Sind wir alle süchtig? - Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel

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HERZLICH WILLKOMMEN
ZUM HEUTIGEN VORTRAG
A
SIND WIR ALLE SÜCHTIG?
Donnerstag, 18. September 2014, 19.00-20.00 Uhr
Sind wir alle süchtig?
PD Dr. med. Marc Walter, Chefarzt EPK
Basel, 18. September 2014
NEIN...
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... denn der Konsum einer psychotropen
Substanz ist nicht gleich Sucht !
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INHALT
1.
Was ist Sucht?
2.
Wie entsteht Sucht?
3.
Diagnostik von Suchterkrankungen
4.
Alkohol
5.
Cannabis und Internet
6.
Behandlung der Suchterkrankungen
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1. Was ist Sucht?
„Sucht“ = eine zwanghaft anmutende und unkontrollierte
Verhaltensweise, die den Konsum einer psychotropen
Substanz trotz negativer Konsequenzen beinhaltet und den
Charakter einer „Störung“ aufweist.
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Welcher Substanzkonsum ist häufig?
Substanz
Häufigkeit
1. Alkohol
93%
2. Tabak
64%
3. Energy Drinks
52%
4. Cannabis
41%
(The Global Drug Survey 2014)
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Welcher Konsum wird als gefährlich
eingeschätzt?
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2. Wie entsteht Sucht?
„Suchterkrankungen sind (auch)
Gehirnerkrankungen“
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Konsum von psychotropen Substanzen
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Wirkung von psychotropen Substanzen im Gehirn
Alle Substanzen erhöhen den Transmitter Dopamin im Striatum.
Veränderungen von Dopamin führt zum „Rausch“ Erleben (Euphorie) =
Verstärkungssystem.
Präfrontaler Cortex mit hemmendem Einfluss
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Kokain Wirkung
Subjektives RauschErleben (“High“) und
Pharmakokinetik
hängen eng
miteinander
zusammen.
Methamphetamin
Wirkung
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1400
50
Morphine
6-Acetylmorphine
Diacetylmorphine
1200
Patienten, Heroin
Patienten, Placebo
Gesunde, Placebo
45
1000
Angst
ng/ml
40
800
600
400
35
Kokain Wirkung
30
200
25
0
3min
10min
60min
0
Subjektives
Rausch-Erleben
(“High“) und
Pharmakokinetik
hängen eng Heroin
miteinanderWirkung
zusammen
Vor Heroin
60 min nach Heroin
Methamphetamin
Wirkung
Bei heroinabhängigen substituierten Patienten:
Heroin steigert die funktionelle Konnektivität im Striatum (Verstärkungssystem).
Heroin senkt erhöhte Stress-Sensitivität und ängstliche Depressivität
(Walter et al. 2013, Schmidt et al. 2014).
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Sucht und psychosoziale Faktoren
«Keine Sucht ohne Flucht»
› Traumatisierungen
› «Burnout»
› Depression
› Beziehungsprobleme
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3. Diagnostik von Suchterkrankungen
„Die Einschätzung der Suchtproblematik“
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Klassifikation von Suchterkrankungen nach
ICD-10
(International Classification of Diseases, WHO)
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen
(= Stoffe, die über Effekte im Zentralnervensystem auf Erleben und
Verhalten wirken)
Klassifikation nach Symptomatologie
› Schädlicher Gebrauch
› Abhängigkeitssyndrom
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Störungen durch psychotrope Substanzen
(ICD-10)
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Substanzstörungen (DSM-5)
›
›
›
›
›
›
›
›
›
›
›
Konsum länger oder in größeren Mengen als geplant
Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz
Starkes Verlangen oder Drang die Substanz zu konsumieren
Wiederholter Konsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger
Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt
Wiederholter Konsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder
interpersoneller Probleme
Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums
Wiederholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer
körperlichen Gefährdung kommen kann
Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis von körperlichen oder
psychischen Problemen
Toleranzentwicklung gekennzeichnet durch Dosissteigerung oder
verminderte Wirkung
Entzugssymptome oder deren Vermeidung durch Substanzkonsum
Milde Substanzstörung 2-3 Kriterien/ Schwere Substanzstörung > 6
Kriterien in den letzten 12 Monaten
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4. Alkohol
„Die Dosis macht das Gift“
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Alkoholkonsum
Ein Standardgetränk = 10 g reiner Alkohol
entspricht ca. 3 dl Bier (5 Vol. %) oder 1 dl Wein (12.5 Vol. %)
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Rauschtrinken
Rauschtrinken:
4 Standardgetränke oder mehr bei einer Gelegenheit bei Frauen,
5 Standardgetränke oder mehr bei Männern
Mehr als 1/3 der jungen Erwachsenen weisen zumindest einmal
monatlich Rauschtrinken auf
Nimmt mit dem Alter stetig ab
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Riskanter und chronischer Alkoholkonsum
Riskanter Konsum:
mehr als 4 Standardgetränke
pro Tag bei Männern und mehr
als 2 bei Frauen
Chronischer Konsum:
häufiger als 3 x pro Woche
risikoreicher Konsum
10% der Bevölkerung mit chronischem Alkoholkonsum
Nimmt mit dem Alter nicht stetig ab
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Die Mehrheit hat
kein Alkoholproblem
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(BAG 2012)
Bin ich gefährdet?
Habe ich einen
problematischen
Alkoholkonsum?
A = Alcohol
U = Use
D = Disorder
I = Identification
T = Test
Bei über 8 Punkten:
Alkoholmissbrauch
wahrscheinlich
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Alkoholabhängigkeit
5% der Bevölkerung sind
alkoholabhängig
Beginn der Abhängigkeit Mitte
der 20er Jahre
Weniger als 50% der Fälle in
der Erstversorgung erkannt
Weniger als 15% der Fälle
werden behandelt
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5. Cannabis und Internet
„Die Sucht als ein Übergangsphänomen?“
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Cannabiskonsum
4% der weltweiten
Bevölkerung mit
Cannabiskonsum
bis 40% bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen
(European Drug Report
2013)
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Cannabisabhängigkeit
… ist abhängig vom Alter, sowie vom Geschlecht und Region (Degenhardt et al. 2013)
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Folgen der Cannabisabhängigkeit
› Cannabiskonsumenten zeigen generell
keine kognitive Einschränkung gegenüber
Gesunden (Schreiner & Dunn 2012)
› Cannabisabhängige mit langjährigem
Konsum (> 10 Jahre und > 5 Joints/Tag)
zeigen reduziertes Hirnvolumen
(Hippocampus und Amygdala)
(Yücel et al. 2008)
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Internetkonsum
Internetsucht =
Süchtige Nutzung des
World Wide Web
(www.)
wie Computerspiele,
Chats, soziale Netzwerke,
Glücksspiel, Erotikseiten,
etc.
Das Internet bietet
schnelle und einfache
Erfolge
(Verstärkungssystem)
sowie soziale
Anerkennung und
flexible Beziehungen
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Internetsucht
1. Zeitlich ausufernde Internetnutzung
2. Entzugssymptome bei Konsumverhinderung
(Ärger, Depression, Spannungen)
3. Toleranzentwicklung (mehr Konsum,
besserer Computer, bessere Software)
4. Negative Folgen (Leistungen in der Schule,
Freizeitaktivitäten, soziale Isolierung)
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bis 9% bei Jugendlichen
und bis 35% bei Studenten
(Marcantonio et al. 2014);
Zusammenhang mit
Selbstwertgefühl, Einsamkeit
und sozialer Ängstlichkeit
Kurzfragebogen zu Problemen beim Computergebrauch (KPC, Petry, 2006)
Mein Verhalten beim Spielen/ Chatten/ Surfen
Trifft gar
nicht zu
(0)
Bin ich gefährdet?
Habe ich einen
problematischen
Internetkonsum?
Probleme beim
Computergebrauch
(KPC)
bei über 16 Punkten
Trifft
eher
nicht zu
(1)
Trifft
eher zu
Trifft ganz
genau zu
(2)
(3)
Beim Spielen/Chatten/Surfen
vergesse ich alles um mich herum
Ich kann mir mein Leben ohne
Spielen/Chatten/Surfen nicht mehr vorstellen
Meine Familie/ Freunde dürfen nicht wissen, wie
viel Zeit ich am Computer verbringe
Das Spielen/Chatten/Surfen hilft mir, meine
Alltagssorgen zu vergessen
Nach dem Spielen/Chatten/Surfen habe ich
manchmal ein schlechtes Gewissen
Ich benutze Ausreden, um mein
Spielen/Chatten/Surfen zu rechtfertigen
Ich schaffe es nicht, das Spielen/Chatten/Surfen
längere Zeit einzustellen
Durch das Spielen/Chatten/Surfen habe ich
Probleme mit nahen Angehörigen bekommen
Durch mein Spielen/Chatten/Surfen hat meine
Arbeitsleistung gelitten
Beim Spielen/Chatten/Surfen befinde ich mich in
einer ganz anderen Welt
Durch das Spielen/Chatten/Surfen habe ich
meinen Körper vernachlässigt (bsp. Essen, Sport,
Schlafen)
Durch mein Spielen/Chatten/Surfen habe ich
mich sozial immer mehr zurückgezogen
Ohne Spielen/Chatten/Surfen ist das Leben
langweilig
Beim Spielen/Chatten/Surfen erhalte ich mehr
Anerkennung als in der realen Welt
Ich glaube, dass ich wegen meines
Spielens/Chattens/Surfens therapeutische Hilfe
benötige
Ich habe schon ganze Nächte mit dem
Spielen/Chatten/Surfen verbracht
Ich bin wegen meines Spielens/Chattens/Surfens
schon von Verwandten/ Freunden kritisiert
worden
Das Spielen/Chatten/Surfen erfüllt meine
Bedürfnisse nach Zuwendung und Liebe
Beim Spielen/Chatten/Surfen verliere ich jedes
Zeitgefühl
Durch das Spielen/Chatten/Surfen habe ich
meine sozialen Beziehungen vernachlässigt
P.
Gesamtwert:________Punkte
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P.
P.
P.
6. Behandlung der Suchterkrankungen
«motivieren, motivieren, motivieren»
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Prävention und Behandlung der
Substanzstörungen
› Pharmakotherapie der Substanzstörungen
derzeit unklar (Internetsucht), mit mässigem
(Alkoholabhängigkeit) oder keinem Erfolg
(Cannabisabhängigkeit, Kokainabhängigkeit)
› Präventive Massnahmen und Anwendung
neuer psychotherapeutischer Verfahren
auch bei zusätzlichen psychischen Störungen
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Motivierende Gesprächsführung
› Wertfreie Kommunikation auf gleicher Augenhöhe
› Keine konfrontative Interventionen
› Empathische Grundhaltung
› Klärung von Ambivalenzen bezüglich des
Substanzkonsums
(Miller & Rollnick 2009)
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Psychotherapie der Suchterkrankungen
und anderen psychischen Störungen
Alkohol- und
Drogenabhängigkeit
Psychotherapie
30% - 60%
Affektive Störungen
Kontingenzmanagement;
Case-Management;
Psychoedukation
30% - 70%
Persönlichkeitsstörungen
Störungsspezifische Psychotherapie für
Persönlichkeitsstörungen
(DBT, TFP, MBT, SFT)
15% - 30%
Posttraumatische
Belastungsstörung
Trauma Recovery and Empowerment
Model (TREM);
«Sicherheit finden»
(Walter & Gouzoulis-Mayfrank 2014)
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Zusammenfassung
Was ist Sucht? Eine Sucht(erkrankung) setzt körperliche Schäden und psychosoziale
Beeinträchtigungen voraus
Wie entsteht Sucht? Psychotrope Substanzen erhöhen die Dopaminkonzentration
im Gehirn und aktivieren das Suchtgedächnis
Diagnostik: Suchterkrankungen werden anhand der ICD-10 Kriterien (WHO)
diagnostiziert
Alkohol: Konsum sollte auf ein gesundes Mass reduziert werden
Cannabis- und Internet: Sucht ist (derzeit) besonders ein Problem der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Behandlung: Konsequente spezifische Frühinterventionsverfahren sind wichtig, um
die Entwicklung und Chronifizierung der Sucht zu verhindern
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DANKE FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT
Marc Walter
Chefarzt EPK
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
[email protected]
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