Thema des Monats Juni 2000 “Allergene Kreuzreaktionen” www.ernaehrungs-forum.com -1/7- Thema des Monats Juni 2000 Allergene Kreuzreaktionen Über Atemluft, Kleidung und Lebensmittel kommen wir im Alltag mit hunderttausenden unterschiedlicher, harmloser Proteine in Kontakt. In der Regel toleriert unser Körper diese "Fremdstoffe", aber manchmal kommt es gegen solche Proteine zu überschießenden Abwehrreaktionen - Allergien. Zu den häufigen Allergieauslösern zählen beispielsweise die im Hausstaub enthaltenen Reste der Hausstaubmilbe, Tierhaare bzw. -hautschuppen, Gräser-, Baum- und Kräuterpollen oder bestimmte Lebensmittel. Viele Allergiker reagieren auf mehrere "Auslöser", und in vielen Fällen verbirgt sich dahinter eine allergische Kreuzreaktion. Was macht ein Protein zum Allergen? In den Allergieauslösern, seien es Äpfel, Birkenpollen oder Hausstaubmilben, sind meist nur sehr wenige Proteine für die allergische Reaktion verantwortlich. Die wichtigsten etwa 100 Allergene sind mittlerweile dank der modernen molekularen Untersuchungsmethoden gut charakterisiert. Allergene Proteine haben, unabhängig von ihrer Herkunft, häufig einige Merkmale gemeinsam (Taylor et al., 1996). Dazu zählen unter anderem die Proteingröße und bestimmte Aminosäuresequenzen sowie die Stabilität der Proteine im Verdauungstrakt. Allergische Kreuzreaktionen beruhen auf bestimmten, ähnlichen Aminosäuresequenzen (Epitopen) in den allergenen Proteinen, an die Immunglobuline der Klasse E (IgE) binden und damit die allergische Reaktion auslösen. Die Aminosäuresequenzen kreuzreagierender Allergene sind in den entsprechenden Proteinabschnitten häufig über längere Abschnitte zu mehr als 50-60 % identisch, obwohl die eigentlichen Epitope meist nur wenige Aminosäuren (mindestens acht) umfassen. Darüber hinaus können Epitope auch durch Faltung der Aminosäurekette gebildet werden (diskontinuierliche Epitope, mindestens 16 Aminosäuren). Sie sind oft hitzelabil, da die Proteine bei der Erhitzung denaturiert und ihre Struktur dadurch verändert wird. Apfel (18 kDa-Protein) Birke (Bet v 1, 17 kDa) GVYTFENEYTSLIPPXILFKAFVXD SVFNYETETTSVIPAAMLFKAFILD (X = unbestimmte Aminosäure) Aminosäuresequenz-Ausschnitt (Einbuchstabencode) kreuzreagierender Allergene von Apfel und Birkenpollen. Die für die diskontinuierlichen Epitope wahrscheinlich mitverantwortlichen Aminosäuren sind fett hervorgehoben. Quelle: Hsieh et al., 1995 Pollen oder Paranuss? Viele Allergiker kreuzreagieren beispielsweise auf unterschiedliche Lebensmittel und auf Allergene aus der Luft. Viele Lebensmittelallergien haben ihre Ursache in diesen Kreuzreaktionen, d.h. der primär allergieauslösende Faktor ist wahrscheinlich nicht das Lebensmittel selbst, sondern Pollen, der in höheren Konzentrationen -2/7- Thema des Monats Juni 2000 mit großen Schleimhautoberflächen, z.B. in der Lunge, in Kontakt kommt. Daher wird häufig auch der Begriff "pollenassoziierte Lebensmittelallergie" verwendet. Die "Birkenpollen-Apfel-Nuss-Allergie" oder die "Beifußpollen-Sellerie-Karotten-Allergie" sind typische Beispiele. Das Hauptallergen des Apfels (Molekulargewicht 18 kDa) ist zu 67 % identisch mit dem Hauptallergen des Birkenpollens (siehe Abbildung). Häufig sind Profiline, eine bei Pflanzen ubiquitär vorkommende Proteingruppe, an Kreuzreaktionen beteiligt. Profiline sind einander sehr ähnlich und weisen trotz unterschiedlicher Herkunft oft ähnliche IgE-Epitope auf. Andere Kreuzreaktionen bei Lebensmitteln (z.B. gegen Krustentiere oder Fisch) sind auf verwandte Arten beschränkt (Taylor et al., 1987). Bei der "Tomate-Graspollen-Allergie" sind für die Kreuzreaktion neben den sogenannten Profilinen auch bestimmte Glykosilierungsmuster anderer Proteine von Bedeutung. In der Banane kennen wir heute zwei Hauptallergene (Molekulargewicht 37 und 38 kDa), auf die auch mehr als 75 % der Latex-Allergiker kreuzreagieren. Die Latex-Allergie hat insofern besondere Bedeutung, da Patienten im medizinischen Bereich häufig mit Latex in Berührung kommen - teilweise mit schwerwiegenden Zwischenfällen während der ärztlichen Versorgung. Latex-Allergien gehen in mehr als der Hälfte aller Fälle mit Allergien gegen verschiedene exotische Früchte einher, so dass hier vom Latex-Frucht-Syndrom gesprochen wird (Blanco et al., 1994). Patienten mit atopischer Dermatitis können allergene Kreuzreaktionen gegen verschiedene Hefen (Candida, Saccharomyces, Rhodotorula) zeigen (Lintu et al., 1999). Eine für Kreuzreaktionen gegen Fleisch wichtige Proteingruppe könnten Immunglobuline der Klasse G sein - zumindest bei Rindfleisch-Allergien spielt es eine Rolle (Ayuso et al., 2000). Neben den kreuzreagierenden IgE enthalten Allergikerseren oft rein allergenspezifische IgE. Verschiedene Allergien können auch völlig unabhängig voneinander auftreten, beispielsweise gegen Gräserpollen und Zwiebeln. Parallel bestehenden Allergien muss also nicht immer eine Kreuzreaktion zugrunde liegen. Wie werden Kreuzallergien diagnostiziert? Charakteristisch für allergische Kreuzreaktionen ist das Vorhandensein entsprechender IgE-Antikörper, die bestimmte Epitope zweier oder mehrerer allergener Proteine spezifisch binden. Das Vorhandensein solcher IgE im Patientenserum und ihre Bindung an die in Frage kommenden Allergene wird in der überwiegenden Zahl der Tests auf eine Kreuzreaktion in vitro untersucht. Seltener werden zunächst auch Hauttests durchgeführt. Dabei ist es (generell) wichtig, dass vermutete Allergene in der Form eingesetzt werden, in der sie die Symptome auslösen (z. B. gekocht oder roh). Die Ähnlichkeit von Allergen-Epitopen kann auch zur Allergen-Diagnostik genutzt werden (Allergogramm). Dabei werden verschiedene kreuzreagierende Proteine mit Patientenserum inkubiert und das Reaktionsprofil des Patienten-IgE erfasst. Anhand dieses Ergebnisses können dann wenige, kreuzreagierende Allergene, die -3/7- Thema des Monats Juni 2000 die therapeutisch wichtigsten IgE-Epitope abdecken, zur spezifischen Desensibilisierungstherapie eingesetzt werden. Was tun? Pollenallergiker können besonders während der Flugzeit "ihrer" Pollen beim Verzehr von kreuzreaktiven Lebensmitteln (siehe Tabelle) Allergiesymptome zeigen: häufig ein pelziges Mundgefühl oder Juckreiz, in seltenen Fällen aber auch einen durch rapiden und massiven Blutdruckabfall lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Aus diesem Grund ist es ratsam, den Verzehr entsprechender Lebensmittel vorübergehend einzuschränken. Da viele Obst- und Gemüseallergene hitzelabil sind, reicht es oftmals aus, auf den Verzehr der rohen Früchte zu verzichten. Gräser- und Getreidepollen-Allergiker sollten auf rote Apfelsorten ausweichen, die im Vergleich zu grünen geringere Konzentrationen des die Kreuzallergie auslösenden Apfelallergens enthalten. Sind Kreuzreaktionen mit Nüssen bekannt oder zu befürchten, so sollte daran gedacht werden, dass Gebäck oder Schokoladenprodukte häufig Nussbestandteile enthalten. Tabelle: Beispiele für Kreuzreaktionen: primäre und kreuzreagierende Allergene Die Einteilung ist in Einzelfällen fließend und hängt von der Häufigkeit und Intensität des Kontakts mit dem Allergen ab. Quelle: u.a. Pfau et al. (1996) und Blanco et al. (1999), modifiziert -4/7- Thema des Monats Juni 2000 _____________________________________________________ ZITIERTE LITERATUR Ayuso, R., Lehrer, S.B., Lopez, M., Reese, G., Ibanez, M.D., Esteban, M.M., Ownby, D.R. und Schwartz, H. (2000): Identification of bovine IgG as a major cross-reactive vertebrate meat allergen Allergy 55, 348-354 Blanco, C., Carrillo, T., Castillo, R., Quiralte, J. und Cuevas, M. (1994): Latex allergy: clinical features and cross-reactivity with fruits Ann Allergy 73, 309-314 Blanco, C., Diaz-Perales, A., Collada, C., Sanchez-Monge, R., Aragoncillo, C., Castillo, R., Ortega, N., Alvarez, M., Carrillo, T. und Salcedo, G. (1999): Class I chitinases as potential panallergens involved in the latex-fruit syndrome J Allergy Clin Immunol 103, 507-513 Hsieh, L., Moos, M. und Lin, Y. (1995): Characterization of apple 18 and 31 kd allergens by microsequencing and avaluation of their content during storage and ripening J Allergy Clin Immunol 96, 960-970 Lintu, P., Savolainen, J., Kalimo, K., Kortekangas-Savolainen, O., Nermes, M. und Terho, E.O. (1999): Cross-reacting IgE and IgG antibodies to Pityrosporum ovale mannan and other yeasts in atopic dermatitis Allergy 54, 1067-1073 Pfau, A., Stolz, W., Landthaler, M. und Przybilla, B. (1996): Neue Aspekte zur Nahrungsmittelallergie Dtsch med Wschr 121, 346-350 Taylor, S.L. und Lehrer, S.B. (1996): Principles and Characteristics of Food Allergens Crit Rev Food Sci Nutr 36 (S), 91-118 Taylor, S.L., Lemanske, R.F., Bush, R.K. und Busse, W.W. (1987): Food allergens: structure and immunologic properties Ann Allergy 59, 93 __________________________________________________________________ -5/7- Thema des Monats Juni 2000 _____________________________________________________ Zitierte Literatur XXXLiteraturhinweis XXX XXX_____ _____________________________________________________ -6/7- Thema des Monats Juni 2000 WebWeb-SiteSite-Hinweis: Besuchen Sie unsere Website und lesen Sie das Thema des Monats Juli 2000: “Lebensmittelallergien” _____________________________________________________ IMPRESSUM Serviceabteilung der Bestfoods Deutschland GmbH & Co. OHG Postfach 2650 D-74016 Heilbronn Tel.: +49-(0)7131/501-342 Fax.: +49-(0)7131/501-9902 Internet: http://www.ernaehrungs-forum.com E-Mail: [email protected] Verantwortlich für den Inhalt i.S.d.R.: Dr. Robert Wittner Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Angebots darf ohne schriftliche Genehmigung vervielfältigt oder verbreitet werden. 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