Endokrinologie Karsten Hartdegen • • • • Teilgebiet der Inneren Medizin, das sich mit Strukturen und Funktionen der Hormone sowie der Diagnostik und konservativen Behandlung von Störungen des Hormonsystems beschäftigt. Bei Stoffwechselerkrankungen (metabolischen Erkrankungen) sind die chemischen Auf-, Ab- oder Umbauvorgänge im Körper gestört. In erster Linie ist die Verwertung von Nahrungsbestandteilen betroffen, z.B. der Glukose beim Diabetes mellitus. Der Übergang zu den Ernährungskrankheiten ist oft fließend, da Stoffwechselerkrankungen häufig durch Fehlernährung begünstigt oder sogar verursacht werden. Teamarbeit erforderlich • Karsten Hartdegen • • • • • Wenn auch endokrinologische, stoffwechsel- und ernährungsbedingte Erkrankungen hauptsächlich von Endokrinologen, anderen Internisten oder Allgemeinmedizinern behandelt werden, so gibt es doch zahlreiche Überschneidungen bei der Behandlung dieser Krankheiten. So haben sich manche Gynäkologen auf die Diagnostik und Therapie weiblicher Sexualhormonstörungen einschließlich der dadurch bedingten Unfruchtbarkeit spezialisiert. Sind Kinder betroffen, ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Pädiater erforderlich. Radiologe und Nuklearmediziner tragen mit zur Diagnosestellung vieler endokrinologischer Erkrankungen bei. Können endokrinologische Erkrankungen mit Diät und Arzneimitteln nicht ausreichend behandelt werden, ist häufig eine Operation durch den Allgemeinoder Viszeralchirurgen oder eine Strahlentherapie angezeigt. Folgeerkrankungen wie eine diabetische Polyneuropathie werden oft von weiteren Fachärzten, hier dem Neurologen, behandelt. Das Hormonsystem Karsten Hartdegen • • • Die Kommunikation zwischen Zellen und Organen wird neben dem Nervensystem auch durch das Hormonsystem ermöglicht. In verschiedenen Organen des Körpers werden Hormone produziert, die als Botenund Signalstoffe (primäre Messenger) über das Blut im Körper verteilt werden (endokrine Wirkung). Neben dieser Fernwirkung können Hormone aber auch eine Nahwirkung durch Diffusion zu benachbarten Zellen entfalten (parakrine Wirkung) oder auch auf die hormonproduzierenden Zellen selbst wirken (autokrine Wirkung). Das Hormonsystem Karsten Hartdegen • • • • Im Unterschied zu den schnellen Nervensignalen, die durch die Leitungsbahnen und Synapsen gezielt nur auf bestimmte Zellen wirken, werden Hormone über das Blut gleichmäßig im Körper verteilt und können so potenziell auf alle Zellen wirken. Ihre Zellspezifität wird durch spezifische Rezeptoren auf den Zielzellen erreicht. Im Vergleich zum Nervensystem arbeitet das Hormonsystem außerdem langsam, die Wirkung von Hormonen kann sich von Minuten über Stunden bis zu Monaten erstrecken. Einige Hormone werden gleichzeitig auch als Transmitter im Nervensystem eingesetzt wie Serotonin oder Noradrenalin. Auch Nervenzellen können Hormone, sogenannte Neurohormone, produzieren, wie das antidiuretische Hormon (ADH). Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Einteilung und Funktion der Hormone • Hormone werden nach ihrer chemischen Struktur, ihrem Bildungsort oder ihrem Wirkungsmechanismus eingeteilt. Chemische Struktur der Hormone Hormone lassen sich entsprechend der Ausgangsstoffe ihrer Synthese in drei Gruppen einteilen: 1. Die fettlöslichen Steroidhormone (Steroide) werden aus Cholesterin synthetisiert. Zu ihnen gehören neben den Corticosteroiden aus der Nebenniere auch die Sexualhormone aus den weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen. 2. Peptidhormone bestehen aus langen Aminosäureketten und sind meist wasserlöslich. Sie stellen eine große Hormongruppe dar und werden in verschiedenen Organen gebildet. Das Hormonsystem Karsten Hartdegen 3. Zu den Aminosäurederivaten gehören die Schilddrüsenhormone und die Catecholamine aus der Nebenniere. Sie sind Hormone, die überall im Körper vorkommen und gebildet werden. Diese unterschiedlichen biochemischen Eigenschaften bestimmen auch die Art der therapeutischen Anwendung. • • Da Steroidhormone und Aminosäurederivate nicht von der Magensäure abgebaut werden, können sie oral in Tablettenform verabreicht werden. Dies ist bei Peptidhormonen wie Insulin nicht möglich. Sie werden deshalb parenteral, also durch Injektion, verabreicht. Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Wirkungsweise der Hormone • Jede Zielzelle muss spezifische Hormonrezeptoren besitzen, um auf ein Hormonsignal reagieren zu können. Diese Rezeptoren können in der Zellmembran oder auch im Zellinneren lokalisiert sein und lösen über intrazelluläre Signalwege spezifische Zellantworten aus. Hormonrezeptoren • Eine Zelle kann für ein spezielles Hormon verschiedene Rezeptortypen tragen, sodass ein Hormon unterschiedliche, oft gegensätzliche Zellantworten auslösen kann. So kann Adrenalin über α-Rezeptoren auf Endothelzellen eine Gefäßverengung, über βRezeptoren aber eine Gefäßerweiterung auslösen. • Jede Zelle kann aber gänzlich unterschiedliche Hormonrezeptoren besitzen und Ziel gleichzeitig wirkender Hormone sein. Hormonrezeptoren können in der Zellmembran oder auch intrazellulär lokalisiert sein. Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Regelkreise • Die Ausschüttung der Hormone aus ihren Produktionsstätten wird durch einen oder mehrere Regelkreise kontrolliert. Größe und Wachstum der Hormondrüsen • Die Größe und das Wachstum der Hormondrüsen werden ständig den Erfordernissen des Körpers angepasst. Dabei spielen Zellteilung (Proliferation) oder Zelltod (Apoptose) eine wichtige Rolle. • Eine dauerhaft gesteigerte Hormonausschüttung führt zu einer Vergrößerung der Hormondrüse (Hyperplasie), bei der Zahl und Größe der hormonproduzierenden Zellen zunehmen. • Bei einer dauerhaft unterdrückten Hormonausschüttung verkleinert sich dagegen die Hormondrüse (Aplasie), die hormonproduzierenden Zellen schrumpfen (Atrophie) und sterben schließlich ab (Nekrose). Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Störungen der Hormonausschüttung (Tumorendokrinologie) Störungen der Hormonausschüttung werden in mehrere Gruppen eingeteilt. • • • • Von einem primären Hormonüberschuss spricht man, wenn die hormonproduzierenden Zellen zu stark proliferieren und sich eine Hyperplasie der Hormondrüse entwickelt. Geschieht dies durch unkontrollierte Zellteilung, so bilden sich Tumoren (Adenome). Überschüssige Hormone können aber auch durch umdifferenzierte Zellen anderer Gewebe gebildet werden wie beim Bronchialkarzinom. Man bezeichnet dies als ektope Hormonproduktion. Von einem sekundären Hormonüberschuss spricht man, wenn die Hormonproduktion durch gestörte Interaktion mit anderen Hormonregelkreisen erhöht wird, wie es bei der Synthese des Hormons Aldosteron nach einem Blutverlust der Fall ist. Das Hormonsystem Karsten Hartdegen • • • • Ein tertiärer Hormonüberschuss liegt vor, wenn eine Hormondrüse ohne Tumorwachstum durch lang anhaltende Stimulation zu viel Hormon produziert. Schädigungen der Hormondrüsen können aber auch zu einem Hormonmangel führen. Durch fehlende regelmäßige Stimulation einer Hormondrüse wird eine Aplasie ausgelöst. Solche Schädigungen können als Folge von Infektionen, mechanischer Beschädigung, Autoimmunerkrankungen, Vergiftungen oder Durchblutungsstörungen auftreten. Liegt ein Tumor vor, müssen Hormondrüsen oft vollständig entfernt werden. Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Abbau von Hormonen • Hormone werden größtenteils in der Leber durch Aufspaltung abgebaut und die entstehenden Produkte dann über die Niere ausgeschieden. • Durch Bestimmung dieser Abbauprodukte im Urin lassen sich häufig Rückschlüsse auf den Hormonspiegel im Blut ziehen. • So spiegelt die Konzentration von Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Sammelurin zuverlässig die in diesem Zeitraum vorliegende Blutkonzentration an Adrenalin und Noradrenalin wider und kann damit zur Diagnostik der Ursachen von Bluthochdruck eingesetzt werden. Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Therapeutische Anwendung von Hormonen und Antihormonen • Heutzutage lassen sich viele körpereigene Hormone synthetisch herstellen und im Krankheitsfall verabreichen, z.B. Insulin bei Diabetes. • Hormone werden aber auch bei normalen Wachstums- oder Altersveränderungen der Hormondrüsen eingesetzt wie bei der Hormonersatztherapie bei Frauen in und nach den Wechseljahren oder bei altersbedingter Unterfunktion der Schilddrüse. • Einige Hormone werden auch als Medikamente verwendet. Am häufigsten werden Glucocorticoide verabreicht, die das Immunsystem hemmen und deshalb zur Immunsuppression oder bei rheumatischen Entzündungen gegeben werden. Das Hormonsystem Karsten Hartdegen • • • Hormone wie Erythropoetin oder Androgene werden auch illegal als Dopingmittel eingesetzt und führen zwar meist zu einer gewünschten Leistungssteigerung, durch die gleichzeitig auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen stellen sie jedoch eine erhebliche Gefahr für den menschlichen Körper dar. Ein neuartiger Modetrend, bei dem oft Hormone zur Anwendung kommen, stellt die Anti-Aging-Medizin dar. Hierbei werden neben operativen Korrekturen auch oft Hormone verabreicht, um Fettpolster schrumpfen zu lassen und das körperliche und seelische Befinden im Alter zu verbessern. Angesichts der unkontrollierbaren Nebenwirkung stellen auch solche Hormonanwendungen eine nichtakzeptable Form der Hormontherapie dar. Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Karsten Hartdegen Das Hormonsystem Erkrankungen der Hypophyse Karsten Hartdegen Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (Hypopituitarismus): • Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens mit teilweisem oder völligem Fehlen von Hypophysenvorderlappenhormonen. Ätiologie • Primäre Hypophysenvorderlappeninsuffizienz: Zerstörung oder Verdrängung des Hypophysenvorderlappens durch Tumoren, neurochirurgische Eingriffe, Unfälle, Entzündungen, aber auch Autoimmunprozesse • Sekundäre Hypophysenvorderlappeninsuffizienz : Erkrankungen des Hypothalamus Erkrankungen der Hypophyse Karsten Hartdegen Symptome und Untersuchungsbefund Die Symptome setzen in aller Regel schleichend ein. Die Betroffenen bemerken meist als erstes die Folgen einer Hoden- bzw. Eierstockunterfunktion: Die Schambehaarung lichtet sich, bei Frauen sind die Brüste, bei Männern die Hoden verkleinert. Männer berichten über verminderte Libido und Potenz, Frauen über Zyklusstörungen und Ausbleiben der Menstruation. Dann treten die Zeichen einer Schilddrüsenunterfunktion hinzu. Als letztes kommt es zur Nebennierenrindenunterfunktion, die akut lebensbedrohlich werden kann. Die Patienten sind blass und wirken müde und antriebsarm. Bei Kindern besteht infolge des Mangels an Wachstumshormon eine Wachstumsverzögerung. Karsten Hartdegen Erkrankungen der Hypophyse Diagnostik und Differentialdiagnose Die Diagnose einer Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens wird durch den kombinierten Hypophysenvorderlappen-Stimulationstest gestellt. Weiterhin wird versucht, durch Anamnese und technische Untersuchungen wie Röntgen, CT oder Kernspintomographie des Schädels sowie Gesichtsfeldprüfungen durch den Augenarzt (Hinweis auf Tumor im Bereich der Hypophyse, der auch auf den Sehnerv drückt?) die Ursache der Erkrankung festzustellen. Erkrankungen der Hypophyse Karsten Hartdegen Behandlungsstrategie Wann immer möglich, wird die zugrunde liegende Erkrankung behandelt, etwa durch Tumorentfernung. Oft müssen die fehlenden Hormone ersetzt werden. Die Substitutionstherapie umfasst: Glukokortikoide oral Schilddrüsenhormone oral Die peripheren Geschlechtshormone (oral), auch für ältere Patienten, da sonst das Osteoporoserisiko erhöht ist und oft das allgemeine Wohlbefinden der Patienten eingeschränkt ist Bei Kindern Wachstumshormon (einmal täglich subkutan). Karsten Hartdegen Erkrankungen der Hypophyse Pflege Je nach Gefährdung des Patienten ist eine engmaschige Kontrolle der Vitalzeichen erforderlich, um ein drohendes hypophysäres Koma zu erkennen Die sehr dünne, trockene und empfindliche Haut der Patienten bedarf einer sorgfältigen und individuell abgestimmten Hautpflege (einschl. Haare und Kopfhaut). Patienteninformation • Die Hormonsubstitution muss in der Regel lebenslang fortgesetzt werden. • Der Patient sollte stets einen Notfallausweis bei sich tragen, damit z.B. bei Unfällen sofort ausreichend Hormone substituiert werden. Erkrankungen der Hypophyse Diabetes insipidus Karsten Hartdegen Überfunktion des Hypophysenvorderlappens: • Vermehrte Sekretion eines oder mehrerer Hypophysenvorderlappenhormone, meist durch gutartige hormonproduzierende Tumoren (Adenome). Symptome, Befund und Diagnostik I • Das häufigste Adenom ist das Prolaktinom, das durch Prolaktinsekretion bei Frauen zu Zyklusstörungen, Sterilität, Brustwachstum und Milchfluss führt. Männer klagen häufig über Libidostörungen sowie seltener über Brustwachstum und Brustschmerzen. Durch Druck des Tumors auf die Sehnervenkreuzung kann es zu einer Einschränkung des Gesichtsfeldes kommen. Erkrankungen der Hypophyse Diabetes insipidus Symptome, Befund und Diagnostik II Karsten Hartdegen • • • • • Bei einer Überproduktion von Wachstumshormon kommt es bei Kindern zum Riesenwuchs. Bei Erwachsenen entsteht eine Akromegalie (Akren = distale Körperteile), d.h. eine Vergrößerung von Kinn, Nase, Händen und Füßen sowie eine Vergröberung der Gesichtszüge vor allem durch Wachstum von Jochbeinen, Kiefer, Lippen und Zunge. Auch die inneren Organe können vergrößert sein. Zusätzlich können die Erscheinungen einer Hypophysenvorderlappenunterfunktion bestehen, wenn das normale Gewebe durch den Tumor geschädigt wird. Die Diagnose wird in beiden Fällen durch Hormonbestimmung im Blut mit nachfolgender Lokalisationsuntersuchung gestellt. Erkrankungen der Hypophyse Karsten Hartdegen Diabetes insipidus Behandlungsstrategie • Die Therapie erfordert meist eine operative Entfernung des Tumors. • Nur bei Prolaktinomen ist eine medikamentöse Hemmung der Hormonproduktion sinnvoll, die oft zu einer weitgehenden Rückbildung des Tumors führt. • Zur Behandlung der Akromegalie bei inoperablen Patienten oder zur präoperativen Tumorverkleinerung können entsprechende orale Medikamente versucht werden. • Bei inoperablen Tumoren und Erfolglosigkeit der medikamentösen Therapie kommt eine Strahlentherapie in Betracht. • Hat der Patient eine partielle Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, werden die fehlenden Hormone substituiert. Karsten Hartdegen Schilddrüse (Glandula thyreoidea) • Die Schilddrüse produziert in ihren Follikelzellen die Hormone Thyroxin (T4 ) und Trijodthyronin (T3 ). T4 enthält vier, T3 nur drei Jod-Atome. • Beide Hormone steigern den Energieumsatz, fördern das Wachstum und führen zu einer Aktivitätszunahme des Nervensystems. • Zwischen den Schilddrüsenfollikeln liegen die C-Zellen (parafollikuläre Zellen), die das Hormon Kalzitonin sezernieren. • Kalzitonin senkt die Kalziumkonzentration im Blut, indem es die Freisetzung von Kalzium und Phosphat aus den Knochen hemmt und gleichzeitig deren Einbau in die Knochen fördert. • An der Niere steigert Kalzitonin die Ausscheidung von Phosphat, Kalzium, Natrium, Kalium und Magnesium. • Therapeutisch wird Kalzitonin bei der Hyperkalzämie und der Osteoporose eingesetzt. Karsten Hartdegen Karsten Hartdegen Karsten Hartdegen Karsten Hartdegen • Die Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen, Glandulae parathyreoideae) sind vier ca. 2 - 4 mm große Knötchen dorsolateral der Schilddrüse. • Sie produzieren das Parathormon (kurz PTH), dessen Hauptwirkung in einer Erhöhung des Blutkalziumspiegels besteht. • Parathormon fördert die Kalziumfreisetzung aus den Knochen, vermindert die Kalziumausscheidung über die Nieren und fördert (indirekt) die Kalziumaufnahme aus dem Darm. Karsten Hartdegen Karsten Hartdegen Anamnese und körperliche Untersuchung • • • Vielfältige Symptome bei endokrinologischen Pat.! Deshalb Fragen nach dem Allgemeinzustand bei der Anamneseerhebung : Psychische Veränderungen: Bei Unterfunktion Antriebsarmut, Adynamie Bei Überfunktion dagegen Unruhe, Hektik, Nervosität Karsten Hartdegen Anamnese und körperliche Untersuchung • Wichtig sind Fragen nach vegetativen Funktionen: Durchfälle, starkes Schwitzen und Herzrasen, großen Durst und häufiges Wasserlassen mit großen Urinmengen (Polyurie) • Bei der Untersuchung achtet der Arzt auf Veränderungen des Körperbaus und der Haut. • Patienten mit einem Cushing-Syndrom (übermäßige Konzentration von Cortisol im Blut unter anderem mit erhöhtem Blutzuckerspiegel und bei chronischer Form typischen Körperformänderungen) entwickeln oft eine Stammfettsucht, und durch die rasche Gewichtszunahme kommt es zu Hautstriae (zunächst blaurote, später gelblich-weiße Streifen, wie sie auch bei vielen Schwangeren auftreten). • Bei Kranken mit einer Nebennierenunterfunktion können Hyperpigmentierungen auftreten. Karsten Hartdegen Schilddrüsendiagnostik Palpation der Schilddrüse Bei Verdacht auf Schilddrüsenerkrankungen tastet der Untersucher die Schilddrüse sorgfältig auf Größe, Knoten und Verhärtungen ab. Fühlt sich die Schilddrüse wärmer an als die Umgebung, so deutet dies auf eine Entzündung hin (Thyreoiditis). Knoten in der Schilddrüse sind je nach Größe und Lage tastbar. Karsten Hartdegen Blutuntersuchungen in der Schilddrüsendiagnostik • Bei Verdacht Bestimmung von T3, T4 und TSH (Basalwert) im Blut zur Klärung der Funktionslage • Heute seltener: TRH-Test, bei dem nach der Blutabnahme für den basalen TSH-Wert intravenös TRH gespritzt oder als Nasenspray gegeben wird. Nach 30 Minuten erfolgt eine zweite Blutabnahme. Normal ist ein mäßiger Anstieg des TSH-Spiegels. Fällt dieser Anstieg zu gering aus, ist der Patient hyperthyreot. Ist der Anstieg überschießend, liegt eine Hypothyreose vor). Einige Schilddrüsenerkrankungen, z.B. M. Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis, sind immunogen (mit-)bedingt. Bei vielen dieser Patienten sind im Blut Schilddrüsen(auto)antikörper nachweisbar. Wichtig sind insbesondere: Anti-TPO (TPO-AK, TPO = Thyreoidale Peroxidase = bestimmtes Enzym der Schilddrüse), früher auch als Mikrosomale Antikörper, kurz MAK, bezeichnet Antikörper gegen Thyreoglobulin (TgAK, TAK). Thyreoglobulin ist ein in der Schilddrüse gebildeter Vorläufer der Schilddrüsenhormone Antikörper gegen TSH-Rezeptoren (kurz TRAK). Karsten Hartdegen Sonographie Sonographische Untersuchungen zur genauen Volumenbestimmung der Schilddrüse und zum Nachweis von Knoten und Zysten Sichere Aussage über Gut- oder Bösartigkeit der Veränderung nicht möglich, aber bei gleichzeitig bestehenden vergrößerten Halslymphknoten Hinweis auf ein malignes Geschehen Bei Verdacht auf ein Nebenschilddrüsenadenom Klärung der Lokalisation durch die Sonographie Karsten Hartdegen Schilddrüsenszintigraphie • Die Schilddrüsenszintigraphie ist die häufigste Isotopenuntersuchung in der Endokrinologie. Sie ist z.B. bei einer Überfunktion der Schilddrüse oder der Funktionsdiagnostik von Knoten angezeigt. • Dem Patienten wird in der nuklearmedizinischen Abteilung eine geringe Dosis radioaktiv markiertes Technetium (99mTc) i.v. gespritzt oder Jod (123J oder 131J) oral gegeben, das von der Schilddrüse aufgenommen wird. Karsten Hartdegen Schilddrüsenszintigraphie • Aufnahmen mit der Gammakamera erlauben dann die zweidimensionale Darstellung des Schilddrüsengewebes. Während kalte Knoten das Radionuklid nicht aufnehmen, speichern heiße Knoten das Nuklid sehr intensiv, und das übrige Schilddrüsengewebe stellt sich nur abgeschwächt oder gar nicht dar. Warme Knoten speichern das Radionuklid ebenso stark wie die Umgebung. Kalte Schilddrüsenknoten sind nicht stoffwechselaktiv und karzinomverdächtig. Kalte Knoten sind Gewebeveränderungen ohne Funktion innerhalb der Schilddrüse. Sie produzieren keine Hormone, sind also inaktiv. Bei dieser Art von knotigem Gewebe kann es in sehr seltenen Fällen zu krebsartigen Veränderungen kommen. Bei kalten Knoten ist es deshalb ratsam, die Schilddrüse operieren zu lassen, eine medikamentöse Behandlung ist hier nicht möglich. Heiße Schilddrüsenknoten sind stoffwechselaktiv und produzieren evtl. große Schilddrüsenhormonmengen. Karsten Hartdegen Schilddrüsenszintigraphie Pflege bei Schilddrüsenszintigraphie • Überprüfen (lassen), ob der Patient innerhalb der letzten vier Wochen vor der Untersuchung Schilddrüsenhormone, Jodpräparate oder schilddrüsenblockierende Arzneimittel wie z.B. Thyreostatika eingenommen hat, da die Schilddrüse das radioaktive Nuklid dann evtl. nicht aufnimmt. Ggf. Arzneimittel auf Arztanordnung absetzen • Aus dem gleichen Grund Reihenfolge der Untersuchungen zusammen mit dem Arzt planen. Keine Untersuchungen mit jodhaltigen Kontrastmitteln vor der Schilddrüsenszintigraphie. Keine jodhaltigen Desinfektionsmittel zur Hautdesinfektion • Nach der Untersuchung Patienten zum Trinken anhalten, da reichliche Flüssigkeitszufuhr die Ausscheidung der radioaktiven Substanz beschleunigt und so die Strahlenbelastung vermindert. Karsten Hartdegen Schilddrüsenszintigraphie Feinnadelpunktion der Schilddrüse • Eine Feinnadelpunktion der Schilddrüse (Aspirationszytologie) ist insbesondere bei den immer karzinomverdächtigen kalten Knoten zur weiteren Abklärung indiziert. • Unter sonographischer Kontrolle wird der verdächtige Bezirk mit einer dünnen Kanüle punktiert und Material für die zytologische Untersuchung entnommen. Schilddrüsenerkrankungen Karsten Hartdegen Schilddrüsenerkrankungen sind sehr häufig. Sie können eingeteilt werden in: • Erkrankungen mit normalen Schilddrüsenhormonspiegeln (Euthyreose) • Bei erhöhtem Schilddrüsenhormonspiegel spricht man von einer Hyperthyreose, bei erniedrigtem von einer Hypothyreose. • Unabhängig von der Schilddrüsenstoffwechsellage kann die Schilddrüse normal groß oder vergrößert (= Struma) sein. Entsprechend bezeichnet der Mediziner eine vergrößerte Schilddrüse bei normaler Stoffwechsellage als euthyreote Struma. Karsten Hartdegen Euthyreote Struma [blande (= nicht entzündliche) Struma]: • Schilddrüsenvergrößerung bei regelrechter Schilddrüsenstoffwechsellage. Sehr häufige Erkrankung, 30 - 50 % der Bevölkerung sind betroffen. • Ist das Schilddrüsengewebe gleichmäßig vergrößert, heißt dies (euthyreote) Struma diffusa. Sind Knoten vorhanden, handelt es sich um eine (euthyreote) Struma nodosa (Knotenstruma). Karsten Hartdegen Euthyreote Struma (blande Struma): Krankheitsentstehung • Die häufigste Ursache einer Struma ist Jodmangel in der Nahrung. Viele Gegenden Mitteleuropas enthalten zu wenig Jod im Trinkwasser, so dass im Schnitt weniger als die erforderlichen 150 - 200 µg Jodid täglich aufgenommen werden. Dann ist die Schilddrüsenhormonsynthese erschwert, und die Schilddrüse versucht durch Wachstum, genügend Hormone zu produzieren. • Auch das Arzneimittel Lithium kann zu einer Struma führen. Karsten Hartdegen Euthyreote Struma (blande Struma): Symptome und Untersuchungsbefund Als erstes fällt dem Patienten zumeist eine Verdickung des Halses auf. Vielleicht verspürt er auch ein Engegefühl im Halsbereich. Eine große Struma führt durch Druck auf Luft- und Speiseröhre zu inspiratorischem Stridor, Dyspnoe, Kloßgefühl und Schluckbeschwerden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Teile der Struma hinter dem Brustbein liegen (retrosternale Struma). Kleine Strumen sind nicht sicht-, sondern nur tastbar. Nach ihrer Größe werden die Strumen in folgende Stadien eingeteilt: • Stadium Ia: Tastbare Struma, die auch beim Zurückbeugen des Kopfes nicht sichtbar ist, oder kleiner Strumaknoten • Stadium Ib: Tastbare Struma, die nur bei zurückgebeugtem Kopf sichtbar ist • Stadium II: Bei normaler Kopfhaltung sichtbare Struma • Stadium III: Auf Distanz sichtbare Struma, die zu Lokalsymptomen wie denen einer Luftröhreneinengung (Siehe oben) führt. Karsten Hartdegen Euthyreote Struma (blande Struma): Diagnostik und Differentialdiagnose • Blutabnahme mit Bestimmung des freien T3 und T4, TSH (Basalwert) sowie TRH-Test zur Klärung der Funktionslage. Bei einer euthyreoten Struma ist die Hormonproduktion regelrecht. Bei jeder hyperthyreoten Struma besteht der Verdacht auf autonome Schilddrüsenbezirke. • BSG, CRP und Schilddrüsenantikörper zum Ausschluss einer Schilddrüsenentzündung • Ultraschall, um das Schilddrüsenvolumen exakt zu bestimmen und Knoten oder eine Entzündung zu diagnostizieren • Bei tastbaren oder im Ultraschall sichtbaren Knoten Szintigraphie zur Erfassung karzinomverdächtiger kalter und autonomer heißer Knoten • Evtl. Feinnadelpunktion bei V.a. Karzinom oder Entzündung. Karsten Hartdegen Euthyreote Struma (blande Struma): Konservative Therapie • Die medikamentöse Behandlung der euthyreoten Struma besteht je nach Alter des Patienten und Ausmaß der Schilddrüsenvergrößerung in der Gabe von Jodid (z.B. Jodid 200®) und/oder - trotz des normalen Hormonspiegels - Schilddrüsenhormonen (z.B. Euthyrox®), um der Schilddrüse den Wachstumsreiz zu nehmen. Operative Therapie • Bei erheblichen Beschwerden des Patienten oder Erfolglosigkeit der medikamentösen Therapie ist eine subtotale Strumaresektion, oft nicht ganz korrekt auch als subtotale Strumektomie bezeichnet, angezeigt. Über einen queren Zugang knapp oberhalb des Sternums (Kocher-Kragenschnitt) wird nicht die gesamte Schilddrüse entfernt, sondern beidseitig ein Schilddrüsenrest und die Nebenschilddrüsen belassen. • Ein einzelner Strumaknoten (selten) kann auch enukleiert (ausgeschält) werden. Euthyreote Struma (blande Struma): Karsten Hartdegen Operative Therapie • Wichtigste Komplikation von Schilddrüsenoperationen ist eine Rekurrensparese (Kehlkopflähmung, Lähmung der Kehlkopfmuskulatur) mit Beeinträchtigung der Stimmbandbeweglichkeit durch intraoperative Schädigung des N. recurrens). • Die einseitige Rekurrensparese zeigt sich durch postoperative Heiserkeit, die (seltene) beidseitige Rekurrensparese durch schwere Atemnot. Euthyreote Struma (blande Struma): Karsten Hartdegen Operative Therapie