Wenn Gallensteine Beschwerden verursachen, wird die Gallenblase heute in der Regel chirurgisch entfernt – auch wegen der Gefahr von schwerwiegenden Komplikationen. So kann ein eingeklemmter Gallenstein in ungünstiger Position den Ausgang der Bauchspeicheldrüse mit blockieren, deren Sekret aufstauen und zu einer lebensbedrohlichen Entzündung der Bauchspeicheldrüse führen. Die operative Entfernung der Gallenblase geschieht fast immer per Bauchspiegelung. Bei dieser sogenannten Schlüssellochchirurgie sind nur drei winzige Bauchschnitte nötig, um die Patienten für immer von ihren Gallensteinen zu befreien. Stecken die Plagegeister in den Gallengängen, werden sie endoskopisch entfernt. Andere Methoden wie die Auflösung der Steine durch Medikamente oder ihre Zertrümmerung durch Stoßwellen sind zu zeitaufwendig und führen häufig zu Rückfällen. Gallengangentzündung Eine entzündete Gallenblase lässt sich problemlos entfernen. Schwieriger ist es, wenn der große Gallengang betroffen ist. Unterschieden wird zwischen einer akuten, eitrigen Form und einer chronischen Entzündung des Gallengangs. Grund für die akute Entzündung sind Bakterien, die aus dem Dünndarm mündet nach einer kurzen Strecke gemeinsam mit dem Ausgang der Bauchspeicheldrüse in den Zwölffingerdarm. Die Gallenblase, das zweite Organ des Gallensystems, fungiert als Vorratskammer. Der kleine, birnenförmige Beutel liegt eingebettet in einer Grube direkt neben der Leber. Etwa die Hälfte der vom Körper produzierten Gallensäure wird in die Gallenblase umgeleitet, dort vorübergehend deponiert, verdickt und bei üppigen Schlemmereien in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet. Der moderne Mensch kann aber problemlos auch ohne Gallenblase leben. Das Hohlorgan ist ein Relikt aus früheren Zeiten, als unsere Vorfahren noch lange Hungerphasen überstehen mussten, in denen ihre Leber kaum Galle erzeugte. Wurde ausnahmsweise bei der Jagd mal richtig fette Beute gemacht, nutzte der Körper ganz einfach das in der Gallenblase gespeicherte Verdauungssekret. Heute brauchen wir keine Vorratskammer mehr, weil wir uns so regelmäßig und reichlich ernähren, dass die Leber kontinuierlich ausreichend Gallensaft produziert. einwandern. Der Schließmuskel am Zwölffingerdarm kann das nicht immer verhindern. Meistens kommt noch hinzu, dass ein eingeklemmter Gallenstein das Abfließen der Gallenflüssigkeit verhindert und so die Infektion fördert. Bei der chronischen Form, der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC), sind die genauen Ursachen nicht bekannt. Auslöser ist vermutlich eine Autoimmunreaktion. Es kommt zu Gewebsveränderungen, Verengungen und narbigen Zerstörungen der Gallengänge innerhalb und außerhalb der Leber. Gleichzeitig nimmt die Gefahr einer bakteriellen Infektion zu. Oft geht die PSC mit einer entzündlichen Darmerkrankung einher (Morbus Crohn bzw. Colitis ulcerosa). Später kann die Erkrankung zu einer Leberzirrhose oder einem Gallengangkrebs führen. Symptome: Hohes Fieber, teils über 40 Grad, und starke Schmerzen, die aber gleichbleibend und nicht wie bei einer Kolik krampfartig und schubweise auftreten. Nach wenigen Tagen färben sich die Haut und Augen gelb, weil die gestaute Gallenflüssigkeit ins Blut übertritt. Eine PSC beginnt dagegen schleichend ohne Symptome. Es folgen fortschreitende Müdigkeit, Druckgefühl im rechten Oberbauch, häufig leichtes Fieber, wiederkehrende leichte Gelbsucht, manchmal starker Juckreiz. Später vergrößern sich Milz und Leber. Diagnostik: Die akute Infektion wird durch eine Blutuntersuchung und Ultraschall festgestellt. Auch bei der chronischen PSC finden sich oft bestimmte Antikörper im Blut. Eine sichere Diagnose ist aber nur durch eine endoskopische Untersuchung möglich. Behandlung: Bei einer akuten, eitrigen Entzündung ist ein Krankenhausaufenthalt unvermeidlich. Zunächst wird mit Antibiotika und Schmerzmitteln behandelt. Vorhandene Gallensteine müssen schnell entfernt werden. Klingt dadurch die Entzündung nicht ab, wird mithilfe einer Sonde ein sogenannter Stent eingesetzt – eine Art Röhrchen, das den Gallengang offen hält, damit die Galle abfließen kann. Dagegen können bei einer PSC nur die Symptome wie Juckreiz medikamentös gelindert und bakteriell verursachte Krankheitsschübe mit Antibiotika bekämpft werden. Bei schwerem Gallenstau kann versucht werden, die Gallengänge endoskopisch zu erweitern. Die letzte Möglichkeit ist eine Lebertransplantation. MUM