Newsletter Nr. 21-2010 Das "Kreuz" mit der Kreuzallergie Kennen sie das Kribbeln auf Zunge und Lippen sowie im Hals nach einem herzhaften Biss in den Apfel? Haben sie Schwellungen im Mund- oder Halsbereich festgestellt? Bekommen sie juckenden Hautausschlag nach dem Genuss von Muscheln oder Garnelen? Die Beschwerden treten fast immer unmittelbar nach dem Essen auf. Die Ursache dafür liegt möglicherweise in einer Kreuzallergie, eine Reaktion in Folge einer bereits bestehenden Allergie. Solche Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind relativ häufig. Man spricht auch von allergisch bedingter Nahrungsmittelunverträglichkeit. Die Kreuzallergie verursacht durch ähnliche Allergie auslösende Strukturen Allergien sind Überreaktionen des Immunsystems auf an sich ungefährliche Substanzen in unserer Umwelt. Eine Kreuzallergie liegt vor, wenn die Antikörper (Immunglobuline E) nicht nur auf ein Allergen einer bestimmten Allergenquelle (z. B. Birkenpollen, sie enthalten verschiedene Allergene) gerichtet sind, sondern auch ähnliche Allergene aus anderen Allergenquellen (z. B. Apfel, Nüsse, ...) erkennen und bei Kontakt eine allergische Reaktion auslösen. Bei den Allergenen handelt es sich sehr oft um Eiweißstoffe. Pflanzen und Tiere sind entwicklungsgeschichtlich miteinander verwandt und funktionieren in gewisser Hinsicht nach ähnlichen biologischen Bauplänen. Daher können Eiweißstoffe verschiedener Pflanzen- und Tierarten dieselbe Allergie auslösende Molekülstruktur aufweisen. Aufgrund dieser Ähnlichkeit reagieren zum Beispiel pollenspezifische Antikörper mit bestimmten Eiweißstoffen in Nahrungsmitteln. Im Prinzip handelt sich um eine „Verwechslung der übereifrigen Körperpolizei". Wissenschaftliche Studien haben eine solche Ähnlichkeit bei Allergenen aus Birkenpollen und Apfel nachgewiesen. Viele Birkenpollenallergiker verspüren nach dem Genuss eines frischen Apfels Kribbeln oder Juckreiz im Mund-Rachen-Bereich. Neben Schwellungen der Mundschleimhaut werden auch allergische Reaktionen im Magen-Darmtrakt beschrieben. Viele Birkenpollen-Allergiker leiden nach dem Genuss eines frischen Apfels unter allergischen Symptomen wie Anschwellung, Rötung und Juckreiz der Mundschleimhaut. Ein Hinweis noch für Liebhaber der besonderen Küche: Der Genuss von Krebstieren kann bei Hausstaubmilben-Allergikern allergische Reaktionen auslösen. Dies wurde vor Jahren noch als zufälliges, kombiniertes Auftreten einer Inhalations- und einer Nahrungsmittelallergie gedeutet. Inzwischen weiß man es besser: Milben sind durch ein Allergen (Tropomyosin) charakterisiert, dessen Molekülstruktur dem Hauptallergen in Krebstieren sehr ähnlich ist. Erfahren sie mehr über die „reizende" Verwandtschaft von Allergenen Der Einsatz der Bioinformatik erbrachte beachtliche Fortschritte im Bereich der Allergologie. Die Ermittlung der Aminosäuren-Sequenzen von Allergenen, das Anlegen von Allergen-Datenbanken sowie die dreidimensionale Darstellung der Molekülstrukturen ermöglichen eventuelle Kreuzreaktionen bei verschiedenen Allergenen im Voraus zu erkennen. Die Identifizierung und Charakterisierung von Allergie auslösenden Eiweißstoffen zeigte, dass deren allergenen Eigenschaften an bestimmte Aminosäuren-Abfolgen gebunden sind. Diese Molekül-Abschnitte werden als Epitope bezeichnet, sie umfassen meist nur 8-15 Aminosäuren und bilden den Angriffspunkt für die Immunabwehr. Eine allergene Substanz (z. B. Pollen) kann mehrere Eiweißstoffe mit allergenen Eigenschaften enthalten. Unterschiedliche Allergene können manchmal dieselben oder sehr ähnliche Epitope enthalten, daher besteht die Möglichkeit von Kreuzreaktionen. Aber Achtung: Im Falle eines auf Süßgräser, Glaskraut und Hausstaubmilbe sensibilisierten Patienten spricht man nicht von Kreuzallergie, sondern von Polysensibilisierung, denn die dafür verantwortlichen Allergene bzw. Epitope sind verschieden. Trotz moderner molekularbiologischer Methoden ist die Identifizierung der Epitope noch unvollständig und schwierig. Die Erforschung von Nahrungsmittelallergien ist besonders kompliziert, da Allergene in Nahrungsmitteln durch Kochen, Verdauung und Stoffwechsel verändert werden. Beobachtungen „in vivo" (im lebendigem Organismus) werden daher nicht immer durch Beobachtungen „in vitro" (im Reagenzglas) bestätigt oder umgekehrt. Heuschnupfen-Patienten sind häufig von Kreuzallergien betroffen Im Prinzip kann eine Kreuzreaktion bei sämtlichen Formen von Allergien auftreten. Bei Pollenallergikern können neben Kreuzreaktionen zwischen Pollen verwandter Pflanzenarten auch Reaktionen zwischen Pollen und Nahrungsmitteln auftreten; man bezeichnet diese als pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien. Nach erfolgter Sensibilisierung auf ein Pollenallergen kann das Immunsystem bereits beim ersten Kontakt mit einem verwandten Molekül aus einem Lebensmittel reagieren und allergische Symptome auslösen. Die Kreuzallergie tritt somit bei einer bereits bestehenden Allergie auf, ihre Folgen können unangenehm bis lebensbedrohlich sein! Die Beschwerden treten beispielsweise nach dem Genuss von frischem Obst oder Gemüse auf, manchmal auch nur bei gewissen Sorten. Im Falle einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie enthält das kritische Lebensmittel Eiweißstoffe, die den Pollenallergenen der windblütigen Bäume, Gräser oder Kräuter ähnlich sind. Oft gehören Pollen und Nahrungsmittel zur selben Pflanzengattung oder Pflanzenfamilie (botanische Verwandtschaft). Wer zum Beispiel auf die im Spätsommer fliegenden Beifußpollen allergisch reagiert, wird Wermut (wird manchmal als Gewürz verwendet, gehört zur selben Pflanzengattung Artemisia) und möglicherweise auch Kamille (gehört zur selben Pflanzenfamilie der Korbblütler) nicht vertragen. Ähnlich verhält es sich bei einer Allergie auf Haselpollen, Birkenpollen und Haselnüsse: Die Gemeinsamkeiten zwischen den Allergenen in Pollen und Früchten konnte man auf die botanische Verwandtschaft zurückführen. Beifuß, Wermut und Kamille - Kreuzallergie möglich Nicht jeder Pollenallergiker entwickelt jedoch zusätzlich eine Nahrungsmittelallergie. Keinesfalls muss man daher zur Sicherheit von vorne herein ganze Pflanzenfamilien aus dem eigenen Speiseplan streichen. Im Allgemeinen sind die Reaktionen der pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie während der Pollensaison besonders ausgeprägt. Als Pollenallergiker soll man besonders zur Blütezeit der kritischen windblütigen Pflanzen auf Kreuzreaktionen achten, da das Immunsystem in dieser Zeit bereits durch die hohe Pollenkonzentration belastet ist. Die gefährlichen Lebensmittel verursachen möglicherweise außerhalb der Pollensaison keine Beschwerden. Eine Allergie kommt oft nicht alleine Kreuzallergien können, müssen aber nicht entstehen. Über die Hälfte der Baumpollen-Allergiker weisen Kreuzreaktionen mit Nahrungsmitteln auf. Beifuß- und Gräser-Pollenallergiker sind davon weniger betroffen. Je nach Pollenallergie wurden typische Muster von pollenassoziierten NahrungsmittelAllergien beobachtet. Birkenpollen-Allergiker können auf Haselnüsse allergisch reagieren. • Birkenpollen-Allergiker leiden besonders häufig unter Kreuzreaktionen. Nicht nur Pollen von botanisch verwandten Bäumen wie Erle, Hasel, Hopfenbuche, Hainbuche, Eiche, Edelkastanie und/oder Buche können zum Problem werden. Birkenpollen-Allergiker können auch auf Kern- und Steinobst (Apfel, Birne, Aprikose, Kirsche, Pfirsich, Pflaumen,...), Kiwi, Feigen, Nüsse, Sellerie, Soja, Karotte und/oder verschiedene Gewürze allergisch reagieren. • Bei Gräserpollen-Allergie sind Kreuzreaktionen nach dem Genuss von Tomate, Getreide (Körner, Produkte) oder Hülsenfrüchten (Bohne, Erbse, Soja, Erdnuss) bekannt. • Eine Beifußpollen-Allergie bringt möglicherweise eine Reaktion auf Sellerie, Karotten oder Gewürze (z. B. Kümmel, Anis, Koriander, Zimt) mit sich. Kreuzreaktionen bei Beifußallergie werden im Allgemeinen seltener beobachtet als bei Birkenpollen-Allergie, sie können aber durchaus sehr heftig sein. Symptome einer Kreuzallergie erkennen und Allergene vermeiden Ob und in wieweit der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel zu Unverträglichkeitsreaktionen führt, ist individuell verschieden. Meist treten die Beschwerden unmittelbar nach dem Essen auf. Betroffen sind vor allem Atmung, Haut und Verdauung. Als typische Unverträglichkeitsreaktion gilt das orale AllergieSyndrom, das sich in Zungen- und Halskribbeln oder Gaumenjucken äußert. Diese Reaktion ist unangenehm, jedoch vergleichsweise harmlos. Schwellungen von Lippen, Zunge oder im Hals sind weitaus gefährlicher. Die allergische Reaktion kann sich auch in juckenden Hautausschlägen, Heiserkeit, Schwindel, Übelkeit, Durchfall und Magenproblemen äußern. Im Extremfall kann es zu einem Asthmaanfall oder sogar zu Kreislaufversagen (anaphylaktischer Schock) kommen. Das kritische Lebensmittel verursacht nicht unbedingt dieselben Beschwerden wie die Allergie auslösenden Pollen. So kann ein Allergiker zum Beispiel von Gräserpollen tränende Augen bekommen und von Tomaten Magenschmerzen! Wer von blühenden Süßgräsern Heuschnupfen bekommt, verträgt möglicherweise keine Tomaten. Allergien sollten nie auf die leichte Schulter genommen werden. Treten die beschriebenen Beschwerden auf, sollte man sich von einem Facharzt beraten lassen. Die Gefährlichkeit von Kreuzallergien darf nicht unterschätzt werden. Wer bereits unter einer Allergie leidet, sollte sich über Verwandtschaftsverhältnisse von Allergie auslösenden Substanzen informieren, um eventuelle Anzeichen richtig deuten zu können. Wie bei der Pollenallergie, besteht die beste und sicherste Therapie in der Allergenvermeidung. Allergie-Tests können helfen, die Allergie auslösenden Substanzen ausfindig machen. Es braucht jedoch viel Zeit und Geduld um herauszufinden, um welche Allergene es sich im jeweiligen Fall handelt. Nicht selten verlangt die Suche nach den verursachenden Substanzen detektivischen Spürsinn! Betroffene wissen oftmals nicht, worauf sie tatsächlich reagieren. Nicht immer sind die Allergie-Auslöser bestimmte Nahrungsmittel; unvermutete Inhaltsstoffe in Gewürzmischungen (z. B. Sellerie), Fertiggerichten (z. B. Soja) oder Backwaren (z.B. Nüsse) können ebenfalls eine Kreuzallergie auslösen. Kleinste Mengen eines Allergens können genügen, um heftige Symptome auszulösen. Erahnt man die Gefährlichkeit bestimmter Inhaltsstoffe nicht, kann man sie auch nicht meiden. Oft zeigt erst die Erfahrung, welche Lebensmittel unbedingt zu vermeiden sind. Das Führen eines kombinierten Beschwerde- und Ernährungs-Tagebuchs kann bei Aufdeckung des Übeltäters sehr hilfreich sein. Jede Diät ist vorher mit einem Arzt zu besprechen, um eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu garantieren! Eine Therapie hängt von der Schwere der Erkrankung ab, in jedem Fall sollte man einen Arzt zu Rate ziehen. Bei akuten, leichten Beschwerden wie einer allgemeinen Hautrötung mit Juckreiz oder allergischem Schnupfen greift man meist auf Antihistaminika zurück. Sie blockieren die Histaminrezeptoren und reduzieren dadurch die Intensität der Symptome. Bei Asthma und Atemnot helfen schnell wirksame Inhalationssprays, die die Bronchien erweitern. Die spezifische Immuntherapie bekämpft die Ursachen der Allergie und erzielt langfristig eine Linderung der allergischen Beschwerden, indem sie die Toleranzschwelle erhöht; mitunter ermöglicht sie sogar eine Heilung. Kann man Allergene vor dem Genuss unschädlich machen? Viele pflanzliche Nahrungsmittel-Allergene sind hitzelabil, sie verursachen nur im rohen Zustand Beschwerden. Dass ist damit zu erklären, dass die als Allergene wirkenden Bestandteile in Gemüse oder Früchten beim Erhitzen weitgehend zerstört werden. So kann beispielsweise ein Apfel nach Erhitzen in der Mikrowelle plötzlich wieder vertragen werden. Das bedeutet, dass der Apfel-Allergiker zwar rohe Äpfel meiden soll, dafür aber eventuell Apfelmus oder Apfelkompott als Alternativen heranziehen kann. Ausnahmen kennt man bei Sellerie, Kräutern und Gewürzen, sie können auch nach dem Erhitzen Symptome hervorrufen (hitzestabile Allergene). Zu den hitzestabilen Nahrungsmittel-Allergenen gehören u. a. auch Erdnuss, Haselnuss und Soja. Spezialfall Sellerie Knollensellerie enthält ein hitzelabiles Allergen (Kreuzreaktion bei Birkenpollen-Allergie möglich), während im Stangensellerie ein hitzestabiles Allergen (Kreuzreaktion bei Beifußpollen-Allergie möglich) enthalten ist. Ein Sellerie-Allergiker, der auch auf Beifuß-Pollen reagiert, sollte sich daher auch vor gekochtem Sellerie, wie zum Beispiel in Suppen, in Acht nehmen. Ähnlich dem Beispiel Sellerie, gibt es mittlerweile regelrechte Steckbriefe für die verschiedenen Nahrungsmittel-Allergene, in denen man nachlesen kann, ob ein Allergen durch Kochen zerstört wird. Diese Steckbriefe dienen den Betroffenen als praktische Hilfe für den Alltag, denn die Kenntnis der Eigenschaft der Nahrungsmittel-Allergene erlaubt einen möglichst abwechslungsreichen Speiseplan beizubehalten. © 2010 Autonome Provinz Bozen - Südtirol | Landesagentur für Umwelt Biologisches Labor Dieser Dienst wird vom Biologischen Labor - Arbeitsbereich Aerobiologie bereitgestellt. http://www.provinz.bz.it/pollen Biologisches Labor, Unterbergstr. 2, I-39055 Leifers Tel.: 0471950431 Email: [email protected]