Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Handbuch 1. Auflage, 2010 Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Handbuch 1. Auflage, 2010 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Vorwort Zoonosen sind Infektionskrankheiten, deren Erreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden können - sehr häufig geschieht dies durch kontaminierte Lebensmittel. Mit der EU-Zoonosen-Richtlinie aus dem Jahr 2003 wurde eine klare rechtliche Grundlage für die effektive Überwachung und Bekämpfung der Zoonosen im EU-Raum geschaffen. In Österreich wurde diese EU-Richtlinie durch das Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoonosengesetz) umgesetzt, welches darüber hinaus auch die organisatorischen Strukturen für die erfolgreiche nationale Zoonosenbekämpfung vorgibt. Für den Humanbereich spielen insbesondere die lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüche, die durch Zoonoseerreger verursacht werden, eine große Rolle. Die interdisziplinären Zoonosenkommissionen auf nationaler und Bundesländerebene, welche entsprechend dem Zoonosengesetz §§ 3 und 4 eingerichtet wurden, sind optimale Organisationseinheiten für die effektive und vor allem sofortige Reaktion auf lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche. Für die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Fachbereichen Human- und Veterinärmedizin, Lebensmittelbereich und Futtermittelkontrolle wurde eine Arbeitsgruppe (AG Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche) der Bundeskommission für Zoonosen im BMG gegründet und mit der Erstellung eines Handbuches beauftragt. Ziel des Handbuches ist es, die Zuständigkeiten und rechtlichen Grundlagen sowie die Zusammenarbeit der Behörden bei der Abklärung und Bekämpfung von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen darzustellen. Dabei wird in erster Linie Wert auf einfache und klare Darstellung sowie die Umsetzbarkeit gelegt. Abläufe, Unterscheidungskriterien, fachliche und rechtliche Fragestellungen werden kurz und übersichtlich dargestellt und bleiben bewusst auf wesentliche und häufige Situationen beschränkt. Darüber hinaus wurde wiederholt die Abstimmung mit allen beteiligten Fachbereichen auf Bundes- und Landesebene durchgeführt, um die Praktikabilität zu gewährleisten. Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden, ohne deren Einsatz und Engagement dieses Manual nicht möglich gewesen wäre. Ich freue mich, dieses Handbuch nun präsentieren zu können und hoffe, dass es zur Erleichterung der täglichen Arbeit vor Ort und damit zu einer verbesserten Zoonosenbekämpfung beiträgt. Alois Stöger Bundesminister für Gesundheit Seite 5 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Unterarbeitsgruppe der AG LMbKA/administrativ–HUMAN der Bundeskommission für Zoonosen: DDr. Reinhild STRAUSS (BMG); Dr. Elfriede ÖSTERREICHER (BMG); Dr. Günther KRAUS (AGES); Dr. Peter-Vitus STANGL (BMG); Dr. Karin JEBOUSEK (BMG); Dr. Peter MUCH (AGES); Mag. Petra FEIERABEND (BMG); Christine HAIN (BMG) Bundesministerium für Gesundheit: Dr. Christine OBERLEITNER-TSCHAN Landessanitätsdirektion Oberösterreich: Dr. Eva MAGNET Landessanitätsdirektion Kärnten: Dr. Heimo WALLENKO Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft: Mag. Daniela NOWOTNY Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport: Mag. med.vet VR Bgdr. Adolf POLIVKATREUENSEE; Obstlt. Mag. med.vet Dietmar RACKL Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH. (Bereich Humanmedizin - Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene): Mag. Dr. Sabine Schlager Robert-Koch-Institut (Deutschland): Dr. Katharina ALPERS Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Deutschland): Dr. Sabine LUDWIG; Dr. Wolfgang HAUTMANN Danksagung Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landessanitätsdirektionen Gesundheitsamt München (Deutschland): Dr. Petra GRAF Bundesamt für Gesundheit (Schweiz): Dr. Ekkehardt ALTPETER Kantonsarzt Basel-Landschaft (Schweiz): Dr. SCHORR Seite 6 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Inhaltsverzeichnis VORWORT ................................................................................................................................. 5 MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER ..................................................................................... 6 DANKSAGUNG ........................................................................................................................... 6 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...................................................................................................... 12 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ....................................................................................................... 13 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................................ 14 EINLEITUNG ............................................................................................................................. 15 1. ZUSTÄNDIGKEITEN UND MAßNAHMEN ................................................................................ 17 1.1 ZUSTÄNDIGKEITEN.......................................................................................................................... 17 1.1.1 Gesundheitsämter, Ärzte im Auftrag der Behörde (GA) ................................................... 17 1.1.2 Lebensmittelaufsicht (LMA)............................................................................................... 17 1.1.3 Veterinärbehörden (VTV) .................................................................................................. 17 1.1.4 Futtermittelexperten ......................................................................................................... 18 1.1.5 Unternehmer ..................................................................................................................... 18 1.2 ABLÄUFE ...................................................................................................................................... 18 1.2.1 Einzelfallmeldungen .......................................................................................................... 20 1.2.1.1 Einzelfallmeldungen - Ergebnis I ................................................................................. 21 1.2.1.2 Einzelfallmeldungen - Ergebnis II ................................................................................ 21 1.2.2. Mehrere Meldungen – Verdacht auf einen LMbKA ......................................................... 23 1.2.2.1 Szenario I: Ergebnisse ................................................................................................. 25 1.2.2.1.1 Ergebnis 1 ............................................................................................................. 25 1.2.2.1.2 Ergebnis 2 ............................................................................................................. 26 1.2.2.2 Szenario II: Abläufe, Ergebnisse .................................................................................. 26 1.3. ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEN BEHÖRDEN ................................................................................... 26 1.3.1 Gesundheitsämter ............................................................................................................. 26 1.3.2 Lebensmittelaufsicht ......................................................................................................... 27 1.3.3 Veterinärbehörden ............................................................................................................ 27 1.3.4 Futtermittelexperten ......................................................................................................... 27 1.4. SCHNITTSTELLE BUNDESHEER – GESUNDHEITSBEHÖRDEN ..................................................................... 27 Bundesheer und Lebensmittelaufsicht ....................................................................................... 28 Bundesheer und Veterinärverwaltung ....................................................................................... 29 1.4.1 Kontaktdienststellen – Kontaktpersonen im ÖBH im Falle eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs................................................................................................................... 29 Seite 7 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1.5. LEBENSMITTEL .............................................................................................................................. 30 1.5.1. Lebensmittelaufsicht ........................................................................................................ 30 1.5.1.1. Trinkwasser ................................................................................................................ 32 2. FACHLICHER TEIL .................................................................................................................. 35 2.1 ALLGEMEINE ÜBERLEGUNGEN ZUR AUSBRUCHSHYPOTHESE .................................................................... 35 2.1.1 Lebensmittelintoxikationen ............................................................................................... 35 2.1.1.1 Toxinmengen............................................................................................................... 35 2.1.1.2 Latenzzeit .................................................................................................................... 36 2.1.1.3 Ausbruchshypothese................................................................................................... 36 2.1.1.4 Übertragung durch Erkrankte ..................................................................................... 36 2.1.2 Lebensmittelinfektionen.................................................................................................... 36 2.1.2.1 Inkubationszeit ............................................................................................................ 37 2.1.2.2 Infektionsdosis ............................................................................................................ 37 2.1.2.3 Ausbruchshypothese................................................................................................... 37 2.1.2.4 Übertragung durch Erkrankte ..................................................................................... 37 2.1.3 Besonderheiten wichtiger und häufiger Erreger lebensmittelbedingter Erkrankungen .. 38 2.1.3.1 Salmonellen................................................................................................................. 38 2.1.3.2 Campylobacter ............................................................................................................ 40 2.1.3.3 Verotoxin bildende Escherichia coli – VTEC/STEC, EHEC ............................................ 41 2.1.3.4 Noroviren .................................................................................................................... 41 2.2 EPIDEMIOLOGIE UND AUSBRUCHSUNTERSUCHUNGEN – GRUNDBEGRIFFE ................................................. 42 2.2.1 Surveillance und Ausbruch ................................................................................................ 42 2.2.2 Epidemiologische Indikatoren ........................................................................................... 43 2.2.2.1 Inzidenz oder Befallsrate („attack rate“) oder „Risiko“ .............................................. 43 2.2.2.2 Prävalenz ..................................................................................................................... 43 2.2.2.3 Index-Fall ..................................................................................................................... 43 2.2.2.4 Primär- und Sekundärfälle .......................................................................................... 43 2.2.2.5 Epidemische Kurve ...................................................................................................... 44 2.2.2.6 Ausbruchs-Algorithmus............................................................................................... 46 2.2.2.7 Bestätigung eines Ausbruches, Meldung .................................................................... 47 2.2.2.8 Falldefinition ............................................................................................................... 47 2.2.2.9 Risikobevölkerung ....................................................................................................... 48 2.2.2.10 Studientypen ............................................................................................................. 48 2.2.2.11 Fragebogen ............................................................................................................... 50 Seite 8 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2.2.2.12 Aktive Fallsuche, Haushaltskontakte ........................................................................ 50 2.2.2.13 „line list“ .................................................................................................................... 50 2.2.2.14 Hypothese ................................................................................................................. 51 2.2.2.15 Ausbruchsbericht ...................................................................................................... 51 2.2.2.16 Kontrollmaßnahmen ................................................................................................. 52 2.2.2.17 Pressearbeit .............................................................................................................. 52 2.2.2.18 Fortbildungsmöglichkeiten ....................................................................................... 53 2.2.2.19 Empfehlenswerte Literatur ....................................................................................... 53 3. GESETZLICHE GRUNDLAGEN ................................................................................................. 54 3.1 EPIDEMIEGESETZ ............................................................................................................................ 54 3.1.1 Ermittlung der Krankheit; anzeigepflichtige Krankheiten, § 1 .......................................... 54 3.1.2 Erstattung der Anzeige, § 2 ............................................................................................... 56 3.1.3 Zur Anzeige verpflichtete Personen, § 3 ........................................................................... 56 3.1.4 Register der anzeigepflichtigen Krankheiten, § 4 .............................................................. 57 3.1.5 Erhebungen über das Auftreten einer Krankheit, § 5 ....................................................... 60 3.1.6 Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten; Einleitung von Vorkehrungen bei Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten, §6 ...................... 61 3.1.7 Desinfektion, § 8 ................................................................................................................ 61 3.1.8 Beschränkung der Wasserbenützung und sonstige Vorsichtsmaßregeln, § 10 ................ 62 3.1.9 Beschränkung des Lebensmittelverkehrs, § 11 ................................................................. 62 3.1.10 Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen, § 15............ 62 3.1.11 Besondere Meldevorschriften, § 16 ................................................................................ 62 3.1.12 Besondere Vorschriften betreffend Zoonosen Überwachung bestimmter Personen, § 17 ................................................................................................................................................ 63 3.1.13 Behördliche Kompetenzen, § 43 ..................................................................................... 64 3.2 ZOONOSENGESETZ ......................................................................................................................... 65 3.2.1 Gegenstand und Geltungsbereich, § 1 .............................................................................. 65 3.2.2 Begriffsbestimmungen, § 2 ................................................................................................ 65 3.2.3 Bundeskommission zur Überwachung von Zoonosen, § 3................................................ 66 3.2.4 Der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator, § 4 ...................................................... 66 3.2.5 Epidemiologische Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche, § 7 ........ 67 3.3 LEBENSMITTELSICHERHEITS- UND VERBRAUCHERSCHUTZGESETZ (LMSVG) ............................................... 68 3.3.1 Befugnisse und Pflichten der Aufsichtsorgane .................................................................. 68 3.3.2 Probenahme, § 36 ............................................................................................................. 71 3.3.3 Monitoring, § 37 ................................................................................................................ 73 Seite 9 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.3.4 Pflichten der Unternehmer................................................................................................ 73 3.3.5 Maßnahmen, § 39.............................................................................................................. 74 3.4 BESONDERHEITEN BEIM BUNDESHEER ................................................................................................ 76 3.4.1. Für den Humanbereich gilt: .............................................................................................. 76 3.4.1.1 Vorkehrungen im Bereiche der Militärverwaltung, § 45 EpidemieG ......................... 76 3.4.2. Für den Lebensmittelbereich gilt:..................................................................................... 76 3.4.2.1. Übertragung von Aufgaben an das Bundesministerium für Landesverteidigung, § 26 LMSVG ..................................................................................................................................... 76 3.4.3. Für den Veterinärberich gilt: ............................................................................................ 77 3.4.3.1 Beziehung zur Militärverwaltung und zu den Staats-Pferdezuchtanstalten; Ausnahmen für wissenschaftliche Anstalten und Institute .................................................... 77 ANHANG I ................................................................................................................................ 79 1) PRESSEARBEIT – FREQUENTLY ASKED QUESTIONS .................................................................................. 80 Hintergrundinfo zur Krankheit.................................................................................................... 80 Information zur aktuellen Situation ........................................................................................... 80 2) ERSTELLEN EINES FRAGEBOGENS ......................................................................................................... 81 3) ERHEBUNGSBÖGEN ZU DURCHFALLERKRANKUNGEN (BEISPIEL OBERÖSTERREICH) ........................................ 82 4) VORLAGE FÜR EINE EPIDEMIOLOGISCHE AUSBRUCHSKURVE ...................................................................... 87 5) MUSTER – AUSBRUCHSBERICHT ......................................................................................................... 88 6) BERICHTSFORMULAR FÜR BUNDESLAND-INTERNE LEBENSMITTELBEDINGTE KRANKHEITSAUSBRÜCHE ................ 90 7) ANLEITUNG ZUM AUSFÜLLEN DER EU-TABELLE BEI ENDBERICHTEN, VORLÄUFIGEN ENDBERICHTEN UND GESAMTBERICHTEN VON LMBKA ........................................................................................................... 91 8) FORMULAR FÜR BUNDESLÄNDERÜBERGREIFENDE LEBENSMITTELBEDINGTE KRANKHEITSAUSBRÜCHE ................. 94 9) ERLÄUTERUNGEN ZUM FORMBLATT „BERICHT ZU EINEM BUNDESLÄNDERÜBERGREIFENDEN LEBENSMITTELBEDINGTEN KRANKHEITSAUSBRUCH (BL-LMBKA)“ AN DEN VORSITZENDEN DER BUNDESKOMMISSION FÜR ZOONOSEN ......................................................................................... 96 10) VERFAHRENSANWEISUNG FÜR DEN UMGANG MIT LEBENMITTELBEDINGTEN KRANKHEITSAUSBRÜCHEN (AUSZUG) ...................................................................................................................................................... 100 11) FORMBLATT FÜR ERHEBUNGEN VON LEBENSMITTELBEDINGTEN KRANKHEITSAUSBRÜCHEN (SIEHE DAZU VERFAHRENSANWEISUNG N0603.01) .................................................................................................. 103 12) LANDESKOMMISSIONEN FÜR ZOONOSEN .......................................................................................... 107 ANHANG II ............................................................................................................................. 111 BASISINFORMATIONEN ZU EINZELNEN ERREGERN .................................................................. 112 EINLEITUNG ...................................................................................................................................... 112 BOTULISMUS (ZOONG ANHANG 1-B-2) ................................................................................................ 115 CAMPYLOBACTERIOSE (ZOONG ANHANG 1-A) ........................................................................................ 118 Seite 10 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch CHOLERA ......................................................................................................................................... 122 HEPATITIS-A-VIRUS (ZOONG ANHANG 1-B-1) ....................................................................................... 124 INTESTINALE YERSINIOSE (Y. ENTEROCOLITICA) (ZOONG ANHANG 1-B) ....................................................... 128 KRYPTOSPORIDIOSE (ZOONG ANHANG 1-B-3) ........................................................................................ 130 LISTERIOSE (ZOONG ANHANG 1-A) ...................................................................................................... 133 NOROVIRUS (ZOONG ANHANG 1-B-1: CALICIVIRUS) ............................................................................... 139 SALMONELLOSE (ZOONG ANHANG 1-A) ................................................................................................ 143 TRICHINOSE (ZOONG ANHANG 1-A) ..................................................................................................... 148 TUBERKULOSE, VERURSACHT DURCH MYCOBACTERIUM BOVIS (ZOONG ANHANG 1-A) ................................... 151 TYPHUS ABDOMINALIS, PARATYPHUS ..................................................................................................... 154 VEROTOXINBILDENDE ESCHERICHIA COLI (ZOONG ANHANG 1-A) (VTEC/STEC, EHEC) ................................ 159 AMÖBENRUHR .................................................................................................................................. 165 BACILLUS CEREUS ............................................................................................................................... 167 ROTAVIREN ...................................................................................................................................... 169 SHIGELLOSE ...................................................................................................................................... 174 STAPHYLOCCOCUS AUREUS – LEBENSMITTELVERGIFTUNG .......................................................................... 177 ANHANG III ............................................................................................................................ 179 REFERENZEN ..................................................................................................................................... 180 IMPRESSUM ........................................................................................................................... 182 Seite 11 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Abkürzungsverzeichnis ABl. Nr. Abtltr AG LMbKA AGES AIDS BGBl. Nr. BKZoon BL LMbKA BMG BVB CC INFE CDC/Atlanta ECDC E-GovG EG EIA ELISA EMS EpidemieG Epid. Bull. Epi-Kurve EPIET EU FETP GA gem. ggf. HA HACCP HAV HUS i.d.g.F. ID IfSG i.V.m. KBE KdoG LKZoon Amtsblatt Nummer Abteilungsleiter Arbeitsgruppe lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH. Acquired Immune Deficiency Syndrome Bundesgesetzblatt Nummer Bundeskommission für Zoonosen Bundesländerübergreifender lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Bundesministerium für Gesundheit Bezirksverwaltungsbehörde AGES Kompetenzzentrum Infektionsepidemiologie Centre for Disease Control and Prevention/Atlanta European Centre for Disease Prevention and Control E-Government-Gesetz Europäische Gemeinschaft Enzymgekoppelter Immunadsorptionstest Enzyme Linked Immunosorbent Assay Epidemiologisches Meldesystem Epidemiegesetz Epidemiologisches Bulletin Epidemische Kurve European Programme Intervention Epidemiology Europäische Union Field Epidemiology Training Programme Gesundheitsamt gemäß gegebenenfalls Hepatitis A Hazard Analysis and Critical Control Point – Gefahrenanalyse und kritischer Kontrollpunkt Hepatitis A-Virus Hämolytisch-Urämisches Syndrom In der geltenden Fassung Identification Infektionsschutzgesetz In Verbindung mit Koloniebildende Einheiten; Anzahl von Mikrorganismen in einem Material, die bei Anzucht im Labor festgestellt werden konnte – Rückschluss auf die Anzahl lebensfähiger Mikroorganismen z.B. in Lebensmitteln (Infektionsdosis!) Kommandogebäude Landeskommission für Zoonosen Seite 12 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch LMA LMbKA LMSVG lt. MRSA ÖBH ÖGD OTF PCR PFGE RDNC Refltr RGBl. Nr. RKI RNA-Virus s.o. s.u. u.a. u.U. UAG Human VO VStG VTV ZoonG Lebensmittelaufsicht Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz Laut Methicillin-resistente Staphylococcus aureus Österreichisches Bundesheer Öffentlicher Gesundheitsdienst Officially Tuberculosis Free Polymerase Chain Reaction Pulsfeldgelelektrophorese Reading does not conform – Phagentyp nicht bestimmbar Referatsleiter Reichsgesetzblatt Nummer Robert-Koch-Institut ribonucleic acid/ Ribonukleinsäure - Virus siehe oben siehe unten unter anderem unter Umständen Unterarbeitsgruppe Human Verordnung Verwaltungsstrafgesetz Veterinärverwaltung Zoonosengesetz Begriffsbestimmungen Einzelfallmeldung Freistellung Kommensale Umgang mit Lebensmitteln Jede Meldung (Anzeige) gem. Epidemiegesetz 1950; sowohl klinische Meldungen (Verdacht, Erkrankung, Todesfall) als auch Labormeldungen. Im Zusammenhang mit § 17 EpidemieG ist diese Bezeichnung als „Historischer Begriff“ zu betrachten. (Beschränkung der Berufsausübung). Mikroorganismus der die Haut oder Schleimhäute besiedelt, zur Normalflora gehört und im Allgemeinen keine Erkrankungen verursacht (Hautflora, Darmflora etc.). Jeder Kontakt mit Lebensmitteln. Im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene ist damit jeder Kontakt zu Lebensmitteln gemeint, durch den Krankheitserreger auf Lebensmittel übertragen werden können. Alle Formulierungen sind durchgängig geschlechtsneutral und richten sich gleichermaßen an Frauen und Männer. Seite 13 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Allgemeine Übersicht der Abläufe ...................................................................... 19 Abbildung 2: Einzelfallmeldung – flow-chart ........................................................................... 20 Abbildung 3: Abläufe – Szenario I ............................................................................................ 23 Abbildung 4: Abläufe – Szenario II ........................................................................................... 24 Abbildung 5: Punktueller Infektionsherd („Point source outbreak“) ...................................... 44 Abbildung 6: Länger andauernde Infektionsquelle „Continous source outbreak“ .................. 45 Abbildung 7: Übertragung von Mensch zu Mensch („Prolongated outbreak“) ...................... 45 Abbildung 8: Typhusepidemie in Ybbs 1951 ............................................................................ 46 Seite 14 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Einleitung Die Untersuchung von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen (im Folgenden LMbKA) ist im Zoonosengesetz, BGBl Nr. I 128/2005 (ZoonG) geregelt. Für die Unterstützung der Umsetzung und die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Fachbereichen Human- und Veterinärmedizin, Lebensmittelbereich und Futtermittelkontrolle wurde eine Arbeitsgruppe (AG LMbKA) der Bundeskommission für Zoonosen (BKZoon) im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gegründet (§ 3 ZoonG). Eine wesentliche Feststellung in dieser Arbeitsgruppe war, dass einerseits die Definition eines LMbKA ab zwei erkrankten Personen zutrifft (gem. §2 Abs. 2 Z 2. ZoonG), andererseits aber nicht bei jedem Ereignis mit zwei erkrankten Personen eine Tätigkeit aller betroffenen Fachbereiche sachlich sinnvoll ist. Es erging daher der Auftrag an eine Unterarbeitsgruppe der BKZoon (UAG Human) ein Handbuch zur Unterstützung der betroffenen Behörden mit einer Darstellung optimierter Abläufe für die Zusammenarbeit der Fachbereiche zu erarbeiten. Ein erstes Fachkonzept der UAG Human zu diesem Handbuch wurde der BKZoon vorgestellt. Basierend auf diesem Konzept wurde anschließend - nach intensiver Abstimmung mit den Fachbereichen im BMG, Amtsärzten und -innen, sowie Behörden in Deutschland und der Schweiz - der BKZoon die Struktur des Handbuches präsentiert. Als Ergebnis der Präsentation und einer anschließenden Diskussion mit den Mitgliedern der BKZoon erfolgte die Festlegung der vorgestellten Struktur als Grundlage für die weitere Ausarbeitung. Die Koordination der Behörden liegt lt. ZoonG in der Kompetenz des Landeshauptmannes, hinsichtlich der Vorgangsweise bei einem Verdacht auf LMbKA gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ziel des Handbuches ist es, Vorschläge zur Unterstützung aller Verantwortlichen bei einem Verdacht auf LMbKA zu präsentieren, Schnittstellen darzustellen und fachliche Informationen zu vermitteln. Es wurde bewusst nicht versucht, auf Fragen der Behördenorganisation einzugehen, diese können in den Bundesländern unterschiedlich geregelt sein, ein Beispiel dafür sind die Aufgaben von Gemeindeärzten. Die Zielgruppe sind in erster Linie Amtsärzte und bei der Bearbeitung von LMbKA tätige Mitarbeiter der Gesundheitsämter. Abläufe, Unterscheidungskriterien, fachliche und rechtliche Fragestellungen sollen kurz und übersichtlich dargestellt sein und auf wesentliche und häufige Situationen beschränkt bleiben. Auf weiterführende Literatur bzw. Links wird verwiesen. Die Ausführungen über die rechtlichen Grundlagen hatten zum Ziel, den handelnden Akteuren eindeutige Informationen über die gesetzliche Basis ihres Handelns zu bieten. Es wurden jeweils die wichtigsten Paragrafen aus den relevanten gesetzlichen Grundlagen ausgewählt und bewusst keine ausführliche Auflistung aller Gesetze und Verordnungen einschließlich allfälliger EU-Regelungen durchgeführt, da dies den Rahmen dieses Handbuches bei Weitem überschritten hätte, ohne zur besseren Anwendbarkeit beizutragen. Seite 15 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Dieses Handbuch wird im Sinne eines „lebenden Dokuments“ laufend aktualisiert bzw. um weitere Themen erweitert. In der Hoffnung, dass es gelungen ist, wesentliche Informationen und Überlegungen bei Verdacht auf LMbKA zu vermitteln, dürfen wir Ihnen im Namen aller, die zur Entstehung des Handbuches beigetragen haben, viel Erfolg wünschen. Das Team der Autorinnen und Autoren Seite 16 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1. Zuständigkeiten und Maßnahmen 1.1 Zuständigkeiten 1.1.1 Gesundheitsämter, Ärzte im Auftrag der Behörde (GA) Meldungen gemäß Epidemiegesetz sind die Basis für die weitere Tätigkeit. Sie können als Labormeldungen (mikrobiologische Routinelabors gem. § 3 EpidemieG, Referenzzentralen gem. § 26a EpidemieG) oder als klinische Verdachtsmeldungen (beispielsweise mehrere Erkrankte nach gemeinsamer Mahlzeit) vorliegen (gem. § 3 EpidemieG). Aufgabe der Gesundheitsämter bzw. der behördlichen Ärzte: die Durchführung von Erhebungen und Untersuchungen (§ 5 EpidemieG) die Zusammenarbeit mit den jeweils betroffenen Fachbereichen (§ 4 Abs. 3 ZoonG) Maßnahmen auf der Basis des EpidemieG Meldungen und Berichte im Auftrag des Landeshauptmannes 1.1.2 Lebensmittelaufsicht (LMA) Die Kontrolle der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften obliegt dem Landeshauptmann. Der Landeshauptmann hat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben besonders geschulter Organe als Aufsichtsorgane (zum Beispiel Lebensmittelaufsicht, Amtstierarzt…) zu bedienen (§ 24 LMSVG). Die amtliche Probenziehung sowie Betriebsrevisionen werden beim Auftreten von LMbKA von Organen der Lebensmittelaufsicht, bzw. von Amtstierärzten in der Funktion Lebensmittelaufsicht für bestimmte Betriebe (Schlacht-, Fleischzerlegungs- und Wildbearbeitungsbetriebe) durchgeführt. Bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften sind erforderliche Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung anzuordnen (§ 39 LMSVG). Zum Beispiel: die Einschränkung oder das Verbot des Inverkehrbringens oder der Verwendung die teilweise oder gänzliche Schließung von Betrieben die Untersagung oder Einschränkung der Benützung von Räumen und Betriebsmitteln Die Zusammenarbeit mit anderen Behörden ist in § 4 Abs. 3 ZoonG geregelt, Meldungen und Berichte sind im Auftrag des Landeshauptmannes durchzuführen. 1.1.3 Veterinärbehörden (VTV) Wenn beim Auftreten eines LMbKA Laborergebnisse und Ergebnisse von Erhebungen auf eine Ursache in einem Tierbestand hinweisen, ist die Abklärung der jeweiligen Fragestellung Aufgabe der Veterinärbehörden. Seite 17 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Die Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Behörden ist in § 4 Abs. 3 ZoonG geregelt. Meldungen und Berichte sind im Auftrag des Landeshauptmannes durchzuführen. 1.1.4 Futtermittelexperten Die Zusammenarbeit mit diesem Fachbereich ist bei Hinweisen auf Futtermittel als mögliche Ursache eines LMbKA erforderlich, die Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Behörden ist in § 4 Abs. 3 ZoonG geregelt. Meldungen und Berichte sind im Auftrag des Landeshauptmannes durchzuführen. 1.1.5 Unternehmer Mit dem neuen Lebensmittelrecht hat ein deutlicher Wechsel in Fragen der Verantwortlichkeiten in Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit stattgefunden. Gemäß der Verordnung (EG) 852/2004 Artikel 3 liegt die Verantwortlichkeit für Lebensmittelsicherheit bei den Lebensmittelunternehmern. Diese stellen auch sicher, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die Hygienevorschriften erfüllt sind. 1.2 Abläufe Die Verantwortung für die Koordination der betroffenen Fachbereiche liegt im Fall eines LMbKA gemäß ZoonG beim Landeshauptmann. Die im Folgenden dargestellten Vorschläge für die Strukturierung von Abläufen wurden daher, wie auch in der Einleitung erwähnt, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen (die Durchführung von Erhebungen bei Patienten ist beispielsweise gemäß EpidemieG den zuständigen Behörden vorbehalten), als Unterstützung beim Auftreten von LMbKA erarbeitet. Verschiedene Situationen können einen Verdacht auf einen lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch begründen, welche die Koordinationstätigkeit entsprechend § 4 Abs. 2 und/oder § 7 Abs. 1 ZoonG notwendig machen: Mehrere Einzelfallmeldungen (Labor- oder klinische Verdachtsmeldungen) mit epidemiologischem Zusammenhang. Beispiel: Mehrere Labormeldungen in zeitlichem Zusammenhang über den Nachweis von Salmonellen bei Kindern (Verdacht auf eine bakterielle Lebensmittelvergiftung, § 1 Abs. 1 Z 1 EpidemieG) unter 6 Jahren – ev. Hinweis auf einen LMbKA ausgehend von einem Kindergarten bzw. einer Cateringfirma, die einen Kindergarten beliefert. Mehrere Personen erkranken gleichzeitig mit z.B. Symptomen einer Gastroenteritis (Verdacht auf eine bakterielle oder virale Lebensmittelvergiftung, § 1 Abs. 1 Z 1 EpidemieG). Beispiel: mehrere Schüler erkranken gleichzeitig. Seite 18 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Mehrere Befunde oder Hinweis einer Referenzzentrale (Referenzlabor, andere Laboratorien) über auffällige Häufungen oder einen zeitlichen Zusammenhang beim Auftreten eines Krankheitserregers. Einzelfall V.a. LMbKA Evaluierung Evidenzhaltung Maßnahmen im Betrieb Zusammenarbeit GA, LMA/VTV Abbildung 1: Allgemeine Übersicht der Abläufe Der in diesem Handbuch erarbeitete Ansatz und Vorschlag für eine fachlich sinnvolle und auch für betroffene Behörden umsetzbare Bearbeitung eines Verdachtes auf einen LMbKA ist die epidemiologische Evaluierung der Ergebnisse von ersten Erhebungen bzw. Laborbefunden. Wenn beispielsweise erste Erhebungen ergeben, dass mehrere Erkrankungen an Gastroenteritis bei Familienmitgliedern auf einen Zubereitungsfehler zurückzuführen sind und die Verbindung zu einem möglicherweise ursächlichen Lebensmittel nicht hergestellt werden kann, erscheint die Befassung von Organen der Lebensmittelaufsicht oder der Veterinärbehörden nicht zielführend. Trotzdem sind grundsätzlich alle, also auch diese LMbKA-Verdachtsfälle zur Erfassung und Dokumentation an die LKZoon weiterzuleiten, als Basis für die Übermittlung von Angaben durch die LKZoon an die BKZoon (§ 4 Abs. 4 ZoonG). Weiters kann auch bei einem primär auf Zubereitungsfehler zurückgeführten LMbKA zu einem späteren Zeitpunkt die Untersuchung eines möglichen Zusammenhanges mit anderen LMbKAs, beispielsweise aus einem benachbarten Bezirk, erforderlich sein. Falls jedoch Hinweise auf ein konkretes Lebensmittel bestehen, sind jedenfalls weitere Erhebungen erforderlich. Seite 19 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1.2.1 Einzelfallmeldungen Einzelfall Ergebnis 1 Ergebnis 2 Evidenzhaltung Maßnahmen im Betrieb GA GA LMA/VTV Abbildung 2: Einzelfallmeldung – flow-chart Zu jeder Einzelfallmeldung sind die gemäß § 5 EpidemieG erforderlichen Erhebungen durchzuführen. Empfohlen wird die Verwendung eines Fragebogens zur Erfassung und Dokumentation. Die wesentlichsten Punkte bei Erhebungen/Fragebogen sind (siehe dazu auch im Anhang I-2): Stammdaten Produktion/Bearbeitung von Lebensmitteln, auch landwirtschaftlicher Bereich Vermuteter Zusammenhang der Erkrankung/Labordiagnose mit: einem bestimmten Lebensmittel, abgestimmt auf den vermuteten oder durch ein Labor bestätigten Krankheitserreger, Speisen in den letzten Tagen (Salmonellen: Eier, Eipulver, Geflügel,…; Campylobacter: Geflügel, Haustiere, Baden in Oberflächengewässern…) anderen bekannten Personen, die ev. ebenfalls erkrankt sind Gemeinschaftseinrichtung, gewerblicher Küchenbetrieb Reiseanamnese Falls keine Hinweise auf einen LMbKA gemäß ZoonG bestehen (mindestens eine weitere infizierte und/oder erkrankte Person – siehe dazu 3.2.2) und daher weiterhin von einem Einzelfall auszugehen ist, sind zwei Ergebnisse möglich: Ergebnis I: keine berufliche Tätigkeit mit Lebensmitteln Ergebnis II: berufliche Tätigkeit mit Lebensmitteln Seite 20 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1.2.1.1 Einzelfallmeldungen - Ergebnis I Für den Fall, dass kein Zusammenhang mit mindestens einer weiteren infizierten und/oder erkrankten Person hergestellt werden kann (kein LMbKA!) keine Hinweise auf ein Lebensmittelunternehmen/Gemeinschaftseinrichtung bestehen und keine berufliche Tätigkeit mit Lebensmitteln ausgeübt wird ist nur die Evidenzhaltung erforderlich, um einen möglichen Zusammenhang mit eventuell erst später gemeldeten Fällen herstellen zu können. 1.2.1.2 Einzelfallmeldungen - Ergebnis II Für den Fall, dass kein Zusammenhang mit mindestens einer weiteren infizierten und/oder erkrankten Person hergestellt werden kann (kein LMbKA!) keine Hinweise auf ein Lebensmittelunternehmen/Gemeinschaftseinrichtung bestehen aber eine berufliche Tätigkeit mit Lebensmitteln ausgeübt wird, ist dafür zu sorgen, dass Personen nicht mit der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden (§ 17 EpidemieG). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass nach dem LMSVG primär der Unternehmer für die Sicherheit von Lebensmitteln verantwortlich ist. Ein Auszug aus der gesetzlichen Regelung : „Weiters ist Personen, die an einer Krankheit leiden, die durch Lebensmittel übertragen werden kann, oder Träger einer solchen Krankheit sind, der Umgang mit Lebensmitteln generell verboten, wenn die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Kontamination besteht (Verordnung (EG) 852/2004 – Lebensmittelhygiene, Anhang II, Kapitel VIII).“ Es wird folgende Vorgangsweise vorgeschlagen: Information des Unternehmers und der Lebensmittelaufsicht; die betroffene Person müsste über den Laborbefund bzw. die vorliegenden Symptome Bescheid wissen und auch darüber, dass sie den verantwortlichen Unternehmer zu informieren hat auf der Basis: (Verordnung (EG) 852/2004 – Lebensmittelhygiene, Anhang II, Kapitel VIII) BMG Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln (GZ: 31.950/23-IV/B/10/03 vom 22.12. 2003; Änderung mit Erlass GZ. BMG 75220/0034-II/B/7/2009 vom 23.10.2009)1. Diese Leitlinie dient als Empfehlung für die praktische Umsetzung der Verordnung (EG) 852/2004. Sie ist ein Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses. Das Gesundheitsamt kann in weiterer Folge: die Lebensmittelaufsicht fachlich unterstützen Unternehmer beraten Seite 21 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch die Untersuchung weiterer Personen veranlassen, wenn sich aus den Erhebungen der konkrete Verdacht auf weitere Erkrankungsfälle ergibt bei Bedarf ergänzende Maßnahmen nach dem EpidemieG treffen Eine Beschränkung der Berufsausübung gemäß § 17 EpidemieG durch das Gesundheitsamt mit finanziellem Ersatz aus Bundesmitteln sollte nur mehr in jenen Fällen, in denen das Risiko einer direkten oder indirekten Kontamination von Lebensmitteln von Behörden und Unternehmern unterschiedlich eingeschätzt wird, erfolgen. Beispiel: Ein Unternehmer argumentiert bei einem Mitarbeiter, der o direkt mit verzehrfertigen Lebensmitteln arbeitet o an Typhus erkrankt war, eventuell nach einer Auslandsreise o mittlerweile klinisch gesund ist o aber weiterhin Salmonella Typhi ausscheidet dass das Tragen von Handschuhen oder die Beachtung allgemeiner Hygienerichtlinien zur Vermeidung von Kontaminationen von Lebensmitteln ausreicht. Aus der Sicht des Gesundheitsamtes besteht jedoch o wegen möglichem schwerwiegenden Krankheitsverlaufes o der Art der Tätigkeit (Umgang mit verzehrfertigen Lebensmitteln) o und der Möglichkeit von Hygienefehlern ein zu hohes Risiko, dass Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können. In diesem Fall könnte beispielsweise, falls der Unternehmer die Argumente des Gesundheitsamtes ignoriert, als Sofortmaßnahme zur Verhinderung der Ausbreitung einer schweren Erkrankung, eine „Freistellung“ durch das Gesundheitsamt – eine weitestgehende Beschränkung der Berufsausübung mit Ersatz aus Bundesmitteln – veranlasst werden. Nach Klärung der Situation (eventuell gemeinsam mit Organen der Lebensmittelaufsicht, eventuell Gutachten durch Sachverständige) sollte diese Maßnahme aber so rasch als möglich aufgehoben und die Unternehmerverantwortung gemäß LMSVG wahrgenommen werden. Organe der Lebensmittelaufsicht können nach erfolgter Information durch das Gesundheitsamt abklären, ob weiterhin Kontakt mit Lebensmitteln besteht bzw. welche Maßnahmen im Sinne der oben erwähnten Leitlinie des BMG gesetzt wurden. Behördliche, über eine Kontrolle hinausgehende Maßnahmen der Lebensmittelaufsicht und des Gesundheitsamtes sind erst dann erforderlich, wenn der Unternehmer seinen Aufgaben nicht oder nur unzureichend nachkommt. Seite 22 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1.2.2. Mehrere Meldungen – Verdacht auf einen LMbKA Ein Verdacht auf einen „LMbKA gemäß ZoonG“ (siehe dazu 3.2.2) liegt vor, wenn mehrere Erkrankungsfälle und/oder Infektionen gemeldet werden und Hinweise auf einen Zoonoseerreger als Ursache vorliegen. Andere häufigere Ursachen lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche können Toxine von Bacillus cereus und Staphylococcus aureus, pflanzliche Toxine (beispielsweise Speisepilze) oder auch chemische Verunreinigungen sein. Diese Fälle sind im LMSVG und im Falle bakterieller Toxine auch im Epidemiegesetz (Verdacht auf bakterielle oder virale Lebensmittelvergiftung) geregelt. Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche können für Behörden grundsätzlich in zwei unterschiedlichen Szenarien auftreten, die im Folgenden beschrieben werden: Szenario I 1. Mehrere Erkrankungsfälle (auffällige Häufung, zeitlicher Zusammenhang) werden gemeldet, die dem Kriterium „Verdacht einer bakteriellen oder viralen Lebensmittelvergiftung“ gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 EpidemieG entsprechen. 2. Es handelt sich um Verdachtsmeldungen nur nach klinischen Kriterien, Laborergebnisse liegen (noch) nicht vor. Sobald im Verlauf der Erhebungen und Untersuchungen ausreichende Laborergebnisse vorliegen, sind in weiterer Folge auch die Überlegungen entsprechend Szenario II (Zoonoseerreger/kein Zoonoseerreger) durchzuführen. Szenario I Verdacht LMbKA (klinisch) (ZoonG § 2: ab 2 Personen) Erforderliche Erhebung und Untersuchungen zur Feststellung der Krankheit: z.B.: nur 1 Haushalt betroffen und Hygienefehler bei der Zubereitung von Mahlzeiten, Feste im privaten Bereich In jedem Fall: Meldung an die LKZoon zur Berichtslegung! Meldung durch Gesundheitsamt an LKZoon (ZoonG § 4(1)+§ 7(1): Zuständig für epidemiologische Untersuchung und Koordination der Fachbereiche) Sofortige Weitermeldung der LKZoon an BKZoon (zuständig für Koordination von BL-übergreifenden LMbKA) Zusammenarbeit Gesundheitsamt + LMA/VTV (in LMAFunktion!) Detaillierte Vorgangsweise siehe Szenario 2 Abbildung 3: Abläufe – Szenario I Seite 23 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Szenario II Meldungen mehrerer Laborergebnisse (§ 26a, § 3 EpidemieG) liegen vor (Referenzzentralen, medizinisches Labor), die beispielsweise wegen 1. des Nachweises eines Zoonoseerregers 2. des zeitlichen/örtlichen Zusammenhanges 3. einer auffälligen Altersgruppe (Kindergarten, Schüler,…) oder aus anderen Gründen (beispielsweise Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung, einem Beherbergungsbetrieb, Hinweise auf weitere Erkrankte) 4. des gleichen, seltenen Erregertyps den Verdacht eines LMbKA begründen. Diese Ergebnisse können einerseits auf der Basis von Erhebungen im Rahmen der Abläufe des Szenarios I vorliegen, oder den Beginn der Erhebungen darstellen (Meldung einer Referenzzentrale über Häufungen von Laborergebnissen). Szenario II Erste Ergebnisse liegen vor: Labor: Patientenproben Kein Zoonoseerreger Zoonoseerreger Epidemiologische Evaluierung durch Gesundheitsamt Ablauf nach EpidemieG, ZoonG, LMSVG Ablauf nach EpidemieG, LMSVG Abbildung 4: Abläufe – Szenario II In beiden Szenarien sind umgehend die zur Feststellung der Krankheit erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen gem. EpidemieG § 5 Abs. 1 durch die zuständigen Ärzte einzuleiten ist gleichzeitig die unter 1.2.1.2 dargestellte Abklärung einer eventuellen Tätigkeit einer gemeldeten Person mit Lebensmitteln und die Durchführung der eventuell damit verbundenen weiteren Schritte erforderlich Seite 24 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch ist es das Ziel der epidemiologischen Evaluierung festzustellen, ob ausreichende Hinweise/Ergebnisse für weitere Aktivitäten von Behörden bestehen: 1. weitere Erhebungen und Untersuchungen durch das GA; 2. in weiterer Folge Einbindung von LMA bzw. VTV bzw. Futtermittelexperten. 1.2.2.1 Szenario I: Ergebnisse Bei Auswertung der ersten Meldungen und Erhebungen sind grundsätzlich zwei Ergebnisse als Grundlage für weitere Maßnahmen möglich: 1.2.2.1.1 Ergebnis 1 Zeigen die Ergebnisse der Erhebungen (Befragungen, Laborergebnisse) gem. § 5 Abs. 1 EpidemieG, dass kein unmittelbarer Handlungsbedarf zur Einbindung anderer Fachbereiche besteht, weil: keine Verbindung mit einer Gemeinschaftsverpflegung (Gastronomie, Pflegeeinrichtung, Kantine, etc.) vorliegt Hinweise auf Hygienefehler bei der Zubereitung bestehen keine Hinweise auf ein bestimmtes Lebensmittel vorliegen, Lebensmittelproben nicht mehr verfügbar sind, … (Rücksprache LMA in welchen Situationen Tätigkeit nicht sinnvoll!!) die Reiseanamnese unauffällig ist nur Symptome und Laborergebnisse für einen Verdacht eines LMbKA sprechen, aber keine ausreichenden Hinweise auf eine mögliche gemeinsame Infektionsquelle (beispielsweise häufige Salmonella-enteritidis-Serovare) vorliegen, könnte als Ergebnis der epidemiologischen Evaluierung folgende Vorgangsweise gewählt werden: 1. Falls die Erhebungen und Laborergebnisse einen Verdacht eines LMbKA im Sinne des ZoonG nicht ausreichend begründen (beispielsweise kein Zoonoseerreger): die Dokumentation der Ergebnisse und allenfalls weitere Schritte auf der Basis des LMSVG und/oder EpidemieG. 2. Falls der Verdacht eines LMbKA im Sinne des Zoonosengesetzes (Zoonoseerreger) vorliegt: a. Die Meldung des Verdachtes an die LKZoon, zur Erfassung des Ausbruches als Basis für die epidemiologische Überwachung (Zusammenhang mit Erkrankungen in anderen Bezirken eines Bundeslandes, Übermittlung von Angaben an die BKZoon gemäß § 4 ZoonG). b. Die jeweiligen Leiter der LKZoon hat jedenfalls unverzüglich das BMG (BKZoon) über die Meldung eines Verdachtes eines LMbKA zu informieren damit ein möglicher bundesländerübergreifender Fall eines LMbKA erkannt und die dann erforderliche Koordination durch die BKZoon durchgeführt werden kann. c. Evidenzhaltung zur Herstellung eines Zusammenhanges mit zukünftigen gemeldeten Fällen oder mit Fällen aus anderen Bezirken/Bundesländern. Seite 25 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1.2.2.1.2 Ergebnis 2 Weisen die Ergebnisse der Erhebungen (Befragungen, Laborergebnisse), auf eine der folgenden Möglichkeiten im Zusammenhang mit einem möglichen Verdacht auf einen LMbKA hin: eine Verbindung mit einer Gemeinschaftsverpflegung besteht nicht nur Hygienefehler bei der Zubereitung sind als Ursache anzunehmen ein bestimmtes Lebensmittel wird als Ursache vermutet eine auffällige Reiseanamnese Laborergebnisse machen weitere Erhebungen im Zusammenhang mit Lebensmitteln/Unternehmen erforderlich sollten jedenfalls Organe der Lebensmittelaufsicht informiert werden. Die weiteren Schritte sind abhängig von den vorliegenden Ergebnissen auf der Basis der jeweiligen Regelungen (EpidemieG, LMSVG, ZoonG, Richtlinien der LMA) und entsprechend dem in Kapitel 2.2.2.6 dargestellten Algorithmus zu überlegen. 1.2.2.2 Szenario II: Abläufe, Ergebnisse Falls bereits Laborergebnisse über Zoonoseerreger zu Erkrankungen vor dem Hintergrund eines epidemiologischen Zusammenhanges vorliegen, besteht jedenfalls der Verdacht auf einen LMbKA gemäß ZoonG. Die erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen sind auch in diesem Fall auf der Basis des EpidemieG von den zuständigen Behördenärzten durchzuführen. Die weitere Vorgangsweise richtet sich nach den Ergebnissen der Erhebungen und Untersuchungen und könnte sich an den Ausführungen unter den Punkten 1.2.2.1.1 und 1.2.2.1.2 sowie an fachlichen Erfordernissen je nach Krankheitserreger orientieren. 1.3. Zusammenarbeit zwischen den Behörden Im Folgenden werden wesentliche Elemente der Zusammenarbeit zwischen den involvierten Behörden aufgezählt. Ganz allgemein gilt, dass selbstverständlich eine laufende Abstimmung und Informationsweitergabe über relevante Untersuchungsergebnisse erfolgen muss. Das Zoonosengesetz hält fest, dass im Anlassfall bei einem Ausbruch eine Interventionsgruppe durch den Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator sichergestellt sein muss (§ 4 Zoonosengesetz). Die Weitergabe personenbezogener Gesundheitsdaten und sonstiger Befunde zwischen den Mitgliedern dieser Interventionsgruppe richtet sich nach den sachlichen Erfordernissen, welche zur Abklärung des jeweiligen Ausbruches notwendig sind. 1.3.1 Gesundheitsämter Erarbeitung einer Ausbruchshypothese, eventuell unter Einbeziehung anderer betroffener Behörden Information der LMA über möglicherweise betroffene Lebensmittel und Unternehmen Seite 26 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Unterstützung der LMA bei Unklarheiten in Fragen zum Umgang mit Lebensmitteln in Hinblick auf o erkrankte Personen o Personen, die Krankheitserreger ausscheiden, ohne selbst erkrankt zu sein o die Bedeutung relevanter Krankheitserreger 1.3.2 Lebensmittelaufsicht Information des GA über vorliegende Hinweise auf LMbKA (mehrere Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Konsum (eines bestimmten) bestimmter Lebensmittel(s)) Unterstützung der Gesundheitsämter in fachlichen Fragen Information der anderen Behörden über Ortsaugenschein und Probenahme in Lebensmittelbetrieben Informationen an das Gesundheitsamt über Laborergebnisse und Ergebnisse von Betriebsrevisionen Bei Ausbrüchen ist die Lebensmittelaufsicht verpflichtet, die Gesundheitsbehörde unverzüglich und nachweislich über Ergebnisse in Kenntnis zu setzen; mit Aktenvermerk Die gegenseitige Bescheidzustellung wie z.B. Lebensmittelaufsicht an das Gesundheitsamt und umgekehrt wird empfohlen 1.3.3 Veterinärbehörden Information der anderen Behörden über Untersuchungsergebnisse, Ergebnisse von Betriebsbegehungen 1.3.4 Futtermittelexperten Information der anderen Behörden über Untersuchungsergebnisse 1.4. Schnittstelle Bundesheer – Gesundheitsbehörden Ein LMbKA im Bundesheer wird aufgrund von erkrankten Personen und/oder durch Laborbefunde bekannt. Da das Bundesheer keine eigenen Labors betreibt, werden zivile Labors herangezogen – hier wird nun die Meldeverpflichtung der Laborärzte gemäß EpidemieG (§ 3 Abs. 1 Z 1a EpidemieG) schlagend. Ein LMbKA im Bundesheer könnte somit dem zuständigen Gesundheitsamt bereits aufgrund der Labormeldungen bekannt werden. Treten LMbKAs im Bundesheer auf, kann es z.B. aufgrund der Heimreise der Soldaten am Wochenende zur Infektion der Angehörigen kommen. Somit ist auch das Potential für die Entstehung von bundesländerübergreifenden Ausbrüchen gegeben. Im Rahmen einer BMG/BMLVS-Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern aller drei Fachbereiche wurde daher Seite 27 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch anhand von zwei Fallbeispielen die konkrete Vorgangsweise bei der Untersuchung eines LMbKA im Bundesheer analysiert. Die Meldepflicht für die im EpidemieG festgelegten Krankheiten gilt selbstverständlich auch für das Bundesheer. Weiters ist die Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden mit dem Bundesheer im EpidemieG § 45 festgelegt: „Die Durchführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes im Bereiche der Militärverwaltung zu treffenden Vorkehrungen obliegt den Militärbehörden. Zu den gedachten Zwecken ist zwischen den Militärbehörden und den Sanitätsbehörden das Einvernehmen zu pflegen.“ Somit gilt: die Grundlage für die Ausbruchsabklärung, auch beim Militär, ist das Epidemiegesetz. Die Vorkehrungen im Bereich der Militärverwaltung werden von den Militärbehörden gesetzt und nicht, wie sonst im Epidemiegesetz vorgesehen, vom zuständigen Amtsarzt. Die Militärbehörden müssen allerdings mit den Sanitätsbehörden ein Einvernehmen hinsichtlich der geplanten Vorgehensweise herstellen. Prinzipiell sind drei Szenarien denkbar: Szenario 1: Ausbruch ausschließlich im ÖBH Szenario 2: mögliche Beteiligung externer Personen Szenario 3: Ausbruch ÖBH-extern, Heeresangehörige betroffen, LMbKA sekundär auch im militärischen Bereich In den Fällen 1 und 2 ist das zuständige Gesundheitsamt zu informieren, die Kommunikation an dieser Schnittstelle funktioniert sehr gut. Bei der weiteren Untersuchung/Bekämpfung des Ausbruches wäre folgende Vorgangsweise sinnvoll: Bildung eines gemeinsames Ausbruchsteams zur Festlegung der Vorgangsweise (Fragebogenerstellung, Datenauswertung, Maßnahmen) Durchführung der Untersuchung und Maßnahmen jeweils im eigenen Bereich Konkrete Vorfälle haben beispielsweise gezeigt, dass es organisatorisch wesentlich effektiver ist, wenn das Bundesheer die Befragung seiner Mitarbeiter selbst vornimmt – insbesondere wenn es sich um einen österreichweiten Ausbruch handelt. Für Familienangehörige und andere zivile Personen wiederum ist das Gesundheitsamt zuständig. Im Falle Szenario 3 wäre durch die Gesundheitsbehörde die Information, dass Heeresangehörige durch den LMbKA betroffen sind, an die Militärbehörde (Militärkommando/Leitender Sanitätsoffizier) zu geben. (Regelung ähnlich § 3 Tierseuchengesetz 1909 mit der gegenseitigen Verständigungspflicht) Bundesheer und Lebensmittelaufsicht Prinzipiell ist das Bundesheer lt. LMSVG als Unternehmen zu sehen und deshalb zur Eigenkontrolle gem. § 21 verpflichtet, welche durch Militär-Amtstierärzte durchgeführt wird. Im Falle eines LMbKA wird allerdings die zuständige Lebensmittelaufsicht informiert – die Seite 28 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Militär-Amtstierärzte fungieren dann als Gutachter und wirken bei den Erhebungen gemäß § 5 i.V.m. § 45 EpidemieG mit. Bundesheer und Veterinärverwaltung Heereseigene Tiere (z.B. Tragetiere) werden prinzipiell von den Militär-Amtstierärzten versorgt und es gilt § 3 TierseuchenG (RGBl.Nr.177/1909). (Siehe auch Kapitel 3.4.3) Ein LMbKA ausgelöst durch heereseigene Tiere/Militärpferde ist nicht realistisch, da diese nicht in die Nahrungskette gelangen (keine Schlachttiere! Durch BMLVS-Erlass wurde die entsprechende Eintragung im Europäischen Equiden-Pass angeordnet.). Die Möglichkeit, dass das ÖBH Provianttiere (= Schlachttiere) für die Verpflegsversorgung hält ist nach dem Tierseuchengesetz möglich, jedoch ist diese Fleischversorgung in Friedenszeiten nicht vorgesehen. Die Ausnahme der Möglichkeit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung durch bestellte Militärtierärzte gem. § 26 LMSVG wurde für lang dauernde Auslandseinsätze und die Ausbildung der Militärtierärzte für diese Tätigkeit in das Gesetz gegeben. Bemerkung zu Labor/ÖBH: Es sind z.B. auch die Stuhluntersuchungen an zivile Laboreinrichtungen ausgelagert. 1.4.1 Kontaktdienststellen – Kontaktpersonen im ÖBH im Falle eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs Tabelle 1: Die angeführten militärischen Dienststellen sind für den Kontakt mit der örtlichen Gesundheitsbehörde zuständig (Stand: Mai 2009) Militärische Dienststelle Adresse Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport KdoG Gen. Körner Hütteldorferstraße 126 1141 Wien Kommando EINSATZUNTERSTÜTZUNG AG Schwenkgasse 47 1120 WIEN Mil Funktion Kontaktperson Dr. Robert Hofmann Erreichbarkeit Dr. Michael Kreiner 23380 1418 [email protected] [email protected] AbtLtr Militärisches Gesundheitswesen ObstA Dr. HARBICH Harald RefLtr Veterinärdienst ObstltVet Mag. RACKL Dietmar Seite 29 von 184 Dienst 050201-10-23350 Mobil: 0664/622-1417 [email protected] Dienst 0664/622 1467 [email protected] Dienst 0664/622 1468 [email protected] Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Streitkräfteführungskommando Belgierkaserne Straßgangerstraße 171 8052 Graz Ltr.JMed Dr. KLEIN Viktor Militärkommando WIEN KdoG FM RADETZKY Panikengasse 2 1163 Wien Militärkommando NÖ KdoG FM Hess Schießstadtring 8 - 10, 3100 St. Pölten Militärkommando KÄRNTEN KdoG FML HÜLGERTH Mießtalerstr. 11 9020 Klagenfurt Militärkommando BURGENLAND MARTIN-Kaserne Ing. Hans Sylvesterstraße 6 7000 EISENSTADT Militärkommando TIROL Eugenkaserne Gen. Eccher-Str. 2 6010 INNSBRUCK Militärkommando STEIERMARK Gablenzkaserne 8054 Graz Straßgangerstrasse 360 Militärkommando OBERÖSTERREICH FlH Vogler 4063 Hörsching Ltd Sanitätsoffizier MR Dr FUCHSSTEINER Günther Dienst 050201-10-40007 Ltd Sanitätsoffizier ObstA Dr. LICKL Andreas Dienst 050201-30-40007 Ltd Sanitätsoffizier ObstA Dr. RABITSCH Heinz Dienst 050201-70-40007 Ltd Sanitätsoffizier ObstA Dr. TESSAREK Karl Heinz Dienst 050201-15-40007 Ltd Sanitätsoffizier ObstA Dr. MAYR Andreas Privat 050201-60-40007 Ltd Sanitätsoffizier ObstA Dr. MAYR Gebhard Dienst 050201-50-40007 Militärkommando VORARLBERG KdoG Oberst Bilgeri Reichsstraße 20 6900 Bregenz Militärkommando SALZBURG KdoG Riedenburg Moosstraße 1-3 5010 Salzburg Ltd Sanitätsoffizier (derzeit unbesetzt) Vertretung: ObstA Dr. MAYR Gebhard LtdSanO /MilKdoST s.o. Ltd. Sanitätsoffizier ObstA Dr. MAYR Andreas Ltd. Sanitätsoffizier Bgdr. Dr. SCHÖPPL Adolf Dienst 050201-50-21400 [email protected] Dienst 050201-40-40007 Dienst 050201-900 Dienst 050201-0 1.5. Lebensmittel 1.5.1. Lebensmittelaufsicht Die praktische Tätigkeit der Lebensmittelaufsichtsbehörden erfolgt nach schriftlich vorgegebenen Verfahrensanweisungen für Kontrolltätigkeiten und Probenahme in einem für alle Bundesländer einheitlich geltenden Qualitätsmanagementsystem. Unberührt davon sind die Zuständigkeiten des Amtsarztes im Rahmen des Epidemiegesetzes. Die Verfahrensanweisungen wurden von einer aus Vertretern aller Bundesländer und vom BMG bestehenden Arbeitsgruppe erstellt. Ziel und Zweck der Verfahrensanweisung für DEN Seite 30 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch UMGANG MIT LEBENSMITTELBEDINGTEN KRANKHEITSAUSBRÜCHEN (siehe Anhang I-10 und I-11) ist es, die Datenerhebungen und die Kommunikationsstruktur der Lebensmittelaufsichtsorgane bei Meldungen von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen zu vereinheitlichen. Beispiele: 1. Meldung des Verdachtes einer einzelnen lebensmittelbedingten Erkrankung: Nach Erhalt einer Mitteilung über eine einzelne lebensmittelbedingte Erkrankung (z.B. durch die betroffene Person) sind Erhebungen entsprechend dem Erhebungsblatt durchzuführen. Die Gesundheitsbehörde (=Gesundheitsamt gemäß EpidemieG) wird unverzüglich und nachweislich (z.B. Aktenvermerk) in Kenntnis gesetzt. 2. Meldung des Verdachtes eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs: Nach Erhalt einer Mitteilung über zwei oder mehrere lebensmittelbedingte Erkrankungen sind Erhebungen entsprechend dem Erhebungsblatt durchzuführen. Die Gesundheitsbehörde wird über die Erstmeldung unverzüglich und nachweislich (z.B. Aktenvermerk) in Kenntnis gesetzt. In dem Betrieb, in dem das verdächtige Lebensmittel hergestellt/gekauft/bezogen/konsumiert wurde, ist unverzüglich eine Kontrolle mit gezielten Probenziehungen durchzuführen. Die vorläufigen Ergebnisse der Erhebungen werden unverzüglich anderen betroffenen Behörden (z.B. Gesundheitsbehörde, Veterinärbehörde) und dem Leiter der Landeskommission für Zoonosen mitgeteilt. Es sind alle Daten der ersten gemeldeten Erkrankten aufzunehmen und außerdem im Beiblatt diese und alle weiteren Erkrankten zu erfassen. Als weitere Erkrankte sind Personen zu verstehen, die nicht primär erkrankt sind, aber in Kontakt zu einem der erstgemeldeten Erkrankten (z.B. Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen) stehen und ebenfalls in der Folge erkrankten. Die Gesundheitsbehörde wird unverzüglich verständigt und im Anlassfall das Beiblatt des Erhebungsblattes an diese weitergeleitet. 3. Meldung des Verdachtes eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs durch die Gesundheitsbehörde: Nach Erhalt einer Mitteilung über lebensmittelbedingte Erkrankung(en) durch die Gesundheitsbehörde sind Erhebungen entsprechend dem Erhebungsblatt durchzuführen. In dem Betrieb, in dem das verdächtige Lebensmittel hergestellt/gekauft/bezogen/konsumiert wurde, ist unverzüglich eine Kontrolle mit gezielten Probenziehungen durchzuführen. Dazu sind alle Daten der ersten gemeldeten Erkrankten aufzunehmen und außerdem im Beiblatt diese und alle weiteren Erkrankten zu erfassen. Als weitere Erkrankte sind Personen zu verstehen, die nicht primär erkrankt sind, aber in einem Kontakt zu einem der erstgemeldeten Erkrankten (z.B. Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen) stehen und ebenfalls in der Folge erkrankten. Die Gesundheitsbehörde wird unverzüglich verständigt und im Anlassfall das Beiblatt des Erhebungsblattes an diese weitergeleitet. Seite 31 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Die vorläufigen Ergebnisse der Erhebungen werden unverzüglich anderen betroffenen Behörden (z.B. Gesundheitsbehörde, Veterinärbehörde) und dem Leiter der Landeskommission für Zoonosen mitgeteilt. Wird im Zuständigkeitsbereich der Lebensmittelaufsicht die Erkrankung von mindestens 2 Personen durch einen Zoonoseerreger nachgewiesen, ergeht der Endbericht an den Leiter der Landeskommission für Zoonosen. Tabelle 2: Mitgeltende Unterlagen ART NR. JAHR TEXT BGBl. I 13 2006 i.d.g.F. VO (EG) 178 2002 i.d.g.F. VO (EG) 852 2004 i.d.g.F. VO (EG) 853 2004 i.d.g.F. VO (EG) 882 2004 i.d.g.F. BGBl. I 128 2005 i.d.g.F. Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits-und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG) zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit über Lebensmittelhygiene, sowie die entsprechenden Durchführungsverordnungen der Kommission und die Guidance-Dokumente mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zur Umsetzung von HACCP über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoonosengesetz) 1.5.1.1. Trinkwasser Mit der Vollziehung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG ist der Bundesminister für Gesundheit betraut. Für den Bereich Lebensmittel und insbesondere Trinkwasser ist die Abteilung II/B/7 Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, rechtliche Angelegenheiten, Koordination der Kontrolle zuständig. Die Kontrolle der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften obliegt dem Landeshauptmann. Der Landeshauptmann hat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben besonders geschulter Organe als Aufsichtsorgane zu bedienen (§ 24 LMSVG). Die Einhaltung der Bestimmungen der Trinkwasserverordnung wird durch Kontrolle der Eigenkontrolle (u.a. vorgelegte Wasseruntersuchungsbefunde), Betriebsrevisionen und amtliche Probenziehung vollzogen. Kontaktadressen: Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Abteilung II/B/7 Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, rechtliche Angelegenheiten, Koordination der Kontrolle Radetzkystraße 2 1030 Wien Telefon: 01/71100 - 4809 Email: [email protected] Seite 32 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Burgenland Amt der Burgenländischen Landesregierung Abteilung 6, Hauptreferat Gesundheit Lebensmittelaufsicht Europaplatz 1 7000 Eisenstadt Telefon: 02682/600 - 2682 Email: [email protected] Kärnten Amt der Kärntner Landesregierung Abt. 14 – Gesundheitswesen Lebensmittelaufsicht Kirchengasse 43 9020 Klagenfurt Telefon: 050 536 - 31241 Email: [email protected] Niederösterreich Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Abteilung Umwelthygiene Landhausplatz 1 3109 St. Pölten Telefon:02742/9005 - 12942 Email: [email protected] Oberösterreich Direktion Soziales und Gesundheit Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen Bahnhofplatz 1 4021 Linz Telefon:0732/7720 - 14273 Email: [email protected] Salzburg Amt der Salzburger Landesregierung Lebensmittelaufsicht Sebastian-Stiefgasse Postfach 527 5020 Salzburg Telefon: 0662/8042 - 2705, Email: [email protected] Seite 33 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Steiermark Amt der Steiermärkischen Landesregierung Fachabteilung 8B - Gesundheitswesen Friedrichgasse 9 8010 Graz Telefon: 0316/877 - 3530 Email: [email protected] Tirol Amt der Tiroler Landesregierung Lebensmittelaufsicht Eduard-Wallnöfer-Platz 3 6020 Innsbruck Telefon: 0512/508 - 2669 Email: [email protected] Vorarlberg Amt der Vorarlberger Landesregierung Lebensmittelaufsicht Montfortstraße 4, A-6900 Bregenz Telefon: 05574/511 - 42099 Email: [email protected] Wien Amt der Wiener Landesregierung MA 59 – Marktamt Am Modenapark 1-2 1030 Wien Telefon: 01/4000 - 87921 Email: [email protected] Seite 34 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2. Fachlicher Teil Dieser Abschnitt wurde in zwei Hauptkapitel unterteilt. Im ersten Kapitel (2.1) werden Informationen vermittelt, die in unklaren Situationen die Entwicklung einer Ausbruchshypothese unterstützen sollen. Im zweiten Kapitel (2.2) werden Basisinformationen zu den wichtigsten Erregern, die LMbKA verursachen können bzw. im Zusammenhang mit Brech-Durchfallerkrankungen wesentlich sind, zusammengefasst. Die wesentlichsten Informationen zu einzelnen Krankheitserregern sind im Anhang II zu finden. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die Zielgruppe die Amtsärzte sowie bei der Bearbeitung von LMbKA tätige Mitarbeiter der Gesundheitsämter. Diesem Personenkreis sollen möglichst kurz und übersichtlich die wichtigsten Grundlagen zur Verfügung gestellt werden. 2.1 Allgemeine Überlegungen zur Ausbruchshypothese In diesem Abschnitt über Erkrankungen und häufige Krankheitsbilder werden in erster Linie Zoonosen behandelt, die häufig lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche verursachen. Auf sonstige häufigere lebensmittelbedingte Erkrankungen wird nur in dem Umfang eingegangen, der bei der Entwicklung einer Ausbruchshypothese hilfreich sein kann. 2.1.1 Lebensmittelintoxikationen Hier sollen Erkrankungen, die durch die Aufnahme von Toxinen entstehen, als Abgrenzung zu Lebensmittelinfektionen angeführt werden. Die wesentlichsten Toxine im Hinblick auf die Abgrenzung gegenüber Lebensmittelinfektionen im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen, sind Toxine von Bacillus cereus (emetisches Toxin, im Folgenden Bacillus cereus-Toxin) und Staphylococcus aureus. 2.1.1.1 Toxinmengen Voraussetzung dafür, dass Symptome entstehen, ist die Aufnahme einer entsprechenden Toxinmenge, die nur von einer ausreichend großen Anzahl an Mikroorganismen in der Nahrung gebildet werden kann. Die Größenordnung an Bacillus-cereus-Bakterien und Staphylokokken, die im Lebensmittel mindestens vorhanden sein muss, liegt zwischen 105 und 106 KBE/g. Folgende Rahmenbedingungen sind daher für die Entstehung von Erkrankungen erforderlich: das Vorkommen von Toxinbildnern in der Nahrung entsprechende Vermehrungsbedingungen: Temperatur, Feuchtigkeit und Zeit die Aufnahme einer entsprechenden Nahrungsmenge Seite 35 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Diese Bedingungen sind besonders in Beilagen wie Reis oder Nudeln gegeben, wenn sie nicht sofort nach der Zubereitung verzehrt werden, sondern für nachfolgende Mahlzeiten aufgehoben werden. Die Vermehrungsbedingungen sind in diesen Lebensmitteln, auch durch die langsame Abkühlung bei größeren Mengen, sehr gut. Auch die Verzehrmengen sind groß genug, dass Toxinmengen aufgenommen werden, die Symptome auslösen können. 2.1.1.2 Latenzzeit Die Latenzzeit (unter einer bis zu einigen Stunden) und die Erkrankungsdauer bei Erkrankungen durch Bacillus cereus- und Staphylokokkentoxine ist kurz, da das Toxin in der Nahrung vorliegt und unmittelbar nach Verzehr (schon im Magen) wirken kann durch Erbrechen/Durchfälle erhebliche Toxinmengen rasch ausgeschieden werden können und spätestens nach ein bis zwei Tagen der ganz überwiegende Teil des Toxins wieder aus dem Verdauungstrakt ausgeschieden ist 2.1.1.3 Ausbruchshypothese Für Überlegungen bezüglich der Ursache eines Ausbruches (Ausbruchshypothese) bedeutet das, dass folgende Merkmale besonders auf eine Lebensmittelvergiftung durch Bacillus cereus- oder Staphylokokkentoxine hinweisen: sehr kurze Inkubationszeit: etwa 30 Minuten bis 8 Stunden; im Mittel 2 – 4 Stunden Übelkeit/Erbrechen/Kreislaufsymptomatik im Vordergrund, die Toxine wirken schon im oberen Verdauungstrakt Aufnahme größerer Mengen eines Lebensmittels, in dem das Vorliegen entsprechender Toxinmengen plausibel ist Bei einem Ausbruch der Jugendliche betrifft kann beispielsweise auffällig sein, dass Burschen, die eher größere Mengen einer Mahlzeit verzehren als Mädchen, stärker von Symptomen betroffen sind. Die Epi-Kurve wird das Bild eines punktförmigen Ausbruches zeigen, wenn das ursächliche Lebensmittel nur bei einer Mahlzeit verzehrt wurde. 2.1.1.4 Übertragung durch Erkrankte Eine Übertragung auf andere Personen ist bei Lebensmittelintoxikationen nicht zu erwarten. Eine wesentliche Maßnahme bei Staphylokokkeninfektionen ist die Beachtung der persönlichen Hygiene bei der Zubereitung von Speisen, da diese Erreger meist von der Haut bzw. Schleimhäuten von Menschen (Wunden, Hauteiterungen) in die Speisen gelangen. 2.1.2 Lebensmittelinfektionen Die Erreger der häufigsten gemeldeten lebensmittelbedingten Infektionen sind Campylobacter und Salmonella. Auch Noroviren können, in selteneren Fällen, ausgehend von Lebensmitteln oder erkrankten Personen, die mit Lebensmitteln hantieren, lebensmittelbedingte Erkrankungen und Seite 36 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Ausbrüche verursachen. Diese Viren werden überwiegend über Schmierinfektionen bzw. Aerosole von Erbrochenem übertragen. Erkrankungen durch VTEC (Verotoxinbildende E. coli) werden in den letzten Jahren zunehmend häufiger gemeldet, möglicherweise als Auswirkung intensivierter Diagnostik. VTEC sollen wegen ihrer möglichen schweren Auswirkungen und der typischen Symptomatik angeführt werden. 2.1.2.1 Inkubationszeit Erreger von Lebensmittelinfektionen vermehren sich im Verdauungstrakt, bevor Symptome einer Erkrankung feststellbar sind. Die Inkubationszeiten sind daher gegenüber Lebenmittelintoxikationen entsprechend länger. Salmonellen: RKI8: 6-72 Stunden, meist 12-36 Stunden Campylobacter: RKI8: in der Regel 2-5 Tage, in Ausnahmefällen 1-10 Tage Noroviren: RKI8: 6-50 Stunden VTEC: Österreichischer Bericht Zoonosen 20079: 2-8 Tage, meist 3-4 Tage 2.1.2.2 Infektionsdosis Die Dosis, bei der Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes entstehen können, ist auch abhängig von individuellen Faktoren wie der Einnahme von Magensäureblockern, dem Alter oder dem Immunsystem (AIDS). Salmonellen: Österreichischer Bericht Zoonosen 20079: mindestens 1000 Keime, RKI8: 10.000 – 1.000.000 Keime bei gesunden Erwachsenen, in fetthaltigen Lebensmitteln, bei Abwehrschwäche: < 100 Keime! Campylobacter: RKI8: ≥ 500 Keime, Einzelbericht Rohmilch: 10 Keime/100 ml, VTEC: Österreichischer Bericht Zoonosen 20079: 100 Keime Noroviren: RKI8: 10-100 Viruspartikel 2.1.2.3 Ausbruchshypothese Längere Inkubationszeiten sowie Durchfälle und Fieber, betroffen ist eher der untere Verdauungstrakt, können Hinweise für eine Lebensmittelinfektion durch Salmonella oder Campylobacter sein. Bei Erkrankungen durch Noroviren ist „schwallartiges Erbrechen“ ein typisches Symptom – im Gegensatz zu Intoxikationen (Betroffene werden beinahe gleichzeitig Symptome entwickeln) ist aber der Beginn des Erbrechens bei mehreren von Norovirus-Infektionen betroffenen Personen, entsprechend des Zeitraumes der Inkubationszeit, über einen längeren Zeitraum zu erwarten. 2.1.2.4 Übertragung durch Erkrankte Im Gegensatz zu Intoxikationen ist diese Frage bei Infektionen ganz wesentlich. Besonders Viren können von Personen, die mit Lebensmitteln hantieren, häufig über Lebensmittel übertragen werden, aber auch bei bakteriellen Infektionen ist dieser Punkt zu beachten. In diesem Zusammenhang wird auch auf die entsprechende Leitlinie des BMG1 (Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln) hingewiesen. Seite 37 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Weiters ist zu bedenken dass auch direkte Übertragungen durch Kleinkinder (Campylobacter – Schmierinfektionen) berichtet wurden8. 2.1.3 Besonderheiten wichtiger und häufiger Erreger lebensmittelbedingter Erkrankungen 2.1.3.1 Salmonellen Salmonellen können sich im Gegensatz zu Campylobacter-Bakterien in vielen Lebensmitteln stark vermehren. Im Hinblick auf die Infektionsdosis bedeutet das, dass sich auch in primär gering kontaminierten Lebensmitteln oder nach Kreuzkontaminationen, nach einer entsprechenden Zeit eine für die Verursachung einer Erkrankung ausreichende Anzahl an Salmonellen entwickeln kann. Lebensmittel, die häufig Erkrankungen verursachen Geflügelprodukte rohe Eier Ei-Schalen (Salmonella-haltige Faeces) oder Ei-Inhalt: Salmonellen können bei der Ei-Bildung oder durch Einwanderung durch die Schale bei Defekten in das Innere von Eiern gelangen rohes Fleisch auch Gemüse Im Hinblick auf den Zusammenhang von Erkrankungen mit einer Mahlzeit ist einerseits die Inkubationszeit bei den Erkrankten sowie andererseits Fragen der Zubereitung (Erhitzen) und Lagerung der in Frage kommenden Lebensmittel zu beachten. Besonders längere Lagerzeiten bei unzureichender Kühlung können die Vermehrung von Salmonellen so begünstigen, dass auch nach geringen Kontaminationen entsprechende Infektionsdosen erreicht werden. Weiters ist auch bei entsprechend erhitzten Lebensmitteln zu beachten, dass Kreuzkontaminationen vor dem Erhitzen von beispielsweise rohem Geflügel auf andere, vor dem Verzehr nicht mehr erhitzte Lebensmittel, zu Erkrankungen führen können. Salmonellosen und Eier Bei Ausbrüchen mit einer größeren Anzahl Erkrankter werden als Ursache in erster Linie Lebensmittel in Frage kommen, bei deren Herstellung Eier verwendet werden. Im Bericht der nationalen Referenzzentrale für Salmonellen über das Jahr 2005 (Tab 3) sind als Infektionsquellen häufig Lebensmittel, bei deren Herstellung Eier eine Rolle spielen, angeführt. Im Bericht über das Jahr 2004 (Tab 4) standen die als Infektionsquellen angeführten Lebensmittel (bei den meisten Erkrankten konnte die Quelle nicht identifiziert werden) immer im Zusammenhang mit Eiern. Das kann einerseits darauf zurückzuführen sein, dass mit ev. kontaminierten Cremes oder Majonäse eine größere Anzahl von einzelnen Backwaren oder Brötchen hergestellt wird und daher ein größerer Personenkreis betroffen sein kann, als beim Verzehr von beispielsweise nicht ausreichend erhitztem Geflügel. Andererseits sind Eier als Infektionsquelle relativ gut zum Hersteller rückverfolgbar. Werden Eier als Infektionsquelle vermutet, sind möglicherweise, aber selten, einzelne Exemplare Seite 38 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch oder die Verpackung vorhanden, über die der Herstellungsbetrieb festgestellt werden kann. In weiterer Folge können Eier bzw. Proben aus dem betroffenen Betrieb untersucht werden. Salmonellosen und Geflügel Geflügel ist zum Zeitpunkt erster Erkrankungen meist verzehrt bzw. Reste sind verworfen und Verpackungen sind bereits entsorgt. Lebensmittelproben zur Untersuchung sind oft nicht mehr verfügbar, der Herstellungsbetrieb kann kaum mehr festgestellt werden. Das dürfte einer der Gründe sein, warum Ausbrüche, die durch Geflügel verursacht wurden, schwieriger mit einem Herstellungsbetrieb in Zusammenhang gebracht werden können. Tab 3: Berichte der Nationalen Referenzzentrale für Salmonellen – Jahresbericht 2005: (entnommen aus den Mitteilungen der Sanitätsverwaltung Jahrgang 2006 107 (4): 13-17) Seite 39 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Tabelle 4: Berichte der Nationalen Referenzzentrale für Salmonellen – Jahresbericht 2004: (entnommen aus den Mitteilung der Sanitätsverwaltung 2005, 106 (4): 10-15) 2.1.3.2 Campylobacter Geflügel Der Erreger kann als Kommensale des Geflügeldarmtraktes betrachtet werden, die hauptsächliche Infektionsquelle ist Geflügelfleisch. Campylobacter wurde bei 36,1% der in Österreich im Jahr 2007 untersuchten Geflügelproben nachgewiesen. Ein wesentlicher Grund dafür sind spezifische Schlachttechniken (Entfederung, Kühlbäder) die die Übertragung von Campylobacter von einzelnen Tieren auf nachfolgend geschlachtete Tiere begünstigen. Bei der Untersuchung von Rind- und Schweinefleisch wurde der Erreger im selben Zeitraum nur in weniger als 1% der Proben gefunden. Die Erreger können zwar, vor allem bei niedrigen Umgebungstemperaturen, einige Zeit in der Umwelt oder in Lebensmitteln überleben, sich aber nicht außerhalb des Wirtsorganismus, also beispielsweise in Lebensmitteln, vermehren. Das bedeutet im Hinblick auf die Infektionsdosis, dass Kreuzkontaminationen nur dann zu Erkrankungen führen, wenn ausreichende Erregermengen übertragen werden. Campylobacter-Bakterien sind hauptsächlich auf der Oberfläche von rohem Geflügel zu finden. Diese Lebensmittel werden üblicherweise nicht roh verzehrt, Bakterien an der Oberfläche werden beim Erhitzen verhältnismäßig gut inaktiviert. Bei Erkrankungen ist daher besonders darauf zu achten, ob in Frage kommendes Geflügelfleisch oder Fleisch ausreichend erhitzt wurde (rohes Faschiertes, Grillen, Fondue) und ob die Übertragung relevanter Infektionsdosen auf andere, vor dem Verzehr nicht mehr erhitzter Lebensmittel über Hände, Flächen oder Fleischsaft, plausibel ist. Seite 40 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Andere Infektionsquellen als rohes Fleisch Im Gegensatz zu Salmonellen spielen bei diesen Bakterien auch Übertragungen durch Haustiere und Heimtiere und das Baden in Oberflächengewässern eine wesentliche, derzeit nicht quantifizierbare Rolle. Eine besondere Rolle dürfte auch der Verzehr von nicht pasteurisierter Milch3 spielen. Immer wieder gibt es Hinweise auf den Verzehr von Rohmilch als Ursache von Erkrankungen. Auch kontaminiertes, nicht desinfiziertes Trinkwasser wird in der Literatur als wichtige Infektionsquelle genannt3. Erhöhte Inzidenz in bestimmten Altersgruppen Eine überdurchschnittliche Inzidenz zeigen Campylobacteriosen bei Kleinkindern und direkte Übertragungen durch Schmierinfektionen (niedrige Infektionsdosis!) sind bei Kleinkindern plausibel. Auch bei jungen Erwachsenen ist eine überdurchschnittliche Inzidenz festzustellen. In dieser Bevölkerungsgruppe dürfte mangelhafte Küchenhygiene besonders zur Entstehung von Erkrankungen beitragen. 2.1.3.3 Verotoxin bildende Escherichia coli – VTEC/STEC, EHEC Erkrankungen durch Verotoxin bildende Escherichia coli (VTEC) wurden in Österreich in den letzten Jahren zunehmend häufiger gemeldet, Ausbrüche wurden nur vereinzelt beobachtet. Allerdings gibt es Grund zur Annahme, dass Erkrankungen durch VTEC wesentlich häufiger auftreten. Die Inzidenz ist im EU-Durchschnitt deutlich höher als in Österreich und in einer SentinelStudie des Robert Koch Institutes/Deutschland zur ätiologischen Klärung akuter Gastroenteritiden wurden VTEC in 3,2% der sporadisch aufgetretenen Erkrankungen nachgewiesen4. Die Ausdrücke VTEC und Shigatoxin bildende E. coli (STEC) werden als Synonyme verwendet. Historisch werden diejenigen VTEC als enterohämorrhagische E. coli (EHEC) bezeichnet, die - meist aufgrund zusätzlicher Pathogenitätsfaktoren (z.B. Intimin) - in der Lage sind, schwere Erkrankungen (hämorrhagische Kolitis und hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)) hervorzurufen.. Wegen dieser möglichen schweren Verlaufsformen, besonders bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr, sind jedenfalls bei Nachweis von VTEC möglichst rasch Umgebungsuntersuchungen bei Erkrankungen bzw. Krankheitsverdacht sowie eine möglichst rasche Abklärung der Infektionsquelle und Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung erforderlich. Dabei sind an möglichen Infektionsquellen besonders Rohmilch und Rindfleisch/Faschiertes mit Rindfleisch, aber auch Tierkontakte (Streichelzoos) und weiters die niedrige Infektionsdosis zu beachten. 2.1.3.4 Noroviren Bei Erkrankungen durch Noroviren ist die hohe Anzahl an Viruspartikeln in Erbrochenem und im Stuhl der Erkrankten zu beachten. Dadurch sind einerseits Desinfektionsmaßnahmen weniger wirksam, denn einzelne Viruspartikel können trotz Hände- oder Flächendesinfektion ev. noch Infektionen verursachen. Seite 41 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Zusätzlich können durch ganz geringe Mengen an Erbrochenem oder Stuhl (Aerosoltröpfchen nach „schwallartigem Erbrechen“, kein Händewaschen nach dem Stuhlgang) Infektionen verursacht werden. Das ist auch mit ein Grund, warum durch Lebensmittelarbeiter, die diese Viren ausscheiden, über von ihnen kontaminierte Lebensmittel Erkrankungen verursacht werden können. An Lebensmitteln sind vor allem Muscheln zu beachten, die als Ursache lebensmittelbedingter Erkrankungen angeführt werden. Wenn der Verdacht eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches durch Noroviren besteht, ist daher vor allem der Konsum von Muscheln zu erfragen und auf erkrankte Lebensmittelarbeiter zu achten. Weiter ist auch wesentlich daran zu denken, dass häufig Mensch-zu-Mensch-Übertragungen die Ursache für Erkrankungen sind; in diesem Fall wird aber eher das Ausbruchsbild des „propagierten Ausbruches“ zu sehen sein. 2.2 Epidemiologie und Ausbruchsuntersuchungen – Grundbegriffe 2.2.1 Surveillance und Ausbruch Epidemiologische Daten sind die Basis für Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die routinemäßige Sammlung der Daten (Surveillance) bietet Informationen zur „baseline activity“ - damit besteht ein Überblick über das „übliche“ Vorkommen von Infektionskrankheiten. Die wesentlichen Aufgaben der Surveillance sind daher: Erhebung von „natürlichen Mustern“ von Krankheiten (betroffene demographische Gruppen, saisonale Schwankungen) Status quo (Durchseuchungsgrad, Neuerkrankungen) Erkennen von Veränderungen (Einfluss von Präventivmaßnahmen, Erkennen von Krankheitsausbrüchen) Die Meldepflicht für bestimmte Erkrankungen ist auf nationaler Ebene im EpidemieG und auf internationaler Ebene in EU-Entscheidungen festgelegt 5-7. Seit Anfang 2009 ist das Epidemiologische Meldesystem (EMS) für Infektionskrankheiten in Betrieb, durch welches eine „real-time“-Surveillance samt österreichweiter geographischer Darstellung der epidemiologischen Situation möglich ist. Durch die Analyse von Surveillance-Daten können folgende Fragestellungen beantwortet werden: „Kam es zu mehr Fällen als erwartet? Gab es räumliche/zeitliche Häufungen? Ändert sich das „Profil“ einer Erkrankung (z.B. andere Bevölkerungsschichten als üblich betroffen?“. Bei einem Krankheitsausbruch („outbreak“) handelt es sich ganz allgemein um eine räumliche und/oder zeitliche Häufung von Fällen derselben Erkrankung. Im ZoonG wurde erstmals klar definiert, wann der Verdacht eines LMbKA vorliegt. Seite 42 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2.2.2 Epidemiologische Indikatoren 2.2.2.1 Inzidenz oder Befallsrate („attack rate“) oder „Risiko“ Die Inzidenz bezeichnet die Neuerkrankungen in einem definierten Zeitraum und in einer definierten Bevölkerungsgruppe. Bei einem Ausbruch bezeichnet man die Inzidenz auch oft als „Risiko“ oder „Befallsrate“. Beispiel 1: An einem Abendessen nahmen 350 Personen teil, innerhalb der nächsten 6–12 Stunden erkrankten 250 Personen (250/350). Die Befallsrate betrug daher ca. 71%. Beachte: Um eine internationale Vergleichbarkeit der Inzidenzen zu erreichen, werden nicht die Neuerkrankungen in der Gesamtbevölkerung angegeben sondern jene in einer bestimmten Einheit (z.B. pro 100.000 Einwohnern im Laufe eines Jahres). Beispiel 2: Im Jahr 2007 erkrankten 517 Personen neu an pulmonaler Tuberkulose (Bevölkerung: 8.308.906). Die jährliche Inzidenz für Tuberkulose in Österreich beträgt daher 6,2/100.000 Einwohnern. 2.2.2.2 Prävalenz Bezeichnet den „status quo“ („Durchseuchungsgrad“, „endemisches Vorkommen“) zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer definierten Bevölkerungsgruppe. Beachte: Um eine internationale Vergleichbarkeit der Prävalenzen zu erreichen, werden – wie bei der Inzidenz - nicht die Erkrankungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Gesamtbevölkerung angegeben sondern jene in einer bestimmten Einheit – hier pro 100.000 Personen. Beispiel: Im Dezember 2008 waren in Österreich ca. 2.600 Personen mit AIDS registriert. Dies ergibt für diesen Zeitpunkt eine Prävalenz von ca. 32/100.000 Einwohnern. 2.2.2.3 Index-Fall Der erste Fall, der bei einem Ausbruch bekannt wird und somit in gewisser Weise auch die Ausbruchsuntersuchung auslöst, wird Indexfall genannt und auch in der Epidemischen Kurve markiert. Es können auch mehrere Indexfälle gemeinsam bekannt werden. Diese Fälle müssen nicht unbedingt die ersten erkrankten Personen sein - es können im Laufe der Untersuchung durchaus weitere Fälle bekannt werden, bei denen die Erkrankung früher als beim Indexfall begonnen hat – trotzdem wird nun nicht „umklassifiziert“. Der/die Indexfall/fälle ist/sind somit lediglich ein „Hilfsmittel“, um den auslösenden Faktor für eine Ausbruchsuntersuchung zu markieren. 2.2.2.4 Primär- und Sekundärfälle Bei Infektionen, die von Mensch-zu-Mensch übertragen werden, können besonders am Beginn des Ausbruches an der epidemischen Kurve oftmals „Ausbruchswellen“ beobachtet werden, welche „Fallgenerationen“ entsprechen. Die erste Ausbruchswelle besteht dabei aus den Primärfällen, die zweite aus den Sekundärfällen usw. Der Abstand zwischen den Seite 43 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Wellen entspricht in etwa der Inkubationszeit und wird „serielles Intervall“ genannt. Im weiteren Verlauf „verschwimmen“ diese Wellen aufgrund der Bandbreite der Inkubationszeit immer mehr. 2.2.2.5 Epidemische Kurve In einer epidemischen Kurve („Epi-Kurve“, „Ausbruchskurve“) werden auf der x-Achse das Datum des Erkrankungsbeginns der Fälle und auf der y-Achse die Anzahl der Fälle aufgetragen. Damit gewinnt man rasch einen Überblick über das Ausmaß und die Dynamik des Ausbruchs. Die Art der Kurve gibt erste Aufschlüsse über die mögliche Ursache – allerdings reicht eine Epi-Kurve nicht aus, um den gesamten Ausbruch zu erklären! Es gibt drei idealtypische Kurven, welche erste Rückschlüsse auf die Art des Ausbruches erlauben: "point source outbreak" = 1 bestimmte Quelle 9 Anzahl der Fälle 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Stunden Abbildung 5: Punktueller Infektionsherd („Point source outbreak“) Beispiel: Typisches Beispiel wäre hier ein LMbKA ausgelöst durch z.B. Staphylokokken-Toxin kontaminierte Speisen bei einem gemeinsamen Abendessen. Da keine Sekundärinfektionen stattfinden „brennt der Ausbruch aus“. Seite 44 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch continuous source outbreak = Quelle weiter "aktiv" 8 Anzahl der Fälle 7 6 5 4 8 3 7 2 6 1 5 0 4 2 1 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Datum 3 2 Abbildung 6: Länger andauernde Infektionsquelle „Continous source outbreak“ 1 Beispiel: Legionellenerkrankungen in einem Hotel, Duschen (= Quelle) nicht saniert, keine 0 Mensch-zu-Mensch-Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 date person-to-person spread (propagated) = M ensch-zu-M ensch-Übertragung 8 8 nr of cases 6 5 4 7 Anzahl der Fälle 7 person-to-person spread outbreak (propagated) 6 5 4 3 2 1 3 2 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 Datum 1 0 Abbildung 7: von outbreak“) 1 3 Übertragung 5 7 9 Mensch 11 13zu Mensch 15 17 („Prolongated 19 21 23 Beispiel: Gastronintestinale Infektionen in einem Kindergarten Seite 45 von 184 23 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Hinweis: Die Erstellung von epidemischen Kurven hat in Österreich durchaus Tradition, an der lediglich angeknüpft werden muss. Untenstehend eine Darstellung aus den Mitteilungen der Sanitätsverwaltung aus dem Jahr 1951. Abbildung 8: Typhusepidemie in Ybbs 1951 2.2.2.6 Ausbruchs-Algorithmus Zur Abklärung von Krankheitsausbrüchen sind definierte Arbeitsschritte zu absolvieren, welche in einem vom CDC/Atlanta entwickelten und zum international anerkannten Basis„Ausbruchsalgorithmus“ zusammengefasst werden. Im Folgenden ist diese Vorgangsweise, basierend auf dem RKI-Algorithmus, welcher wiederum adaptiert wurde, beschrieben („Schritte einer Ausbruchsuntersuchung“): Verdacht auf Ausbruch bestätigen und melden Vorbereitung: Untersuchungsteam bilden; bestehend aus den für den jeweiligen Ausbruch relevanten Fachexperten (z.B. Mediziner, Tierärzte, Lebensmittelexperten, Landwirtschaftsexperten); Ortsbesichtigung Diagnose sichern, Sicherstellen (Asservieren) von Material, Umwelt- und Umgebungsuntersuchungen Ermittlung von Fällen: Erstellen einer Falldefinition (Zeit, Ort, Person), Ordnen der Fälle in einer „line list (= Fortlaufendes Einfügen der Fälle in eine Liste) Errechnen der Befallsrate („attack rate“), Erstellen der epidemischen Kurve Formulieren einer Hypothese Testen der Hypothese (obliegt der Entscheidung der zuständigen Behörde): FallKontroll-Studie, retrospektive Kohortenstudie (Definition der „Risikobevölkerung“, Fragebogen erstellen) Dokumentation und Mitteilung der Ergebnisse: Ausbruchsbericht Surveillance zur Evaluation der Maßnahmen Seite 46 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Parallel dazu müssen natürlich von Anfang an alle notwendigen Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden! Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte dieses Ausbruchsalgorithmus im Rahmen der Abklärung eines LMbKA beschrieben: 2.2.2.7 Bestätigung eines Ausbruches, Meldung Siehe dazu 1.2.2 2.2.2.8 Falldefinition Die Falldefinition dient dazu, Fälle einem Ausbruchsgeschehen zuordnen zu können, dessen Erreger möglicherweise unbekannt ist (z.B. mehrere Fälle von akutem Erbrechen und Durchfälle in engem geographischem und zeitlichem Zusammenhang). Achtung: Diese „Ausbruchsfalldefinition“ darf nicht mit den krankheitsspezifischen Falldefinitionen, welche laut EU-Vorgaben bei der Meldung an das ECDC zu verwenden sind, verwechselt werden, denn diese dienen lediglich der Vergleichbarkeit der Meldedaten auf EU-Ebene. Im epidemiologischen Meldesystem des BMG werden die EU-Falldefinitionen verwendet, nach denen krankheitsspezifisch jeweils mögliche, wahrscheinliche und gesicherte Fälle genau definiert werden, um eine EU-weite Vergleichbarkeit der Überwachungsdaten zu erhalten. Bei einer Ausbruchsuntersuchung wird eine eigene Falldefinition für das spezielle Geschehen anhand der Trias „Zeit/Ort/Person“ entwickelt. Diese „Ausbruchs-Falldefinition“ kann durchaus ebenfalls mit Unterkategorien möglich/wahrscheinlich/bestätigt versehen werden. Sollte z.B. der Erreger bereits bekannt sein, können durchaus die klinischen oder Laborparameter der EU-Falldefinition für die Ausbruchs-Falldefinition verwendet werden. Es müssen aber zusätzlich immer auch „Zeit/Ort“ definiert werden. Eine Ausbruchs-Falldefinition muss daher Informationen zu Zeit/Ort/Person (=TRIAS) beinhalten. Konkret bedeutet das: es muss ein Zeitrahmen definiert werden, in dem der Beginn der Erkrankung stattfand. Weiters müssen Angaben zum Ort des Geschehens gemacht werden. Unter Informationen zur Person versteht man Angaben zu Symptomen, ev. die betroffene Altersgruppe, Lebensmittel, oder auch - falls bereits nachgewiesen - der auslösende Erreger. Bei der Erstellung einer Falldefinition ist auf das richtige Maß an Sensitivität und Spezifität zu achten: Eine Falldefinition mit hoher Sensitivität erfasst sehr viele Fälle (z.B. „alle Personen, deren Krankheitsbeginn im Zeitraum x gelegen ist, in Wien wohnhaft sind und die Symptome Durchfall und Erbrechen aufweisen). Der Vorteil ist dabei, dass bereits von Beginn an viele Daten erfasst werden, die eine Auswertung in viele Richtungen Seite 47 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch zulässt. Der Nachteil ist allerdings der große Einsatz von Personalressourcen, welche oft nicht zur Verfügung stehen. Eine Falldefinition mit hoher Spezifität fokussiert auf eine klar definierte Personengruppe, welche ganz spezifische Kriterien erfüllen muss (z.B. alle Personen im Alter von 10 bis 18 Jahren, deren Erkrankungsbeginn im Zeitraum vom 20.1. bis 25.1. gelegen ist, die an dem Fest XY teilgenommen haben und bei denen ein Labornachweis einer Infektion mit dem S. paratyphi B vorliegt). Der Vorteil liegt hier in der Möglichkeit der eindeutigen Zuordnung zu einem Ausbruchsgeschehen und der damit von vornherein eingeschränkten Datenerhebung. Sollte aber „voreilig“ der falsche Erreger verdächtigt worden sein, müssen neuerliche Erhebungen durchgeführt werden. Es gibt somit keine „richtige“ Falldefinition, die für jede Ausbruchsuntersuchung passend ist. Das Ausbruchsteam muss jeweils auf der Basis der verfügbaren Informationen eine für den vorliegenden Ausbruch adäquate Falldefinition erstellen. Hinweis: Sporadische Fälle mit österreichweiter Verteilung, die zwar eine gemeinsame Infektionsquelle haben aber nur aufgrund des Nachweises desselben Erreger-Subtyps in den Laborbefunden zu einem Ausbruch zusammengefasst werden können, sind auf regionaler Ebene oft nicht erkennbar, da weder ein zeitlicher noch ein örtlicher Zusammenhang besteht. 2.2.2.9 Risikobevölkerung Darunter versteht man diejenige Gruppe von Personen, welche prinzipiell in den Ausbruch involviert sein könnte und daher in die Untersuchung (z.B. Befragung) einbezogen wird. Allerdings hängt es vom Typ der Untersuchung ab, welche Personen konkret ausgewählt werden. Handelt es sich beispielsweise um einen LMbKA im Zusammenhang mit einem Festessen, bei dem es eine Liste aller Teilnehmer gibt, könnte eine sogenannte „retrospektive Kohortenstudie“ durchgeführt werden. Hierbei werden alle anwesenden Personen, ungeachtet dessen, ob sie erkrankt sind oder nicht, anhand eines Fragebogens befragt. Handelt es sich allerdings um einen LMbKA in einem Unternehmen mit z.B. 3.000 Mitarbeitern, ist es sinnvoller eine sogenannte „Fall-Kontroll-Studie“ durchzuführen, da eine Befragung der gesamten Belegschaft kaum möglich ist. Bei einer Fall-Kontroll-Studie werden zu einem Subset von Fällen Kontrollpersonen gesucht. Das wesentliche Kriterium ist dabei, dass diese gesund sein müssen, aber im Prinzip derselben Infektionsquelle ausgesetzt gewesen sein könnten (= haben auch täglich in derselben Kantine gegessen). 2.2.2.10 Studientypen Unter den verschiedenen Möglichkeiten der epidemiologischen Untersuchungsmethoden sind für die Ausbruchsuntersuchung die (retrospektive) Kohortenstudie und die FallKontroll-Studie relevant. Seite 48 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Das Ziel einer klassischen Kohortenstudie ist es, epidemiologisch zu beweisen, dass ein bestimmter „Risikofaktor“ die Ursache für eine Erkrankung ist (z.B. Rauchen als Ursache für ein Lungenkarzinom). Daher wird eine Gruppe von Personen („Kohorte“), die diesem Risikofaktor über einem bestimmten Zeitraum ausgesetzt ist, mit einer Gruppe verglichen, die diesem Risikofaktor nicht ausgesetzt ist (z.B. Vergleich Raucher mit Nichtrauchern). Aus den Erkrankungsraten der beiden Gruppen – dem Verhältnis der Kranken zur Gesamtzahl der jeweiligen Gruppe) wird das sogenannte „relative Risiko“ (relative risk, risk ratio, RR) errechnet. Vom Wert des RR hängt es nun ab, ob die Assoziation (=Zusammenhang) des Risikofaktors mit der Erkrankung epidemiologisch „bewiesen“ wurde. Zusammenfassend handelt es sich also bei der Kohortenstudie um eine prospektive Studie, da auf die Ergebnisse der Wirkung des Risikofaktors gewartet und erst dann analysiert wird. Bei einem LMbKA ist eine klassische Kohortenstudie somit nicht anwendbar, da ja hier die Erkrankungen bereits vorliegen und nun retrospektiv die Ursache gesucht werden muss. In bestimmten Fällen – z.B. LMbKA nach einem Festessen - kann aber eine „retrospektive“ Kohortenstudie durchgeführt werden. Wesentlich ist dabei, dass es sich bei den Festgästen ebenfalls um eine geschlossene „Kohorte“ von Personen handelt, die den jeweiligen Risikofaktoren ausgesetzt waren oder eben nicht. Weiters sind alle möglichen Risikofaktoren (z.B. Lebensmittel) bekannt bzw. erhebbar. Die Analyse der Daten erfolgt somit wie bei einer klassischen Kohortenstudie. Bei einer Fall-Kontroll-Studie wird ebenfalls der Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und einer Erkrankung epidemiologisch „bewiesen“. Allerdings wird hier von bereits erkrankten Personen ausgegangen und retrospektiv die Ursache gesucht – somit dasselbe Prinzip wie bei der „retrospektiven“ Kohortenstudie. Der große Unterschied besteht allerdings in der Gruppe der untersuchten Personen: zu den Fällen werden nun Kontrollpersonen gesucht, welche anhand bestimmter Kriterien „gematcht“ werden Auswahlkriterien könnten z.B. sein: selbes Geschlecht, selbe Altersgruppe, gleicher Beruf. Wichtig ist dabei, dass auch die Kontrollpersonen demselben Risikofaktor wie die Erkrankten hätten ausgesetzt sein können. Beispiel: Bei der Abklärung eines LMbKA in einem Betrieb, bei dem das Kantinenessen als mögliche Ursache untersucht wird, müssen Kontrollpersonen auch aus demselben Betrieb stammen. Im Unterschied zur Kohortenstudie wird nun aus dem Verhältnis der Erkrankten zu den Gesunden der beiden Gruppen („Quote“, Odds) das sogenannte „Quotenverhältnis“ (odds ratio, OR) berechnet. Der wesentliche Unterschied zwischen einer (retrospektiven) Kohortenstudie und einer FallKontroll-Studie ist somit folgender: im ersten Fall kann die gesamte „Risikogruppe“ untersucht werden, während im zweiten Fall nur ein Teil der „Risikogruppe“ untersucht werden kann und auf Basis dieser Ergebnisse auf die Gesamtheit hochgerechnet werden muss. Die Entscheidung, welche der zwei epidemiologischen Untersuchungsmethoden durchgeführt wird, hängt somit wesentlich vom Setting des Ausbruchs ab. Auch ist vor Beginn einer Untersuchung die Erhebung und Zuordnung der notwendigen Ressourcen wichtig, damit die Untersuchung nicht „im Sande“ verläuft. Seite 49 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2.2.2.11 Fragebogen Der Fragebogen dient zur Erhebung der für die Untersuchung des LMbKA notwendigen Daten und muss als Mindestanforderung folgende Angaben beinhalten: Daten zur Person (Alter, Geschlecht, Beruf – hier sehr wichtig, ob Beschäftigung in einem Lebensmittelbetrieb oder einer Gemeinschaftseinrichtung vorliegt!) Ausbruchsspezifische Daten entsprechend der Falldefinition (z.B. Beginn der Erkrankung, Symptome, möglicher Ort der Infektion, konsumierte Lebensmittel, ...) Kontaktanamnese (z.B. Haushaltskontakte, Arbeitsplatz,…), aktive Fallsuche Im Anhang ist ein Standardfragebogen sowie ein Beispiel für Erhebungen zu Durchfallerkrankungen zu finden (siehe dazu Anhang I-2 und I-3). Wichtig ist, dass es keinen „Standardfragebogen“ gibt, der für jeden Ausbruch passend ist, sondern ein spezifischer Fragenbogen für den jeweils vorliegenden Ausbruch entworfen werden muss. 2.2.2.12 Aktive Fallsuche, Haushaltskontakte Sind z.B. nach einer Betriebsfeier mehrere Personen erkrankt, kann anhand der Gästeliste nach weiteren Fällen gesucht werden anstatt auf Meldungen zu warten. Somit kann rascher das Ausmaß des Ausbruchs erkannt werden. Bei Infektionen mit Mensch-zu-Mensch-Übertragung können darüber hinaus auch im gemeinsamen Haushalt oder am Arbeitsplatz – je nach Infektiosität des Erregers – nachgefragt werden („Umgebungsuntersuchungen“). 2.2.2.13 „line list“ Bevor noch eine strukturierte Erhebung mit Fragebogen durchgeführt wird, müssen alle Fälle fortlaufend in eine sogenannte „line list“ eingetragen werden. Diese „line list“ ist eine Tabelle, in der alle Fälle mit wichtigen ersten Angaben eingetragen werden. Aber auch Personen, die zwar nicht krank sind, aber z.B. auch an einem speziellen Abendessen teilgenommen haben, können bereits eingetragen werden, wenn Daten verfügbar sind. Sinnvoll ist die Verwendung einer EXCEL-Tabelle, da hier einerseits bereits Gruppierungen entsprechend z.B. Beginn der Erkrankung etc. durchgeführt werden können und darüber hinaus diese Tabelle auch in andere Programme importiert werden kann. Im Wesentlichen entspricht die line list somit einer Datenbank, wie sie in vielen epidemiologischen Programmen (z.B. EPI-INFO) aus den Fragebögen automatisch generiert wird. Hinweis: Im EMS wurde für das EMS ein spezielles OutBreak-Modul konfiguriert, mit Hilfe dessen die zum Ausbruch gehörigen Fälle zusammengefasst und bearbeitet werden können. Dieses OutBreak-Modul ist bereits im Echtbetrieb verfügbar – die Erstellung einer zusätzlichen „line list“ wie oben dargestellt ist dann nicht mehr erforderlich. Es können aus der „line list“ bereits erste Anhaltspunkte gewonnen werden – z.B. Alters- und Geschlechtsverteilung, betroffene Risikogruppe, hauptsächlich verzehrte Lebensmittel, dominante Symptome und Krankheitsverlauf,…. Diese „line list“ der Fälle entspricht aber noch nicht einer epidemiologischen Studie, denn hierzu müssen ja auch gesunde Personen befragt werden: z.B. bei einer retrospektiven Kohortenstudie alle Gäste des Festmahls oder bei der Fall-Kontroll-Studie passend selektierte Kontrollpersonen. WICHTIG: Wenn Seite 50 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch persönliche Daten enthalten sind, unbedingt auf Datenschutzbestimmungen achten (Daten nur an jene Stellen weitergeben, die autorisiert sind, ansonsten Anonymisierung!). Aus den Fällen der „line list“ kann die Epidemiologische Kurve (Epi-Kurve) angefertigt werden, welche bereits erste Anhaltspunkte über z.B. eine gemeinsame oder kontinuierliche Infektionsquelle bieten kann. Ein Muster für eine Epi-Kurve ist im Anhang zu finden: dabei wird die Zeiteinheit (z.B. Tage, Stunden) auf der x-Achse und die Anzahl der Fälle entsprechend dem Erkrankungsdatum auf der y-Achse aufgetragen (siehe dazu Anhang I-4). HINWEIS: Auch diese Epi-Kurve kann über das OutBreak-Modul des EMS automatisch erstellt werden. Datum der Erkrankung Uhrzeit der Erkrankung Erbrechen Durchfall Andere erkrankte Personen bekannt? Salat Eis … n.a. n.a. n n n j j … w 19:20 j 20.3. 19:20 j j j j Wien m Gast 20:00 n n.a. n.a. n n Tochter, Sohn (Maria, Fritz) n n j Wien w Gast 20:10 j 20.3. 20:00 j j Freundin j Wien w Gast 19:20 j 20.3. 20:30 j j Mutter (Eva) j Max Huber Eva Maier 26.5. 1950 20.4. 1945 Esch m Esch Johann Frisch Maria Frisch Maria Maier 21.5. 1950 22.5. 1952 10.3. 1985 Beruf Krank 5 Uhrzeit der Mahlzeit 4 j Geschlecht 3 19:00 Wohnort 2 Kellner Gast Geburtsdatum 1 Name ID Tabelle 5: Beispiel für eine line-list (LMbKA nach Festessen) j 2.2.2.14 Hypothese Oft lassen sich bei LMbKAs – auch ohne Vorliegen der Laborbestätigungen in Human- und Lebensmittelproben – auf Basis der klinischen Symptome und des Ablaufs der Erkrankung, der konsumierten Lebensmittel sowie des Ausbruchssettings bereits erste Vermutungen über die Infektionsquelle erstellen. Diese müssen allerdings mittels einer Studie verifiziert werden, insbesondere wenn schwerwiegende Maßnahmen wie z.B. Betriebsschließungen notwendig sind. Wie in allen EU-Ländern stellt allerdings der Ressourcenmangel im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) den wesentlichen limitierenden Faktor dar. So wird jeweils abgewogen werden müssen, ob die Kapazitäten für eine umfassende Studie ausreichend sind, um diese auch erfolgreich zu Ende führen zu können. 2.2.2.15 Ausbruchsbericht Nach Abschluss der Ausbruchsuntersuchung wird idealerweise ein Bericht verfasst werden, welcher alle wesentlichen Informationen in strukturierter Form beinhaltet. Damit werden das Ausbruchsgeschehen, der Untersuchungsvorgang und die Kontrollmaßnahmen („Public Health Measures“) nachvollziehbar. Besonders wichtig sind die daraus gewonnenen Seite 51 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Erfahrungen und spezifischen Empfehlungen – diese können auch von anderen Kollegen genützt werden und es muss das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden. Außerdem bietet ein „abgearbeiteter“ Ausbruchsbericht bereits eine hervorragende Basis für eine Publikation, die wiederum einen eindrucksvollen Beweis der hochqualitativen Leistung des ÖGD darstellen kann. Davon unabhängig sind die Meldeformulare für den EUZoonosenbericht bzw. im Rahmen von bundesländerübergreifenden LMbKAs auszufüllen. Hinweis: Die entsprechenden Meldeformulare sind ebenfalls im EMS-Ausbruchsmodul verfügbar und können somit online ausgefüllt werden. Das BMG ist sehr interessiert, Ausbruchsberichte im BMG-Newsletter (= Nachfolgeorgan der Mitteilungen der Sanitätsverwaltung; Email der Redaktion: [email protected]) zu publizieren. Darüber hinaus steht EUROSURVEILLANCE, das INTERNET-basierende Publikationsorgan des ECDC, für die Publikation von Ausbrüchen, die auch für andere EU-Länder interessant sein könnten, zur Verfügung (www.eurosurveillance.org). Natürlich können auch Zwischenberichte veröffentlicht werden, insbesondere wenn die Maßnahmen auch andere EU-Länder betreffen. Ein Musterbericht, der auf Basis des EPIET-Berichtes entwickelt wurde, ist im Anhang (siehe Anhang I-6) zu finden. 2.2.2.16 Kontrollmaßnahmen Kontrollmaßnahmen (z.B. die Schließung von Schulen/Restaurants, großangelegte Untersuchungen/Impfungen von Personen) erregen naturgemäß das größte Aufsehen in der Bevölkerung und der Presse. Diese stehen im CDC-Ausbruchsalgorithmus theoretisch an letzter Stelle – müssen aber, wenn notwendig, selbstverständlich unmittelbar bei Feststellung des Ausbruchs begonnen werden. 2.2.2.17 Pressearbeit Das BMG hat die Prinzipien einer erfolgreichen Pressearbeit im nationalen Pandemieplan festgelegt – deren Anwendung ist natürlich universal zu sehen und auch bei LMbKA anwendbar. Wesentlich ist eine kompetente und transparente Pressearbeit mit klaren Zuständigkeiten und guter Abstimmung unter den beteiligten Behörden und anderen Institutionen. Es ist daher sinnvoll, einen generellen „Presseplan“ mit der Nennung eines Verantwortlichen zu erstellen, um im Anlassfall widersprüchliche und kontraproduktive Aussagen zu vermeiden. Die Erstellung einer Liste mit „frequently asked questions“ (FAQ) ist essenziell – hier werden die wichtigsten Informationen zum Ausbruch samt wesentlichen Hintergrundinfos zur Krankheit generell zusammengestellt. Diese FAQs sind auch eine einfache standardisierte Methode, Anfragen aus der Bevölkerung rasch zu beantworten – sie können auf die Homepage gestellt werden und dienen auch als Informationsbasis für eventuell einzurichtende Hotlines. Im Anhang ist eine generelle Strukturierungshilfe für FAQs zu finden (siehe Anhang I-1). Seite 52 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2.2.2.18 Fortbildungsmöglichkeiten National Amtsärztefortbildung (BMG) (www.bmg.gv.at) Epi-Info Grundschulungskurs für die Software Epi-Info for Windows AGES (www.ages.at) International Internationale Fortbildungskurse BMG-ECDC (Kontakt: [email protected]) ECDC Internship (www.ecdc.europa.eu) EPIET (=European Programme Intervention Epidemiology Training) (3-wöchiger Einführungskurs sowie 2-jährige Ausbildung; weiters kurze Seminare und Workshops) (www.epiet.org) Robert-Koch-Institut (RKI): Postgraduiertenausbildung für angewandte Epidemiologie (PAE) – Feldepidemiologie-Trainingsprogramm; FETP (www.rki.de/pae) 2.2.2.19 Empfehlenswerte Literatur Bonita R, Beaglehole R, Kjellström T (2008). Einführung in die Epidemiologie - Verlag Hans Huber (ISBN: 978-3-456-84535-7) Schlipköter U, Wildner M (2006). Lehrbuch Infektionsepidemiologie -Verlag Hans Huber (ISBN: 978-3-456-84341-4) Giesecke J (2002). Modern Infectious Disease Epidemiology - Arnold Publishers (ISBN13: 978-0340764237) Last JM (2001). A dictionary of Epidemiology - Oxford University Press, New York (ISBN: 0-19-514169-5) Kreienbrock L, Schach S (2005). Epidemiologische Methoden - Spektrum Akademischer Verlag (ISBN-13: 978-3827415288) Ahrens W, Pigeot I. Handbook of Epidemiology (2007) -Springer, Berlin (ISBN-13: 9783540005667) Gordis L. Epidemiology (2004) - Saunders (ISBN-13: 9781416025306) Gregg MB (2002). Field Epidemiology - Oxford University Press (ISBN-13: 9780195142594) Kenneth KJ, Greenland S, Lash TL (2008). Modern Epidemiology - Lippincott Williams & Wilkins (ISBN-13: 978-0781755641) Lang TA, Secic M (1997). How to report statistics in epidemiology -American College of Physicians (ACP) Series, Philadelphia/Pennsylvania (ISBN: 0-943-126-44-4) Hennekens CH et al. Epidemiology in Medicine. Kahn HA et al. Statistical Methods in Epidemiology Seite 53 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3. Gesetzliche Grundlagen Die selektive Darstellung der für die Ausbruchsabklärung relevanten rechtlichen Vorschriften hat zum Ziel, den handelnden Akteuren vor Ort eine Zusammenfassung der legistischen Grundlagen für ihr Handeln zu bieten. Es wurden jeweils die wichtigsten Paragrafen aus den relevanten Gesetzen ausgewählt und bewusst keine ausführliche Auflistung aller Gesetze und Verordnungen, einschließlich allfälliger EU-Regelungen, durchgeführt, da dies den Rahmen dieses Handbuches bei Weitem überschreiten würde, ohne zur besseren Anwendbarkeit beizutragen. Das Epidemiegesetz, welches bereits seit 1950 in Kraft ist, wurde zuletzt am 4. Juni 2008 novelliert. In diesem Gesetz sind unter anderem die möglichen Maßnahmen der zuständigen Behörden festgehalten. Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, kurz LMSVG genannt, hat sich mit der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr.178/2002 die Grundsätze „Schutz des Verbrauchers vor Täuschung“ und „Gesundheitsschutz des Verbrauchers“ zum Ziel gemacht. Die Überwachung der Tierbestände ist in mehreren Veterinärgesetzen (vor allem dem Tierseuchengesetz, welches in Grundzügen noch aus dem Jahre 1909 stammt, und zuletzt 2008 novelliert wurde, sowie dem Tiergesundheitsgesetz aus dem Jahre 1999) geregelt. Ziel des Tierseuchengesetzes ist auch die Verhinderung der Einschleppung oder Weiterverbreitung von Krankheiten, die durch Tiere auf den Menschen übertragen werden können (darunter fällt auch die mittelbare Übertragung durch Lebensmittel tierischer Herkunft). Das Futtermittelgesetz aus dem Jahr 1999 regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln sowie die erforderlichen Kontrollen. Das Zoonosengesetz BGBl. I Nr.128/2005, welches mit 1.1.2006 in Kraft getreten ist, dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/99/EG zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern. Durch dieses Gesetz wird die Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern, die Überwachung diesbezüglicher Antibiotikaresistenzen, die epidemiologische Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche und der Austausch von Informationen über Zoonosen und Zoonoseerreger sichergestellt. Insbesondere ist durch dieses Gesetz die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den für Futtermittel-, Veterinär-, Lebensmittelund Humanbereich zuständigen Organen bzw. Behörden geregelt. Dieses Gesetz enthält auch die Definition eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches. 3.1 Epidemiegesetz 3.1.1 Ermittlung der Krankheit; anzeigepflichtige Krankheiten, § 1 § 1. (1) Der Anzeigepflicht unterliegen: 1. Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an Cholera, Gelbfieber, virusbedingtem hämorrhagischem Fieber, infektiöser Hepatitis (Hepatitis A, B, C, D, E, G), Hundbandwurm (Echinococcus granulosus) und Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis), Infektion mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus, Kinderlähmung, bakteriellen und viralen Lebensmittelvergiftungen, Lepra, Leptospiren-Erkrankungen, Seite 54 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Masern, Milzbrand, Psittakose, Paratyphus, Pest, Pocken, Rickettsiose durch R. prowazekii, Rotz, übertragbare Ruhr (Amöbenruhr), SARS (Schweres Akutes respiratorisches Syndrom), Tularämie, Typhus (Abdominaltyphus), Puerpalfieber und Wutkrankheit (Lyssa) und Bissverletzungen durch wutkranke oder - verdächtige Tiere, 2. Erkrankungs- und Todesfälle an Bang’scher Krankheit, Diphtherie, virusbedingten Meningoencephalitiden, invasiven bakteriellen Erkrankungen (Meningitiden und Sepsis), Keuchhusten, Legionärskrankheit, Malaria, Röteln, Scharlach, Rückfallfieber, Trachom, Trichinose und Tuberkulose, hervorgerufen durch Mycobakterium bovis, 3. Todesfälle an subakuten spongiformen Encephalopathien. (2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder auf Grund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen oder bestehende Meldepflichten erweitern. Anmerkungen: Unter diesem Sammelbegriff „bakterielle und virale Lebensmittelvergiftungen“ sind folgende Erreger zusammengefasst: (es wird nochmals darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang mit einem Lebensmittel gegeben sein muss): Campylobacteriose und ihre Erreger Listeriose und ihre Erreger Escherichia coli Caliciviren (Noroviren) Shigellose und ihre Erreger Salmonellose und ihre Erreger Yersiniose und ihre Erreger Hepatitis A- und E- Viren Rotaviren Diese aufgezählten Erreger überschneiden sich mit den im Anhang I A Zoonosengesetz aufgezählten Erregern. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Lebensmittelintoxikationen durch die Toxine von beispielsweise Staphylococcus aureus, Bacillus cereus und Clostridium botulinum ebenfalls den bakteriellen und viralen Lebensmittelvergiftungen zuzuordnen sind. Zu Rota- und Noroviren ist festzuhalten, dass keine generelle Meldepflicht besteht, sondern diese nur bei einem Hinweis auf einen Bezug auf ein Lebensmittel vorgesehen ist. Zu den Parasitosen ist folgendes zu bemerken: Alle Erreger wie z.B. die aus dem Anhang I B Zoonosengesetz können bei Bedarf jederzeit durch die Verordnungsermächtigung gem. § 1 Abs. 2 meldepflichtig gemacht werden. Wegen häufigen Anfragen zu diesem Thema wird darauf hingewiesen, dass mit der Novelle am 4. Juni 2008 die Meldeverpflichtung für den Hundebandwurm und Fuchsbandwurm ins Gesetz aufgenommen wurde. Bis dahin war die Meldepflicht in einer Verordnung festgelegt. Seite 55 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.1.2 Erstattung der Anzeige, § 2 §2. (1) Jede Erkrankung, jeder Sterbefall an einer anzeigepflichtigen Krankheit, in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 1 auch jeder Verdacht einer solchen Erkrankung, ist der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt), in deren Gebiet sich der Kranke oder Krankheitsverdächtige aufhält oder der Tod eingetreten ist, unter Angabe des Namens, des Alters und der Wohnung und, soweit tunlich, unter Bezeichnung der Krankheit binnen 24 Stunden anzuzeigen. (2) Binnen der gleichen Frist sind Personen, die, ohne selbst krank zu sein, Erreger der bakteriellen Lebensmittelvergiftung, des Paratyphus, der übertragbaren Ruhr oder des Typhus ausscheiden, der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) bekanntzugeben. (3) Die Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) hat sich wegen Einleitung und Durchführung der in diesem Gesetz vorgeschriebenen Erhebungen und Vorkehrungen unverzüglich mit der zuständigen Gemeindebehörde ins Einvernehmen zu setzen. (BGBl. Nr. 151/1947, Artikel II Z. 5 lit. b.) Anmerkungen: Eine Definition ist derzeit im BMG in Bearbeitung. 3.1.3 Zur Anzeige verpflichtete Personen, § 3 § 3. (1) Zur Erstattung der Anzeige sind verpflichtet: 1. Der zugezogene Arzt, in Kranken-, Gebär- und sonstigen Humanitätsanstalten der Leiter der Anstalt oder der durch besondere Vorschriften hiezu verpflichtete Vorstand einer Abteilung; 1a. jedes Labor, das den Erreger einer meldepflichtigen Krankheit diagnostiziert; 2. die zugezogene Hebamme; 3. die berufsmäßigen Pflegepersonen, die mit der Wartung des Kranken befasst sind; 4. der Haushaltungsvorstand (Leiter einer Anstalt) oder die an seiner Stelle mit der Führung des Haushaltes (der Leitung der Anstalt) betraute Person; 5. die Vorsteher öffentlicher und privater Lehranstalten und Kindergärten in Bezug auf die ihrer Leitung unterstehenden Schüler, Lehrpersonen und Schulbediensteten; 6. der Wohnungsinhaber oder die an seiner Stelle mit der Obsorge für die Wohnung betraute Person; 7. Inhaber von Gast- und Schankgewerben sowie deren behördlich genehmigte Stellvertreter bezüglich der von ihnen beherbergten oder bei ihnen bediensteten Personen; 8. der Hausbesitzer oder die mit der Handhabung der Hausordnung betraute Person; 9. bei Milzbrand, Psittakose, Rotz, Puerpalfieber und Wutkrankheit (Lyssa) und Bissverletzungen durch wutkranke oder – verdächtige Tiere, Tularämie, Bang’scher Krankheit, Trichinose, Leptospiren-Erkrankungen, Tuberkulose, hervorgerufen durch Mycobakterium bovis, und Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus auch Tierärzte, wenn sie in Ausübung ihres Berufes von der erfolgten Infektion eines Menschen oder dem Verdacht einer solchen Kenntnis erlangen; Seite 56 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 10. der Totenbeschauer. (2) Die Verpflichtung zur Anzeige obliegt den unter Z. 2 bis 8 bezeichneten Personen nur dann, wenn ein in der obigen Aufzählung unter Z. 1 bis 7 früher genannter Verpflichteter nicht vorhanden ist. Anmerkungen: Ad Abs. 1: Hier wird taxativ aufgezählt, welche Personen zur Meldung verpflichtet sind. Besonders wird darauf hingewiesen, dass eine Arzt- und eine Labormeldepflicht bestehen. Ad Abs. 1 Ziffer 9: In diesem Absatz werden Tierärzte bei Auftreten einer in diesem Absatz genannten Krankheit ebenfalls zur Meldung verpflichtet, wenn ihnen der Verdacht auf eine Erkrankung oder die Infektion eines Menschen durch diese Krankheit während der Ausübung ihres Berufes zur Kenntnis gelangt. Ad Abs. 2: Die Personen, die in Ziffer 2 bis 8 genannt werden, sind nur dann meldepflichtig, wenn die Personen, welche in der Ziffer 1 bis 7 genannt werden, nicht vorhanden sind. Dies bedeutet nur dann eine Meldeverpflichtung, wenn eine Meldung durch diese in Ziffer 1 bis 7 genannten Personen noch nicht vorgenommen wurde. 3.1.4 Register der anzeigepflichtigen Krankheiten, § 4 § 4. (1) Der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend hat ein elektronisches Register in Form eines Informationsverbundsystems (§ 4 Z 13 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999) betreffend die Anzeigen nach § 1 Abs. 1 und 2 und § 2 Abs. 2 sowie die Anzeigen nach §§ 5 und 11 des Tuberkulosegesetzes, BGBl. Nr. 127/1968, einzurichten und zu betreiben. Der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend ist Auftraggeber und Betreiber des Registers, weitere Auftraggeber sind die Bezirksverwaltungsbehörden, die Daten dem Register überlassen. Den Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend trifft für alle Auftraggeber die Meldepflicht gemäß §§ 17f Datenschutzgesetz 2000. Anmerkung: Hier ist festgelegt, dass Meldungen nach dem Epidemiegesetz elektronisch zu erfolgen haben. (2) Das Anzeigenregister dient der Erfüllung der Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörden zur Durchführung von Erhebungen über das Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten (§ 5 Epidemiegesetz 1950 und § 6 Tuberkulosegesetz) sowie zur Verhütung der Weiterverbreitung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten (§§ 6 bis 26 Epidemiegesetz 1950 und §§ 7 bis 14, 21 und 33 Tuberkulosegesetz) und der Erfüllung der Aufgaben der der Landeshauptmänner im Rahmen ihrer Koordinierungsfunktion gemäß § 43 Abs. 6 und 7. Seite 57 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Anmerkung: Hier wird der Zweck der Datenanwendung umschrieben. Das Register dient den Aufgaben der Bezirksverwaltungsbehörde wie z.B. Verhütung der Weiterverbreitung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten. (3) Die Bezirksverwaltungsbehörden sind verpflichtet, die Daten aus Anzeigen nach § 1 Abs. 1 und 2 und § 2 Abs. 2, die Daten, die im Rahmen von Erhebungen über das Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten gesammelt werden, und die Daten, die im Zusammenhang mit getroffenen Maßnahmen stehen, im Register zu verarbeiten. Die Bezirksverwaltungsbehörden sind weiters verpflichtet, die Daten aus Anzeigen nach §§ 5 und 11 Tuberkulosegesetz, die Daten, die im Rahmen von Erhebungen über das Auftreten von Tuberkulose gesammelt werden, und die Daten, die im Zusammenhang mit getroffenen Maßnahmen stehen, im Register zu verarbeiten. Anmerkung: Hier findet die Verpflichtung der Bezirksverwaltungsbehörden zur elektronischen Verarbeitung der Daten im Register, welche im Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz stehen, ihre gesetzliche Grundlage. (4) Im Register werden folgende Datenarten verarbeitet: 1. Daten zur Identifikation von Erkrankten, einer Erkrankung Verdächtigen, Gebissenen, Verstorbenen oder Ausscheidern (Name, Geschlecht, Geburtsjahr, Sozialversicherungsnummer und bereichsspezifisches Personenkennzeichen (§ 9 E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004)), 2. gegebenenfalls Sterbedaten (Datum, Todesursache, Autopsiestatus), 3. die für die anzeigepflichtige Krankheit relevanten klinischen Daten (Vorgeschichte und Krankheitsverlauf) und Labordaten, 4. Daten zum Umfeld des Erkrankten, einer Erkrankung Verdächtigen, Gebissenen, Verstorbenen oder Ausscheiders, soweit sie in Bezug zur anzeigepflichtigen Erkrankung stehen, und 5. Daten zu den getroffenen Vorkehrungsmaßnahmen. Anmerkung: Hier sind die einzugebenden Datenarten festgehalten. (6) Jede Verwendung der im Register verarbeiteten Daten darf nur in Vollziehung dieses Bundesgesetzes, in Vollziehung des Tuberkulosegesetzes oder in Vollziehung des Zoonosengesetzes, BGBl. I Nr. 128/2005, erfolgen. Seite 58 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Anmerkung: Hier wird festgelegt, dass diese Bestimmungen sowohl für das Epidemiegesetz als auch für das Zoonosengesetz Anwendung finden. (7) Die Bezirksverwaltungsbehörde darf im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Zwecke der Erhebungen über das Auftreten und der Verhütung und Bekämpfung einer anzeigepflichtigen Krankheit nach diesem Bundesgesetz und nach dem Tuberkulosegesetz alle Daten einer Person im Register, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfall stehen, in direkt personenbezogener Form verwenden. Der Landeshauptmann darf im Rahmen seiner Koordinierungsfunktion gemäß § 43 Abs. 6 und 7 alle Daten einer Person im Register, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfall stehen, in direkt personenbezogener Form verwenden. Sofern vom Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend gemäß § 3 Abs. 7 des Zoonosengesetzes ein Experte zur Abklärung bundesländerübergreifender Zoonosenausbrüche bestellt wurde, darf dieser alle Daten von Personen im Register, die im Zusammenhang mit einem Zoonosenausbruch stehen können, in direkt personenbezogener Form verwenden, soweit dies zur Abklärung eines Ausbruchs erforderlich ist. Anmerkung: Der direkte personenbezogene Zugriff auf Daten einer Person im Register ist für die BVB’s vorgesehen, sofern dieser im Zusammenhang mit einem bestimmten Verdachts-, Erkrankungs- oder Todesfall und in Vollziehung des Epidemiegesetzes steht. Weiters ist auf Landesebene ein personenbezogener Zugriff für den Landeshauptmann in seiner Koordinierungs- bzw. Zusammenarbeitsfunktion bei länderübergreifenden bzw. bezirksübergreifenden Ereignissen vorgesehen. (8) Für Zwecke der epidemiologischen Überwachung und Statistik dürfen die Bezirksverwaltungsbehörde, der Landeshauptmann, der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend, die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und Referenzzentralen für übertragbare Krankheiten die Daten im Register in indirekt personenbezogener Form verwenden. Anmerkung: Hier ist der indirekt personenbezogene Zugriff für die BVB’s, für den Landeshauptmann, den Bundesminister für Gesundheit, die nationalen Referezzentralen und die AGES festgelegt, allerdings nur für Zwecke der epidemiologischen Überwachung und Statistik. (12) Der Bezirkshauptmann, der Landeshauptmann und der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend sind verpflichtet, die Zugriffsberechtigung für die einzelnen Benutzer individuell zuzuweisen und zu dokumentieren. Die Zugriffsberechtigten sind über die Bestimmungen gemäß § 15 Datenschutzgesetz 2000 zu belehren. Zugriffsberechtigte sind von der weiteren Ausübung ihrer Zugriffsberechtigung auszuschließen, wenn sie diese zur weiteren Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht mehr benötigen oder sie die Daten nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung verwenden. Seite 59 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Anmerkung: Hier wird die Zuständigkeit für die Zugriffsberechtigung festgelegt. Der Landeshauptmann hat auf Länderebene die Kompetenz, Zugriffsberechtigungen zweckbestimmt individuell zu vergeben. (15) Der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend kann durch Verordnung nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten vorsehen, dass Labors ihrer Meldeverpflichtung nach § 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z 1a elektronisch durch Eingabe der Meldung in das Register nachzukommen haben. Anmerkung: Die Ziffer 15 enthält die Verordnungsermächtigung für das BMG, dass auch Labors die zu meldenden Daten nicht mehr in Papierform an die BVB’s schicken, sondern zur elektronischen Meldung verpflichtet wurden und die Daten direkt ins Register eingeben müssen. 3.1.5 Erhebungen über das Auftreten einer Krankheit, § 5 § 5. (1) Über jede Anzeige sowie über jeden Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit haben die zuständigen Behörden durch die ihnen zur Verfügung stehenden Ärzte unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige sind verpflichtet, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Zum Zwecke der Feststellung von Krankheitskeimen sind hierbei nach Möglichkeit fachliche Untersuchungsanstalten in Anspruch zu nehmen. (2) Unter welchen Voraussetzungen und von welchen Organen bei diesen Erhebungen die Öffnung von Leichen und die Untersuchung von Leichenteilen vorgenommen werden kann, wird durch Verordnung bestimmt. Anmerkung: Dieser Paragraf stellt die Grundlage für die Einzelfall- und Ausbruchsuntersuchung dar. Mit der Novelle vom 4.Juni 2008 wurde neben dem Feststellen der Krankheit auch das „Feststellen der Infektionsquelle“ durch die zuständigen Behörden ins Gesetz aufgenommen. Dies erweitert das Spektrum der erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen. Seite 60 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.1.6 Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten; Einleitung von Vorkehrungen bei Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten, §6 § 6. (1) Über jeden Fall einer anzeigepflichtigen Krankheit sowie über jeden Verdachtsfall einer solchen Krankheit sind, neben den nach § 5 etwa erforderlichen Erhebungen, ohne Verzug die zur Verhütung der Weiterverbreitung der betreffenden Krankheit notwendigen Vorkehrungen im Sinne der folgenden Bestimmungen für die Dauer der Ansteckungsgefahr zu treffen. (2) Zur allgemeinen Kenntnis bestimmte Anordnungen sind in jeder Gemeinde des betroffenen Gebietes in ortsüblicher Weise und nach Erfordernis in den zu amtlichen Kundmachungen bestimmten Zeitungen zu verlautbaren. In der gleichen Weise ist auch die Aufhebung solcher Anordnungen ohne Verzug kundzumachen. Anmerkungen: Neben den Erhebungen sind die Vorkehrungen und Maßnahmen in dieser Regelung festgelegt. In den §§ 8-16 sind weitere mögliche Maßnahmen aufgezählt. 3.1.7 Desinfektion, § 8 § 8. (1) Gegenstände und Räume, von denen anzunehmen ist, dass sie mit Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit behaftet (ansteckungsverdächtig) sind, unterliegen der behördlichen Desinfektion. Ist eine zweckentsprechende Desinfektion nicht möglich oder im Verhältnis zum Werte des Gegenstandes zu kostspielig, so kann der Gegenstand vernichtet werden. (2) Ansteckungsverdächtige Gegenstände dürfen der Desinfektion oder Vernichtung nicht entzogen und vor Durchführung dieser Maßnahmen nicht aus der Wohnung entfernt werden. (3) Von der erfolgten Durchführung der Desinfektion hat die zur Anzeige des betreffenden Falles nach § 3 verpflichtete Person in der nach § 2 vorgeschriebenen Weise die Anzeige zu erstatten. (4) Die Desinfektion ist nach Erfordernis unter fachmännischer Leitung durchzuführen. (5) Die näheren Vorschriften über die Einleitung und die Art der Durchführung der Desinfektion und der Vernichtung von Gegenständen werden durch Verordnung erlassen. Seite 61 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.1.8 Beschränkung der Wasserbenützung und sonstige Vorsichtsmaßregeln, § 10 § 10. (1) In Ortschaften, in denen eine anzeigepflichtige Krankheit aufgetreten ist oder die von einer solchen anderwärts aufgetretenen Krankheit bedroht sind, sowie in der Umgebung solcher Ortschaften können, soweit dies zur Verhütung der Weiterverbreitung der Krankheit geboten erscheint, die Benützung von öffentlichen Bade-, Wasch- und Bedürfnisanstalten beschränkt oder untersagt und andere geeignete Vorsichtsmaßregeln verfügt werden. (2) In gleicher Weise kann beim Auftreten von Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr, Flecktyphus, Asiatischer Cholera, Ägyptischer Augenentzündung oder Milzbrand die Benützung von Quellen, Brunnen, Wasserleitungen, Bächen, Teichen und anderen Gewässern beschränkt oder untersagt werden. (BGBl. Nr. 449/1925, Artikel III Abs. 2.) (3) Die im vorigen Absatz bezeichneten Verbote erstrecken sich jedoch nicht auf die Wasserbenützung zur Erzeugung motorischer Kraft, zu Verkehrs- und Industriezwecken, wohl aber auf die Wasserbenützung zur Erzeugung und zum Vertriebe von Nahrungs- und Genussmitteln. 3.1.9 Beschränkung des Lebensmittelverkehrs, § 11 § 11. Die Abgabe von Lebensmitteln aus Verkaufsstätten, Häusern oder erforderlichenfalls aus einzelnen Ortsgebieten, in denen Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr, Flecktyphus, Blattern, Asiatische Cholera, Pest oder Ägyptische Augenentzündung aufgetreten ist, kann untersagt oder von bestimmten Vorsichten abhängig gemacht werden. (BGBl. Nr. 449/1925, Artikel III Abs. 2.) 3.1.10 Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen, § 15 § 15. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu untersagen, sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist. 3.1.11 Besondere Meldevorschriften, § 16 § 16. Für Orte und Gebiete, für welche die Gefahr des Entstehens oder der Einschleppung einer anzeigepflichtigen Krankheit aus anderen Gegenden besteht, können - unbeschadet der geltenden Meldevorschriften - besondere Anordnungen über die Meldung von Fremden und Einheimischen sowie über die Evidenthaltung der Meldungen erlassen werden. Seite 62 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.1.12 Besondere Vorschriften betreffend Zoonosen Überwachung bestimmter Personen, § 17 § 17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden. (BGBl. Nr. 151/1947, Artikel II Z. 5 lit. f.) (4) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen. Anmerkungen: Mit dem neuen Lebensmittelrecht, dem LMSVG 2006, liegt die Verantwortung für die Sicherheit von Lebensmitteln auf allen Stufen der Herstellung und des Vertriebes bei den jeweils betroffenen Unternehmern. Im Hinblick auf Personen, die mit dem Umgang von Lebensmitteln befasst sind, bedeutet das, dass sowohl die Personen selbst, als auch der Unternehmer darauf zu achten haben und auch dafür verantwortlich sind, dass Krankheitserreger nicht ausgehend von Personen über Lebensmittel übertragen werden (Verordnung (EG) 852/2004 - Lebensmittelhygiene, Anhang II, Kapitel VIII). Angestellte haben eine Informationspflicht dem Unternehmer gegenüber. Zur fachlichen Unterstützung bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung durch Unternehmer und Mitarbeiter, wurde vom Gesundheitsressort eine Leitlinie erarbeitet, in der Informationen zu relevanten Krankheitserregern und Verhaltensweisen ausführlich behandelt werden (Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln (GZ: 31.950/23-IV/B/10/03 vom 22.12. 2003; Änderung mit Erlass GZ. BMGFJ 75220/0034-II/B/7/2009 vom 23.10.2009). Bei Anwendung des §17 EpidemieG ist daher in erster Linie darauf zu achten, ob der zuständige Unternehmer alle erforderlichen Maßnahmen gesetzt hat, um die Übertragung von Krankheitserregern zu verhindern. Das könnte beispielsweise die Verlagerung der Tätigkeit eines klinisch gesunden Mitarbeiters, der weiterhin Krankheitskeime ausscheidet, von der Produktion zu einer Bürotätigkeit sein. Bei diesbezüglichen fachlichen Fragen kann das Gesundheitsamt auch unterstützend tätig werden. Nur in besonderen Ausnahmefällen, beispielsweise wenn fachliche Unklarheiten bestehen und aus behördlicher Sicht sofortige Maßnahmen erforderlich sind, erscheint eine Anordnung gemäß §17 Epidemiegesetz 1950 und die damit verbundene Kostenübernahme Seite 63 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch aus Bundesmitteln gerechtfertigt. (Empfohlen wird die Kontaktaufnahme und der Austausch von relevanten Informationen; ev. Zustellung der von der jeweiligen Behörde erlassenen Bescheide an die andere Behörde z.B. ein vom Amtsarzt erlassener Bescheid wird auch der Lebensmittelaufsicht zugestellt und umgekehrt) Siehe auch Kapitel 1.2.1.2 In diesem Zusammenhang wird auch auf die allgemeine Verpflichtung zum sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel hingewiesen. 3.1.13 Behördliche Kompetenzen, § 43 § 43. (1) Die Bestimmungen des Gesetzes vom 30. April 1870, RGBl. Nr. 68, betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes, bleiben durch die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes unberührt. (2) Demnach obliegen in erster Linie die Einleitung und Durchführung der im § 5 Abs. 1 bezeichneten Erhebungen und der in den §§ 7 bis 14 und 18 bezeichneten Vorkehrungen zur Verhütung ansteckender Krankheiten und ihrer Weiterverbreitung sowie auch die örtliche Mitwirkung bei allen anderen im Sinne dieses Gesetzes zu treffenden Vorkehrungen den Gemeinden im übertragenen Wirkungskreise. (3) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest, Ägyptischer Augenentzündung, Wutkrankheit, Bißverletzungen durch wutkranke oder wutverdächtige Tiere sowie in sonstigen Fällen dringender Gefahr sind die im § 5 Abs. 1 bezeichneten Erhebungen und die in den §§ 7 bis 14 bezeichneten Vorkehrungen auch sofort an Ort und Stelle von den zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Ärzten zu treffen. (4) Die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den Gemeinden oder im Sinne des Abs. 3 von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen sind Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde. (5) Gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde kann Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes erhoben werden. (6) Dem Landeshauptmann obliegt im Rahmen seines örtlichen Wirkungsbereichs die Koordinierung und Kontrolle der Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden gemäß Abs. 4. Besteht der Verdacht oder die Kenntnis über einen bundesländerübergreifenden Ausbruch einer Erkrankung gemäß § 1 Abs. 1 und 2, so haben die Landeshauptmänner der betroffenen Bundesländer zusammenzuarbeiten und ihre Tätigkeiten zu koordinieren. Anmerkung: Hier besteht eine Regelung im Epidemiegesetz und eine seitens der Bundeskommission für Zoonosen. Da die Abläufe im Bereich der BKZoon mittlerweile gut funktionieren, wird eine Änderung der Gesetzeslage im Epidemiegesetz seitens der Fachabteilung angestrebt. Seite 64 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch (7) Das Bundesministerium für Gesundheit ist im Fall von Krankheitsausbrüchen vom Landeshauptmann unverzüglich zu verständigen. Anmerkung: Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit Absatz 6 zu sehen. Für einschlägige Gesetzesstellen in Zusammenhang mit dem ÖBH siehe Kapitel 3.4. Besonderheiten beim Bundesheer. 3.2 Zoonosengesetz 3.2.1 Gegenstand und Geltungsbereich, § 1 § 1. (1) Dieses Gesetz soll die ordnungsgemäße Überwachung von Zoonosen, Zoonoseerregern sowie diesbezüglicher Antibiotikaresistenzen und die epidemiologische Abklärung von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen sicherstellen, um die Erfassung der zur Bewertung der diesbezüglichen Entwicklungstendenzen und Quellen erforderlichen Informationen zu ermöglichen. (2) Dieses Gesetz regelt 1. die Organisation der Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern, 2. die Überwachung diesbezüglicher Antibiotikaresistenzen, 3. die epidemiologische Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche und 4. den Austausch von Informationen über Zoonosen und Zoonoseerreger. (3) Meldepflichten, Überwachungs- und Bekämpfungsmaßnahmen hinsichtlich Zoonosen und Zoonoseerregern sowie lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche auf Grund bestehender Bundesgesetze werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. Anmerkung: Mit diesem Gesetz ist die Grundlage für die notwendige interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Überwachung, Untersuchung und Verhütung von Zoonosen geschaffen worden. 3.2.2 Begriffsbestimmungen, § 2 § 2. (1) Sofern nicht ausdrücklich anders festgelegt, gelten für dieses Gesetz die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechtes, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. Nr. L 31 vom 1.2.2002 S. 1. (2) Im Sinne dieses Gesetzes sind: 2. "Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch": das unter gegebenen Umständen festgestellte Auftreten einer mit demselben Lebensmittel oder mit demselben Seite 65 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Lebensmittelunternehmen in Zusammenhang stehenden oder wahrscheinlich in Zusammenhang stehenden Krankheit und/oder Infektion in mindestens zwei Fällen beim Menschen oder eine Situation, in der sich die festgestellten Fälle stärker häufen als erwartet; Anmerkungen: Dies ist zum ersten Mal, dass eine quantifizierte Ausbruchsdefinition gegeben wird. Bei mindestens zwei Erkrankten und/oder infizierten Personen, welche im epidemiologischen Zusammenhang stehen, spricht man von einem Ausbruch. Ein epidemiologischer Zusammenhang ist gegeben, wenn z.B. dasselbe Lebensmittel konsumiert wurde oder der Ausbruch auf dasselbe Lebensmittelunternehmen zurückzuführen ist. 3.2.3 Bundeskommission zur Überwachung von Zoonosen, § 3 § 3. (1) Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen richtet zur Erfüllung der Zielvorgaben gemäß § 1 Abs. 1 und 2 eine Bundeskommission zur Überwachung und Bekämpfung von Zoonosen (Bundeskommission für Zoonosen) ein. (2) Zu den Aufgaben der Bundeskommission für Zoonosen zählt die Beratung der Bundesministerin: 4. bei der Festlegung der erforderlichen Maßnahmen und Berichterstellung bei bundesländerübergreifenden lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen; (7) Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen kann Mitglieder der Bundeskommission für Zoonosen oder andere Sachverständige als Experten für die Abklärung von Zoonoseausbrüchen bestellen. Diese sind berechtigt, bei bundesländerübergreifenden Zoonoseausbrüchen unter Wahrung der Amtsverschwiegenheit und aller Erfordernisse des Datenschutzes, Einsicht in alle Unterlagen zu nehmen, davon Kopien anzufertigen sowie mit den Patienten und den Lebensmittelunternehmen direkt Kontakt aufzunehmen, soweit dies zur Vorbereitung der Abklärung des Ausbruchs erforderlich ist. Die Zoonosekoordinatoren der Länder sind verpflichtet, diesen Experten auf Verlangen alle zur Besorgung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. 3.2.4 Der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator, § 4 § 4 (1) Dem Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator obliegt: (2) Bei Verdacht auf einen lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch hat der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator die von den jeweils zuständigen Behörden in den Bundesländern durchzuführenden Maßnahmen auf Grund bundesgesetzlicher Bestimmungen, welche die Vorgangsweise bei der Meldung, Überwachung und Bekämpfung von Zoonosen regeln, zu koordinieren und zu überwachen. (3) Der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator hat sicherzustellen, dass im Anlassfall als operative Einheit zur Abklärung des Verdachts oder eines festgestellten lebensmittelbedingten Krankheitsausbruchs bezirksweise, mehrere Bezirke übergreifend Seite 66 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch oder landesweit agierende Interventionsgruppen aus Amtstierärzten, Amtsärzten, Lebensmittelaufsichtsorganen und Futtermittelexperten zur Verfügung stehen. Anmerkung: Erfahrungen haben gezeigt, dass es im Anlassfall hilfreich und effektiv war, Verantwortlichkeiten und Informationsflüsse bereits im Vorhinein festzulegen. (4) In Bezug auf lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche im jeweiligen Land hat der Leiter der Landeskommission für Zoonosen oder dessen Stellvertreter dem Vorsitzenden der Bundeskommission für Zoonosen sowie der AGES jedenfalls folgende Angaben schriftlich zu übermitteln: 1. Anzahl der Erkrankungs- und Todesfälle von Menschen bei einem Ausbruch; 2. Ursächliche Infektionserreger, einschließlich – soweit möglich - des Serotyps oder einer anderen definierten Beschreibung des Erregers. Kann der Infektionserreger nicht identifiziert werden, sollte dies begründet werden; 3. an dem Ausbruch beteiligte Lebensmittel und andere potenzielle Überträger; 4. Art des Betriebs, in dem das verdächtige Lebensmittel oder die verdächtigen Lebensmittel hergestellt/gekauft/bezogen/konsumiert wurde; 5. weitere Faktoren, wie etwa mangelnde Hygiene bei der Lebensmittelgewinnung und verarbeitung; 6. Gesamtzahl der Ausbrüche innerhalb eines Jahres. 3.2.5 Epidemiologische Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche, § 7 § 7. (1) Der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator hat gemäß § 4 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche zu untersuchen und gegebenenfalls entsprechende Nachforschungen anzustellen. Dabei sind zumindest Daten über 1. die epidemiologischen Merkmale, 2. die potenziell implizierten Lebensmittel und 3. die potenziellen Ursachen des Ausbruchs zu erfassen. Soweit möglich sind auch angemessene epidemiologische und mikrobiologische Untersuchungen durchzuführen. (2) Der Landeshauptmann als Zoonosenkoordinator übermittelt dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen sowie der AGES einen Kurzbericht über die Untersuchungsergebnisse sowie die gesetzten Maßnahmen gemäß Anhang III Teil E. Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen kann durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Informationen, die der Kurzbericht zu enthalten hat, festlegen. (3) Die Absätze 1 bis 2 gelten unbeschadet der Vorschriften über Produktsicherheit, über das Frühwarn-/Reaktionssystem zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen, über Lebensmittelhygiene und der allgemeinen Vorschriften des Lebensmittelrechts, insbesondere derjenigen, die Sofortmaßnahmen und die für Lebensund Futtermittel geltenden Verfahren für die Rücknahme oder den Rückruf vom Markt betreffen. Seite 67 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) 3.3.1 Befugnisse und Pflichten der Aufsichtsorgane In diesem Kapitel werden die rechtlichen Anmerkungen ausgewählt nur zu einzelnen Paragrafen gemacht, da es nach Rücksprache mit der Fachabteilung als nicht notwendig erscheint, alle §§ dieses Kapitels näher zu erläutern. Die Kontrolle der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften obliegt dem Landeshauptmann. Der Landeshauptmann hat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben besonders geschulte Organe als Aufsichtsorgane zu bedienen (§ 24 LMSVG). Als besonders geschult gelten Aufsichtsorgane, die den Ausbildungserfordernissen gemäß § 29 entsprechen. Für die Aus- und Weiterbildung dieser Organe werden nähere Festlegungen in der in Vorbereitung befindlichen LMSVG-Ausbildungsverordnung erfolgen. Derzeit gilt für Lebensmittelaufsichtsorgane die Verordnung BGBl. Nr. 275/2008. Für die Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie für Hygienekontrollen von Schlacht-, Zerlegungs- und Wildbearbeitungsbetrieben ist der amtliche Tierarzt zuständig. Eigenkontrolle, § 21 § 21. Unternehmer haben hinsichtlich Lebensmittel im Sinne des Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und hinsichtlich Gebrauchsgegenstände und kosmetischer Mittel im Sinne des § 7 Abs. 3 des Produktsicherheitsgesetzes 2004 - PSG 2004, BGBl. I Nr. 16/2005, die lebensmittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten, deren Einhaltung durch Eigenkontrollen zu überprüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung zu setzen. Aufsichtsorgane, Allgemeines, § 24 § 24. (1) Die Kontrolle der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften obliegt dem Landeshauptmann. Dem Landeshauptmann obliegt daher auch die Kontrolle der Einhaltung 1. der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 vom 20. März 2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. Nr. L 93 vom 31. März 2006) sowie 2. des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Speisesalz, BGBl. Nr. 112/1963. (2) Die amtliche Kontrolle hat in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. Nr. L 165 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 191 vom 28. Mai 2004) und der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 Seite 68 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften sowie entsprechend dem Stand der Wissenschaft und Technologie zu erfolgen. (3) Der Landeshauptmann hat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben besonders geschulter Organe als Aufsichtsorgane zu bedienen, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen und deren Bestellung durch einen entsprechenden Bestellungsakt kundzutun ist. Als besonders geschult gelten Aufsichtsorgane, die den Ausbildungserfordernissen gemäß § 29 entsprechen. Für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie für Hygienekontrollen von Schlacht-, Zerlegungs- und Wildbearbeitungsbetrieben müssen die Aufsichtsorgane, ausgenommen Personen gemäß Abs. 5, ein Studium der Veterinärmedizin abgeschlossen haben. Sie gelten als amtliche Tierärzte im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 854/2004. (4) Wird mit den unter Abs. 3 genannten bestellten amtlichen Tierärzten nicht das Auslangen gefunden, kann der Landeshauptmann Tierärzte, die in keinem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen und die die Ausbildungserfordernisse gemäß § 29 erfüllen, für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, für Hygienekontrollen von Schlacht-, Zerlegungsund Wildbearbeitungsbetrieben sowie für die Entnahme von Proben von lebenden Tieren gemäß § 56 als amtliche Tierärzte gemäß § 28 beauftragen. (5) Der Landeshauptmann kann zur Unterstützung der amtlichen Tierärzte bei der Schlachttier- und Fleischuntersuchung und den Hygienekontrollen von Schlacht-, Zerlegungsund Wildbearbeitungsbetrieben amtliche Fachassistenten heranziehen, die die Ausbildungserfordernisse gemäß § 29 erfüllen. Diese unterliegen in ihrer Tätigkeit nach diesem Bundesgesetz der Fachaufsicht und den fachlichen Weisungen des amtlichen Tierarztes. Der Umfang der Tätigkeit ergibt sich aus Art. 5 Z 4 der Verordnung (EG) Nr. 854/2004. Diese können sowohl in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen als auch gemäß § 28 beauftragt werden. (6) Der Landeshauptmann kann unter den in Art. 5 Z 6 der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 gegebenen Bedingungen betriebseigene Hilfskräfte dem zuständigen amtlichen Tierarzt auf Antrag des Betriebes zur Hilfestellung für bestimmte Aufgaben zuordnen. (7) Sämtliche in Abs. 3 bis 6 genannten Personen müssen einen Gesundheitszustand aufweisen, der sicherstellt, dass bei der Tätigkeit mit Lebensmitteln keine Möglichkeit der Übertragung von Krankheitserregern besteht. Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen kann nach Anhören des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission nähere Bestimmungen in Form von Leitlinien hierfür erlassen. (8) Der Landeshauptmann kann beauftragte amtliche Tierärzte und beauftragte amtliche Fachassistenten, zusätzlich zu den in Abs. 3 3. Satz genannten Betrieben, auch in Fleischverarbeitungsbetrieben und in Kühlhäusern, in denen Fleisch gelagert wird, zur Kontrolle heranziehen. Seite 69 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Aus -und Weiterbildung, § 29 § 29. (1) Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hat mit Verordnung nähere Vorschriften über die Aus -und Weiterbildung von Organen nach § 24 Abs. 3 bis 6 zu erlassen. Die Verordnung hat unter Berücksichtigung des Anhangs II Kapitel I der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 die Voraussetzungen für die Zulassung zur Ausbildung, Art und Umfang der Aus -und Weiterbildung sowie Umfang der Prüfungsfächer und der Prüfungskommission festzulegen, wobei hinsichtlich der Ausbildung von amtlichen Tierärzten und amtlichen Fachassistenten auf die Bestimmungen des Anhangs I Abschnitt III Kapitel IV der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 Bedacht zu nehmen ist. Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen kann dabei für bestimmte Organe den Umfang der Aus -und Weiterbildung einschränken, um 1. dem spezifischen Aufgabenbereich von amtlichen Tierärzten sowie amtlichen Fachassistenten oder 2. einer nachgewiesenen spezifischen Aus -und Weiterbildung Rechnung zu tragen. (2) Die beauftragten amtlichen Tierärzte gemäß § 24 Abs. 4 und beauftragten amtlichen Fachassistenten 1. sind verpflichtet, sich beruflich weiterzubilden und sich mit dem letzten Stand der einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen, und 2. haben vom Landeshauptmann vorgesehene Weiterbildungsveranstaltungen zu besuchen und jährlich den Nachweis darüber dem Landeshauptmann vorzulegen. Befugnisse und Pflichten der Aufsichtsorgane, § 35 § 35. (1) Die Aufsichtsorgane haben gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 im Rahmen der einzurichtenden Qualitätsmanagementsysteme nach schriftlich festgelegten Verfahren vorzugehen. Die praktische Tätigkeit der Lebensmittelaufsichtsbehörde erfolgt nach schriftlich vorgegebenen Verfahrensanweisungen für die Kontrolltätigkeiten und Probenahme in einem für alle Bundesländer einheitlich geltenden Qualitätsmanagementsystem. Die Verfahrensanweisungen wurden von einer aus Vertretern aller Bundesländer und vom BMG bestehenden Arbeitsgruppe erstellt. Über jede amtliche Kontrolle ist ein Bericht im Umfang des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zu erstellen. Im Falle einer Beanstandung ist dem Unternehmer eine Ausfertigung des Berichtes zur Verfügung zu stellen. Dieser Bericht kann auch der bei der Kontrolle anwesenden betriebsangehörigen Person ausgehändigt werden. Für die anderen Bereiche der Kontrolle sind ähnliche Systeme in Ausarbeitung. (2) Die Aufsichtsorgane sind befugt, alle für die amtliche Kontrolle maßgeblichen Nachforschungen anzustellen und dabei insbesondere 1. die entsprechenden Grundstücke, Gebäude und Transportmittel zu betreten, 2. die erforderlichen Auskünfte zu verlangen und Personen zu befragen, Seite 70 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3. Geschäftsunterlagen auf Schrift- und Datenträgern einzusehen und gegebenenfalls davon Kopien oder Ausdrucke anzufertigen oder anfertigen zu lassen, 4. Proben nach den §§ 36, 37, 55 und 56 LMSVG zu entnehmen und 5. Hilfestellung bei der Durchführung der Untersuchungen und der Kontrolle zu verlangen. (3) Die Kontrolle hat, abgesehen von jener der Transportmittel und bei Gefahr im Verzug, während der Geschäfts- oder Betriebszeit stattzufinden und ist in der Regel ohne Vorankündigung durchzuführen. (4) Die Aufsichtsorgane haben bei der amtlichen Kontrolle die Störung des Geschäftsbetriebes und jedes Aufsehen tunlichst zu vermeiden. (5) Die Aufsichtsorgane haben eine Ausweisurkunde mit sich zu führen und diese auf Verlangen vorzuweisen. (6) Die Durchführung einer Kontrolle kann erzwungen werden, wenn deren Duldung verweigert wird. In diesem Fall haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Aufsichtsorganen über deren Ersuchen zur Sicherung der Ausübung der Kontrollbefugnisse im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten. (7) Die Aufsichtsorgane können bei der Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften eine Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG erlassen oder gemäß § 21 VStG vorgehen. (8) Auf Anforderung durch den Landeshauptmann können Sachverständige der Agentur oder der Untersuchungsanstalten der Länder die Aufsichtsorgane bei der Durchführung von Tätigkeiten im Rahmen dieses Bundesgesetzes unterstützen. (9) Sachverständige der Europäischen Kommission und des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen, nationale Experten aus anderen Mitgliedstaaten, die gemeinsam mit Sachverständigen der Europäischen Kommission tätig werden, sowie Personen in Ausbildung gemäß § 29 dürfen die Aufsichtsorgane bei der Durchführung von Tätigkeiten im Rahmen dieses Bundesgesetzes begleiten. Sachverständigen der Europäischen Kommission stehen überdies die Rechte nach Abs. 2 Z 2 und 3 zu. Amtsorgane einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates dürfen die Aufsichtsorgane auf Grund von Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 begleiten. Diese Personen unterliegen der Amtsverschwiegenheit. Abs. 4 und 5 gelten sinngemäß. 3.3.2 Probenahme, § 36 § 36. (1) Die Aufsichtsorgane können Proben von Waren einschließlich ihrer Werbemittel, Etiketten und Verpackungen entnehmen. (2) Die entnommene Probe ist, soweit dies ihrer Natur nach möglich ist und dadurch nicht ihre einwandfreie Beurteilung bei der Untersuchung und Begutachtung vereitelt wird oder im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, in drei annähernd gleiche Teile zu teilen; hernach ist jeder Teil zweckentsprechend zu verpacken und zu versiegeln. Ein Teil der Probe wird als Seite 71 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch amtliche Probe der Untersuchung und Begutachtung zugeführt. Die restlichen Teile sind im Unternehmen als Gegenproben zurückzulassen. Der Unternehmer ist berechtigt, im Beisein des Aufsichtsorgans auf jeder Verpackung der Teile Angaben über das Unternehmen (Firmenstempel u. dgl.) anzubringen. Er ist über Lagerfrist und -bedingungen im Sinne des Abs. 8 zu informieren. (3) Ist eine Teilung der entnommenen Probe ihrer Natur nach nicht möglich, so ist die Probe ohne vorherige Teilung als amtliche Probe der Untersuchung zuzuführen. Sind noch augenscheinlich gleiche Einheiten der Ware vorhanden, so ist eine ausreichende Zahl der Einheiten zu entnehmen und dem Unternehmer amtlich verschlossen als Gegenproben zurückzulassen. (4) Erfolgt die Probenziehung beim Hersteller, ist abweichend von Abs. 2 die Probe in eine amtliche Probe und eine Gegenprobe zu teilen. (5) Abweichend von Abs. 2 wird bei Probenahme zum alleinigen Zweck von Kontaminantenuntersuchungen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 nur eine Probe amtlich entnommen. Aus dem Homogenisat dieser Probe sind durch das für die Untersuchung der Probe beauftragte Institut für Lebensmitteluntersuchung der Agentur oder die für die Untersuchung der Probe beauftragte Untersuchungsanstalt der Länder die amtliche Probe und die Gegenproben zu entnehmen sowie die Gegenproben zu versiegeln. Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß. Gegenproben sind von den genannten Stellen in geeigneter Weise bis zu einer gemäß Abs. 8 zu setzenden Frist aufzubewahren. Abs. 7 gilt sinngemäß. Ebenso ist bei den stichprobenweisen Untersuchungen von lebenden Tieren, Fleisch sowie Erzeugnissen der Aquakultur auf Rückstände gemäß § 56 nur eine Probe zu entnehmen. Von dieser Probe ist, soweit es technisch möglich ist, ein Teil durch die für die Untersuchung der Probe beauftragte Agentur oder die für die Untersuchung der Probe beauftragte Untersuchungsanstalt der Länder aufzubewahren. (6) Die Aufsichtsorgane haben den Hersteller, sofern er eine Zustelladresse in Österreich hat, oder wenn dies nicht der Fall ist, den Importeur oder Vertreiber in Österreich, über die Tatsache der Probenziehung und den Aufbewahrungsort der Gegenprobe unverzüglich schriftlich zu informieren. Ist eine Aufbewahrung der Gegenprobe auf Grund der Beschaffenheit der Ware nicht möglich, so ist dies dem Hersteller oder Importeur oder Vertreiber zeitgleich mitzuteilen. (7) Der Unternehmer, bei dem die Gegenprobe für den Hersteller zurückgelassen wurde, hat die Probe gemäß den Bedingungen des Abs. 8 aufzubewahren und sie auf Verlangen des Herstellers und auf dessen Kosten und Gefahr einer Untersuchung zuzuleiten. (10) Für die entnommene amtliche Probe ist auf Verlangen des Unternehmers eine Entschädigung vom Bund zu leisten, sofern der Wert der Probe 150 € - bezogen auf den Einstandspreis der Ware - übersteigt. Die Entschädigung entfällt, wenn auf Grund dieser Probe entweder eine bestimmte Person bestraft, verurteilt oder auf den Verfall der betreffenden Ware erkannt worden ist. Für Gegenproben ist keine Entschädigung zu leisten. (11) Der jeweils über die betreffende Gegenprobe verfügungsberechtigte Unternehmer kann auf die Entnahme der ihm zustehenden Gegenprobe verzichten. Seite 72 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch (12) Anlässlich der Probenziehung ist vom Aufsichtsorgan ein Begleitschreiben auszufertigen, welches der amtlichen Probe beizulegen ist. Den Gegenproben ist je eine Kopie oder ein Ausdruck des Begleitschreibens beizulegen. Die nähere Ausgestaltung des Probenbegleitschreibens ist von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Erlass festzulegen. 3.3.3 Monitoring, § 37 Um sich einen Überblick über den Stand der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu verschaffen, insbesondere um bestimmte Fragestellungen abzuklären, können die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen oder der Landeshauptmann Monitoringaktionen (Beobachtungen gemäß Art. 2 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004) anordnen. Bei Probenahme im Rahmen von Monitoringaktionen ist abweichend von § 36 Abs. 2 nur eine Probe zu entnehmen. Monitoringproben ziehen unmittelbar keine Maßnahmen gemäß § 39 sowie keine Beschlagnahme gemäß § 41 nach sich. Die Aufsichtsorgane sind unverzüglich von der für die Untersuchung zuständigen Stelle über Ergebnisse, die auf den Verdacht eines Verstoßes gegen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften schließen lassen, unverzüglich zu informieren. 3.3.4 Pflichten der Unternehmer Mit dem neuen Lebensmittelrecht hat ein deutlicher Wechsel in Fragen der Verantwortlichkeiten in Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit stattgefunden. Gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 178/2002 Artikel 17 Absatz 1 und (EG) 852/2004 Artikel 3 liegt die Verantwortlichkeit für Lebensmittelsicherheit bei den Lebensmittelunternehmern und diese stellen sicher, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die Hygienevorschriften erfüllt sind. Lebensmittelunternehmer treffen zum Beispiel folgende spezifischen Hygienemaßnahmen: Erfüllung mikrobiologischer Kriterien für Lebensmittel (Verordnung (EG) 852/2004 Artikel 4) Einhaltung der Kühlkette (Verordnung (EG) 852/2004 Artikel 4) Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte (Verordnung (EG) 852/2004 Artikel 5 Persönliche Hygiene (Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Anhang II Kapitel VIII) Schulung (Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Anhang II Kapitel XII) Pflichten der Unternehmer, § 38 § 38. (1) Unternehmer sind verpflichtet, 1. Kontrollvorgänge gemäß den §§ 35, 53, 54 und 55 zu dulden. 2. die Aufsichtsorgane in Ausübung der Aufgaben im Rahmen dieses Hauptstückes bestmöglich zu unterstützen, ihnen Personen, die mit dem Unternehmen vertraut sind, beizustellen und ihnen den verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG im Rahmen der Verpflichtungen gemäß § 10 namhaft zu machen, Seite 73 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3. die Einsichtnahme der für die Kontrolle und Zwecke der Rückverfolgbarkeit maßgeblichen Unterlagen, insbesondere Geschäftsaufzeichnungen, Lieferscheine und Rechnungen, auf Schrift- und Datenträger zu ermöglichen oder, falls dies nicht möglich ist, diese Unterlagen binnen angemessener Frist nachzureichen, und auf Verlangen Abschriften oder Ausdrucke darüber unentgeltlich anzufertigen, 4. auf Verlangen den Aufsichtsorganen die erforderlichen Auskünfte, insbesondere über Herstellung, Bearbeitung, Herkunft und Abnehmer von Waren sowie über alle Betriebe des Unternehmens einschließlich Transportmittel, zu erteilen oder, falls dies nicht möglich ist, binnen einer vom Aufsichtsorgan zu setzenden Frist nachzureichen, 5. entsprechend ihrer Verantwortung a) gemäß Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Bezug auf Lebensmittel und 6. im Rahmen der Eigenkontrollen betreffend das Vorliegen von Zoonosen und Zoonoseerregern gemäß Art. 4 ff. der Richtlinie 2003/99/EG vom 17. November 2003 zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern und zur Änderung der Entscheidung 90/424/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 92/117/EWG des Rates (ABl. Nr. L 325 vom 12. Dezember 2003) die Ergebnisse zu verwahren und die Isolate dem gemäß § 75 zuständigen Referenzlabor zu übermitteln. (2) Unternehmer haben dafür zu sorgen, dass Pflichten im Sinne von Abs. 1 auch während ihrer Abwesenheit erfüllt werden. Den Anordnungen der Aufsichtsorgane ist unverzüglich Folge zu leisten. (3) Unternehmer haben im Rahmen von amtlichen Kontrollen auf Verlangen maßgebliche Informationen über die Zusammensetzung und Herstellung der untersuchten Ware der Agentur oder den Untersuchungsanstalten der Länder bekannt zu geben, wenn dies in einem konkreten Anlassfall zum Schutz der Gesundheit oder zur Gewährleistung von sicheren Waren oder zum Schutz vor Täuschung für die Beurteilung einer Probe notwendig ist. 3.3.5 Maßnahmen, § 39 § 39. (1) Bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hat der Landeshauptmann mit Bescheid, gegebenenfalls unter einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist und unter Ausspruch der notwendigen Bedingungen oder Auflagen, die nach Art des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung anzuordnen, wie insbesondere: 1. die Einschränkung oder das Verbot des Inverkehrbringens oder der Verwendung; 2. die teilweise oder gänzliche Schließung von Betrieben; 3. die Untersagung oder Einschränkung der Benützung von Räumen und Betriebsmitteln; 4. den Entzug oder die Aussetzung der Zulassung von Betrieben; 5. eine geeignete Behandlung, wobei eine Vermischung bei Überschreitung der Grenzwerte von Kontaminanten und Rückständen, ausgenommen bei Wasser für den menschlichen Gebrauch, jedenfalls unzulässig ist; 6. die Verwendung zu anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zwecken; 7. die unschädliche Beseitigung; 8. die Rücksendung an den Ursprungsort im Falle des grenzüberschreitenden Verbringens; 9. die Rücknahme vom Markt oder den Rückruf vom Verbraucher; Seite 74 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 10. die Information der Abnehmer und Verbraucher; 11. die Anpassung der Kennzeichnung; 12. die Durchführung betrieblicher Verbesserungen, insbesondere bei der Herstellung, Lagerung, Verwendung, Dokumentation und Eigenkontrolle, einschließlich der Vorlage von Untersuchungszeugnissen in begründeten Fällen; 13. die Durchführung baulicher, anlagentechnischer und ausstattungsmäßiger Verbesserungen; 14. die unverzügliche Berichtspflicht über die Durchführung der angeordneten Maßnahmen. Der Unternehmer hat die Kosten der Maßnahmen zu tragen. (2) Das Aufsichtsorgan kann vor der allfälligen Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 1, ausgenommen in den Fällen der Z 1, 2, 3, 4 und 8, den Betrieb schriftlich, allenfalls unter Setzung einer angemessenen Frist, zur Abstellung der wahrgenommenen Verstöße auffordern, sofern der Mangel nicht sofort an Ort und Stelle behoben wird. Diese Aufforderung kann im Fall einer Betriebsrevision der bei der Kontrolle anwesenden betriebsangehörigen Person ausgehändigt werden. Kommt der Unternehmer der Aufforderung nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, ist ein Bescheid gemäß Abs. 1 zu erlassen. (3) Bei Gefahr im Verzug kann das Aufsichtsorgan mit Bescheid zu erlassende Maßnahmen nach vorhergegangener Verständigung des Unternehmers oder einer mit der Betriebsführung beauftragten Person auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines förmlichen Bescheides an Ort und Stelle anordnen; hierüber ist jedoch binnen einer Woche ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Anordnung als aufgehoben gilt. (4) Im Falle von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen hat der Landeshauptmann bei Mitteilung eines begründeten Verdachts hinsichtlich des möglichen Verursachers durch den Amtsarzt gemäß dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen gemäß Abs. 1 anzuordnen. Anmerkung: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es von Vorteil für die gegenseitige Zusammenarbeit von Behörden ist, wenn Amtsarzt und Lebensmittelaufsicht einander über lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche umgehend informieren und diesbezügliche Bescheide der jeweils anderen Behörde übermitteln. Insbesondere beim Auftreten eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches durch ein kontaminiertes und in Verkehr gebrachtes Lebensmittel kommt dies zum Tragen. Wer hier Maßnahmen zu treffen hat ist immer wieder missverständlich und wird eindeutig klargestellt. Wenn bei einem LMbKA ein Bezug oder auch schon der Verdacht zum Bezug zu einem Lebensmittelunternehmer bekannt wird, ist der Landeshauptmann (Lebensmittelaufsicht) als Behörde verpflichtet Maßnahmen zu setzen, wenn erforderlich. Seite 75 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Untersuchungsanstalten der Länder, §72 §72. (1) Untersuchungsanstalten der Länder, die Aufgaben wie die Agentur besorgen wollen, bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung wie auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. Anmerkung: Proben für die amtliche Untersuchung und Begutachtung werden an die Untersuchungsanstalten der Länder Kärnten, Vorarlberg und Wien übermittelt. 3.4 Besonderheiten beim Bundesheer 3.4.1. Für den Humanbereich gilt: 3.4.1.1 Vorkehrungen im Bereiche der Militärverwaltung, § 45 EpidemieG § 45. Die Durchführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes im Bereiche der Militärverwaltung zu treffenden Vorkehrungen obliegt den Militärbehörden. Zu den gedachten Zwecken ist zwischen den Militärbehörden und den Sanitätsbehörden das Einvernehmen zu pflegen. Anmerkung: Im Bereich der Militärbehörden obliegt es den Militärbehörden selbst, Vorkehrungen in ihrem Bereiche zu treffen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass dies im Einvernehmen mit den Sanitätsbehörden geschieht. Das Einvernehmen kann telefonisch hergestellt werden. Als Richtlinie oder Leitschnur im Militärbereich können, in Anlehnung an das Epidemiegesetz, Vorkehrungen getroffen werden. 3.4.2. Für den Lebensmittelbereich gilt: 3.4.2.1. Übertragung von Aufgaben an das Bundesministerium für Landesverteidigung, § 26 LMSVG §26. Die Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung gemäß Abschnitt 4 von Provianttieren, die im Eigentum des österreichischen Bundesheeres stehen und deren Fleisch zur Versorgung von Heeresangehörigen dient, obliegt Tierärzten, die Angehörige des Bundesheeres sind und vom Bundesminister für Landesverteidigung hierfür bestellt wurden. Anmerkung: Diese Regelung wurde für die Ausbildung der Militärtierärzte für diese Tätigkeit für lang andauernde Auslandseinsätze geschaffen. Seite 76 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3.4.3. Für den Veterinärbereich gilt: 3.4.3.1 Beziehung zur Militärverwaltung und zu den Staats-Pferdezuchtanstalten; Ausnahmen für wissenschaftliche Anstalten und Institute Tierseuchengesetz, § 3 (1) Rücksichtlich der Pferde, Hunde, Trag- und Provianttiere, welche der Militärverwaltung angehören, dann der Tiere, welche zu den Ständen der k. k. Staats-Pferdezuchtanstalten gehören, bleibt das Verfahren zur Ermittlung und Tilgung von Tierseuchen, soweit hierdurch nur das Eigentum des Ärars betroffen wird, den Militärbehörden, beziehungsweise Pferdezuchtanstalten nach den geltenden besonderen Vorschriften überlassen. (2) Jede verdächtige Erkrankung solcher Tiere ist jedoch unverzüglich der zuständigen politischen Bezirksbehörde zur Kenntnis zu bringen, welche behufs Verhinderung einer Weiterverbreitung der Seuche auf andere als die erwähnten Tierbestände im Sinne dieses Gesetzes die notwendigen Verfügungen zu treffen hat. Diese dürfen sich jedoch nicht auf die Tötung dem Ärar gehöriger Tiere erstrecken. (3) Die Militärbehörden und Pferdezuchtanstalten sind verpflichtet, von den getroffenen Maßregeln unverweilt die betreffende politische Bezirksbehörde zu verständigen, dieselbe über den Verlauf der Seuche in Kenntnis zu erhalten und bei Durchführung derjenigen Maßnahmen, welche von der politischen Behörde mit Rücksicht auf die Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche für notwendig erkannt werden, mitzuwirken. (4) Andrerseits ist die politische Behörde verpflichtet, sobald sie von einem Seuchenverdachte bei den dem Ärar gehörigen Tieren Kenntnis erlangt, hievon die zuständige Militärbehörde, beziehungsweise Pferdezuchtanstalt behufs der zu treffenden Verfügungen zu verständigen und derselben die im Sinne des vorangehenden Absatzes angeordneten Maßnahmen zur Kenntnis zu bringen. Anmerkung: Siehe auch Kapitel 1.4 Heereseigene Tiere werden prinzipiell von den Militär-Amtstierärzten untersucht. Ein LMbKA ausgelöst durch heereseigene Tiere ist nicht realistisch, da diese nicht in die Nahrungskette gelangen (keine Schlachttiere!). Die Möglichkeit, dass das Österreichische Bundesheer für die Verpflegsversorgung Provianttiere als Schlachttiere hält, ist nach dem Tierseuchengesetz möglich, allerdings in Friedenszeiten ist diese Art der Fleischversorgung nicht vorgesehen. Seite 77 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 78 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch ANHANG I Seite 79 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 1) Pressearbeit – Frequently Asked Questions (Auf der Basis des Manuals „Epidemiologie in Ausbruchssituationen“ des Bayrischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) Hintergrundinfo zur Krankheit 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Was ist Krankheit X? (Erreger, klinische Symptome, „schwere/leichte“ Erkrankung) Wie kann Krankheit X übertragen werden? Wie kann ich persönlich eine Infektion vermeiden? Wie häufig ist Krankheit X generell? Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko? Wie gefährlich ist Krankheit X? Wie wird Krankheit X diagnostiziert? Welche Präventionsmaßnahmen gibt es? (Chemoprophylaxe, Impfung..) Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Sind gravierende Nebenwirkungen der Präventionsmaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten möglich/bekannt/zu beachten? Information zur aktuellen Situation 1. Darstellung der jetzigen Situation (Ausmaß des Ausbruches, betroffene Bevölkerungsgruppe, Hospitalisierungen,..) 2. Darstellung der Aktivitäten der Behörden (Untersuchungen, Kontrollmaßnahmen) 3. Wenn bekannt: Information über die Ergebnisse (labortechnisch, epidemiologisch), Infektionsquelle Hinweis: Eine klare Zuständigkeit für die Pressearbeit festlegen (möglichst nur einen Sprecher). Seite 80 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2) Erstellen eines Fragebogens (Auf der Basis des Manuals „Epidemiologie in Ausbruchssituationen“ des Bayrischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) 1. Informationen zur befragten Person Name, Adresse, Telefonnummer Auskunft gebende Person (Patient, Eltern, Verwandte) Datum der Befragung Beruf, insbesondere in Bezug auf die Herstellung und Bearbeitung von Lebensmitteln 2. Demografische Information zum Probanden Geburtsdatum oder Alter Geschlecht Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen (Schulen, Versammlungsräume, etc.) Freizeitaktivitäten 3. Klinische Informationen Symptome oder Zeichen, Schwere der Erkrankung oder Outcome (Krankenhausaufenthalt, Tod), Zeitpunkt des Beginns, Dauer Medizinische Betreuung (mit Name und Telefonnummer des Arztes Vorerkrankungen, Medikamente, Impfungen 4. Epidemiologische Informationen (speziell zu Risikofaktoren) Den Übertragungsweg/die Infektionsquelle betreffende Fragen (z.B.: Was wurde gegessen, wie viel, wann? Eigene Hypothese des Befragten?) Aktivitäten einschließlich Reisen Kontakte zu erkrankten Personen 5. (eventuell) Informationen zu Personen, die eine Exposition für die betroffene Person dargestellt haben (z.B. bei sexuellen Kontakten) 6. Informationen zum Interviewer (Name, Art des Interviews, z.B. per Telefon, face-toface) 7. Freitextfeld für Anmerkungen des Interviewers Seite 81 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 3) Erhebungsbögen zu Durchfallerkrankungen (Beispiel Oberösterreich) Seite 82 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 83 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 84 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 85 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 86 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 4) Vorlage für eine epidemiologische Ausbruchskurve (Auszug aus dem Manual „Epidemiologie in Ausbruchssituationen“ des Bayrischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) Seite 87 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 5) Muster – Ausbruchsbericht (In Anlehnung an die Vorgaben des EPIET (=European Programme Intervention Epidemiology Training) (www.epiet.org) Zusammenfassung (abstract) Stellt einen kurzen und prägnanten Überblick über den gesamten Ausbruch samt der Untersuchung, Ergebnisse und Kontrollmaßnahmen dar. Hintergrund Hintergrundinformationen zum Erreger/Erkrankung (bakteriell/viral, Häufigkeit des Auftretens, typische Symptome, Schweregrad der Erkrankung, …) Wo fand der Ausbruch statt? Lokalisiert (z.B. Schule, Altersheim, Betriebskantine) Bezirks/Bundeslandübergreifend Verstreute Einzelfälle Beschreibung der Verhältnisse (z.B. Art der Ausspeisung, Vertrieb des betr. Lebensmittels..) Bereits frühere Ausbrüche dieser Art? Damals implementierte Maßnahmen Beschreibung der spezifischen Ereignisse, die zur Untersuchung führten („initial story“) – wie wurde der Ausbruch bekannt? Wer führte die Untersuchung durch? Welche Kontrollmaßnahmen wurden wann implementiert Methoden Epidemiologisch (Falldefinition, Studientyp, statistische Methoden..) Mikrobiologisch/toxikologisch (Human-, Umwelt-, Lebensmittelproben..) Umfeld (Besuch vor Ort, Risikobewertung) Ergebnisse Epidemiologisch Epi-Kurve Fallzahlen entsprechen Fallklassifikation (inkl. Hospitalisationen, Todesfälle), klinischer Verlauf, Alters- und Geschlechtsverteilung, geographische Verteilung Befallsrate, Ergebnis der Risikofaktoranalyse ebenfalls nach Alter, Geschlecht, Exposition Mikrobiologische/toxikologische Untersuchungsergebnisse Umfeld (Begehungsberichte z.B. Betriebskantine, ..) Diskussion Ergebnisse zusammenfassend diskutieren Passen epidemiologische und Laborergebnisse zusammen? Was ist die wahrscheinlichste Ursache für den Ausbruch? Was konnte nicht untersucht werden? Wie beeinflusst dies die Interpretation der Ergebnisse?) Seite 88 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Darstellung der durchgeführten Maßnahmen – sehr wichtig die Darlegung der rechtlichen Grundlage! Insbesondere bei schwerwiegenden Maßnahmen wie Betriebsschließungen, großflächigen Impfungen (Nebenwirkungen!) etc. Dies könnte bei ev. später auftretenden Regressansprüchen/Gerichtsverfahren von großer Bedeutung sein Empfehlungen/Ausblick Wenn der Ausbruch noch andauert – welche weiteren Maßnahmen sind notwendig? Welche präventiven Maßnahmen sind zu setzen, um derartige Ausbrüche in der Zukunft zu verhindern? Was hat gut funktioniert? Wie kann die Risikoanalyse und das Management derartiger Ausbrüche in Zukunft verbessert werden? Erfahrungen der teilnehmenden Behörden/Institutionen, die hilfreich für andere sein könnten. WICHTIG: Verbesserungsvorschläge für die intersektorielle Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Behörden und Unternehmen! Hinweis: Das Robert-Koch-Institut empfiehlt zur epidemiologischen Darstellung der Ergebnisse folgende Art: Epidemiologisch Deskriptiv: Beschreibung nach Zeit, Ort, Person Analytisch Seite 89 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 6) Berichtsformular für Bundesland-interne lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche Seite 90 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 7) Anleitung zum Ausfüllen der EU-Tabelle bei Endberichten, vorläufigen Endberichten und Gesamtberichten von LMbKA EU 1 Ausbruchs ID Die Ausbruchs ID wird automatisch vom EMS generiert und in dieser Tabelle verwendet. EU 2 Verursachendes Agens Das Agens (Bakterium, Virus, Protozoon, Toxin, Chemikalie oder eine andere Substanz), welches als Ursache für den Ausbruch in Betracht kommt und in den betroffenen Personen oder im damit in Verbindung stehenden Lebensmittel nachgewiesen wurde, ist so genau wie möglich anzugeben, dazu einige Beispiele: Salmonellen S. Enteritidis plus Angabe des Phagentypen (PT), z.B. S. Enteritidis PT4 S. Typhimurium plus Angabe des Phagentypen (definitiven Typen, DT), z.B. S. Typhimurium DT46 Z. B. ‚Salmonella der Gruppe D’ oder ‚Salmonella Enteritidis’ ohne Angabe des Phagentypen ist nicht ausreichend Ist der Ausbruchsstamm nicht typisierbar, soll das Antigenmuster angegeben werden, z.B. S. IIIb 61 : k : 1,5,7 Bei den anderen Serotypen (anderen als Enteritidis und Typhimurium), wie z.B. S. Infantis oder S. Montevideo etc. reicht die Angabe des Serotypen aus Campylobacter Angabe der Species, z.B. C. jejuni oder C. coli (Campylobacter alleine ist unzureichend) EHEC Angabe des Serotypen, z.B. O157:H7 oder O26 (EHEC alleine ist unzureichend!) Listeria L. monocytogenes plus Angabe des Serovars, z. B. L. monocytogenes 4b Yersinien Y. enterocolitica plus Angabe des Serotyps, z. B. Y. enterocolitica O:3, O:5,27 und O:9 oder des Biotyps 4, 2, 3, 1B und 5 Toxine Angabe des Toxintyps, z.B. Clostridium botulinum Neurotoxin A, Clostridium perfringens Enterotoxin, hitzestabiles Bacillus cereus Enterotoxin, Staphylococcus aureus Enterotoxin etc. Kann der Infektionserreger eines Ausbruchs nicht identifiziert werden, hat dies begründet zu werden! Seite 91 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch EU 3 Anzahl der Ausbrüche (gilt nur für Monatstabelle mit mehreren Ausbrüchen) EU 4 Art des Ausbruchs Spezifikation der Art des Ausbruchs. Haushaltsausbruch: Ein Ausbruch, bei 2 oder mehreren in Beziehung stehenden Fällen bei Mitgliedern eines Haushalts Allgemeiner Ausbruch: Ein Ausbruch, bei dem 2 oder mehrere Personen aus mehr als einem privaten Haushalt betroffen sind. Ausbrüche in Altenheimen, Schulen oder ähnlichen Einrichtungen sind als allgemeine Ausbrüche einzustufen. EU 5 Im Ausland erworbener Ausbruch Nur wenn das mit dem Ausbruch in Verbindung gebrachte Lebensmittel im Ausland verzehrt wurde, handelt es sich um einen im Ausland erworbenen Ausbruch. Es ist das entsprechende Land anzugeben. EU 6 Anzahl der humanen Fälle Anzahl aller Personen, auf welche die Falldefinition zutrifft und die bei diesem Ausbruch als Fall gezählt werden (inklusive der hospitalisierten und verstorbenen Personen). EU 7 Anzahl der hospitalisierten Personen Alle Personen, die im Zusammenhang mit dem beschriebenen Ausbruch als Folge der Exposition mit dem verursachenden Agens zumindest über Nacht in einem Krankenhaus aufgenommen wurden. EU 8 Anzahl der verstorbenen Personen Alle Personen, die im Zusammenhang mit dem beschriebenen Ausbruch als Folge der Exposition mit dem verursachenden Agens verstorben sind. Dazu sollen alle Personen gezählt werden, die innerhalb eines Monats nach Exposition mit dem Ausbruchserreger verstorben sind. EU 9 Mit dem Ausbruch in Verbindung gebrachte/s Lebensmittel Angabe des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, das oder die mit dem Ausbruch in Verbindung gebracht wird. EU 10 Als Infektionsquelle verdächtigt oder bestätigt, zutreffendes ankreuzen Es ist anzugeben, ob das mit dem Ausbruch in Verbindung gebrachte Lebensmittel als Infektionsquelle verdächtigt (x) oder bestätigt (x) wurde. „‚Bestätigt“ heißt, dass ein Lebensmittel epidemiologisch oder mikrobiologisch als Infektionsquelle abgeklärt werden konnte; es bedeutet nicht, dass ein Humanfall durch die Stuhluntersuchung bestätigt wurde. Seite 92 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch EU 11 Art der Beweisführung (für die Infektionsquelle) Gibt die Art der Beweisführung an, nach der das Lebensmittel als Infektionsquelle in Verbindung gebracht werden konnte. Die Beschreibung, wie ein Zusammenhang zwischen der verdächtigen/bestätigten Infektionsquelle und den vom Ausbruch betroffenen Personen hergestellt werden konnte; das kann vom verursachenden Agens des Ausbruchs abhängen. So kann z.B. angegeben werden: Labor-Nachweis im verdächtigen Lebensmittel: In diesem Fall wurde der Ausbruchstamm im Lebensmittel (Lebensmittelreste oder Zutaten) oder in beitragenden Faktoren (Betriebsmittel, Lebensmittelhändler) nachgewiesen. Labor-Nachweis bei Humanfällen: Laborergebnisse beweisen durch Typisierungen von Humanisolaten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Humanfällen und belegen einen Ausbruch. Charakterisierung von Isolaten aus Humanfällen und von Lebensmittel: Die Typisierung im Labor ergibt eindeutig ein und denselben Ausbruchsstamm bei Human- und Lebensmittelisolaten. Analytisch-epidemiologische Beweisführung: Eine Fall-Kontroll-Studie oder Kohortenstudie zur Identifizierung der am meisten wahrscheinlichen Ausbruchsquelle (Infektionsquelle). EU 12 Ort, an dem die Fälle dem Lebensmittel ausgesetzt waren Das ist der Ort, an dem das Lebensmittel konsumiert wurde, z.B. privater Haushalt, Restaurant, Schule, Kindergarten, oder aber jener Ort, an dem die endgültige Zubereitung des verdächtigen Lebensmittels stattgefunden hat (wenn es nicht dort verzehrt, sondern fertig zubereitet mitgenommen und erst zu Hause verzehrt wurde), z.B. Verkaufsstand, Pizzaservice etc. EU 13 Ort, von dem das Problem ausgeht/ausging Jener Ort, an dem die Kontamination oder der Fehler in der Handhabung oder Bearbeitung des in Verbindung gebrachten Lebensmittels geschah, z.B. Kühlkette beim Transport nicht eingehalten, etc. EU 14 Herkunft des verdächtigen Lebensmittels Es soll angegeben werden, ob das verdächtige Lebensmittel vom heimischen Markt oder vom innereuropäischen Handel stammt oder von außerhalb der EU importiert wurde. So kann z.B. angegeben werden: Wurde im Land hergestellt. Kommt vom innergemeinschaftlichen Handel: Wenn bekannt, Angabe des Landes. Wurde von außerhalb der EU importiert: Wenn bekannt, Angabe des Landes. EU 15 Andere beitragende Faktoren Versagen des HACCP, kontaminierte Roherzeugnisse, Mängel in der Zubereitung wie z. B: Unzureichende Erhitzung von unsicheren Zutaten oder im Lebensmittelhandling. Seite 93 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 8) Formular für bundesländerübergreifende lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche Seite 94 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 95 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 9) ERLÄUTERUNGEN ZUM FORMBLATT „Bericht zu einem Bundesländerübergreifenden lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch (BL-LMbKA)“ AN DEN VORSITZENDEN DER BUNDESKOMMISSION FÜR ZOONOSEN Dieses Formular dient zur Erstellung von wöchentlichen Berichten oder Endberichten zu einem bundesländerübergreifenden LMbKA an die Bundeskommission für Zoonosen (BKZoon) gemäß ZoonG, BGBl. Nr. I Nr.128/2005 i.d.g.F. und Erlass BMG-74600/0102IV/B/5/2007. Dieser Bericht hat vom Leiter/der Leiterin der Landeskommission für Zoonosen (LKZoon) jedes betroffenen Bundeslandes übermittelt zu werden. Wurde ein Koordinator (z.B. Mitarbeiter einer Landessanitätsdirektion oder der AGES) mit den Erhebungen eines bundesländerübergreifenden Ausbruchs (BL-LMbKA) betraut, so hat dieser die Berichte mit Hilfe dieses Formulars zu erstellen und zu übermitteln. Das Formular wird zukünftig elektronisch zur Verfügung gestellt, um die Eingabe, Aktualisierung und Weiterleitung zu vereinfachen. Sofort bei Bekanntwerden des Verdachtes oder Bestätigung eines BL-LMbKA sind die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Angaben an die BKZoon zu melden, damit diese die Koordinationstätigkeit wahrnehmen kann. Bei Verdacht auf Vorliegen eines solchen BLLMbKA vergibt die BKZoon-Geschäftsstelle eine Ausbruchs ID (lfd. Nummer/Jahreszahl/Erreger/Ort) und teilt diese Ausbruchs-ID den LKZoons mit. Diese Ausbruchs ID ist in der Folge als Betreff bei jedem weiteren Schriftverkehr (insbesondere bei Email-Übermittlungen) anzuführen. Alle Formularfelder bis auf „23“ sind verpflichtend auszufüllen. Sind zu einzelnen Feldern im vorliegenden Formular keine Daten oder Ergebnisse verfügbar, so ist das anzugeben, z.B. mit „n. v.“ (nicht verfügbar). Erläuterungen zu den einzelnen Punkten 1. Die Kontrollkästchen jener Bundesländer, für die dieser Bericht gilt, sind anzukreuzen. Weiters sind die geforderten Daten der Person anzugeben, die für den Bericht verantwortlich ist. 2. Handelt es sich um den ersten Bericht zu einem Krankheitsausbruch, so ist dieses Kontrollkästchen anzukreuzen. 3. Nach der ersten Meldung ist jeder weitere wöchentliche Bericht fortlaufend zu nummerieren. Der aktuelle Bericht ist in schwarzer Schriftfarbe zu schreiben, die vorigen Berichtsteile grau einzufärben, damit die aktuellsten Informationen gleich erkannt werden. 4. Liegen in einer Woche keine neuen Erkenntnisse verglichen mit dem Bericht der Vorwoche vor, soll dieses Kontrollkästchen aktiviert werden und die folgenden Berichtsfelder bleiben leer. 5. Konnten nicht alle Punkte abgeklärt werden (z.B. Fehlen des bestätigten Infektionsreservoirs, Infektionsvehikels etc.), wird, sobald keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten, keine weiteren Fälle mehr aufgetreten und die Erhebungen eingestellt sind, ein vorläufiger Endbericht erstellt. Die Übermittlung eines vorläufigen Endberichts hat durch Aktivierung des entsprechenden Kontrollkästchens sichtbar gemacht zu werden. Seite 96 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 6. Konnte der Krankheitsausbruch hinsichtlich verursachendem Agens, betroffenem Lebensmittel, Infektionsquelle etc. abgeklärt und entsprechende Interventionen gesetzt werden (z.B. Elimination des Infektionsreservoirs) und sind keine neuen Fälle durch den Ausbruchstamm mehr zu erwarten, ist der Krankheitsausbruch als beendet zu betrachten; es hat die Erstellung eines Endberichtes zu erfolgen. Die Übermittlung eines Endberichts hat durch Aktivierung des entsprechenden Kontrollkästchens sichtbar gemacht zu werden. 7. Es soll angegeben werden, ob es sich zum Zeitpunkt der Übermittlung dieses Berichts um einen verdächtigen oder bestätigten BL LMbKA handelt; entsprechendes Kontrollkästchen ist zu aktivieren. a) Verdächtigt: Nur eine epidemiologische Evidenz weist auf ein Lebensmittel als Infektionsvehikel oder Infektionsquelle hin, ohne Erregernachweis oder analytisch epidemiologischen Beweis (siehe auch „bestätigt“). b) Bestätigt: Ein bestimmtes Lebensmittel kann als Infektionsvehikel oder Infektionsquelle bestätigt werden, z.B. durch mikrobiologischen Nachweis des Ausbruchsstammes im Lebensmittel oder durch eine analytisch-epidemiologische Studie. Auch der Nachweis des ursächlichen Agens bei den lebensmittelliefernden Tieren (z.B. in der Legehennenherde jedoch nicht in den Eiern dieser Herde oder in Kotproben von Kühen, jedoch nicht in der Milch dieser Tiere) zusammen mit epidemiologischer Verbindung zum Tierbestand ist beweisend. 8. Angabe des Datums des Beginns der Untersuchungen. Der Berichtszeitraum ergibt sich aus dem Datum der Vorlage dieses Berichts und dem Beginn der Untersuchungen zu diesem BL-LMbKA. 9. Sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten, werden die Erhebungen eingestellt. In diesem Fall ist das Datum der Einstellung der Erhebungen anzugeben. 10. 1In dieses Textfeld ist die Beschreibung des Ausbruchs einzutragen, wie z.B. Infektionszeitraum, Infektionsort, Ausbruchsbeginn, Krankheitsbild, Epidemiekurve, etc. Insbesondere etwaige durchgeführte Untersuchungen mit negativem Ergebnis (Bestände, Herden, Proben, Patienten und -innen), da diese in anderen Feldern nicht vorgesehen sind. 11. Angabe des für den BL-LMbKA verdächtigen oder ursächlichen Agens (Infektionserreger oder Toxin), einschließlich – soweit möglich – des Serotypen oder einer anderen definierten, genauen Beschreibung des Agens und der genauen Bezeichnung, wo dieses Agens überall nachgewiesen wurde (Fälle, Lebensmittel, Tiere). Zusätzlich ist unbedingt anzukreuzen, ob es sich beim Agens um das verdächtige oder ursächliche (bestätigte) Agens handelt. Kann das Agens nicht identifiziert werden, muss dies begründet werden (z.B. bei einem akuten Ausbruchsgeschehen, wenn das Agens noch nicht isoliert worden ist). 12. Verpflichtende Beschreibung der Kriterien, warum ein humaner Fall zu diesem Ausbruch gezählt wird; dabei sind klinische, mikrobiologische und epidemiologische Parameter zu berücksichtigen. Die Anzahl der Fälle, die einem BL-LMbKA zugezählt werden, werden nach den Definitionen des Ausbruchsteams gezählt. Es können auch z.B. Personen mit asymptomatischen Infektionen dazugezählt werden, bei denen der Ausbruchsstamm im Stuhl (= mikrobiologische Parameter) nachgewiesen wurde. Das Ausbruchsteam kann Fallklassifikationen durchführen, z.B. a) bestätigter Fall (z.B. eine Person, die am 4. Juli 2007 das Geburtstagsfest bei X.Y. besuchte, dort Speisen verzehrte, innerhalb von 3 Tagen an Durchfall erkrankte und in deren Stuhl der Ausbruchstamm nachgewiesen wurde); Seite 97 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch b) mikrobiologisch bestätigter Fall; c) wahrscheinlicher Fall (z.B. eine Person in Österreich, die zwischen 26. und 47. Kalenderwoche an Durchfall erkrankte und einen epidemiologischen Zusammenhang zu einem bestätigten Fall aufweist) d) vermutlicher Fall (z.B. eine Person in A., in deren Stuhl zwischen 26. und 47. Kalenderwoche 2005 Salmonella Enteritidis PT19 nachgewiesen wurde, bei der jedoch keine Verbindung zum Eierproduzenten K herstellbar war, und von deren Salmonellenisolat keine PFGE durchgeführt worden war); e) asymptomatischer Fall (z.B. eine Person, die am 4. Juli 2007 das Geburtstagsfest bei X.Y. besuchte, dort Speisen verzehrte, im Anschluss nicht erkrankte, in deren Stuhl jedoch der Ausbruchstamm nachgewiesen wurde); f) klinischer Fall (z.B. eine Person, in deren Stuhl der Ausbruchstamm zwar nicht nachgewiesen wurde jedoch eine epidemiologische Verbindung zu einem bestätigten Fall besteht); etc. 13. Angabe der Anzahl der Fälle, die analog zur Ausbruchsfalldefinition dem Ausbruch zugezählt werden. Dabei müssen auch die Anzahl der Hospitalisationen und Todesfälle, die mit dem Ausbruch in Verbindung gebracht werden, in den Fallzahlen enthalten sein. 14. Angaben der Fallzahlen für jede der beiden Kategorien. 15. Angabe der verdächtigen oder bestätigten Lebensmittel oder Inhaltsstoffen von Lebensmitteln (z. B. die verdächtigen Speisen enthielten Sesam), oder unbekannt. 16. Es soll angegeben werden, ob das verdächtige Lebensmittel vom heimischen Markt oder vom innereuropäischen Handel stammt oder von außerhalb der EU importiert wurde. So kann z.B. angegeben werden, z. B. wurde im Land hergestellt; kommt vom innergemeinschaftlichen Handel: Wenn bekannt, Angabe des Landes; wurde von außerhalb der EU importiert: Wenn bekannt, Angabe des Landes. 17. Das ist der Ort, an dem das Lebensmittel konsumiert wurde, z.B. privater Haushalt, Restaurant, Schule, Kindergarten, oder aber jener Ort, an dem die endgültige Zubereitung des verdächtigen Lebensmittels stattgefunden hat (wenn es nicht dort verzehrt, sondern fertig zubereitet mitgenommen und erst zu Hause verzehrt wurde), z.B. Verkaufsstand, Pizzaservice etc. 18. Jener Ort, an dem die Kontamination oder der Fehler in der Handhabung oder Bearbeitung des in Verbindung gebrachten Lebensmittels geschah, z.B. Kühlkette beim Transport nicht eingehalten, etc. 19. Angaben von weiteren Ursachen für diesen lebensmittelbedingten Ausbruch mit Mitteilung, ob diese noch hypothetisch oder schon bestätigt sind, wie z. B. ungenügende Küchenhygiene, fehlende Kühlung der zubereiteten Speisen, keine durchgehende Erhitzung etc. 20. Gibt es weitere epidemiologische Merkmale und wenn ja, welche, nach den Bereichen a) Humanmedizin, z.B. zur Exposition: Fälle besuchten dieselbe Veranstaltung (z.B. Dorffest); zum Schweregrad der Erkrankungen; zu geographischen Verteilung der Fälle; zu einer bestimmte Berufsgruppe; zu eine Altersgruppe; etc. Seite 98 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch b) Veterinärmedizin, z.B. verdächtige/bestätigte Legehennenherde ist gegen S. Enteritidis geimpft/nicht geimpft; etc. c) Futtermittel, z.B. Fehler bei der Herstellung der Silage 21. Nach Bereichen, wenn spezielle Veranlassungen, wie Vakzinierungen von Personen, Hygienemaßnahmen in öffentlicher Küche, Sperre eines Tierbestandes, Keulung einer Herde, etc. getroffen wurden. 22. Nach Bereichen: Beschreibung der in der kommenden Woche geplanten Vorgehensweisen, wie z. B. aktive Fallsuche, Art der Beweisführung (siehe auch Anleitung Tabelle für den EU-Zoonosentrendbericht); auch die geplante Einstellung der Erhebungen kann angegeben werden. 23. In dieses Textfeld können zusätzliche Beschreibungen zum Ausbruch eingegeben werden. 24. Handelt es sich bei dem zu übermittelnden Bericht um einen Endbericht oder vorläufigen Endbericht, so ist diese beigefügte Tabelle „Tabelle für den EU-Zoonosentrendbericht“ unbedingt auszufüllen. Entsprechend dem Erlass BMG-74600/0102-IV/B/5/2007 sind die Endberichte an die AGES, CC INFE zu übermitteln, damit dort ein bundesländerumfassender Gesamtbericht erstellt werden kann. Auch dem bundesländerumfassenden Gesamtbericht ist diese Tabelle beizufügen und der Gesamtbericht an den Vorsitzenden der Bundeszoonosenkommission, Dr. Johann Damoser: Email [email protected] sowie [email protected] zu übermitteln. Seite 99 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 10) Verfahrensanweisung für den Umgang mit lebenmittelbedingten Krankheitsausbrüchen (Auszug) Seite 100 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 101 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 102 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 11) Formblatt für Erhebungen von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen (siehe dazu Verfahrensanweisung N0603.01) Seite 103 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 104 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 105 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 106 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 12) Landeskommissionen für Zoonosen Landeskommissionen für Zoonosen (Stand: 1. September 2010) Lfd. Nr. Bundesland 1 2 BURGENLAND KÄRNTEN Funktion / Name Telefon E- Mail Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] FINK, Dr. Robert +43 (0) 2682 600 2688 [email protected] GSCHIEL, Dr. Ernst +43 (0)2682 600 2676 [email protected] Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] OBERLEITNER, Dr. Ilse Elisabeth +43 (0) 5053631210 [email protected] +43 (0) 6648053631201 +43 (0) 5053631051 REMER, Dr. Holger [email protected] +43 (0) 6648053631051 3 NIEDERÖSTERREICH Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] +43 (0) 2742 9005- DE MARTIN, Dr. Alfred [email protected] 12920 +43 (0) 2742 9005 KARNER, Dr. Franz 12750 +43 (0) 676 4260686 Seite 107 von 184 [email protected] Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 4 OBERÖSTERREICH Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] MEUSBURGER, Dr. Stefan +43 (0) 732 7720 14110 [email protected] WAMPL, Dr. Karl +43 (0) 732 7720 [email protected] +43 (0) 664 8299018 5 SALZBURG Landeskommission LVD [email protected] LSD [email protected] +43 (0)662 8042 3637 SCHÖCHL, Dr. Josef [email protected] +43 (0)664 8920880 +43 (0)662 8042 2310 KÖNIG, Dr. Christoph 6 STEIERMARK [email protected] Landeskommission LVD [email protected] LSD [email protected] FEENSTRA, Dr. Odo +43 (0) 316 877 3535 [email protected] WAGNER, Dr. Peter +43 (0) 316 877 3594 [email protected] +43 (0) 676 86663586 7 TIROL Landeskommission LVD [email protected] LSD [email protected] NEUNER, Dr. Christoph +43 (0) 512 508 2662 [email protected] WALLNÖFER, Dr. Eduard +43 (0)512 508 3240 [email protected] +43 (0) 676 885083240 Seite 108 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 8 VORARLBERG Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] +43 (0) 5574 511 25210 SCHMID, Dr. Erik [email protected] +43 (0) 664 6255179 +43 (0) 5574 511 25211 ZAINER, Dr. Bernhard 9 WIEN [email protected] Landeskommission [email protected] LVD [email protected] LSD [email protected] +43 (0) 1 795 14 97611 REISP, Dr. Walter [email protected] +43 (0) 676 811897 611 +43 (0) 1 795 14 97612 FERBER, Dr. Josef +43 (0) 676 8118 97655 Seite 109 von 184 [email protected] Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Seite 110 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch ANHANG II Seite 111 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Basisinformationen zu einzelnen Erregern Einleitung Ergänzend zu den allgemeinen Ausführungen zur Erstellung einer Ausbruchshypothese werden in diesem Abschnitt Informationen zu einzelnen Krankheitserregern und Erkrankungen zusammengefasst. Ausgewählt wurden Krankheitserreger und Erkrankungen, die im Zoonosengesetz angeführt sind oder im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen und der Abgrenzung gegenüber Zoonosen relevant erscheinen. Die Grundlage sind die im „Ratgeber für Ärzte“ des RKI (Robert Koch Institut Deutschland)10 veröffentlichten umfassenden Informationen, ergänzt mit Daten und einzelnen Kapiteln aus dem AGES „Bericht über Zoonosen und ihre Erreger in Österreich 2007“ 9. Die Ergänzungen aus dem Bericht der AGES wurden zur klaren Zuordnung der Literaturquelle entsprechend gekennzeichnet. Im Bemühen, die Information so übersichtlich und kurz wie möglich zu gestalten, wurden bestimmte Inhalte des RKI-Ratgebers nicht aufgenommen, wie beispielsweise Details molekularbiologischer Diagnostik, ausführliche Details über Pathogenitätsfaktoren, nicht LMbKA-relevante Inhalte (Labordiagnostik, Krankenhaushygiene – MRSA), spezielle Hinweise auf Impfungen oder Bezüge zum deutschen IfSG (Infektionsschutzgesetz). Alle Informationen, die für die Zielgruppe im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Einzelerkrankungen oder LMbKA wesentlich sein können, wurden aus den angegebenen Quellen übernommen und adaptiert. Das betrifft nicht nur Zoonoseerreger - häufig sind bei der Meldung von Erkrankungen, bei denen (noch) kein Laborbefund vorliegt, Fragen der Abgrenzung der Ursachen bzw. sinnvoller Maßnahmen dringlich zu bearbeiten. Andererseits wurden, im Sinne der Konzentration auf häufigere Erkrankungen und LMbKA, keine Kapitel zu den Themen Echinokokkose, Brucellose, Rotaviren und Hepatitis E erstellt. Zusätzlich wurden die aktuellen EU-Falldefinitionen eingefügt, die für Meldungen im Epidemiologischen Meldesystem (EMS), welches mit 1.1.2009 in Betrieb gegangen ist, zu verwenden sind. Bei Krankheiten, die zwar in Österreich meldepflichtig sind, nicht aber auf EU-Ebene, wurden (soweit vorhanden) die Falldefinitionen des Robert-Koch-Institutes in adaptierter Form verwendet. Bei Krankheiten, die zwar in Österreich meldepflichtig sind, nicht aber auf EU-Ebene und bei denen KEINE RKI-Falldefinition vorliegt, entfällt die Fallklassifizierung. Es wird lediglich wie bisher in Verdachts- und Erkrankungsfall unterschieden. Ein Verdachtsfall ist in diesem Fall als ein nicht-laborbestätigter Fall definiert, ein Erkrankungsfall muss laborbestätigt sein (Hinweis: Die jeweils aktuelle Fassung der Falldefinitionen sind im EMS-Handbuch unter www.bmg.gv.at abrufbar). Ein zusammenfassendes Kapitel über Hygienemaßnahmen, die bei vielen Krankheitserregern in ähnlicher Weise zu beachten sind, wurde bewusst nicht erstellt. Die Darstellung von Maßnahmen bei einzelnen Krankheitserregern unterstützt die handelnden Personen besser als ein Übersichtskapitel. Ein genereller Hinweis zur Labordiagnostik: Bei der Einsendung von Untersuchungsmaterial an ein Labor (Lebensmitteluntersuchung, Humanmedizin, Veterinärmedizin, Futtermittellabor) ist es besonders in Situationen, in denen nicht nur gezielt auf einen Seite 112 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch einzelnen Parameter untersucht werden soll, ganz wesentlich, vor der Einsendung Kontakt mit dem jeweiligen Labor aufzunehmen. Dabei sollte Folgendes geklärt werden: Kann das Labor die vorliegende Fragestellung bearbeiten? Welche Probenmengen sind erforderlich? Ist ein gekühlter Transport erforderlich? Was sind die Zeiten für die Probenannahme? Untersuchungsauftrages am Einsendeschein: Welche Informationen bzw. Formulierungen sind erforderlich? Falls beispielsweise Hinweise auf eine Erkrankung durch Noroviren bestehen, sollte nicht nur z.B. „Verdacht auf Lebensmittelvergiftung“ angegeben sein, sondern die Untersuchung auf Noroviren sollte am Einsendeschein explizit angefordert werden. Diese Untersuchung ist nämlich möglicherweise nicht im Umfang einer Routineuntersuchung beinhaltet. Im Hinblick auf lebensmittelbedingte Erkrankungen bei Mitarbeitern in Lebensmittelbetrieben wird darauf hingewiesen, dass gemäß „Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene“ die Hauptverantwortung für die Vermeidung bedenklicher Kontaminationen von Lebensmitteln durch Erkrankte oder Ausscheider beim Lebensmittelunternehmer liegt. Vom Ständigen Hygieneausschuss am BMG wurde zur Hilfestellung für Unternehmer und Behörden in diesen Fragen die „BMG Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln“1 erarbeitet, in der besonders auf Tätigkeitshindernisse, Lebensmittel sowie die Belehrung und Dokumentation eingegangen wird. Maßnahmen durch Gesundheitsbehörden (gem. § 17 Epidemiegesetz 1950) sind nur dann erforderlich, wenn lebensmittelrechtliche Maßnahmen alleine nicht ausreichend erscheinen. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn Unklarheiten bezüglich des Zeitpunktes oder des Umfanges der erforderlichen lebensmittelrechtlichen Maßnahmen bestehen und aus der Sicht des Gesundheitsamtes unmittelbarer Handlungsbedarf vorliegt (siehe Beispiel in Kapitel 1.2.1.2). Erkrankte Personen, die nur im Privatbereich mit Lebensmitteln hantieren, sollten, soweit erforderlich, als Maßnahme gegen die mögliche Verbreitung von Erkrankungen im privaten Umfeld, ebenfalls auf die Gefahr der Übertragung von Erkrankungen über Lebensmittel entsprechend informiert werden. Weiterführende Informationen und Links: Ratgeber Infektionskrankheiten - Merkblätter für Ärzte: http://www.rki.de/cln_006/nn_226738/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/merkblae tter__node.html__nnn=true Bericht über Zoonosen und ihre Erreger in Österreich 2007 http://www.ages.at/uploads/media/Zoonosen_2007_01.pdf Seite 113 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch BMG Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln, http://www.bmg.gv.at/cms/site/attachments/5/9/5/CH0819/CMS1073644716719/gesundh eitliche_anforderungen.pdf Homepage des RKI http://www.rki.de Hinweise für Ärzte, Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen und Gesundheitsämter zur Wiederzulassung in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen http://www.rki.de/cln_049/nn_196878/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Wiederzu lassung/Mbl__Wiederzulassung__schule.html#Sprung23 Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten http://www.rki.de/cln_100/nn_196658/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe__120606 ,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Steckbriefe_120606.pdf Seite 114 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Botulismus (ZoonG Anhang 1-B-2) ERREGER: Botulismus ist eine Intoxikation durch das von Clostridium botulinum (grampositive, sporenbildende, obligat anaerobe Stäbchen) gebildete Neurotoxin (Typen A, B, E und F humanpathogen), sehr selten auch von C. butyricum oder C. baratii. VORKOMMEN: Vorkommen der Sporen: überall im Erdreich und Meeresboden, Erkrankungen an Botulismus werden sehr selten gemeldet. INFEKTIONSWEG: Lebensmittelbedingter Botulismus: Aufnahme von Toxinen, die unter anaeroben Bedingungen (Luftabschluss - kein Sauerstoff) bei Temperaturen zwischen 3° und 50° C gebildet werden können. In erster Linie sind nicht adäquat zubereitete Konserven wie z. B. eingemachtes Gemüse, Fleisch und Fischzubereitungen betroffen. Wenn entsprechende Nahrungsmittel vor dem Verzehr nicht ausreichend erhitzt werden, kann es zu lebensbedrohlichen Intoxikationen kommen. Säugliungsbotulismus („infantiler Botulismus“) wird verursacht durch eine Besiedlung des Magen-Darmtraktes von Säuglingen mit der Vegetativform von C. botulinum. Die Toxinbildung erfolgt in vivo. Diese Form kann auch bei Erwachsenen mit veränderter Anatomie oder veränderter bakterieller Besiedlung des Magen-Darmtraktes auftreten. Eine häufige Quelle der Clostridiumsporen beim Säuglingsbotulismus ist Honig. Obwohl betroffene Patienten häufig relevante Mengen an Clostridien und Toxinen mit dem Stuhl ausscheiden, sind bisher keine direkten Mensch-zu-Mensch-Übertragungen beschrieben worden. INKUBATIONSZEIT: Ca. 12–36 Stunden, teilweise auch mehrere Tage, abhängig von der aufgenommenen Toxinmenge. Je früher die Symptomatik beginnt, desto ausgeprägter ist die Intoxikation und umso höher die Letalität. Beim Säuglingsbotulismus ist die Inkubationszeit schwer bestimmbar. SYMPTOMATIK: Zu Beginn der Erkrankung werden häufig Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle angegeben. Der weitere klinische Verlauf des klassischen Botulismus ist primär gekennzeichnet von neurologischen Manifestationen. Die Patienten leiden anfangs meist an verschwommenem Sehen, Doppelbilder, Lichtscheu, Schluckstörungen und einem trockenen Mund. In aller Regel manifestiert sich anschließend eine symmetrische, absteigende, schlaffe Parese. Die Patienten sind bei vollem Bewusstsein und fieberfrei (erst bei komplizierenden Sekundärinfektionen entwickeln die Patienten Fieber). Abortive Verläufe sind möglich. Die Therapie mit Antitoxin und die unterstützende symptomatische, intensivmedizinische Therapie sollte möglichst frühzeitig begonnen werden. Damit kann die Letalität des klassischen Botulismus auf ca. 10% gesenkt werden. Die Rekonvaleszenz dauert meist mehrere Monate bis Jahre an. Der Säuglingsbotulismus beginnt mit Obstipation, Verweigerung der Nahrungsaufnahme und Ruhelosigkeit. Mit fortschreitender Intoxikation treten Schluckstörungen, Ptosis der Augenlider und eine zunehmende muskuläre Hypotonie Seite 115 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch auf. Einige Säuglinge werden respiratorisch insuffizient. Der Säuglingsbotulismus wird als einer der möglichen Auslöser des plötzlichen Kindstodes diskutiert (Honig). DIAGNOSTIK: Nachweis des Toxins im Serum, in Erbrochenem, im Mageninhalt, in Stuhl- oder Nahrungsmittelproben Erregeranzucht aus dem Stuhl (typischerweise bei Säuglingsbotulismus). Der Toxinnachweis erfolgt im Tierversuch (Maus) oder immunologisch. Wegweisend für die Diagnose beim lebensmittelbedingten Botulismus können die Nahrungsmittelanamnese und die Suche nach weiteren Erkrankungsfällen in der Umgebung sein. PRÄVENTION: Aufklärung über adäquaten Umgang bei der Zubereitung von Lebensmitteln (z.B. Konservenzubereitung). Durch ausreichendes Erhitzen bzw. Kochen wird das Toxin zerstört. Es entwickelt sich keine Immunität. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden klinischen Befunde: Lebensmittel- und Wundbotulismus Mindestens einer der beiden folgenden Befunde: Beidseitige Schädigung der Hirnnerven (z. B. Diplopie, verschwommene Sicht, Dysphagie, bulbäre Schwäche) Periphere symmetrische Lähmung Botulismus bei Kleinkindern Jedes Kleinkind mit mindestens einem der folgenden sechs Symptome: Verstopfung Lethargie Stillprobleme Ptosis Dysphagie Allgemeine Muskelschwäche Die gewöhnlich bei Kleinkindern (unter 12 Monaten) auftretende Form des Botulismus kann auch bei Kindern im Alter über 12 Monaten und gelegentlich bei Erwachsenen mit veränderter gastrointestinaler Anatomie und Mikroflora vorkommen. Laborkriterien Mindestens einer der beiden folgenden Labortests: Isolierung von C. botulinum bei Kinderbotulismus (Stuhl) oder Wundbotulismus (Wunde) ACHTUNG: Isolierung von C. botulinum im Stuhl von Erwachsenen ist für die Diagnose von Lebensmittelbotulismus nicht relevant. Nachweis von Botulinumtoxin in einer klinischen Probe Seite 116 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der beiden folgenden epidemiologischen Zusammenhänge: Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle (z. B. Lebensmitteln, Injektionsnadeln oder anderen Utensilien) Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinische Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 117 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Campylobacteriose (ZoonG Anhang 1-A) ERREGER: Bakterien der Gattung Campylobacter (C.) sind gramnegative Stäbchen mit spiral- oder Sförmiger Gestalt. Bisher wurden mehr als 20 Spezies identifiziert, von denen C. jejuni, C. coli und C. lari die wichtigsten humanpathogenen Spezies sind. ERREGERRESERVOIR: C. jejuni und C. coli sind in der Natur nahezu ubiquitär verbreitet. Sie kolonisieren als enterale Kommensalen ein breites Spektrum von Wild- und Haustieren wie freilebende Vögel und Säugetiere, aber auch Nutztiere, vor allem Geflügel und mit geringerer Prävalenz Milchrinder und Schweine. Haushunde und Katzen sind ebenfalls betroffen. Geflügel ist überwiegend mit C. jejuni kolonisiert bzw. kontaminiert. C. coli kommt überwiegend bei Schweinen vor. Die Kolonisationsdichte kann sehr hoch sein und über 106 KBE/g Kot (KBE = Kolonie bildende Einheit) betragen. Die Erreger können, vor allem bei niedrigen Umgebungstemperaturen, einige Zeit in der Umwelt oder in Lebensmitteln überleben, sich aber nicht außerhalb des Wirtsorganismus, also z. B. in Lebensmitteln, vermehren. Darin unterscheiden sie sich z. B. von Salmonellen und pathogenen E. coli. VORKOMMEN: Infektionen durch Bakterien der Gattung Campylobacter sind weltweit verbreitet. In der warmen Jahreszeit treten diese Erkrankungen in Europa vermehrt auf. Wie bei vielen Enteritiden anderer Genese sind auch bei Campylobacter-Infektionen Kinder unter 6 Jahren besonders häufig von der Erkrankung betroffen. Situation beim Menschen (AGES 2007)9 Im Jahr 2007 wurden 6.077 Fälle gemeldet. Die Anzahl ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und mit einer Inzidenz von 73,4/100.000 Einwohnern ist die Campylobacteriose die häufigste bakterielle Lebensmittelvergiftung in Österreich. Dem steten Anstieg an humanen Erkrankungsfällen seit 1997 liegen höchstwahrscheinlich eine höhere Sensibilität der Labors gegenüber Campylobacter als meldepflichtigen Erreger und eine verbesserte Diagnostik zugrunde und nicht unbedingt eine echte Zunahme der Erkrankungshäufigkeit. INFEKTIONSWEG: Die Campylobacteriose ist hauptsächlich eine nahrungsmittelbedingte Infektion. Unzureichend erhitztes Geflügelfleisch, Faschiertes und Rohmilch bilden die Hauptinfektionsquellen. Spezielles Augenmerk sollte auf die Hygiene bei der Speisenzubereitung gelegt werden, um Kreuzkontaminationen zwischen rohem Fleisch und anderen Lebensmitteln zu vermeiden. Eine direkte Übertragung von Mensch-zu-Mensch (fäkal-oral) ist nur selten (bei Kindern8) zu beobachten (AGES 2007)9. Die Übertragung von erkrankten Lebensmittelarbeitern über das Lebensmittel auf Konsumenten ist bei Campylobacter sehr selten (PHLS)2. Weitere Infektionsquellen sind kontaminiertes, nicht aufbereitetes Trinkwasser und Heimtiere (besonders durchfall kranke Welpen und Katzen). Seite 118 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Eine direkte Übertragung von Mensch-zu-Mensch ist wegen der geringen krankheitsauslösenden Infektionsdosis von ≥ 500 Keimen insbesondere bei Kindern möglich. Auch Infektionen beim Baden in kontaminierten Oberflächengewässern kommen vor. Krankheitsübertragende Lebensmittel und Wasser sind primär von ausscheidenden Tieren kontaminiert. INKUBATIONSZEIT: Normalerweise 2-5 Tage, abhängig von der aufgenommenen Keimzahl (AGES 2007)9 . DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Die Patienten sind potenziell infektiös, solange Erreger im Stuhl ausgeschieden werden. Die mittlere Ausscheidungsdauer beträgt 2–4 Wochen. Falls klinisch oder epidemiologisch indiziert, kann die Ausscheidung mit Antibiotika verkürzt werden, soweit keine Resistenz besteht. Bei immungeschwächten Personen, z. B. bei AIDS-Patienten, ist mit einer Langzeitausscheidung zu rechnen. SYMPTOMATIK: Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Manifeste Erscheinungen einer Infektion mit C. jejuni bieten gewöhnlich das Bild einer akuten Enteritis, die nicht von Enteritiden anderer Genese zu unterscheiden ist. Häufig bestehen 12–24 Stunden vor Auftreten der enteritischen Symptome Prodromi mit Fieber (38°–40° C), Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien und Müdigkeit. Die häufigsten Symptome sind Diarrhöen, Abdominalschmerzen bzw. -krämpfe, Fieber, Müdigkeit. Die Diarrhö kann breiig bis massiv wässrig, nicht selten auch blutig, sein. Die Krankheit dauert in der Regel bis zu einer Woche, mitunter auch länger. Die seltenen protrahierten oder chronischen Verläufe betreffen meist resistenzgeminderte und immungeschwächte Personen. Als seltene Komplikation können das Guillain-BarréSyndrom sowie reaktive Arthritiden auftreten. Ob eine antibiotische Therapie geeignet ist, die Häufigkeit solcher Komplikationen zu beeinflussen, ist nicht bekannt. Die Infektionen sind gewöhnlich selbstlimitierend, aber bei 5–10 % der unbehandelten Patienten können Rezidive entstehen. Die sehr selten beschriebenen Infektionen durch C. fetus subspezies fetus verursachen oft systemische Manifestationen, vor allem bei Abwehrgeschwächten und Neugeborenen. Initial können intermittierende Diarrhö oder unspezifische Abdominalschmerzen auftreten. Nach vorübergehender Symptomfreiheit kann die Krankheit erneut mit Fieber, Schüttelfrost und Myalgien rezidivieren. Komplikationen bzw. Spätfolgen sind in seltenen Fällen Endocarditis lenta, eine septische Arthritis, eine septische Phlebitis, Meningitis sowie das Guillain-BarréSyndrom. DIAGNOSTIK: Die Sicherung der Diagnose durch Nachweis des Erregers erfolgt in der Regel durch Anzucht aus möglichst frischem Stuhl. Der Nachweis von C. jejuni und C. coli kann auch durch Antigennachweis im Stuhl mittels ELISA oder durch Nukleinsäurenachweis (PCR) durchgeführt werden. Diese Verfahren sind aber noch in der Phase der Validierung. Seite 119 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Als Feintypisierungsmethoden zur Sicherung von Infektionsketten ist die Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) heranzuziehen. Als weitere Möglichkeiten zur epidemiologischen Feindifferenzierung stehen in Speziallabors molekularbiologische Methoden zur Verfügung. Wegen der genetischen Variabilität von Campylobacter sollten diese Methoden nur anlassbezogen bei Ausbrüchen angefordert werden. PRÄVENTION: 1. Allgemein Derzeit sind die Möglichkeiten zur Prophylaxe von Campylobacter-Infektionen des Menschen unbefriedigend. Am wichtigsten ist zum Schutz vor Campylobacter-Infektionen eine konsequente Einhaltung der Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung, insbesondere bei frischem oder tiefgefrorenem Geflügel. Weitere wichtige Faktoren sind das gründliche Durchgaren von Fleisch, vor allem Geflügelfleisch, und das Abkochen von Rohmilch, die direkt vom Erzeuger abgegeben wird. Auf den Verzehr von rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft (einschließlich Rohmilch als Hof- oder Vorzugsmilch) durch Säuglinge, Kleinkinder sowie alte und abwehrgeschwächte Menschen sollte verzichtet werden. Ebenso sollte, wenn möglich, kein unbehandeltes Oberflächenwasser getrunken werden. Die Sanierung oder Reduktion der Durchseuchung der Schlachtgeflügelbestände sowie die Verbesserung und strikte Einhaltung der Schlachthygiene, vor allem bei Geflügel und Schweinen, sind unbedingt erforderlich. Allgemeine Maßnahmen zur Prophylaxe der Übertragung von Campylobacter-Infektionen sind das Waschen der Hände mit seifenhaltigen Mitteln nach jedem Toilettenbesuch, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten Gegenständen (z. B. Windeln), Arbeitsgeräten und flächen in der Küche und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur sicheren vollständigen Beseitigung, aber zur deutlichen Reduzierung der bakteriellen Keimkonzentration an den Händen. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Während der Dauer ihrer Erkrankung sollten Patienten zu Hause bleiben und die aufgeführten Hygienemaßnahmen beachten. Nach Abklingen des Durchfalls können Gemeinschaftseinrichtungen wieder besucht werden. Bei Kleinkindern in Kindertagesstätten ist wegen der Möglichkeit einer direkten Übertragung von Mensch-zu-Mensch jedoch weiterhin Vorsicht geboten und die Durchführung der aufgeführten Hygienemaßnahmen sollte durch die Einrichtung selbst überwacht werden. Für Kontaktpersonen sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich, solange keine enteritischen Symptome auftreten. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Seite 120 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden drei Symptome: Durchfall Bauchschmerzen Fieber Laborkriterien Isolierung von Campylobacter sp. aus Stuhl oder Blut Wenn möglich, sollte eine Differenzierung von Campylobacter spp. erfolgen. Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden fünf epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung vom Tier auf den Menschen Übertragung von Mensch-zu-Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 121 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Cholera ERREGER: Vibrio cholerae, Biovar cholerae und Biovar el Tor (gramnegative, kommaförmige, stark bewegliche aerobe Stäbchen, Familie der Vibrionaceae). VORKOMMEN: Weltweit, insbesondere indischer Subkontinent, Zentral- und Südamerika. INFEKTIONSWEG: Hauptsächlich durch die Aufnahme von kontaminiertem Trinkwasser oder Nahrungsmittel (durch Faeces oder Erbrochenem von Erkrankten oder Carriern verunreinigt). Seltener ist die direkte Übertragung von Mensch-zu-Mensch. Der Mensch ist wahrscheinlich das einzige Reservoir. Die asymptomatische Ausscheidung des Erregers ohne jegliche Anzeichen einer Infektion ist sehr häufig (die Manifestationsrate liegt unter 2%). Auch nach durchgemachter Erkrankung können die Erreger noch monatelang ausgeschieden werden. Möglicherweise dienen auch Planktonbestandteile als Reservoir, die ihrerseits Fische und Schalentiere kontaminieren können. INKUBATIONSZEIT: Einige Stunden bis 5 Tage, in der Regel 2-3 Tage. SYMPTOMATIK: Die klinische Symptomatik wird durch die Wirkung eines Exotoxins verursacht. Die Anlagerung des Toxins an die Darmzelle führt zu einer Aktivierung der Adenylatzyklase mit entsprechender Störung des Elektrolytaustausches und damit zu einer sekretorischen Diarrhö. Eine Schädigung der Schleimhautzellen tritt nicht ein. Die Symptomatik ist, abhängig von der Toxinproduktion, mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die Erkrankung beginnt ohne Prodromalsymptome mit zunehmend weichen, dann mehr und mehr wässrigen Stuhlentleerungen. Seltener leiden die Patienten auch unter Erbrechen. Bei schweren Erkrankungsformen kommt es zu profusen, wässrigen, schmerzlosen Durchfällen (Reiswasser-Stühle) mit Flüssigkeitsverlusten bis zu 20 l/Tag. Die Patienten leiden unter starken Wadenkrämpfen, es kommt zu zunehmender Exsikkose, Elektrolytentgleisung und Azidose. Ohne Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution trüben die Patienten zunehmend ein, und es kommt aufgrund von Nierenversagen und Kreislaufkollaps zum Exitus letalis. Die Letalität der unbehandelten Erkrankung kann bis zu 60% betragen. Bei rechtzeitiger Substitutionstherapie ist die Prognose gut (Letalität 1%). DIAGNOSTIK: Direkter Nachweis der beweglichen Erreger im Stuhl oder Erbrochenem mittels Dunkelfeldoder Phasenkontrastmikroskopie. Eine Anzucht aus Lebensmitteln oder Trinkwasser ist möglich. Ebenso können durch Anzucht des Erregers asymptomatische Carrier identifiziert werden. PRÄVENTION: Nahrungsmittelhygiene. Eine spezifische Prophylaxe durch eine aktive Impfung mit inaktivierten Erregern ist möglich, es entsteht jedoch nur ein unvollständiger, passagerer Schutz. Seite 122 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der beiden folgenden Symptome: Durchfall Erbrechen Laborkriterien Isolierung von Vibrio cholerae aus einer klinischen Probe UND Nachweis von O1- oder O139- Antigen im Isolat UND Nachweis von Cholera-Enterotoxin oder des Cholera-Enterotoxin-Gens im Isolat Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden vier epidemiologischen Zusammenhänge: Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung von Mensch-zu-Mensch Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 123 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Hepatitis-A-Virus (ZoonG Anhang 1-B-1) ERREGER: Die Hepatitis A (HA), früher auch als Hepatitis infectiosa oder Hepatitis epidemica bezeichnet, wird durch das Hepatitis-A-Virus (HAV) verursacht. Es handelt sich um ein einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Picornaviridae (Genus Hepatovirus). Der Erreger wird über den Darm ausgeschieden. Charakteristisch für das HAV sind seine ausgeprägte Umweltstabilität, hohe Thermostabilität und hohe Desinfektionsmittelresistenz. VORKOMMEN: Das HAV ist weltweit verbreitet. Die Infektionen treten sporadisch, endemisch oder in Form von Epidemien auf. In Entwicklungsländern machen nahezu alle Menschen die Infektion bereits im Kindes- und Jugendalter durch. In den industriell entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas mit hohem Hygienestandard kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem erheblichen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit. Dies hat dazu geführt, dass immer mehr Jugendliche und Erwachsene keine Immunität gegen HAV aufweisen und beispielsweise Personen durch Reisen in Länder mit starker HAV-Verbreitung infektionsgefährdet sind. ERREGERRESERVOIR: Der Mensch ist der Hauptwirt und das epidemiologisch einzig relevante Reservoir von Hepatitis-A-Viren. INFEKTIONSWEG: Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Kontakt- oder Schmierinfektion, entweder im Rahmen enger, auch sexueller Personenkontakte (z.B. im Kindergarten, im gemeinsamen Haushalt oder bei Männern, die Sex mit Männern haben) oder durch kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder Gebrauchsgegenstände. Epidemische Ausbrüche in verschiedenen Ländern wurden meist durch kontaminiertes Trinkwasser, Badewasser oder Lebensmittel, besonders häufig Muscheln oder Austern, sowie mit Fäkalien gedüngtes Gemüse und Salate hervorgerufen. Eine Übertragung durch Blut und Blutprodukte (auch mehrmalig genutzte Spritzenbestecke bei Drogenabhängigen) in der Virämiephase, die mehrere Wochen andauern kann, wurde beschrieben. INKUBATIONSZEIT: Ca. 15–50 Tage (im Allgemeinen: 25–30 Tage). DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Erkrankte Personen sind 1–2 Wochen vor und bis zu 1 Woche nach Auftreten des Ikterus oder der Transaminasenerhöhung ansteckend. Infizierte Säuglinge können das Virus u. U. über mehrere Wochen im Stuhl ausscheiden. (Anmerkung: Da oft erst das Auftreten der Gelbsucht auf eine Hepatitis hinweist, können Ansteckungen, beispielsweise in Gemeinschafteinrichtungen oder über Lebensmittel, bereits 1-2 Wochen lang erfolgt sein, bevor Präventivmaßnahmen eingeleitet werden können!) Seite 124 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch SYMPTOMATIK: Der Verlauf einer HAV-Infektion ist vor allem bei Kindern häufig subklinisch oder asymptomatisch. Prodromalerscheinungen treten in Form von unspezifischen gastrointestinalen Symptomen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl auf. Gelegentlich können Temperaturerhöhungen bestehen. Es kann sich die ikterische Phase anschließen, die wenige Tage bis mehrere Wochen dauert. Es besteht eine Lebervergrößerung und bei etwa 25% der Patienten auch eine Milzvergrößerung. Es können sich Zeichen einer Cholestase entwickeln. Häufig besteht Hautjucken, gelegentlich können auch flüchtige scarlatiniforme Exantheme auftreten. In der folgenden 2- bis 4-wöchigen Genesungsphase kommt es zur Normalisierung des subjektiven Befindens und der labordiagnostischen Befunde. In bis zu 10% der Erkrankungen mit manifester Hepatitis A können protrahierte Verlaufsformen auftreten, die unter Umständen mehrere Monate lang andauern, aber komplikationslos ausheilen. Bei insgesamt 0,01–0,1% der Patienten kommt es zu fulminanten und dann meist letalen Verläufen, deren Häufigkeit mit dem Alter ansteigt und die insbesondere bei Vorgeschädigten (z.B. Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C) zu beobachten sind. Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. DIAGNOSTIK: Bei den Hepatitis-A-Patienten ist in der Regel eine deutliche Erhöhung der Transaminasen, des direkten und indirekten Bilirubins im Serum sowie des Urobilinogens im Harn zu beobachten. Bei entsprechender klinischer Symptomatik ist der Nachweis von anti-HAV-IgM im Serum beweisend für eine frische HAV-Infektion. Diese Antikörper sind bereits bei Auftreten der ersten Symptome nachweisbar (Nachweisdauer etwa 3–4 Monate). Anti-HAV-IgM kann auch nach Hepatitis-A-Impfung für kurze Zeit nachweisbar sein. Auch anti-HAV-IgG ist zu Beginn der Symptomatik bereits meist positiv; ansonsten zeigt der Nachweis von anti-HAV-IgG eine früher abgelaufene Infektion bzw. Impfung und somit Immunität an. Der Nachweis von HAVAntigen mittels ELISA im Stuhl oder von HAV-RNA (z.B. mittels PCR) im Stuhl oder Blut ist möglich und beweist eine frische HAV-Infektion. Eine nur in Speziallaboratorien durchgeführte Sequenzierung des HAV-Genoms kann zur Klärung von Infektketten bei Ausbrüchen nützlich sein. PRÄVENTION: 1. Postexpositionelle Prophylaxe/Riegelungsimpfungen: In diesem Zusammenhang wird auf den jeweils aktuellen Impfplan des Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates verwiesen. (Homepage des BMG13: http://www.bmg.gv.at) 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine Übertragung des Erregers wird aufgrund des fäkal-oralen Übertragungsweges vor allem durch eine konsequente Händehygiene, das Tragen von Handschuhen bei potenziell möglichem Kontakt mit Ausscheidungen des Patienten sowie eine wirksame Händedesinfektion mit einem Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener „viruzider“ Wirksamkeit vermieden. Das Virus kann außerhalb des Wirts u. U. monatelang stabil bleiben, Seite 125 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch daher sind kontaminierte Oberflächen mit einem Desinfektionsmittel mit nachgewiesener „viruzider“ Wirksamkeit durch Wischen zu desinfizieren. Beim Umgang mit an Hepatitis A-Erkrankten und ihren Kontaktpersonen ist zu berücksichtigen, dass der Höhepunkt der Virusausscheidung und damit der Gipfel der Infektiosität in der späten Inkubationsphase, d. h. 1–2 Wochen vor Beginn des Ikterus, liegt. Im Krankenhaus sind die Benutzung einer eigenen Toilette sowie die Belehrung über eine sorgfältige Händehygiene notwendig. Eine Isolierung ist bis zu 2 Wochen nach Auftreten der ersten klinischen Symptome bzw. eine Woche nach Auftreten des Ikterus angezeigt. Im Übrigen gelten die Regeln der Standardhygiene. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Für Mitarbeiter in Lebensmittelbetrieben: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (virale Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION : Klinische Kriterien Jede Person mit schleichendem Einsetzen der Symptome (z. B. Müdigkeit, Bauchschmerzen, Appetitverlust, zeitweilige Übelkeit und Erbrechen) UND mindestens einem der folgenden drei Symptome: Fieber Gelbsucht Erhöhte Serum-Aminotransferase-Aktivität Laborkriterien Mindestens einer der folgenden drei Labortests: Nachweis von Nukleinsäure des Hepatitis-A-Virus im Serum oder im Stuhl Nachweis einer Hepatitis-A-Virus-spezifischen Antikörperreaktion Nachweis des Hepatitis-A-Virus-Antigens im Stuhl Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden vier epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Seite 126 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 127 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Intestinale Yersiniose (Y. enterocolitica) (ZoonG Anhang 1-B) ERREGER, SYMPTOMATIK: Yersinia (Y.) enterocolitica, der Erreger der intestinalen Yersiniose u. a. Krankheitsbilder ist eine Spezies innerhalb der Gattung Yersinia, die erst seit 1965 zur Familie der Enterobacteriaceae gehört. Pathogene Stämme von Y. enterocolitica lassen sich unterschiedlichen Serogruppen und Biovaren zuordnen und verfügen über verschiedene Plasmid- und chromosomal determinierte Pathogenitätsfaktoren. INKUBATIONSZEIT UND SYMPTOMATIK: Nach einer Inkubationszeit von 2–7 (maximal 10 Tagen) entwickelt sich in der Regel eine Enteritis oder Enterokolitis, meist begleitet von einer mesenterialen Lymphadenitis. Schwere, fieberhafte Verläufe können in Abhängigkeit von der Virulenz des Erregers und der Abwehrbereitschaft des(r) Patienten und -in auftreten. Mögliche extraintestinale Verlaufsformen dieser Yersiniose sind eine Sepsis und seltener auch Entzündungsprozesse in verschiedenen Organen (Hepatitis, Meningitis, Myokarditis, u.a.). Als immunologische Folgekrankheiten können eine reaktive Arthritis, Erythema nodosum oder Morbus Reiter in Erscheinung treten. Zu extraintestinalen Verläufen und Folgekrankheiten kommt es vor allem im Erwachsenenalter. Eine antiinfektive Pharmakotherapie ist bei schwerem, längerem Verlauf, extraintestinalen Manifestationen (Sepsis!) und zu Beginn einer Infektarthritis erforderlich. ERREGERRESERVOIR: Reservoir des Erregers sind viele Säugetierarten (Wildtiere, besonders Nager, Haus- und Nutztiere). INFEKTIONSWEG: Der Erreger wird am häufigsten über kontaminierte tierische Lebensmittel oder – selten – durch direkten Kontakt übertragen. Die Ansteckungsfähigkeit bei Patienten besteht solange Erreger im Stuhl ausgeschieden werden. PRÄVENTION: Bei der Verhütung von Infektionen sind die Schlacht- und Fleischhygiene sowie die Lebensmittel- und Küchenhygiene von besonderer Bedeutung; Y. enterocolitica kann sich im Gegensatz zu anderen Erregern bakterieller Darminfektionen bei üblicher Kühllagerung und unter mikroaeroben Bedingungen vermehren und sich so gegebenenfalls in Lebensmitteln weiter anreichern. DIAGNOSTIK: Der Erregernachweis im Stuhl (bzw. aus Blut oder Biopsiematerial) gelingt über die kulturelle Anzucht auf Selektivkulturmedien. Antikörper im Serum können mittels einer Agglutinationsreaktion, des ELISA oder des Immunoblots nachgewiesen werden. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Seite 128 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden fünf Symptome: Fieber Durchfall Erbrechen Bauchschmerzen (Pseudoappendizitis) Tenesmus Laborkriterien Isolierung von humanpathogener Yersinia enterocolitica oder Yersinia pseudotuberculosis aus einer klinischen Probe Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden vier epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung vom Tier auf den Menschen Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 129 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Kryptosporidiose (ZoonG Anhang 1-B-3) ERREGER: Erreger der Cryptosporidiose ist Cryptosporidium parvum (Protozoa, Sporozoa), ein obligat intrazellulärer Erreger, der den Kokzidien zugeordnet wird. Von den vier bekannten Spezies führen zwei (C. muris und C. parvum) zu Erkrankungen bei Säugetieren. Cryptosporidium sp. wurde im Jahr 1976 erstmals als humanpathogen beschrieben. Die Erreger der Kryptosporidiose bilden Oozysten, welche die infektiöse Form darstellen und eine Größe von etwa 4 x 20 μm besitzen. Die in ihnen liegenden Sporozoiten, die die Infektion hervorrufen (s. Infektionsweg), sind mit etwa 5 μm sehr klein. Durch das gehäufte Auftreten bei AIDS-Patienten und die verbesserte Diagnostik wurden Kryptosporidien als Auslöser von Infektionen des Intestinaltraktes auch bei immunkompetenten Personen erkannt. VORKOMMEN: Kryptosporidien sind weltweit verbreitet. Verschiedene Studien haben in Industriestaaten bei gesunden Individuen in bis zu 0,2% der Fälle Kryptosporidien im Stuhl nachgewiesen und bei etwa 2% der Patienten mit Durchfällen. Bei HIV-infizierten Personen mit Durchfällen wurden in 14% bis 24% Kryptosporidien nachgewiesen, bei asymptomatischen HIV-Infizierten in bis zu 5%. In Entwicklungsländern liegt die Prävalenz der Kryptosporidien sehr viel höher, sie kann in bestimmten ländlichen Gegenden über 9% liegen. Die Seroprävalenz beträgt in den USA 17% bis 32%, in Entwicklungsländern 50% bis über 90%. Kinder im Alter von 6 bis 24 Monaten erkranken besonders häufig. Bei einem Ausbruch durch infiziertes Trinkwasser in Milwaukee im Jahr 1993 erkrankten 400.000 Menschen. ERREGERRESERVOIR: Kryptosporidien wurden bei mehr als 40 Wirbeltierarten festgestellt, das Reservoir stellen insbesondere Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe, aber auch Hunde, Katzen und Vögel dar. INFEKTIONSWEG: Sporozoiten enthaltende Oozysten werden vom infizierten Wirt fäkal ausgeschieden. Die Infektion erfolgt überwiegend durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser (z.B. Trinkwasser, Eiswürfel, Badewasser). Aber auch fäkal-orale Schmierinfektionen von Mensch-zu-Mensch, Tier-zu-Mensch oder Infektionen durch kontaminierte Nahrung (z.B. mit Oozysten kontaminiertes Fleisch) sind möglich. Die ID50, die Infektionsdosis, bei der 50% der Exponierten infiziert werden, liegt bei 10–1.000 Oozysten. Zwischen 5 bis 21 Tage nach Infektion beginnt die Ausscheidung der Oozysten im Stuhl. Dickwandige Oozysten werden mit dem Kot ausgeschieden; sie sind sehr widerstandsfähig gegen Umwelteinflüsse und Chemikalien, im feuchten Milieu können sie über Monate, in Einzelfällen bis zu 2 Jahre infektiös bleiben. Dünnwandige Oozysten können bereits im Darm rupturieren, Sporozoiten freisetzen und insbesondere bei Abwehrgeschwächten Autoinfektionen bewirken. Seite 130 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch INKUBATIONSZEIT: Sie beträgt 1 bis 12 Tage, in der Regel 7 bis 10 Tage. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Mit Ausscheidung von Oozysten im Stuhl besteht Ansteckungsfähigkeit. Sie können noch etliche Wochen nach Rückgang der Symptome im Stuhl ausgeschieden werden. SYMPTOMATIK: Das klinische Bild variiert von asymptomatischen Infektionen bis zu erheblichen wässrigen Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können und manchmal in Verbindung mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und/oder Gewichtsverlust auftreten. Beim immunkompetenten Menschen verschwinden die Symptome nach 1 bis 2 Wochen, während der Durchfall bei Säuglingen und immunsupprimierten Patienten – insbesondere bei AIDS-Patienten – chronisch werden kann. Dieser persistierende Durchfall führt zu massiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten, Gewichtsabnahme und Malabsorption. Die Schwere und Dauer der Erkrankung hängt vom Grad der Immunschwäche ab, sie kann im Extremfall zum Tode führen. – Durch die mögliche intraintestinale Autoinfektion wird die chronische Infektion bei immundefizienten Patienten unterhalten. Extraintestinale Manifestationen kommen vor allem bei AIDS-Patienten vor. Am häufigsten erfolgt eine Beteiligung des Gallengangsystems, die an einem Anstieg der Cholestaseanzeigenden Parameter (Gamma-GT, AP) erkennbar ist und bis zur sklerosierenden Cholezystitis führen kann. Seltener sind Pankreatitis, Appendizitis, Otitis und ein Befall der Lunge mit respiratorischen Symptomen. DIAGNOSTIK: Methode der Wahl ist der mikroskopische Nachweis von Oozysten im Stuhl nach einer modifizierten Ziehl-Neelsen-Färbung. Es existieren aber auch Immunfluoreszenztests und ELISA-Kits zum Nachweis von Antigen im Stuhl. Da die Ausscheidung der Oozysten intermittierend sein kann, sollten drei verschiedene Proben untersucht werden, bevor die Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Weiterhin kann die Diagnose histologisch aus endoskopisch gewonnenen Gewebeproben gestellt werden. Differenzialdiagnostisch müssen die (größeren und unsporulierten) Zysten von Cyclospora cayetanensis ausgeschlossen werden. PRÄVENTION: 1. Allgemeine Maßnahmen Oozysten sind widerstandsfähig gegenüber allen Desinfektionsmitteln, auch gegen Chlor. Durch Erhitzen auf über 60° C für mindestens 30 Minuten werden sie jedoch sicher abgetötet. Gefährdete Personen, z.B. HIV-Infizierte, sollten über die Ansteckungswege aufgeklärt sein: Vorsicht ist angeraten bei Kontakt mit infizierten Menschen und Tieren, Trinken bzw. Verschlucken von kontaminiertem Leitungswasser oder Wasser aus Seen, Flüssen, Swimmingpools. Möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser muss abgekocht werden. Seite 131 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Weitere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Ansteckung sind eine gute sanitäre Hygiene (regelmäßiges Händewaschen nach Toilettenbenutzung, Kontakt mit Windeln sowie Abwasser, Gartenerde und Haustieren, ebenso vor der Nahrungszubereitung und dem Essen). Bei Aufnahme von neuen Haustieren (siehe Reservoir), insbesondere Welpen, sollte gegebenenfalls eine tierärztliche Untersuchung auf Kryptosporidien durchgeführt werden. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Ausscheider von Kryptosporidien-Oozysten sind eine Quelle für fäkal-orale Ansteckung. Sie sind auf eine effektive Händehygiene hinzuweisen und müssen Schwimmbäder oder öffentliche Bäder innerhalb von zwei Wochen nach dem ersten geformten Stuhl strikt meiden2. Bei stationärer Unterbringung sollte eine eigene Toilette gewährleistet sein. Infizierte sollen nicht gemeinsam mit immunsupprimierten Patienten untergebracht werden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der beiden folgenden Symptome: Durchfall Bauchschmerzen Laborkriterien Mindestens einer der folgenden vier Labortests: Nachweis von Cryptosporidium-Oozysten im Stuhl Nachweis von Cryptosporidium in Darmflüssigkeit oder Dünndarm-Biopsieproben Nachweis von Nukleinsäure von Cryptosporidium im Stuhl Nachweis des Cryptosporidium-Antigens im Stuhl Epidemiologische Kriterien Einer der folgenden fünf epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung vom Tier auf den Menschen Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 132 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Listeriose (ZoonG Anhang 1-A) ERREGER: Bakterien der Gattung Listeria (L.) sind grampositive, bewegliche, nichtsporenbildende, katalasepositive und fakultativ anaerobe Stäbchen. Unter sieben Listeria-Spezies ist L. monocytogenes die weitaus bedeutendste humanpathogene Spezies; L. seeligeri und L. ivanovii sind nur bei wenigen menschlichen Erkrankungen nachgewiesen worden. L. innocua, L. welshimeri und L. murrayi (Syn. L. grayi) gelten als apathogen. Die Spezies L. monocytogenes lässt sich in 13 Serovare subdifferenzieren (Serotypie), von denen nur drei besonders mit Erkrankungen des Menschen assoziiert sind: Serovar 4b, Serovar 1/2a und Serovar 1/2b. Als Pathogenitätsmerkmale wurden verschiedene Faktoren der Invasion und intrazellulären Vermehrung sowie die Hämolysebildung identifiziert. Die Hämolysebildung gilt als phänotypisch wichtigstes Erkennungsmerkmal pathogener wie monozytogener Stämme. Zur weiteren Subdifferenzierung von L. monocytogenes – insbesondere für epidemiologische Zwecke – ist gegenwärtig die Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) als Standardmethode eingeführt. Aber auch die anderen Serovare von L. monocytogenes dürfen nicht außer Acht gelassen werden. So hat z.B. Serovar 3 kürzlich zu einem Ausbruch nach dem Verzehr von kontaminierter Butter geführt. Listerien stellen nur geringe Nährstoffanforderungen. Der Temperaturbereich, in dem sich L. monocytogenes vermehren kann, reicht bei ansonsten optimalen Wachstumsbedingungen von –0,4° C bis +45° C. Die Vermehrung bei Kühltemperaturen hängt von anderen Faktoren wie dem Vorhandensein einer kompetitiven Flora, insbesondere Bacteriocin-produzierenden Laktobazillen, dem pH-Wert und der Salzkonzentration des Milieus, z. B. des Lebensmittels, ab. Eine Vermehrung kann im pH-Bereich von 4,4 bis 9,4 stattfinden. Die Keime können wie die meisten Bakterien bei einer Lagerung im Gefrierbereich lange Zeit überleben. L. monocytogenes ist ein fakultativ pathogener Erreger (Opportunist), der häufig in Tieren vorkommt, jedoch auch außerhalb des tierischen Organismus überleben und sich vermehren kann. Im infizierten Tier oder Menschen kann sich L. monocytogenes intrazellulär vermehren. Die Bakterien können direkt von einer Wirtszelle in die Nachbarzelle vordringen, ohne dass sie dabei im extrazellulären Milieu erscheinen müssen. Praktisch bedeutsam ist vor allem das Eindringen und Vermehren in Epithelzellen, dadurch können Listerien anatomische Barrieren (Haut, Schleimhaut) überwinden. Infektion und Erkrankung sind von der aufgenommenen Anzahl der Erreger abhängig. In Einzelfällen haben möglicherweise bereits wenig mehr als 100 Listerien pro g Lebensmittel Erkrankungen ausgelöst. In der Mehrzahl der Fälle dürfte die erforderliche Infektionsdosis allerdings deutlich höher liegen. ERREGERRESERVOIR: Listerien sind im landwirtschaftlichen Bereich weit verbreitet. Die Bakterien werden hier häufig im Tierfutter, besonders in verdorbener Silage gefunden. L. monocytogenes kann auch im Kot von Tieren und sogar im Stuhl gesunder Menschen nachgewiesen werden. Seite 133 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Eine Kontamination von Lebensmitteln mit Listerien kann auf verschiedenen Stufen der Gewinnung und Bearbeitung erfolgen. Insbesondere Lebensmittel tierischer Herkunft wie Rohmilch und rohes Fleisch können während der Gewinnung, z.B. beim Melken oder beim Schlachten, und auch über die Umwelt kontaminiert werden. Bei Lebensmitteln, die aus oder mit rohem Fleisch oder Rohmilch hergestellt werden, ist daher nicht auszuschließen, dass bereits das Ausgangsmaterial Ursache für ein Vorkommen von Listerien im Endprodukt ist. Die Verarbeitung und Behandlung der kontaminierten Rohstoffe führt nicht immer zu einer Abtötung der Bakterien, beispielsweise bei Rohmilchweichkäse, Rohwurst oder Hackfleisch. Listerien sind häufig auch in lebensmittelverarbeitenden Betrieben zu finden und als sogenannte Hauskeime gefürchtet. Ihre Anwesenheit kann zu einer Rekontamination auch derjenigen Lebensmittel führen, die einem Erhitzungsprozess oder einem anderen Listerien abtötenden Herstellungsverfahren unterzogen wurden. Neben einer Vielzahl tierischer Lebensmittel wie Fleisch, Fleischerzeugnisse (z.B. Wurst), Fleischzubereitungen, Fisch, Fischerzeugnisse (hauptsächlich Räucherfisch), Milch und Milchprodukte (insbesondere Käse) werden Bakterien nicht selten auch auf pflanzlichen Lebensmitteln, z.B. vorgeschnittenen Salaten, gefunden. VORKOMMEN: L. monocytogenes sowie die übrigen Listeria-Spezies sind weltweit verbreitet. Sie kommen ubiquitär in der Umwelt, z.B. im Kompost und in Abwässern, aber auch in der Erde und auf Pflanzen vor. INFEKTIONSWEG: Die Aufnahme des Erregers erfolgt hauptsächlich durch den Verzehr von kontaminierten tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Eine Weiterverbreitung ist gegebenenfalls auch durch gesunde Ausscheider auf fäkal-oralem Weg möglich. Eine Infektionsmöglichkeit besteht prinzipiell auch durch den direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden. Für abwehrgeschwächte Patienten in Krankenhäusern besitzen Listerien als Erreger nosokomialer Infektionen Bedeutung. Sie können sowohl durch Lebensmittel als auch durch Keimträger bei gesundem Personal eingeschleppt werden (Fallbeispiel siehe Epid. Bull. 23/98: 166–167). Eine Infektion von Neugeborenen erfolgt transplazentar, während der Geburt bei Durchtritt durch den Geburtskanal oder postnatal durch Kontakt. INKUBATIONSZEIT: Da es sich nicht um eine zyklische Allgemeininfektion, sondern um eine zur Generalisierung neigende Lokalinfektion handelt, kann eine Inkubationszeit im herkömmlichen Sinne nicht angegeben werden. Im Rahmen einer Lebensmittelinfektion können sich Krankheitserscheinungen nach 3–70 Tagen (in der Regel nach etwa 3 Wochen) entwickeln. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Infizierte Personen können den Erreger über den Stuhl für mehrere Monate ausscheiden. Bei Müttern von infizierten Neugeborenen sind die Erreger in Lochialsekreten und Urin bis etwa 7–10 Tage nach der Entbindung nachweisbar, selten länger. Seite 134 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch SYMPTOMATIK: Die Aufnahme von Listerien führt u.U. nur zu einer lokalen Besiedlung des Intestinaltraktes. Bei immunkompetenten Menschen kommt es nur selten zu einer Infektion und noch seltener zu einer Erkrankung, die sehr häufig nur als leichte, uncharakteristische fieberhafte Reaktion verläuft. Die Gefahr einer manifesten Erkrankung besteht hauptsächlich für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen (z.B. Tumoren, AIDS), Personen mit Glukokortikoid-Therapie, Transplantierte und Schwangere. Die manifeste Listeriose äußert sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Muskelschmerzen sowie u. U. auch Erbrechen und Durchfall. Es kann zur Sepsis kommen, die klinisch nicht von einer Sepsis anderer Genese unterschieden werden kann. Eine weitere wesentliche Manifestation ist die eitrige Meningitis (Fallbericht siehe Epid. Bull. 38/96: 260– 261). Vereinzelt kommt es ausschließlich zu einer Enzephalitis, meistens einer Rhombenzephalitis, mit diversen neurologischen Ausfällen, Ataxie und/oder Bewusstseinsstörung. Grundsätzlich kann im Verlaufe einer Listeriose jedes Organ befallen werden. Nach Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden kann es zum Auftreten von lokalen papulösen oder pustulösen Hautläsionen kommen. Bei Schwangeren verläuft die Erkrankung in der Regel unter einem relativ unauffälligen grippeähnlichen Bild. Dabei besteht die Möglichkeit eines Überganges der Infektion auf das ungeborene Kind mit der Gefahr, dass das Kind infiziert zur Welt kommt oder es zu einer Früh- oder Totgeburt kommt. Bei der neonatalen Listeriose werden eine Frühinfektion (Auftreten der Symptomatik in der 1. Lebenswoche) und eine Spätinfektion (Auftreten der Symptomatik ab der 2. Lebenswoche) unterschieden. Die Frühinfektion ist durch Sepsis, Atemnotsyndrom und Hautläsionen gekennzeichnet (Granulomatosis infantiseptica). Säuglinge mit einer Spätinfektion werden meist zum regulären Termin geboren und nehmen den Erreger auf, während sie den Geburtskanal passieren. Sie erkranken häufig an einer Meningitis. DIAGNOSTIK: Labordiagnostik in der Humanmedizin Ein Erregernachweis kann aus Blut, Liquor, Eiter, Vaginalsekret, Lochien, Stuhl, Mekonium oder autoptischem Material erfolgen. Die Art des Nachweises richtet sich nach der zu erwartenden Begleitflora in der Probe. Bei Material, in dem L. monocytogenes als Monokultur zu erwarten ist (z.B. Blut, Liquor), kann ein direkter Erregernachweis ohne Anreicherung durchgeführt werden. Wenn eine Begleitflora (z.B. Stuhl, Vaginalsekret) vorhanden ist, sollte im Rahmen des kulturellen Nachweises eine selektive Anreicherung mit Subkultur auf Selektivnährböden erfolgen. Die angezüchteten Stämme werden biochemisch charakterisiert und typisiert: Abgrenzung von L. monocytogenes gegenüber anderen Listeria-Spezies durch den positiven CAMP-Test und das Verwertungsmuster der Zucker Rhamnose und Xylose, Einteilung in Serovare mit Hilfe von oligoklonalen spezifischen Antikörpern gegen O- bzw. H-Antigene, weitere Seite 135 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Typisierung mit dem genetischen Fingerprint, in der Regel heute durch die Trennung von genomischen Fragmenten mit Hilfe der PFGE. Die molekularbiologische Analyse z.B. mit Hilfe von Gensonden erlaubt die Charakterisierung der Gattung Listeria und auch die eindeutige Zuordnung zu einer Spezies. Eine Klonalität von mehreren Isolaten lässt sich mit Hilfe der PFGE belegen. PRÄVENTION: 1. Allgemeine Maßnahmen Eine Aufnahme von Listerien durch den Verzehr von Lebensmitteln kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, jedoch ist eine Reduzierung des Expositionsrisikos durch Hygienemaßnahmen bei der Gewinnung, Herstellung und Behandlung der Lebensmittel erreichbar. Das Überleben und die Vermehrung von Listerien in Lebensmitteln kann durch entsprechende Herstellungs- und Behandlungsverfahren beeinflusst werden. Kochen, Braten, Sterilisieren und Pasteurisieren tötet die Bakterien ab. In Lebensmitteln, die wenig Wasser, viel Salz oder Konservierungsstoffe enthalten oder sehr sauer sind, ist eine Vermehrung nur in geringem Umfang oder gar nicht möglich. Vakuumverpackung und Kühllagerung schützen nicht vor einer Vermehrung der Erreger. Im Gegenteil kann es hierdurch bei langen Lagerzeiten zu einer selektiven Vermehrung der Listerien kommen. Generell kommt der Küchenhygiene eine große Bedeutung zu. So ist das regelmäßige Händewaschen (vor Zubereitung von Speisen) eine ganz wesentliche Maßnahme zur Reduzierung einer Kontamination mit Bakterien und damit auch von Listerien. Weiterhin sollten Obst, Gemüse und Salate vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden. Die Zubereitung von Fleisch und rohem Gemüse muss in der Küche auf getrennten Arbeitsflächen oder zeitlich getrennt vorgenommen werden. Diese Arbeitsflächen sollten nach Gebrauch gründlich mit einem Detergenz gereinigt werden. Einige Grundregeln, die geeignet sind, das Risiko von Lebensmittelinfektionen zu minimieren, gelten auch für Listerien: Fleisch- und Fischgerichte sollten gründlich durchgegart werden, Rohmilch sollte abgekocht werden, Hackfleisch sollte nicht roh verzehrt werden, Schwangeren und abwehrgeschwächte Personen wird angeraten, auf den Verzehr von lange (bis gegen Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums) kühl gelagertem, vakuumverpacktem Räucherfisch sowie von Rohmilchkäse zu verzichten und bei anderem Käse die Rinde vor dem Verzehr zu entfernen. Eine Impfprophylaxe gegen Listeriose ist bislang nicht verfügbar. Sie erscheint angesichts der permanenten Exposition des Verbrauchers auf der einen und der relativ geringen Erkrankungshäufigkeit auf der anderen Seite auch wenig sinnvoll. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Erkrankte Personen sollten schnellstmöglich eine effiziente Therapie erhalten. Spezielle Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht erforderlich. Listeriose in Österreich (AGES 2007)9 Situation beim Menschen Im Jahr 2007 wurden in Österreich 20 Listeriose-Fälle beim Menschen registriert, wobei kein Fall in Verbindung mit einer Schwangerschaft auftrat. Die Listeriose ist somit in Österreich Seite 136 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch eine seltene Infektionskrankheit deren Inzidenz im Jahr 2007 bei rund 0,24/100.000 Einwohnern lag. Die Sterblichkeitsrate lag bei 20% (4 der 20 Patienten verstarben). Situation bei Lebensmitteln Der Revisions- und Probenplan des Bundesministeriums für Gesundheit sieht die jährliche Anzahl zu testender Betriebe (Nahrungsmittelerzeuger, Lebensmittelhändler, Restaurants usw.) und Lebensmittel je Bundesland vor. Die Inspektionen beinhalten u. a. Probenziehungen und Kontrollen der Verarbeitungsprozesse. Im Jahr 2007 wurde Listeria monocytogenes u. a. in folgenden Lebensmitteln gefunden: Käse aus Kuhmilch: 3 Proben von 974 waren positiv (0,3%) mit einem Keimgehalt von unter 100 Kolonie bildenden Einheiten je Gramm (KBE/g), Käse aus Ziegen- oder Schafmilch: Keine Probe positiv (0/226), Kuhrohmilch: 1 Probe von 134 positiv (0,7%), mit einem Keimgehalt unter 100 KBE/g. Bei gekochten Schweinefleischprodukten: 22 von 246 Proben positiv (8,5%), wobei in einer Probe für L. monocytogenes die Anzahl von 100 KBE/g überschritten wurde. Beim getesteten Geflügelfleisch war 1 von 77 Proben positiv (1,3%) und bei gemischten Fleischprodukten keine der 133 Proben. Bei den untersuchten Fischen (inkl. Räucherfische) waren 19 von 283 Proben L. monocytogenes-positiv (6,7%). EU-FALLDEFINITON: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden Befunde: Listeriose beim Neugeborenen definiert als Totgeburt ODER mindestens einem der folgenden fünf Befunde im ersten Lebensmonat: Granulomatosis infantiseptica Meningitis oder Meningoenzephalitis Sepsis Dyspnoe Haut-, Schleimhaut- oder Bindehautläsionen Listeriose in der Schwangerschaft definiert als mindestens einer der folgenden drei Befunde: Abort, Fehlgeburt, Totgeburt oder Frühgeburt Fieber Grippeähnliche Symptome sonstige Form der Listeriose definiert als mindestens einer der folgenden vier Befunde: Fieber Meningitis oder Meningoenzephalitis Sepsis Lokalisierte Infektionen wie Arthritis, Endokarditis und Abszesse Laborkriterien Mindestens einer der beiden folgenden Labortests: Isolierung von Listeria monocytogenes aus einer normalerweise sterilen Probe Seite 137 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Isolierung von Listeria monocytogenes aus einer normalerweise sterilen Probe bei einem Fötus, Totgeborenen, Neugeborenen oder der Mutter bei der Geburt oder innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden drei epidemiologischen Zusammenhänge: Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung von Mensch zu Mensch (von der Mutter auf das Kind) Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Weitere Angaben Inkubationszeitraum 3 - 70 Tage, meist 21 Tage Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die Laborkriterien erfüllt ODER Jede Mutter mit einer durch ein Labor bestätigten Listeriose-Infektion ihres Fötus, totgeborenen oder neugeborenen Kindes. Seite 138 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Norovirus (ZoonG Anhang 1-B-1: Calicivirus) ERREGER: Das Norovirus (früher als Norwalk-like-Virus bezeichnet) gehört zur Familie der Caliciviridae und zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus. Aufgrund von genetischen Unterschieden in der Polymerase- und Kapsidregion unterteilt man in fünf Genogruppen (GG I bis V). Die Noroviren der Genogruppe I und II werden wiederum in wenigstens 20 Genotypen aufgeschlüsselt. Hinzu kommt, dass verstärkt auch rekombinante Noroviren gefunden werden. Noroviren der Genogruppe III (Jena-Virus) und V (Maus-Virus) sind nicht humanpathogen. Humane Noroviren lassen sich bisher nicht auf Zellkulturen vermehren. VORKOMMEN: Noroviren sind weltweit verbreitet. Sie sind für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30%) und bei Erwachsenen (bis zu 50%) verantwortlich. Dies trägt dazu bei, dass Norovirus-Erkrankungen die überwiegende Ursache von akuten Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen sind. Sie können aber auch für sporadische Gastroenteritiden verantwortlich sein. Bei Säuglingen und Kleinkindern stellen sie nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden dar. Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist. RESERVOIR: Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir des Erregers. Der Nachweis von Caliciviren bei Tieren (Schweinen, Katzen und Kaninchen) steht derzeit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Erkrankungen des Menschen. INFEKTIONSWEG: Die Viren werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die Infektiosität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis dürfte bei ca. 10–100 Viruspartikeln liegen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral (z.B. Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen. Das erklärt die sehr rasche Infektionsausbreitung innerhalb von Altenheimen, Krankenhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen. Die direkte Übertragung von Mensch-zu-Mensch ist in erster Linie die Ursache für die hohe Zahl an Norovirus-Infektionen. Infektionen können aber auch von kontaminierten Speisen (Salate, Krabben, Muscheln u.a.) oder Getränken (verunreinigtes Wasser) ausgehen. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–50 Stunden. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Personen sind insbesondere während der akuten Erkrankung und mindestens bis zu 48 Stunden nach Sistieren der klinischen Symptome ansteckungsfähig. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Virus in der Regel 7–14 Tage, in Ausnahmefällen aber auch über Wochen nach einer akuten Erkrankung über den Stuhl ausgeschieden werden kann. Die sorgfältige Seite 139 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Beachtung üblicher Hygieneregeln ist somit auch im Anschluss an die Erkrankung von außerordentlicher Bedeutung. SYMPTOMATIK: Noroviren verursachen akut beginnende Gastroenteritiden, die durch schwallartiges heftiges Erbrechen und starke Durchfälle (Diarrhöe) gekennzeichnet sind und zu einem erheblichen Flüssigkeitsdefizit führen können. In einzelnen Fällen kann die Symptomatik auch auf Erbrechen ohne Diarrhöe oder auf Diarrhöe ohne Erbrechen beschränkt sein. In der Regel besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit. Die Körpertemperatur kann leicht erhöht sein, meist kommt es jedoch nicht zu hohem Fieber. Wenn keine begleitenden Grunderkrankungen vorliegen, bestehen die klinischen Symptome etwa 12–48 Stunden. Auch leichtere oder asymptomatische Verläufe sind möglich. DIAGNOSTIK: Für den Nachweis von Noroviren im Stuhl stehen derzeit drei verschiedene Nachweismethoden zur Verfügung: Die Amplifikation viraler Nukleinsäuren (RT-PCR), der Nachweis viraler Proteine (Antigen-EIA) und der elektronenmikroskopische Nachweis von Viruspartikeln. Die Amplifikation viraler Nukleinsäuren weist eine hohe Sensitivität und Spezifität auf und ist besonders in Form einer real-time PCR zur raschen Aufklärung von Ausbrüchen geeignet. Zudem kann bei gezielter Fragestellung durch die Sequenzierung von PCR-Produkten eine molekulare Differenzierung der Viren durchgeführt werden, die wertvolle Informationen zur Aufklärung von Ausbrüchen und Übertragungswegen und zur Bedeutung bestimmter Genotypen in der jeweiligen aktuellen epidemiologischen Situation liefert. Neben dem molekularen Norovirus-RNA-Nachweis kommen derzeit zwei kommerzielle Antigen-EIAs in der Routine zur Anwendung, die immer wieder hinsichtlich Spezifität und Sensitivität auf dem Prüfstand stehen. Derzeit kann eingeschätzt werden, dass insbesondere in der Diagnostik von Einzelerkrankungen diese EIAs nicht die einzige Stütze der NorovirusDiagnostik sein sollten. Eine Indikation zur Norovirus-Diagnostik besteht bei Patienten mit Durchfall (mit oder ohne Erbrechen), sofern keine andere Ursache für die Symptome bekannt ist. Insbesondere bei Häufungen von Durchfall und Erbrechen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen muss frühzeitig eine Diagnose angestrebt werden. Bei untypischer Symptomatik oder Umgebungsuntersuchungen bei asymptomatischen Personen ist eine Diagnostik nicht indiziert. PRÄVENTION: 1. Präventive Maßnahmen Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Wichtig ist die konsequente Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln in Altenheimen, Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen und Küchen. Zur Vermeidung einer Übertragung durch kontaminierte Speisen sollten insbesondere Gerichte mit Meeresfrüchten gut durchgegart sein. Seite 140 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege oder beim Erbrechen sind, insbesondere in der symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten: Absonderung der erkrankten Personen, gegebenenfalls Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von Handschuhen, Schutzkittel, gegebenenfalls geeigneter Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion von patientennahen Flächen, Toiletten, Waschbecken, Türgriffen. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe dazu Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (virale Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. RKI-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Klinisches Bild einer akuten Norovirus-Gastroenteritis, definiert als mindestens eines der beiden folgenden Kriterien: Erbrechen Durchfall Laborkriterien Positiver Befund mit mindestens einer der drei folgenden Methoden: Direkter Erregernachweis: Nukleinsäure-Nachweis (z.B. PCR) Antigennachweis (z.B. ELISA) nur im Stuhl Elektronenmikroskopie Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden drei epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch-zu-Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsame Expositionsquelle (z.B. Badegewässer, Lebensmittel, Tierkontakt) Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Epidemiologische Bestätigung, definiert als mindestens einer der beiden folgenden Nachweise unter Berücksichtigung der Inkubationszeit: Epidemiologischer Zusammenhang mit einer labordiagnostisch nachgewiesenen Infektion beim Menschen durch o Mensch-zu-Mensch-Übertragung ODER o gemeinsame Expositionsquelle (z.B. Lebensmittel) Verzehr eines Lebensmittels (inkl. Trinkwasser), in dessen Resten Norovirus labordiagnostisch nachgewiesen wurde Seite 141 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Inkubationszeit: ca. 10-50 Stunden Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 142 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Salmonellose (ZoonG Anhang 1-A) ERKRANKUNGEN DURCH SALMONELLEN: Eine besondere epidemiologische Bedeutung hat heute die Salmonella-Erkrankung des Menschen (Salmonellose oder Salmonella Enteritis). In diesem Abschnitt wird auf Typhus und Paratyphus nicht eingegangen; bei diesen Erkrankungen handelt es sich, im Unterschied zu Salmonella-Enteritiden, um systemische Infektionen, gekennzeichnet durch hohes Fieber mit Darmbeteiligung. Typhus und Paratyphus werden daher in einem gesonderten Kapitel behandelt. ERREGER, ÜBERTRAGUNG UND EPIDEMIOLOGIE: Salmonellen sind in der Regel bewegliche, gramnegative Stäbchen, die aufgrund der Struktur ihrer Körper(O)- und Geißel(H)-Antigene nach dem Kauffmann-White-Schema geordnet und anhand einer Seroformel als Serovare deklariert werden. Von den bisher bekannten über 2.400 Salmonella (S.)-Serovaren haben praktisch nur 20 bis 30 als Erreger von lebensmittelbedingten Erkrankungen eine epidemiologische Bedeutung. Andere Serovare können darüber hinaus aber jederzeit regional oder temporär besonders in Erscheinung treten. Langzeitanalysen zeigen, dass weltweit S. Typhimurium und seit Mitte der 80er Jahre S. Enteritidis epidemiologisch im Vordergrund stehen. Salmonellen wachsen im Temperaturbereich von 10°–47° C, in einigen Fällen bereits ab 6°–8° C. In der Umwelt und in oder auf verschiedenen Lebensmitteln sind sie bis zu mehreren Monaten überlebensfähig. Durch Einfrieren werden sie nicht abgetötet. Abhängig von der Disposition des Erkrankten und den Erregereigenschaften führt die Infektion meistens zu wässrigen, oft auch Cholera-ähnlichen Durchfällen (selten blutig). Bei etwa 5% der Infizierten verläuft die Erkrankung zusätzlich systemisch (tiefgreifende Erkrankungsbilder). Salmonellosen des Menschen sind zumeist lebensmittelbedingte Erkrankungen und treten weltweit als sporadische Fälle, Familienerkrankungen oder als Epidemien auf. Gehäufte Einzelerkrankungen in einer bestimmten Region können auf eine noch nicht erkannte Gruppenerkrankung hinweisen, die auf eine gemeinsame Infektionsquelle zurückzuführen sein könnte. Primäre Infektionsquellen sind besonders von Geflügel, Rindern und Schweinen stammende Lebensmittel, wobei die Tiere in den seltensten Fällen klinisch erkrankt sind. An der Spitze der Infektionen verursachenden Lebensmittel stehen Geflügel – Huhn, Ente, Gans und Pute – und vor allem rohe Eier und Speisen, die Roh-Ei enthalten, z.B. Ei-Schäume, Cremes, Konditoreiwaren, Majonäse und Speiseeis. Letztere sind besonders durch eine hygienewidrige Behandlung – etwa durch ungekühlte und zu lange Aufbewahrung oder Lagerung oder entsprechende Bedingungen beim Transport – gefährdet, da hierdurch hohe Keimzahlen erreicht werden. Salmonellen können auf der Ei-Schale oder im Ei-Inhalt vorhanden sein. Die Kontamination der Ei-Schale kann äußerlich über Salmonella-haltige Faezes oder bereits im Ei-Leiter während der Ei-Schalenbildung erfolgen. Der Ei-Inhalt wird neuesten Erkenntnissen zufolge vor allem durch S. Enteritidis transovariell oder zumindest intravital in 0,01–0,1% der Fälle infiziert. Eine Kontamination des Ei-Inhalts kann infolge der Passage von Salmonella-Serovaren durch die Ei-Schale erfolgen, wenn höhere Raumtemperaturen und hohe Feuchtigkeit auf der Ei-Schale sowie eventuell Schalendefekte Seite 143 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch vorhanden sind. Eine weitere wichtige Infektionsquelle ist rohes Fleisch bzw. nicht oder nicht ausreichend erhitzte Fleischprodukte (etwa Schlachtgeflügel, Hackfleisch, Rohwurstsorten, besonders frische Mettwurst, Fleischsalate). Inzwischen wurden Salmonellen in verschiedenen Ausbrüchen, aber auch mit dem Verzehr von Sprossen, Tomaten oder geräuchertem Aal in Zusammenhang gebracht. Die Infektion erfolgt in der Regel durch den Verzehr infizierter oder kontaminierter Lebensmittel. Die Infektionsdosis für den erwachsenen Menschen liegt bei 10 4 bis 106 Keimen. Wenn sich Salmonellen in stark fetthaltigen Lebensmitteln wie Käse, Hamburger, Schokolade, Salami oder auch Gewürzen befinden, oder bei besonderer Disposition, z.B. Abwehrschwäche (Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen), sind jedoch Erkrankungen bereits bei Infektionsdosen unter 100 Keimen beobachtet worden. Für die Verbreitung der Erkrankung ist die Kontamination von Lebensmitteln von besonderer Bedeutung. Durch Berührung solcher Lebensmittel können die Erreger übertragen werden und andere Lebensmittel, Gegenstände oder eventuell Personen kontaminieren (Kreuzkontamination). Die Problematik der Salmonellose wird durch weitere Glieder in der Infektionskette wie Vögel, Vorratsschädlinge, Nager, Insekten, Heimtiere, aber auch Abwässer verschärft. Durch direkten Kontakt mit salmonellenausscheidenden Tieren erfolgt sehr selten eine Übertragung auf den Menschen. Dieser Übertragungsweg ist nur bei Heimtieren wahrscheinlicher. Eine direkte oder indirekte Übertragung von Mensch-zu-Mensch – vor allem von verschiedenen mehrfachresistenten Salmonella-Serovaren – kann als Hospitalinfektion bei besonders disponierten Personen oder unter hygienisch ungünstigen Bedingungen erfolgen. Dies verursacht dann häufig typhöse Verlaufsformen. Bei dieser Infektion ist eine sehr hohe Kontagiosität zu verzeichnen. KRANKHEITSBILD: Die Inkubationszeit beträgt 6–72 Stunden (meist 12–36 Stunden) und ist abhängig von der Infektionsdosis. Die Salmonellose beginnt meist plötzlich mit zahlreichen wässrigen Stühlen, Leibschmerzen, (im Verlauf der Erkrankung zunehmend mit Blutbeimengungen), teilweise mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Die Symptome dauern in der Regel nur wenige Stunden oder Tage. Bei schweren klinischen Fällen treten Schüttelfrost, höheres Fieber, Kollaps und weitere systemische Krankheitsbilder mit typhoidem Verlauf auf. Oft kommt ein leichter oder symptomloser Verlauf vor, der u.a. auch von der aufgenommenen Keimzahl abhängig ist. Die Keimausscheidung von Enteritis-Salmonellen dauert im Mittel 3–6 Wochen, bei Säuglingen aber auch über Monate. Dauerausscheidung über 6 Monate ist relativ selten. Diese gelegentlich bei Kindern vorkommenden Langzeitausscheider bedürfen keiner weiteren Behandlung. Mitunter können bei vorgeschädigten Patienten, aber auch sonst gesunden Personen, extraintestinale Infektionen wie Perikarditis, neurologische Erkrankungen, reaktive Arthritis, Spondylitis, Osteomyelitis u.a. festgestellt werden. Differenzialdiagnostisch sind akute Gastroenteritiden anderer Ätiologie abzuklären. Häufig kommt es zur Verwechslung mit dem "akuten" Bauch. Die Letalität liegt bei < 0,1%, und es sterben vornehmlich ältere sowie abwehrgeschwächte Personen. Seite 144 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch DIAGNOSE: Beim Auftreten des Leitsymptoms Durchfall ist eine bakteriologische Abklärung der Ursache erforderlich. Der Erregernachweis erfolgt aus Stuhl, Rektalabstrichen, Erbrochenem, aber auch aus verdächtigen Lebensmitteln und Speisen. Bei typhösem Verlauf sind Blutkulturen angezeigt. Zumindest Rektalabstriche müssen in gepuffertem Transportmedium transportiert werden. Bei Gruppenerkrankungen sollte eine gezielte Auswahl von Untersuchungsproben unter epidemiologischen Gesichtspunkten erfolgen. Im Laboratorium wird nach der kulturellen Anzüchtung eine biochemische und serologische Identifizierung des Erregers vorgenommen. Die Untersuchungsdauer beträgt in der Regel 2–3 Tage, für eine Verdachtsdiagnose einen Tag. Zur Aufdeckung von Infektionsquellen und Verfolgung von Infektionswegen und -ketten wird für epidemiologisch bedeutsame Serovare, vor allem S. Enteritidis und S. Typhimurium, eine weitere komplexe Feindifferenzierung durch Lysotypie sowie biochemische und genotypische Verfahren empfohlen. HYGIENEMASSNAHMEN: a) in Schulen und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und Kindergärten Die wichtigste Maßnahme zur Prophylaxe der Übertragung ist das Waschen der Hände vor allem nach jedem Besuch der Toilette, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten Gegenständen (z.B. Windeln), Nahrungsmitteln (z.B. Geflügel) und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur Erregerelimination, wohl aber zur drastischen Reduzierung der Keimzahl an den Händen. In Säuglingsheimen ist besonders die Einhaltung der Hygienemaßnahmen durch das Personal zu beachten. b) in Lebensmittelbetrieben In Lebensmittelbetrieben sind zusätzlich zum Händewaschen weitergehende Maßnahmen angezeigt: Zur Händedesinfektion sind alkoholische Desinfektionsmittel geeignet. Das Desinfektionsmittel wird dazu nach Angaben des Herstellers in die Hände eingerieben, Nagelfalze und Fingerkuppen sind besonders sorgfältig zu behandeln. Wasser und Seife dürfen erst nach Ablauf der angegebenen Einwirkzeit verwendet werden. c) in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen Die direkte Übertragung soll auch hier durch Händewaschen und Händedesinfektion verhindert werden. Zusätzlich sollte während der gesamten Erkrankungsdauer eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit potenziell infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein können. Toilettensitz und Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken, Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen gegebenenfalls mit einem Desinfektionsmittel zu behandeln. Dabei ist die Einwirkzeit zu beachten. PROPHYLAXE: Neben der Schaffung und Erhaltung der Voraussetzung für die Produktion von Salmonellafreien Lebensmitteln und der strikten Einhaltung der Hygienevorschriften bei der Gewinnung, Be- und Verarbeitung, Lagerung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln, Seite 145 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch insbesondere tierischen Ursprungs, können folgende individuelle Maßnahmen vorbeugend wirken: Alle Speisen und Lebensmittel, die viel Eiweiß und Wasser enthalten, müssen entweder heiß oder unterhalb 10° C, also im Kühlschrank aufbewahrt werden. Rohe Fleisch- und Wurstwaren, Schlachtgeflügel, Seetiere, Eier, Cremes, Salate und Majonäsen mit Roh-Ei sowie Speiseeis sind stets nach dem Einkauf in den Kühlschrank zu bringen und dort aufzubewahren. Speisen dürfen nicht längerfristig warm, d.h. unter 60° C gehalten werden. Eine sichere Abtötung der Salmonellen wird bei Temperaturen über 70° C für mindestens zehn Minuten Garzeit erreicht. Bei vorgekochten Speisen muss die Abkühlzeit zwischen 60° C und 10° C kurz gehalten werden. Warme Speisen sollen innerhalb von zwei Stunden nach der letzten Erhitzung verzehrt werden. Beim Auftauen von gefrorenem Geflügel und Wild enthält das Auftauwasser oft Salmonellen. Auftauwasser separat auffangen und sofort in den Ausguss schütten (heiß nachspülen). Alle Gegenstände, die damit in Berührung gekommen sind, und die Hände sofort danach gründlich mit möglichst heißem Wasser reinigen. Beim Kochen mit der Mikrowelle keine zu kurzen Garzeiten wählen, damit die Speisen auch im Innern ausreichend erhitzt werden. Beim Aufwärmen von Speisen müssen 70° C überschritten werden. Instantprodukte sind immer nur kurz vor dem Verzehr zuzubereiten. Strenge Beachtung der persönlichen Hygiene. Verwendung und häufiger Wechsel von kochbaren Küchentüchern. Aus dem Zoonosenbericht der AGES (2007)9 Situation beim Menschen Im Jahr 2007 erhielt die NRZS 4.050 humane Erstisolate zur Differenzierung. Diese Rate (Inzidenz von 49 Fällen pro 100.000 Einwohnern) ist um 25% niedriger als im Vorjahr und zeigt deutlich den Erfolg der Interventionen zur Bekämpfung von Salmonellen in Österreich, wie z.B. die verpflichtende Impfung gegen S. Enteritidis für Legehennen. Gegenüber 2002 beträgt der Rückgang 4.355 humane Isolate oder 52% (2002: 8.405 Erstisolate). Die Abnahme der humanen Salmonellenerstisolate ist nahezu ausschließlich durch den Rückgang der S. Enteritidis Isolate bedingt (2006: 4.238; 2007: 3.110 humane Erstisolate; – 26,6%). Im Gegensatz dazu lässt die Anzahl der S. Typhimurium Isolate in den letzten Jahren keinen eindeutigen Trend erkennen (2003: 476; 2004: 697; 2005: 385; 2006: 627; 2007: 354). Die Anzahl an behördlich gemeldeten Salmonellose Fällen beträgt im Jahr 2007 3.587 Fälle. Somit stellen die Salmonellen auch heuer wieder die zweithäufigste gemeldete Ursache bakterieller Lebensmittelvergiftungen in Österreich dar. (Vergleich Campylobacteriose: 6.077 gemeldete Fälle). MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Seite 146 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION: (Salmonella spp. außer S. Typhi und S. Paratyphi) Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden vier Symptome: Durchfall Fieber Bauchschmerzen Erbrechen Laborkriterien Isolierung von Salmonella (außer S. Typhi und S. Paratyphi) aus Stuhl oder Blut Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden fünf epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung vom Tier auf den Menschen Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 147 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Trichinose (ZoonG Anhang 1-A) ERREGER: Trichinellosen werden durch Nematoden – längliche symmetrische Rundwürmer – des Genus Trichinella (T.) verursacht. Innerhalb des Genus sind verschiedene Arten bekannt; der für den Menschen wichtigste Vertreter ist T. spiralis; wesentlich seltener wurden beim Menschen T. nelsoni, T. nativa, T. britovi und T. pseudospiralis nachgewiesen. Eine Klassifizierung ist nur durch Isoenzym- und DNS-Analysen möglich. Die Übertragung und das Auslösen der Infektion erfolgt über die Trichinella-Larven (auch als Trichinellen oder Trichinen bezeichnet), diese werden bei Erhitzen auf Temperaturen auf mindestens 65° C sicher abgetötet, ebenso durch längeres Einwirken sehr tiefer Temperaturen (mindestens –15° C). ERREGERRESERVOIR: Prinzipiell kann Trichinella alle Arten von Säugetieren infizieren, als Reservoir sind besonders Fleischfresser und Allesfresser wichtig. Es sind domestische und silvatische Zyklen zu unterscheiden. Die größte Rolle spielen in Europa Hausschweine und Wildschweine; Reservoir für Trichinella können aber auch Nager (Ratten), Hunde, Katzen, Pferde und Wildtiere – wie Füchse – sein. In anderen Regionen der Erde sind Bären und Robben wichtige Reservoire. VORKOMMEN: Die Trichinellose ist eine weltweit verbreitete Säugetier-Zoonose, die wegen des Fehlens freier Parasiten-Stadien unabhängig von klimatischen Bedingungen ist. Erkrankungen des Menschen treten besonders außerhalb Europas auf, Schwerpunkte der Morbidität bestehen in Nord- und Mittelamerika, Argentinien, Ostafrika und Südostasien. INFEKTIONSWEG (AGES 2007)9: Die Infestation erfolgt durch den Verzehr von rohem oder ungenügend erhitztem Fleisch, das Trichinella-Larven enthält. Durch Verdauungsenzyme werden die Larven freigesetzt und reifen in den Zellen der oberen Dünndarmschleimhaut innerhalb weniger Tage zu kleinen Würmern. Die Weibchen beginnen bereits 4 bis 7 Tage nach Aufnahme durch den Wirt mit der Ablage von bis zu 1.500 Larven. Die jungen Larven passieren die Darmschleimhaut und gelangen über die Blutbahn in die Muskulatur, wo sie Zysten bilden und jahrelang überleben können. Bevorzugt werden sauerstoffreiche, d. h. gut durchblutete Muskeln wie z. B. Zwerchfell, Nacken-, Kaumuskulatur, Muskulatur des Schultergürtels und der Oberarme befallen. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit beträgt zwischen 5 und 14 Tagen, in Einzelfällen bis zu 45 Tagen. Eine Infektion erfolgt nur durch die Aufnahme von Trichinellen-haltigem Fleisch. Eine Ansteckung von Mensch-zu-Mensch ist nicht möglich. SYMPTOMATIK: Der Schweregrad einer Erkrankung ist von der Anzahl der aufgenommenen Larven und von der Wirtsabwehr abhängig. Charakteristisch sind eine große Vielfalt von Symptomen und beträchtliche Unterschiede im Schweregrad und in der Organspezifität. In der Mehrzahl verlaufen die Infektionen asymptomatisch. Seite 148 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Bei stärkerem Befall kann es 2 bis 7 Tage nach der Infektion zu Durchfällen und abdominellen Beschwerden kommen (enterale Phase). Nach etwa einer Woche treten dann – unabhängig davon, ob eine enterale Phase vorausging – hohes Fieber, Schüttelfrost, ausgeprägte Myalgien und periorbitale Ödeme auf (Migrationsphase). Weiterhin mögliche Symptome sind urtikarielle oder makulopapulöse Exantheme, subunguale Blutungen, Konjunktivitiden, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schluckstörungen, trockener Husten, Petechien und schmerzhafte Bewegungsstörungen der Augenmuskeln. Gefährliche Manifestationen, die auch zum Tode führen können, sind Myokarditis, Enzephalitis, Bronchopneumonie, Sepsis, Kreislaufversagen, Nebenniereninsuffizienz, psychotische Zustände, Koma und Krampfanfälle. Eine mögliche späte Phase (parenterale Phase) ist durch fokale neurologische Symptome gekennzeichnet, die durch im ZNS enkapsulierte Larven hervorgerufen werden. DIAGNOSTIK (AGES 2007)9: Die Verdachtsdiagnose kann durch den Nachweis spezifischer Antikörper im Blut des Patienten bestätigt werden; weiters kann ein Nachweis der Larven im Gewebe erfolgen. PRÄVENTION (AGES 2007)9: Wichtigste vorbeugende Maßnahme ist die gesetzlich vorgeschriebene amtliche Fleischuntersuchung auf Trichinen, bei der die Kapseln der Larven gezielt erkannt werden können. Erhitzen auf über 70° C und Tiefgefrieren bei -15° C gilt sicher als Larven abtötend; Räuchern, Pökeln und Trocknen hingegen nicht. Aus dem Bericht der AGES (2007)9 Situation beim Menschen Bei den während der letzten drei Jahrzehnte den österreichischen Sanitätsbehörden gemeldeten Trichinellose-Fällen handelt es sich ausschließlich um importierte Fälle. Im Jahr 2007 wurde keine Trichinelloseerkrankung beim Menschen gemeldet. Situation bei Lebensmitteln In Österreich wurden im Jahr 2007 im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung auf Trichinen folgende Schlachtkörper auf Trichinen untersucht: 5,410.886 Schweine und 781 Pferde, wobei in keinem untersuchten Schlachtkörper Trichinenlarven gefunden wurden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens drei der folgenden sechs Symptome: Fieber Muskelschmerzen Durchfall Gesichtsödem Eosinophilie Subconjunktivale, subunguale und retinale Blutungen Seite 149 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Laborkriterien Mindestens einer der beiden folgenden Labortests: Nachweis von Trichinella-Larven in durch Muskelbiopsie gewonnenem Gewebe Trichinella-spezifische Antikörperreaktion (IFA-Test, ELISA oder Western Blot) Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden beiden epidemiologischen Zusammenhänge: Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln (Fleisch) Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien und die Laborkriterien erfüllt Seite 150 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Tuberkulose, verursacht durch Mycobacterium bovis (ZoonG Anhang 1-A) Anmerkung: Abgesehen von dem Abschnitt über den Krankheitserreger wurden die übrigen Abschnitte dieses Kapitels dem Bericht der AGES (2007)10 entnommen. ERREGER: Erreger der Tuberkulose sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, stäbchenförmige Bakterien der Familie Mycobacteriaceae, Genus Mycobacterium (M.). Aufgrund ihrer Eigenschaften bei der Färbung für die Mikroskopie werden sie als „säurefest“ bezeichnet. Die unter dem Aspekt der Pathogenität für den Menschen relevanten Arten werden als Mycobacterium-tuberculosis-Komplex zusammengefasst: M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum sowie die Spezies M. microti und M. canetti. (Über die Bedeutung der Spezies M. microti und M. canetti als Tuberkulose-Erreger bestehen unterschiedliche Ansichten, so dass sie in Falldefinitionen internationaler Organisationen bisher nicht aufgeführt sind.) Der häufigste Erreger von Tuberkulose-Infektionen des Menschen ist M. tuberculosis. M. bovis BCG bezeichnet für die Impfung künstlich abgeschwächte Varianten und zählt daher nicht zu den Tuberkulose-Erregern. – Insgesamt existieren in der Umwelt etwa 100 verschiedene Mykobakterienarten. Spezielle Virulenzfaktoren und Exotoxine sind nicht vorhanden, die Pathogenität der Tuberkulose-Erreger beruht auf dem Wirken in der Zelle und der Induktion einer ausgeprägten zellvermittelten Immunantwort. ERREGERRESERVOIR: Für M. tuberculosis sind Menschen das einzig relevante Reservoir. Für M. bovis und M. caprae gelten Menschen und Rinder, gelegentlich Ziegen oder Wildwiederkäuer (z.B. Hirsche) als Infektionsreservoir. INFEKTIONSWEG: Ob es zu einer Infektion kommt, hängt von der Häufigkeit und Intensität des Kontakts, der Menge an inhalierten oder oral aufgenommenen Erregern und der körperlichen Verfassung der betroffenen Person ab. Die Infektion erfolgt meist durch Einatmen feinster Tröpfen mit der Atemluft, die beim Husten und Niesen durch an offener Tuberkulose erkrankte Personen freigesetzt werden. Die Tuberkulose manifestiert sich bei 80% der Erkrankten als Lungentuberkulose, sie kann jedoch jedes Organ befallen. Unter einer offenen Lungentuberkulose versteht man Erkrankungen, bei denen der Krankheitsherd Anschluss an die Luftwege hat. Eine Übertragung durch rohe (nicht pasteurisierte) Milch von infizierten Rindern ist prinzipiell möglich, jedoch in Österreich praktisch nicht mehr von Bedeutung, da der Rinderbestand hier zu Lande amtlich anerkannt frei von Tuberkulose ist. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit kann Monate bis viele Jahre betragen. Seite 151 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch SYMPTOMATIK: Nach der Tröpfcheninfektion bilden sich in der Lunge, als Reaktion auf die Bakterien, innerhalb der nächsten 3–6 Wochen kleine Entzündungsherde, die sich zu Knötchen (Tuberkel) abkapseln. Diese Form wird als geschlossene Tuberkulose bezeichnet, da sie nicht ansteckend ist, und keine Krankheitserreger ausgeschieden werden. Eine aktive Infektion beginnt mit den allgemeinen Symptomen eines grippalen Infektes wie Fieber, Müdigkeit, Appetitmangel, Gewichtsabnahme und Krankheitsgefühl. Bei betroffenen Atemwegen können Husten, Atemnot und blutiger Auswurf auftreten. Kommt es zu einer Verteilung der Bakterien über die Blutbahn mit Beteiligung der Lunge und vieler Organe gleichzeitig, so spricht man von einer Miliartuberkulose. Auf diesem Weg kann auch eine tuberkulöse Meningitis (Hirnhautentzündung) entstehen. Infektionen durch M. bovis manifestieren sich sehr häufig im Verdauungstrakt (nach Genuss von nicht pasteurisierter Milch). PRÄVENTION: Da es keinen wirksamen Impfschutz gegen Tuberkulose gibt, ist die wichtigste Maßnahme, infizierte Personen rasch zu entdecken und effektiv zu behandeln. Nach Diagnose von Tuberkulose stellt die aktive Suche nach weiteren infizierten Personen im Umfeld der betroffenen Person (Familie, Bekanntenkreis, Arbeitsplatz, Personal in Gemeinschaftseinrichtungen usw.) eine unverzichtbare Voraussetzung zur Verringerung daraus folgender möglicher Erkrankungen sowie weiterer Neuinfektionen dar. TUBERKULOSE IN ÖSTERREICH Situation beim Menschen: Die Anzahl der kulturell bestätigten Tuberkulosefälle beim Menschen ist auch in den letzten Jahren ständig gesunken. Im Jahr 2007 wurden beim Menschen 507 Infektionen mit M. tuberculosis, ein Fall mit M. bovis und einer mit M. caprae bestätigt. Situation bei Lebensmitteln: Bei in Österreich geschlachteten Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen wurde im Jahr 2007 kein Fall von M. bovis festgestellt, in einem Rinderbestand wurde M. caprae nachgewiesen. Situation bei Tieren: Österreich erhielt 1999 von der EU den Status amtlich anerkannt frei von Tuberkulose OTF (= Officially Tuberculosis Free) den Rinderbestand betreffend. Das nationale Tuberkuloseüberwachungsprogramm basiert auf der gesetzlich vorgeschriebenen Schlachttier- und Fleischuntersuchung. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (Tuberkulose) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Seite 152 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch EU-FALLDEFINITION: (Mycobacterium-tuberculosis-Komplex) Klinische Kriterien Jede Person mit den folgenden beiden Befunden: mit aktiver Tuberkulose vereinbare Anzeichen, Symptome und/oder radiologische Befunde UND Beschluss eines Klinikers, eine vollständige Tuberkulosebehandlung durchzuführen. ODER Ein post mortem entdeckter Fall mit pathologischem Befund, der mit aktiver Tuberkulose vereinbar ist und der eine Indikation für eine antibiotische Tuberkulosebehandlung gebildet hätte, wenn die Diagnose vor dem Tod des Patienten gestellt worden wäre Laborkriterien Laborkriterien zur Fallbestätigung Mindestens einer der beiden folgenden Labortests: Isolierung eines der Erreger aus dem M.-tuberculosis-Komplex (außer Mycobacterium-bovis-BCG) aus einer klinischen Probe Nachweis von Nukleinsäure eines der Erreger aus dem M.-tuberculosis-Komplex in einer klinischen Probe UND positive Mikroskopie für säurefeste Bazillen oder gleichwertige fluoreszierend färbende Bazillen im Lichtmikroskop Laborkriterien für einen wahrscheinlichen Fall Mindestens einer der folgenden drei Labortests: Mikroskopie für säurefeste Bazillen oder gleichwertige fluoreszierend färbende Bazillen im Lichtmikroskop Nachweis von Nukleinsäure eines Erregers aus dem M.-tuberculosis-Komplex in einer klinischen Probe Histologische Erscheinung von Granulomen Epidemiologische Kriterien: entfällt Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien und die Laborkriterien für einen wahrscheinlichen Fall erfüllt C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien zur Fallbestätigung erfüllt Seite 153 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Typhus abdominalis, Paratyphus ERREGER: Erreger sind Salmonella enterica Serotyp Typhi bzw. Paratyphi A, B und C. Sie sind ausschließlich humanpathogen und gehören zur Familie der Enterobacteriaceae. Es handelt sich um gramnegative, bewegliche, begeißelte Bakterien, die nicht sporenbildend und fakultativ anaerob sind. Für die wichtigsten Serotypen (Serovare) der Salmonella enterica, so auch für Salmonella (S.) Typhi und S. Paratyphi, sind zur Feindifferenzierung verschiedene Systeme der Lysotypie verfügbar. Die Feintypisierung kann zur Aufklärung von Ausbruchsgeschehen beitragen, indem sie auf Infektionen aus gleicher Quelle hinweist. Salmonellen des Serotyps Paratyphi B können sowohl enteritische als auch systemische Verlaufsformen hervorrufen und werden demnach in zwei unterschiedliche Pathovare eingeteilt. Die unterschiedlichen klinischen Eigenschaften scheinen sich auch in biochemischen und molekularbiologischen Eigenschaften widerzuspiegeln: Der enteritische Pathovar (früher: S. Java) ist Tartrat positiv, SopE negativ, avrA positiv, während der systemische Pathovar Tartrat negativ, SopE positiv und avrA negativ ist. VORKOMMEN: Beide Erreger sind weltweit verbreitet. Die weltweite jährliche Inzidenz von Typhus abdominalis wird auf etwa 22 Millionen Erkrankungen und 200.000 Todesfälle geschätzt. In Bezug auf Paratyphus geht man von 5,5 Millionen Erkrankungsfällen aus. In Ländern mit unzureichenden hygienischen Bedingungen, z.B. in Afrika, Südamerika und Südostasien, sind besonders hohe Erkrankungszahlen sowie wiederholte Ausbrüche und Epidemien zu verzeichnen. (Anm.: Reiseanamnese!) RESERVOIR: Reservoir für S. Typhi und S. Paratyphi ist der Mensch. Bei der Verbreitung der Krankheit spielen klinisch inapparent erkrankte Personen und Dauerausscheider (s.u.) eine besondere Rolle. In seltenen Fällen können Haustiere Reservoir für S. Paratyphi B sein (z.B. Rinder). Die in den letzten Jahren zunehmend beobachteten S.-Paratyphi-B-Stämme aus Geflügelbeständen beispielsweise gehören zu den enteritischen Pathovaren, die im Gegensatz zum klassischen, systemischen Pathovar (s.o.) keine systemische ParatyphusErkrankung hervorrufen können. Es können lediglich leichtere klinische Symptome, wie z.B. Durchfälle, auftreten. INFEKTIONSWEG: Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch die Aufnahme von Wasser und Lebensmitteln, die durch Ausscheidungen (Stuhl, Urin) kontaminiert wurden. Eine direkte fäkal-orale Übertragung von Mensch-zu-Mensch ist möglich, aber von untergeordneter Bedeutung. Die minimale Infektionsdosis ist kleiner als bei den Enteritis-Salmonellen: die mittlere Infektionsdosis, die zu einer Erkrankung führt, beträgt 10 5 Keime. Allerdings ist die erforderliche Zahl der Keime abhängig von der Empfänglichkeit des Patienten (Alter, Immunitätslage, Grundleiden, pH-Wert des Magens) und vom Vehikel der Übertragung (Wasser oder Lebensmittel). Seite 154 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch INKUBATIONSZEIT: Typhus abdominalis: ca. 3–60 Tage; gewöhnlich 8–14 Tage Paratyphus: ca. 1–10 Tage DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Ansteckungsgefahr besteht durch Keimausscheidung im Stuhl ab ungefähr einer Woche nach Erkrankungsbeginn. Die Ausscheidung kann über Wochen nach dem Abklingen der Symptome anhalten und in 2–5% der Fälle in eine lebenslange symptomlose Ausscheidung übergehen. KLINISCHE SYMPTOMATIK: Typhus und Paratyphus gehören zu den zyklischen, systemischen Infektionskrankheiten. Typhus abdominalis: Das Prodromalstadium beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen zu einem hochfieberhaften Krankheitsbild mit Temperaturen zwischen 39° C und 41° C und einem deutlichen allgemeinen Krankheitsgefühl (Kopfschmerzen, beginnende Somnolenz, uncharakteristische Abdominalbeschwerden, Gliederschmerzen). Die hohen Temperaturen um 40° C können bis zu 3 Wochen anhalten (Kontinua). Es kann zunächst eine Verstopfung auftreten, später kommt es häufig zu erbsbreiartigen Durchfällen. Zwar typisch, aber nur selten zu sehen sind hellrote, stecknadelkopfgroße (2–4 mm), nichtjuckende Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie, die aber nicht obligat ist. Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierende Cholezystitis, thromboembolische Ereignisse, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis können auftreten. Bei nicht antibakteriell behandelten Patienten schließt sich u.U. eine verlängerte Phase der Rekonvaleszenz an. Bei weiterhin nachweisbaren subfebrilen Temperaturen ist mit dem Auftreten eines Rezidivs zu rechnen. Auch mehrfache Rezidive sind möglich. Bei Kindern unter 1 Jahr verläuft die Erkrankung schwerer und es treten häufiger Komplikationen auf. Nach überstandener Erkrankung scheiden 2–5% der Infizierten dauerhaft Erreger aus. Das bedeutet, dass Typhus- bzw. Paratyphus-Dauerausscheider (permanent carriers) länger als 6 Monate und zwar lebenslang Erreger ausscheiden. Sie können so eine Infektionsquelle für andere sein. Paratyphus: Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus, er ist jedoch bei Paratyphus meist leichter ausgeprägt. So treten häufiger gastroenteritische Verlaufsformen mit Durchfällen, Übelkeit, Erbrechen, abdominellen Schmerzen und Fieber bis 39° C auf. Die Krankheitsdauer beträgt 4–10 Tage. Eine überstandene Typhus-Erkrankung hinterlässt eine etwa ein Jahr anhaltende Immunität, die jedoch mit einer hohen Infektionsdosis jederzeit durchbrochen werden kann. DIAGNOSTIK: Typhus- und Paratyphus-Erkrankungen werden vielfach mit grippalen Infekten oder bei Tropenrückkehrern mit einer Malaria verwechselt. Bei jeder über 4 Tage dauernden hochfieberhaften Erkrankung ohne zunächst feststellbaren Organbefund müssen Typhus und Seite 155 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Paratyphus in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden, insbesondere nach Reisen oder längeren Aufenthalten in Typhus-Endemiegebieten. Erregernachweis: Die beweisende Diagnostik von Typhus oder Paratyphus ist der direkte Erregernachweis, der aus Blut, Knochenmark, Harn, Stuhl und Duodenalsekret erfolgen kann. Der Nachweis gelingt am sichersten mit kultureller Anzucht aus dem Blut (Blutkultur) im Stadium der Kontinua bei nicht antibiotisch behandelten Patienten. Stuhlkulturen sind in dieser Zeit häufig negativ, sie werden in etwa 75% der Fälle in der 2. oder 3. Woche positiv. Isolierte Stämme sollten im Interesse der nationalen Surveillance an das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger übersandt werden. Antikörpernachweis: Der einfachste Test ist die Bestimmung agglutinierender Antikörper gegen S.-Typhi-O- oder -H-Antigene im Serum (Widal-Test). Dieser Test ist jedoch hinsichtlich der Sensitivität und Spezifität nicht ausreichend und nur in engem Zusammenhang mit einer klinisch oder epidemiologisch gesicherten Typhus-Erkrankung aussagekräftig. Titer ab 1:2.000 oder ein 4-facher Titeranstieg können außerhalb der Endemiegebiete als serologischer Hinweis auf eine Infektion gewertet werden. THERAPIE: Bei Typhus und Paratyphus muss mit schweren klinischen Krankheitsbildern gerechnet werden. An Typhus oder Paratyphus Erkrankte sollten in jedem Fall antibiotisch behandelt werden. Besonders geeignet ist eine Therapie mit dem Gyrasehemmer Ciprofloxacin (nur für Erwachsene) oder mit einem Breitspektrum-Cephalosporin wie z.B. Ceftriaxon über einen Zeitraum von 2 Wochen. Zur Sanierung von Dauerausscheidern wird die Gabe von Ciprofloxacin über einen Zeitraum von 4 Wochen empfohlen. Gute Erfolge werden auch durch eine Therapie mit Ceftriaxon für 2 Wochen erzielt. Bei Dauerausscheidern mit Gallensteinen kann eine chirurgische Sanierung mittels Cholecystektomie (nur unter gleichzeitiger Antibiotikatherapie) erforderlich sein. PRÄVENTIV- UND BEKÄMPFUNGSMAßNAHMEN 1. Präventive Maßnahmen Typhus-Erreger werden in den meisten Fällen über Trinkwasser übertragen; in Endemiegebieten sollten Leitungswasser und damit hergestelltes Eis für Getränke nach Möglichkeit gemieden werden. Auch rohe oder nicht ausreichend erhitzte Speisen, wie Blattund Feinkostsalate, Meeresfrüchte, ungeschältes Obst oder Säfte können mit Typhus- und Paratyphus-Erregern kontaminiert sein. Es gilt deshalb in besonderer Weise die alte Regel erfahrener Tropenreisender „Peel it, cook it, or forget it!“ („Schäle es, koche es oder vergiss es!“). Im Übrigen gelten die allgemeinen küchenhygienischen Regeln zur Verhinderung der Kontamination und Vermehrung von Krankheitserregern in Lebensmitteln. Impfung: Es stehen ein oral und ein parenteral zu applizierender Impfstoff gegen Typhus zur Verfügung, die besonders vor Reisen in die Endemiegebiete Asiens, Südamerikas und Nordafrikas, speziell bei einfachen Lebensbedingungen, sowie bei Ausbrüchen oder Katastrophen indiziert sind. Seite 156 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen An Typhus oder Paratyphus erkrankte Personen sollten antibiotisch und – in der Regel – in einem Krankenhaus behandelt werden (Ausnahmen: leichter Verlauf, gute Betreuung). Die Pflege der Patienten erfordert strikte hygienische Bedingungen, z.B. Unterbringung im Einzelzimmer, wirksame Händehygiene, Kitteltausch nach jedem Patienten. Bei einer Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben oder Gemeinschaftseinrichtungen sind nach einer Erkrankung spätere Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss einer langfristigen Ausscheidung sinnvoll. Bei Ausscheidern von S. Typhi oder S. Paratyphi ist eine Belehrung über hygienische Verhaltensregeln und die Vermeidung von Infektionsrisiken erforderlich; eine Sanierung sollte angestrebt werden (ggf. in einer Einrichtung mit spezieller Erfahrung). Im Falle der beabsichtigten Aufnahme in ein Heim kann im Einverständnis mit der Einrichtung meist in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt eine individuelle Regelung (sanitärhygienische Bedingungen, Verhaltensanforderungen) getroffen werden (z.B. eigene Toilette). Die Übertragung von S. Typhi und S. Paratyphi kann wirksam durch das Vermeiden von fäkaloralen Schmierinfektionen, vor allem durch eine effektive Händehygiene (gründliches Waschen der Hände nach jedem Stuhlgang und vor der Zubereitung von Mahlzeiten, Verwendung von Einmal-Papierhandtüchern, Desinfektion mit alkoholischem Händedesinfektionsmittel), verhütet werden. Eine wirksame postexpositionelle Prophylaxe ist nicht bekannt. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist das schnellstmögliche Ermitteln der Infektionsquelle bzw. des übertragenden Vehikels entscheidend, um Maßnahmen zur Erfassung der möglicherweise Infizierten und zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das zuständige Gesundheitsamt muss daher unverzüglich informiert werden. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung durch bestimmte Lebensmittel, muss die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde sofort in Kenntnis gesetzt werden. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17. Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (Typhus, Paratyphus) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINTION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der beiden folgenden Anzeichen: Anhaltendes Fieber Mindestens zwei der folgenden vier Symptome: Kopfschmerzen Relative Bradykardie Husten ohne Auswurf Durchfall, Verstopfung, Unwohlsein oder Bauchschmerzen Paratyphoides Fieber hat die gleichen Symptome wie typhoides Fieber, allerdings meist einen milderen Verlauf. Seite 157 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Laborkriterien Isolierung von Salmonella typhi oder paratyphi aus einer klinischen Probe Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden drei epidemiologischen Zusammenhänge: Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 158 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Verotoxinbildende Escherichia coli (ZoonG Anhang 1-A) (VTEC/STEC, EHEC) ERREGER: Verotoxin bildende Escherichia (E.) coli (VTEC) sind durch ihre Fähigkeit zur Bildung bestimmter Toxine (Giftstoffe) gekennzeichnet. Anhand ihrer unterschiedlichen Antigenstrukturen werden sie in verschiedene Serovare eingeteilt. Als bedeutendstes Serovar gilt VTEC O157:H7. Die Bakterien sind empfindlich gegen Hitze, überleben jedoch gut in gefrorenen Lebensmitteln und im sauren Milieu. Die Ausdrücke VTEC und Shigatoxin bildende E. coli (STEC) werden als Synonyme verwendet. Historisch werden diejenigen VTEC als enterohämorrhagische E. coli (EHEC) bezeichnet, die - meist aufgrund zusätzlicher Pathogenitätsfaktoren (z.B. Intimin) - in der Lage sind, schwere Erkrankungen (hämorrhagische Kolitis und hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)) hervorzurufen. VORKOMMEN: VTEC-Infektionen treten weltweit auf. ERREGERRESERVOIR: Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer (z.B. Rehe und Hirsche), werden als wichtiges Reservoir und Hauptinfektionsquelle für VTEC beim Menschen angesehen. Vereinzelt wurde nachgewiesen, dass auch andere landwirtschaftliche Nutztiere sowie Heimtiere VTEC ausscheiden. Die Bedeutung von NichtWiederkäuern für die Verbreitung des Erregers und für Infektionen beim Menschen wird aber als gering eingeschätzt. INFEKTIONSWEG: VTEC-Infektionen können auf vielfältige Art und Weise übertragen werden. Dabei handelt es sich stets um die unbeabsichtigte orale Aufnahme von Fäkalspuren, wie z.B. bei Kontakt zu Wiederkäuern oder beim Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Darüber hinaus können VTEC durch kontaminiertes Wasser (z.B. beim Baden) übertragen werden. Auch Mensch-zuMensch-Übertragungen sind im Gegensatz zu anderen bakteriellen Gastroenteritis-Erregern ein bedeutender Übertragungsweg - wahrscheinlich begünstigt durch die sehr geringe Infektionsdosis von VTEC (<100 Erreger für VTEC O157). Bei Kindern unter drei Jahren – der Altersgruppe mit der höchsten Meldeinzidenz für VTECund HUS-Erkrankungen – birgt der direkte Kontakt zu einem Wiederkäuer (Rind, Schaf, oder Ziege) das höchste Erkrankungsrisiko. Weitere Risikofaktoren sind der Konsum von Rohmilch und das Vorkommen von Durchfall bei Familienmitgliedern (Mensch-zu-MenschÜbertragung). Bei Kindern über neun Jahren und Erwachsenen hingegen handelt es sich wahrscheinlich in erster Linie um eine lebensmittelbedingte Erkrankung, wobei insbesondere der Verzehr von Lammfleisch und von streichfähigen Rohwürsten (Zwiebelmettwurst, Streichmettwurst, Teewurst) mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko behaftet ist. Seite 159 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch International wurden seit der Erstbeschreibung der Erreger im Jahr 1977, insbesondere durch Ausbruchsuntersuchungen, eine Vielzahl von Vehikeln bzw. Übertragungswege für menschliche VTEC-Erkrankungen nachgewiesen. In den USA beispielsweise waren über 50% der Ausbrüche lebensmittelbedingt, und Rinderhackfleisch (z.B. in Hamburgern) war das am häufigsten identifizierte Lebensmittel. Aber auch andere Lebensmittel wie Salami, Mettwurst, Rohmilch, nicht pasteurisierter Apfelsaft und roh verzehrtes grünes Blattgemüse (z.B. Sprossen, Spinat) waren für Ausbrüche verantwortlich, wie epidemiologische und mikrobiologische Untersuchungen gezeigt haben. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit beträgt ca. 2 bis 10 Tage (durchschnittlich 3–4 Tage). Diese Erkenntnisse beruhen im Wesentlichen auf Untersuchungen zu VTEC der Serogruppe O157. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange VTEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden. Angaben zur durchschnittlichen Dauer der Keimausscheidung liegen nur für die Serogruppe O157 vor und variieren deutlich von einigen Tagen bis zu mehrere Wochen. Allgemein gilt, dass der Erreger bei Kindern länger im Stuhl nachgewiesen werden kann als bei Erwachsenen. Mit einer Ausscheidungsdauer über einen Monat bei klinisch unauffälligem Bild muss daher gerechnet werden. SYMPTOMATIK: VTEC-Infektionen können klinisch inapparent verlaufen und somit unerkannt bleiben. Die Mehrzahl der manifesten Erkrankungen tritt als unblutiger, meistens wässriger Durchfall in Erscheinung. Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Abdominalschmerzen, seltener Fieber. Bei 10-20% der Erkrankten entwickelt sich als schwere Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit krampfartigen Abdominalschmerzen, blutigem Stuhl und teilweise Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und abwehrgeschwächte Personen erkranken häufiger schwer. Gefürchtet ist das vor allem bei Kindern vorkommende HUS, das durch die Trias hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Nierenversagen bis zur Anurie charakterisiert ist. Diese schwere Komplikation tritt in etwa 5-10% der symptomatischen VTEC-Infektionen auf und ist der häufigste Grund für akutes Nierenversagen im Kindesalter. Hierbei kommt es häufig zur kurzzeitigen Dialysepflicht, seltener zum irreversiblen Nierenfunktionsverlust mit chronischer Dialyse. Die Letalität in der Akutphase des HUS liegt bei ungefähr 2%. DIAGNOSTIK: Eine VTEC-Infektion sollte bei jeder akuten Gastroenteritis im Kindesalter differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden. Dies gilt, unabhängig vom Alter, auch für Ausbrüche von Gastroenteritis (zwei oder mehr Erkrankungen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird). In folgenden Situationen besteht stets die Indikation zur mikrobiologischen Untersuchung einer Stuhlprobe auf VTEC: Diarrhö und eine der folgenden Bedingungen: a) Wegen Diarrhö hospitalisierte Kinder bis zum 6. Lebensjahr b) Sichtbares Blut im Stuhl c) Endoskopisch nachgewiesene hämorrhagische Kolitis Seite 160 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch d) Patient ist direkt mit Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln befasst oder arbeitet in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit/zur Gemeinschaftsverpflegung e) Kontaktpersonen von Patienten mit HUS f) Pädiatrische Patienten mit akutem Nierenversagen PRÄVENTION: Lebensmittel (AGES 2007)9 Lebensmittel: Da als Reservoir der Bakterien landwirtschaftlich genutzte Tiere gelten, ist die strikte Einhaltung von Hygienevorschriften bei Gewinnung, Verarbeitung, Lagerung, Transport und Verkauf von tierischen Lebensmitteln von großer Bedeutung, z. B. Händewaschen nach Tierkontakt und vor Nahrungsaufnahme. 1. Allgemeine Maßnahmen Besonderes Augenmerk sollte auf Maßnahmen zur Vermeidung von VTEC-Infektionen durch Tierkontakt gelegt werden. Für Streichelzoos oder Bauernhöfe mit Publikumsverkehr gelten spezielle Empfehlungen (Epid. Bull. 1/2005). Der wesentliche Aspekt hierbei ist die enge Supervision von Kindern; Finger sollten nach Tier- oder Bodenkontakt nicht in den Mund gesteckt, sondern gründlich mit warmem Wasser und Seife gereinigt werden. Speisen und Getränke sollten nur außerhalb der Tierkontaktzonen eingenommen werden. Weitere Präventionsmaßnahmen betreffen die Vermeidung von Mensch-zu-MenschÜbertragungen (siehe unter 2.) und den sicheren Umgang mit Lebensmitteln. Im Besonderen sollten rohe Lebensmittel tierischer Herkunft und andere leicht verderbliche Lebensmittel (z.B. Fleisch, Mettwurst, Wurstaufschnitt, Milch und Milcherzeugnisse, Feinkostsalate) stets bei Kühlschranktemperatur gelagert werden. Bei der Zubereitung von Lebensmitteln (insbesondere Fleisch) sollte beachtet werden, dass die Speisen gut durchgegart sind (Kerntemperatur mindestens 70° C für 10 Minuten). Zudem sollte Fleisch zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen möglichst nicht zeitgleich mit anderen, unmittelbar zum Verzehr bestimmten Lebensmitteln, auf keinen Fall jedoch unter Verwendung derselben Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen, zubereitet werden, solange letztere nicht vor Weiterverwendung gründlich gereinigt wurden. Die Hände sollten zwischenzeitlich ebenfalls gewaschen werden. Milch sollte nicht in rohem Zustand, sondern nur nach Wärmebehandlung verzehrt werden. Insbesondere Kinder und ältere Menschen sollten Lebensmittel tierischer Herkunft grundsätzlich nur durchgegart oder nach Anwendung eines anderen Bakterien abtötenden Verfahrens zu sich nehmen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass sich auch Schwangere und immunsupprimierte Personen daran halten sollen. Auf den Genuss von Lebensmitteln tierischer Herkunft, die weder bei der Herstellung noch vor dem Verzehr erhitzt oder einem anderen Bakterien abtötenden Verfahren unterzogen werden können, z.B. frische Mettwurst oder Rohmilchkäse, sollten diese Personen (auch wegen der Möglichkeit anderer bakterieller Kontaminanten) verzichten. Wenn nicht bekannt ist, ob es sich im konkreten Fall um ein Rohfleischerzeugnis bzw. um ein Rohmilchprodukt handelt, sollten entsprechende Informationen eingeholt werden. Seite 161 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2. Vermeidung der Weiterverbreitung - Maßnahmen für Patienten, Ausscheider und Kontaktpersonen Die Übertragung von VTEC-Bakterien von Erkrankten auf Gesunde im Rahmen einer fäkaloralen Schmierinfektion muss durch eine effektive Händehygiene verhütet werden. Während der Erkrankungsdauer ist eine regelmäßige Desinfektion von Handkontaktflächen (z. B. Gegenstände, Flächen, Sanitäranlagen) durchzuführen, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein könnten. Abhängig von der Schwere der Symptomatik und dem Alter des Patienten ist eine Kontaktisolierung bei stationärer Versorgung und Personalschutz empfehlenswert. Im Haushalt Übertragungen von gastroenteritischen Infektionen im Haushalt betreffen häufig (Geschwister-)Kinder. Da sie zudem das höchste Risiko zur Ausbildung eines HUS tragen, sollte der primäre Fokus der Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung im Haushalt auf Kinder ausgerichtet sein. Eine effektive Händehygiene und die Desinfektion von Handkontaktflächen bilden die zentralen Maßnahmen (s. oben). Hierbei spielt insbesondere die Zeitnähe der Maßnahmen eine wichtige Rolle. Mit Stuhl oder Erbrochenem kontaminierte Gegenstände, Kleidungsstücke oder Flächen sollten umgehend gereinigt und desinfiziert werden. Betrifft die VTEC-Infektion einen Erwachsenen, sollte eine effektive Händehygiene auch vor jeder Zubereitung von Speisen erfolgen. Krankenhäuser u. a. Gemeinschaftseinrichtungen Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von VTEC beruhen auf drei Säulen: Die strikte Einhaltung der Händehygiene, die Isolierung der Patienten und eine gezielte Desinfektion aller Handkontaktflächen. DIE SITUATION IN ÖSTERREICH (AGES 2007)9 Situation beim Menschen: Im Jahr 2007 wurden in humanem Untersuchungsmaterial 93-mal VTEC identifiziert. Bei 16 dieser 93 humanen Fälle traten schwere Komplikationen in Form des hämolytischurämischen Syndroms (HUS) auf. Situation bei Lebensmitteln: Im Jahr 2007 wurden VTEC in drei von 269 getesteten Fleischproben gefunden: es handelte sich um vier unterschiedliche Serovare (0135:H4, 022:H8, 022:H40, 091:H21). Dabei stammte eine Probe von Rindsgulaschfleisch und zwei von gemischtem Faschierten. In keiner der 112 getesteten Proben aus roher Kuh-, Schaf- bzw. Ziegenmilch konnte VTEC nachgewiesen werden. Situation bei Tieren: Seit 2004 werden alljährlich österreichweit gemäß der nationalen Verordnung über Überwachungsprogramme hinsichtlich ausgewählter Erreger bei Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen und Geflügel (BGBl. II Nr. 81/2005), Rinder und Schafe im Zuge eines MonitoringProgramms auf das Vorkommen von VTEC untersucht. Die Stichprobenziehung erfolgte nach einem randomisierten Probenplan von Jänner bis Dezember 2007. Seite 162 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Aus einem der 44 untersuchten Darminhalte von geschlachteten Kälbern konnten 2 unterschiedliche Serotypen isoliert werden (VTEC O150:H- und VTEC O150:H30). Bei 2 von 48 Schafkotproben konnte das Verotoxin nach Anreicherung zwar nachgewiesen, aber der Erreger nicht bakteriologisch isoliert werden. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien STEC/VTEC-Durchfall Jede Person mit mindestens einem der beiden folgenden Symptome: Durchfall Bauchschmerzen Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) Jede Person mit akutem Nierenversagen und mindestens einem der beiden folgenden Befunde: mikroangiopathische hämolytische Anämie Thrombozytopenie Laborkriterien Mindestens einer der folgenden drei Labortests: Isolierung von Shigatoxin/Verotoxin (STEC/VTEC)-produzierenden E. coli Nachweis von Nukleinsäure von stx1- oder stx2-Gen(en) Nachweis freier Shigatoxine Nur bei HUS kann das folgende als Laborkriterium zur Bestätigung von STEC/VTEC verwendet werden: E.-coli-Serogruppen-spezifische Antikörperreaktion Wenn möglich, sollten eine Isolierung und zusätzliche Charakterisierung nach Serotyp, Phagentyp, eae-Genen und Subtypen von stx1/stx2 erfolgen Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden fünf epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung vom Tier auf den Menschen Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Seite 163 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Fallklassifizierung A) Möglicher Fall eines STEC-assoziierten HUS: Jede Person, die die klinischen Kriterien für HUS erfüllt B) Wahrscheinlicher Fall von STEC/VTEC: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist oder ein Fall mit Laborbestätigung ohne klinische Kriterien C) Bestätigter Fall von STEC/VTEC: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 164 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Nachfolgend Krankheiten, die nicht im Anhang zum ZoonG angeführt sind, aber im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen und der Abgrenzung gegenüber Zoonosen relevant sein können: Amöbenruhr ERREGER: Entamoeba histolytica (Protozoa, Rhizopoda). VORKOMMEN: Die Amöbiasis ist weltweit verbreitet, kommt aber vor allem in Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen vor. INFEKTIONSWEG: Die Infektion erfolgt in der Regel fäkal-oral über kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser. Der Erreger kann aber auch durch anal-orale Sexualpraktiken übertragen werden. Extraintestinale Manifestationen entstehen durch hämatogene Dissemination. Die Inkubationszeit ist sehr unterschiedlich, zwischen wenigen Tagen und mehreren Monaten; in Einzelfällen sind Inkubationszeiten von mehreren Jahren beschrieben. SYMPTOMATIK: Neben asymptomatischen Infektionen reichen die intestinalen Beschwerden von milden Verlaufsformen bis hin zu fulminanten Erkrankungen mit Fieber und blutig-schleimigen Durchfällen. Typischerweise findet sich eine ulzerative Kolitis vor allem im distalen Kolon. Eine wichtige lokale Komplikation stellt die Darmperforation mit nachfolgender Peritonitis dar. Amöben können die Darmschleimhaut durchdringen und hämatogen in andere Organe streuen. Die häufigste Form der extraintestinalen Amöbiasis ist der Leberabszess. Hierbei handelt es sich um ein schweres Krankheitsbild mit Fieber, Oberbauchbeschwerden und Gewichtsverlust. Die Leber ist bei 50% der Patienten vergrößert und druckdolent. Zusätzlich können gastrointestinale Symptome vorhanden sein, über eine Diarrhö klagt aber höchstens ein Drittel der Patienten und oft sind intestinale Symptome nicht zu eruieren. Durch Perforation in benachbarte Organe können Lungenabszesse und Perikardergüsse entstehen. Grundsätzlich können durch hämatogene Streuung alle Organe betroffen werden. Entsprechend der Ausdehnung und Lokalisation der Abszesse treten verschiedene Symptome auf. DIAGNOSTIK: Da E. histolytica morphologisch nicht von anderen apathogenen Darmamöben wie E. dispar oder E. moshkovskii unterschieden werden kann, ist der Nachweis von Zysten oder Vegetativformen in Stuhlproben nicht ausreichend. Es sollte immer eine Differenzierung z. B. mittels DNS-Analyse angestrebt werden. Bei extraintestinalen Manifestationen bildgebende Verfahren sowie serologischer Nachweis spezifischer Antikörper (ELISA, IFT, PHA). (Arbeiten mit dem Erreger erfordern Sicherheitslaboratorien der Klasse 2.) Differenzialdiagnose: andere infektiöse Darmerkrankungen (Shigellenruhr, Campylobacter, E. coli, Salmonellen), Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Abszesse anderer Ursachen, Echinokokkuszysten, gut- und bösartige Tumoren im Darm. Seite 165 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch PRÄVENTION: Zur Prophylaxe gehören allgemeine Maßnahmen der Nahrungsmittel- und Körperhygiene, Trinkwasseraufbereitung, Therapie von Ausscheidern. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (Amöbenruhr) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Seite 166 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Bacillus cereus ERREGER : Erreger der Bacillus cereus (B. cereus) Gruppe sind gram positive Stäbchen, Wachstum fakultativ aerob, mit der Fähigkeit zur Sporenbildung. Zu dieser Gruppe werden B. megaterium, B. cereus, B. weihenstephanensis, B. mycoides, B. pseudomycoides, B. anthracis und B. thuringensis gezählt. Wahrscheinlich handelt es sich bei allen Mitgliedern der Gruppe um potenzielle Toxinbildner. VORKOMMEN : Die Bakterien dieser Gruppe sind in der Natur weit verbreitet (Boden, Staub, Pflanzen, Tierhaare) und können häufig (rund 50% verschiedener Lebensmittel) in Lebensmitteln in Keimzahlen zum Teil über 1000/g nachgewiesen werden. Die Fähigkeit zur Sporenbildung ermöglicht diesen Bakterien die Vermehrung auch nach üblichen Kochprozessen, in Produkten im pH-Bereich 5.0 bis 8.0, Optimum 6.0 bis 7.0. Es existieren auch psychrotrophe Stämme (B. weihenstephanensis), die die Fähigkeit haben auch bei Temperaturen unter 7° C zu wachsen. INFEKTIONSWEG : Bei der emetischen Form handelt es sich nicht um eine Infektion, sondern um eine Lebensmittelvergiftung durch die Aufnahme ausreichender Toxinmengen mit der Nahrung. Das Diarrhö-Syndrom wird durch die Aufnahme toxinproduzierender Bakterien über Lebensmittel verursacht, die Produktion des Toxins findet im Darm statt. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit beträgt bei der emetischen Form wenige Stunden, das in der Nahrung vorhandene Toxin wird unmittelbar wirksam. SYMPTOMATIK: Die emetische Form: wird durch ein hitzestabiles (Aufwärmen!) Toxin (Cereulid, vermutlich unter 10° C nicht produziert) verursacht, das in der Regel präformiert im Lebensmittel, vor allem Reis und Nudeln, vorliegt und nach kurzer Inkubationszeit zu Übelkeit und Erbrechen führt. Krankheitsdauer 6-24 Stunden, die Vergiftung klingt meist ohne bleibende Schäden ab. Nur vereinzelt werden Todesfälle berichtet. Entscheidend ist die Menge des aufgenommenen Toxins. Die zur Toxinproduktion erforderliche Infektionsdosis (Bakterienmenge im Lebensmittel) liegt zwischen etwa 10 5 bis 108 Bakterien/g. Die im verzehrten Lebensmittel nachgewiesenen Bakterienmengen können durch den Kochvorgang (hitzestabiles Toxin!) jedoch wieder deutlich niedriger sein. Das Diarrhö-Syndrom: Es wird angenommen, dass das (hitzelabile) Toxin erst im Darm nach Verzehr von mit Bakterien oder Sporen belasteten Lebensmitteln entsteht, bekannt sind mehrere verschiedene (mindestens vier) Toxine. Acht bis sechzehn Stunden nach Verzehr der Lebensmittel kommt es zu einem wässrigen Durchfall mit Bauchschmerzen, wenige tödliche Verläufe sind bekannt. Seite 167 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Entscheidend ist die Anzahl der aufgenommenen Bakterien oder Sporen (Infektionsdosis: 105 bis 107 Bakterien). PRÄVENTION: Entscheidend sind küchenhygienische Maßnahmen. Auch gekochte Speisen sollten nicht mehrere Stunden ungekühlt bei Raumtemperatur gelagert werden. Wenn B. cereus-Sporen in Ausgangsprodukten vorhanden sind, können diese Kochtemperaturen überstehen. Bei mehrstündiger ungekühlter Lagerung kann es zu einer Vermehrung der Bakterien und zur Produktion von emetischem Toxin kommen. Auf die Kühltemperaturen ist besonders zu achten. Kühlschränke sollten auf 5° C oder darunter eingestellt sein, große Speisenmengen sollten zur rascheren Abkühlung auf kleinere Portionen aufgeteilt werden. Diese Grundsätze sind auch bei der Herstellung von Säuglingsnahrung wesentlich; die diesbezüglichen Herstellerangaben sollten unbedingt beachtet werden Seite 168 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Rotaviren ERREGER: Rotaviren gehören zur Familie Reoviridae. Es handelt sich um nichtumhüllte Viruspartikel (Durchmesser etwa 75 nm), die strukturell dreischichtig sind (äußeres und inneres Kapsid und Core-Schale). Man unterscheidet 7 Serogruppen (A–G). Rotaviren der Gruppe A kommt weltweit die größte epidemiologische Bedeutung zu. VORKOMMEN: Rotaviren sind die häufigste Ursache viraler Darminfektionen bei Kindern. In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Dies basiert auf einer besonders hohen Empfänglichkeit aufgrund noch fehlender Immunität (im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit dem Erreger rasch zunehmend Antikörper gebildet). Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind Rotaviren die Hauptursache für nosokomiale Darminfektionen. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den Monaten Februar bis April am höchsten. Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen – meist milder verlaufend – vor allem als Reisediarrhö, bei Eltern erkrankter Kinder oder im Rahmen von Ausbrüchen in Altenheimen in Erscheinung. Bei Personen über 60 Jahren nimmt die Erkrankungshäufigkeit zu. In Entwicklungsländern haben Rotaviruserkrankungen eine besondere Bedeutung, weil sie maßgeblich zur Mortalität im Kindesalter beitragen. Es wird geschätzt, dass in Afrika, Asien und Lateinamerika jährlich über 100 Millionen Kinder erkranken und etwa 600.000 bis zu einer Million Kinder durch Rotavirusinfektionen sterben. RESERVOIR: Hauptreservoir für Rotaviren ist der Mensch. Rotaviren sind auch bei Haus- und Nutztieren gefunden worden, doch besitzen die hier vorkommenden Viren wahrscheinlich eine geringe Bedeutung für Erkrankungen von Menschen. INFEKTIONSWEG: Rotaviren werden fäkal-oral besonders durch Schmierinfektion, aber auch durch kontaminiertes Wasser und Lebensmittel übertragen. Das Virus ist sehr leicht übertragbar; bereits 10 Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 109–1011 Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Subklinisch Erkrankte (vor allem Neugeborene und Erwachsene) sind als Überträger des Virus wichtig. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 3 Tage. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während des akuten Krankheitsstadiums und solange das Virus mit dem Stuhl ausgeschieden wird. In der Regel erfolgt eine Virusausscheidung nicht länger als 8 Tage, in Einzelfällen (z.B. Frühgeborene, Immundefiziente) wurden jedoch auch wesentlich längere Virusausscheidungen beobachtet. Seite 169 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch KLINISCHE SYMPTOMATIK: Zur Pathogenese: Das Virus vermehrt sich in den differenzierten Epithelzellen an den Spitzen der Dünndarmzotten. Nekrose und Abstoßung der oberen Zellschicht führen dabei zur Malabsorption, die anschließende reaktive Hyperplasie wird von einer verstärkten Sekretion begleitet. Die Symptomatik der Rotavirusinfektionen reicht von subklinischen Infektionen über leichte Diarrhöen bis zu schweren Erkrankungen. Die Erkrankung beginnt akut mit wässrigen Durchfällen und Erbrechen. Im Stuhl findet man oft Schleimbeimengungen. Fieber und abdominelle Schmerzen können auftreten. Die Rotavirus-bedingte Enteritis kann klinisch nicht von anderen infektionsbedingten Gastroenteritiden unterschieden werden. Sie verläuft bei Säuglingen und Kleinkindern durchschnittlich schwerer als Durchfallerkrankungen durch andere Erreger. Die gastrointestinalen Symptome bestehen in der Regel 2 bis 6 Tage. In mehr als der Hälfte der Fälle sind unspezifische respiratorische Symptome zu beobachten. Kompliziert sind die Erkrankungen, in deren Verlauf es zur Dehydratation kommt. Diese kann, wenn nicht rechtzeitig adäquat behandelt wird, zur Todesursache werden. Nach Ablauf der Infektion lässt sich eine im Wesentlichen serotypspezifische, humorale Immunität nachweisen, die jedoch nicht dauerhaft ist. DIAGNOSTIK: Die labordiagnostische Methode der Wahl ist der Nachweis eines gruppenspezifischen Antigens des inneren Kapsids aus dem Stuhl mit dem „Enzym-Immun-Test“ (EIA). Der direkte Virusnachweis mittels Elektronenmikroskopie ist leicht möglich, wird aber wegen des hohen Aufwandes nur selten durchgeführt (ein Vorteil dieses Verfahrens ist die breite virale Differenzialdiagnostik). Die Virusanzucht ist schwierig und daher keine Routinemethode. Infektketten können am besten durch molekularbiologische Untersuchungsverfahren (RT-PCR Reverse Transkription-Polymerasekettenreaktion und Sequenzierung des Amplifikats) rekonstruiert werden. Aussagekräftige serologische Standardtests existieren nicht. THERAPIE: In der Regel ist eine orale Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ausreichend. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ergibt sich, wenn eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr erforderlich ist. Eine antivirale Therapie existiert nicht. Antibiotika und Mittel, die die Darmmotilität hemmen, sind nicht indiziert. PRÄVENTIV- UND BEKÄMPFUNGSMASSNAHMEN: 1. Präventive Maßnahmen, Impfung Derzeit wird davon ausgegangen, dass nach einer Grundimmunisierung ein Schutz gegen Rotavirusinfektionen für eine Dauer von 2–3 Saisons besteht. Bei älteren Kindern und bei Erwachsenen stehen weiterhin ergänzende präventive Maßnahmen im Vordergrund. Die Ausbreitung von Rotavirusinfektionen in Kinderkliniken, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen kann dabei nur durch das strikte Befolgen konsequenter Hygienevorschriften verhindert werden. Ziel ist es, den fäkal-oralen Übertragungsweg zu unterbrechen. Die Händehygiene muss besonders beachtet werden! Praxiserfahrungen zeigen, dass Folgeinfektionen u.U. nur sehr schwer zu verhindern sind. Das Virus bleibt auf kontaminierten Oberflächen oder Händen lange infektionstüchtig. Seite 170 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege sind, insbesondere in der symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten: Absonderung der erkrankten Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von Handschuhen und Schutzkittel zur Vermeidung einer Infektion, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion von patientennahen Flächen und häufigen Handkontaktflächen (z.B. Türgriffe) sowie Toiletten und Waschbecken. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Beim Auftreten von Rotaviruserkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen oder Altenheimen bildet die rasche klinische Abgrenzung auftretender Rotavirusinfektionen von anderen, z.B. durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, die Grundlage einer effektiven Ausbruchsprävention. Wenn die typische Symptomatik und die epidemiologischen Merkmale auf eine Rotavirusinfektion hindeuten, sollten aufgrund der epidemischen Potenz präventive Maßnahmen rasch und konsequent ergriffen werden, auch ohne die Bestätigung durch virologische Untersuchungen abzuwarten. Es empfiehlt sich, dass erkrankte Personen während der symptomatischen Phase keine betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben sollten. Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen sind: Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; gegebenenfalls Kohortenisolierung; Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel (siehe auch Punkt 2) und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen und Schutzkittel; Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor Verlassen des Isolationszimmers; Tägliche (in Sanitärbereichen ggf. häufigere) Wischdesinfektion aller patientennahen Kontaktflächen inkl. Türgriffen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder Aldehyde bevorzugt werden); Kontaminierte Flächen (z.B. mit Stuhl) sofort gezielt desinfizierend reinigen; Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren; Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack transportieren und in einem (chemo-thermischen) Waschverfahren ≥ 60° C reinigen; Geschirr (in der Regel) wie üblich maschinell reinigen; Kontaktpersonen (z.B. Besucher, Familie) auf die mögliche Mensch-zu-MenschÜbertragung durch Kontakt hinweisen und in der korrekten Händedesinfektion unterweisen; Minimierung der Patienten- und Bewohnerbewegung zwischen den Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu verhindern (Hinweis auf die Infektionsgefahr bei notwendiger Verlegung eines Erkrankten auf eine andere Station); Strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die aufnehmende Institution ist vorab zu informieren. Seite 171 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Rotavirusausbruches für Neuaufnahmen von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder geöffnet werden. Bei größeren Ausbrüchen ist es nicht notwendig, bei allen Betroffenen eine Diagnostik durchzuführen. In diesen Fällen genügt der Nachweis in der Regel bei maximal 5 der betroffenen Personen, um dann bei den anderen Erkrankten aus der gleichen Umgebung mit ähnlichen Symptomen ebenfalls eine Rotavirusinfektion zu diagnostizieren. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass hygienische Maßnahmen auch nach Sistieren der akuten Symptomatik von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Erregernachweis im Stuhl kann noch über längere Zeit nach Abklingen der Symptomatik positiv sein. Auf eine sorgfältige Händehygiene muss daher im Folgezeitraum geachtet werden. Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei geringen gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst frühestens 2 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorgfältiger Beachtung der Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der Virusausscheidung ist nicht angezeigt. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe dazu Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (virale Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. RKI-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Klinisches Bild einer Rotavirus-Erkrankung, definiert als mindestens eines der beiden folgenden Kriterien: Durchfall Erbrechen Zusatzinformation Bei impfpräventablen Krankheiten sollten stets Angaben zur Impfanamnese (Anzahl der vorangegangenen Impfungen, Art und Datum der letzten Impfung) erhoben (z.B. Impfbuchkontrolle) und übermittelt werden Laborkriterien Positiver Befund mit mindestens einer der drei folgenden Methoden: Direkter Erregernachweis nur im Stuhl Antigennachweis (z.B. ELISA, einschließlich Schnelltest) Nukleinsäure-Nachweis (z.B. PCR) Elektronenmikroskopie Seite 172 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Epidemiologische Kriterien Epidemiologischer Zusammenhang durch Übertragung von Mensch zu Mensch Inkubationszeit: ca. 24-72 Stunden Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 173 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Shigellose ERREGER: Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie) sind unbewegliche, gramnegative Bakterien der Familie der Enterobacteriaceae, Gattung Shigella. Es besteht eine enge Verwandtschaft zu Escherichia coli. Sie werden nach biochemischen Merkmalen und spezifischen O-Antigenen in folgende Serogruppen unterteilt: Gruppe A: Shigella dysenteriae, Gruppe B: Shigella flexneri, Gruppe C: Shigella boydii, Gruppe D: Shigella sonnei. Stämme der Gruppen A bis C können bestimmten Serovaren zugeordnet werden (insgesamt 13 Serovaren bei Shigella (S.) dysenteriae, 8 Serovaren bei Shigella (S.) flexneri, 18 Serovaren bei Shigella (S.) boydii, einem Serovar mit 2 serologischen Formen bei Shigella (S.) sonnei. Alle Shigellen besitzen ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin, das zur entzündlichen Reizung der Darmschleimhaut beiträgt. Nur Shigella dysenteriae Typ 1 bildet zusätzlich ein Exotoxin, das Shiga-Toxin 1, das zu schweren toxischen Krankheitsbildern führen kann. ERREGERRESERVOIR: Der Mensch ist das einzige relevante Reservoir für Shigellen. VORKOMMEN: Shigellen sind weltweit verbreitet. Die Infektion zeigt eine charakteristische Häufung in warmen Monaten, Kinder sind besonders häufig betroffen. INFEKTIONSWEG: Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, überwiegend durch direkten Kontakt von Mensch-zuMensch. Infektionen durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel besitzen vor allem in den wärmeren Ländern Bedeutung, hier ist auch mit einer Übertragung in kontaminierten Badegewässern zu rechnen. Fliegen besitzen als mechanische Vektoren nicht nur in tropischen Ländern eine praktische Bedeutung. Shigellen können schon bei einer minimalen peroral aufgenommenen Dosis (10–200 Keime!) klinische Symptome auslösen. INKUBATIONSZEIT: Die Inkubationszeit ist nur selten länger als 12–96 Stunden. DAUER DER ANSTECKUNGSFÄHIGKEIT: Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Infektion und solange der Erreger mit dem Stuhl ausgeschieden wird, dies kann 1–4 Wochen nach der akuten Krankheitsphase der Fall sein. Eine Ausscheidung über einen längeren Zeitraum ist sehr selten; sie ist z. B. bei mangelernährten Kindern beobachtet worden. Seite 174 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch SYMPTOMATIK: Nach oraler Aufnahme erfolgt eine Invasion in die Kolonmukosa. Die Erkrankung beginnt meist als wässrige Diarrhö und kann in eine inflammatorische Kolitis übergehen. Die Krankheit variiert zwischen leichten Verlaufsformen mit geringer wässriger Diarrhö und schweren Erkrankungen mit Fieber, blutiger und eitriger Diarrhö. Das Auftreten blutigschleimiger Stühle entspricht dem klinischen Bild der „Ruhr“ (daher die Bezeichnungen „Shigellenruhr“, „Bakterienruhr“). Abdominelle Krämpfe (Koliken und Tenesmen) sind typisch für eine Shigellose. Im weiteren Verlauf kann es zu fokalen Ulzerationen, vorwiegend im distalen Kolon, im Extremfall bis hin zur Kolondilatation und Kolonperforation kommen. Weitere mögliche Folgen sind eine Dehydratation und Proteinverluste. Die Infektion bleibt in der Regel auf das Kolon beschränkt. In seltenen Fällen (1–3%) kann es zu Komplikationen kommen, die sich außerhalb des Darmes manifestieren: Ein hämolytischurämisches Syndrom (HUS) wird verursacht durch ein Zytotoxin (Shiga-Toxin), das von S. dysenteriae Serovar 1 gebildet und mit dem Shiga-Toxin 1 (Verotoxin 1) enterohämorrhagischer E. coli (EHEC) nahezu identisch ist. Weitere mögliche Komplikationen sind Infektarthritiden und das Reiter-Syndrom. DIAGNOSTIK: Klinisch bzw. klinisch-epidemiologisch kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Die Diagnose wird durch die bakteriologische Untersuchung gesichert. Als Untersuchungsmaterial eigen sich frische Stuhlproben oder frisch entnommene Rektalabstriche in einem Transportmedium. Der Aufdeckung von Infektionsquellen und der Klärung von Infektionswegen dient zunächst die Bestimmung der Serogruppe und des Serovars. PRÄVENTION: 1. Präventive Maßnahmen Grundlage der Verhütung sind hygienisch einwandfreie Bedingungen (persönliche Hygiene, Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene, Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen, Verhütung des Fliegenbefalls). Da die Übertragung in der Regel durch direkten Kontakt von Mensch-zuMensch erfolgt, ist eine wirksame Händehygiene zur Vermeidung von fäkal-oralen Schmierinfektionen die entscheidende präventive Maßnahme. In Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen gilt zur Vermeidung von Infektionen durch kontaminiertes Wasser oder ungekochte Speisen (z.B. Salate) die Regel „Peel it, boil it, cook it or forget it.“ („Dass Dich nicht der Durchfall quält, sollst Du Trinken oder Essen, was erhitzt, gekocht, geschält, und das andere vergessen!“) 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist zur Vermeidung von Folgeinfektionen von großer Bedeutung. Während der gesamten Erkrankungsdauer soll eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sein können. Ausscheidungen, die nicht über ein reguläres Abwassersystem entsorgt werden können, sind ebenfalls zu desinfizieren. Die laufende Desinfektion findet auch bei Ausscheidern Anwendung. Leib- und Bettwäsche, Taschen- und Handtücher sind im Kochwaschgang, mindestens jedoch bei 60° C, zu waschen. Bei nicht hitzebeständiger Wäsche oder falls Maschinenwäsche nicht möglich Seite 175 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch ist, ist die Wäsche 12 Stunden in geeignete Desinfektionslösungen einzulegen und anschließend wie normale Haushaltswäsche zu waschen. Toilettensitz, Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken und Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen täglich zu desinfizieren. Bei der Händehygiene wird das gründliche Händewaschen mit Wasser und Seife ergänzt durch eine Händedesinfektion, bei der eine intensive Benetzung der Hände mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel erforderlich ist (Anwendungshinweise des Herstellers sind zu beachten). Im häuslichen Bereich sind Hände- und Toilettenhygiene ausreichend. MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. EU-FALLDEFINITION: Klinische Kriterien Jede Person mit mindestens einem der folgenden vier Symptome: Durchfall Fieber Erbrechen Bauchschmerzen Laborkriterien Isolierung von Shigella spp. aus einer klinischen Probe Epidemiologische Kriterien Mindestens einer der folgenden fünf epidemiologischen Zusammenhänge: Übertragung von Mensch zu Mensch Exposition gegenüber einer gemeinsamen Infektionsquelle Übertragung vom Tier auf den Menschen Exposition gegenüber kontaminierten Lebensmitteln bzw. kontaminiertem Trinkwasser Umweltexposition Fallklassifizierung A) Möglicher Fall: entfällt B) Wahrscheinlicher Fall: Jede Person, die die klinischen Kriterien erfüllt und einen epidemiologischen Zusammenhang aufweist C) Bestätigter Fall: Jede Person, die die klinischen und die Laborkriterien erfüllt Seite 176 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Staphyloccocus aureus – Lebensmittelvergiftung ERREGER: Staphylokokken sind als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute des Oropharynx beim Menschen und bei Tieren weit verbreitet, als Infektionserreger sind sie fakultativ pathogen. Die stärkste Pathopotenz der bekannten Staphylokokken-Spezies besitzt Staphylococcus (S.) aureus. Staphylokokken sind nicht bewegliche, nicht sporenbildende grampositive, katalasepositive Kokken, die im mikroskopischen Präparat einzeln, als Paare, als kurze Ketten oder als unregelmäßige Anhäufungen auftreten. Sie können unter verschiedenen Umweltbedingungen wachsen, am besten jedoch bei Temperaturen zwischen 30° C und 37° C. Eine weitgehende pH-Toleranz und Resistenz gegen Austrocknung machen sie vergleichsweise unempfindlich. Mit seltenen Ausnahmen sind Staphylokokken fakultativ anaerob. Anbibiotikaresistenz: Resistenz gegen β-Laktamase-empfindliche Penicilline (Benzylpenicillin als Testsubstanz) ist weit verbreitet (70–80% aller Isolate). Resistenz gegen andere Antibiotika tritt häufig als Mehrfachresistenz auf, dabei überwiegend bei Methicillinresistenten S. aureus (MRSA). ERREGERRESERVOIR: Beim Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum besiedelt. Die Rate der Träger eines in der Regel antibiotikasensiblen S. aureus variiert bei gesunden Erwachsenen zwischen 15% und 40%. Die Trägerrate ist höher bei Personen, die häufig gegenüber S. aureus exponiert sind und bei denen die Haut nicht intakt ist. INKUBATIONSZEIT: Bei Intoxikationen mit oral aufgenommenen Staphylokokkentoxinen beträgt die Inkubationszeit wenige Stunden (etwa 2–6 Stunden), bei Infektionen 4–10 Tage. SYMPTOMATIK: Die Lebensmittelvergiftung wird durch die Aufnahme von Enterotoxinen verursacht, die von S. aureus in kontaminierten Lebensmitteln vor der Nahrungsaufnahme produziert wurden. Durch die hohe Hitzestabilität werden S.-aureus-Enterotoxine auch bei der Lebensmittelzubereitung nicht abgetötet. Bereits 2–6 Stunden nach Aufnahme des kontaminierten Lebensmittels treten abrupt Übelkeit, Erbrechen, krampfartige Bauchschmerzen und Durchfall auf. In den meisten Fällen ist die Erkrankung selbstlimitierend und endet nach 8–24 Stunden. In schweren Fällen kann es zu Hypovolämie und Hypotonie kommen. DIAGNOSTIK: Bei Fragen zur Diagnostik sollte jedenfalls mit dem untersuchenden Labor Kontakt aufgenommen werden. Seite 177 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch MASSNAHMEN GEMÄß EPIDEMIEGESETZ 1950, § 17: Es muss sichergestellt sein (Anm.: Primär durch den Unternehmer, siehe Kapitel 3.1.12), dass gem. § 17 Epidemiegesetz 1950 Träger von Krankheitskeimen meldepflichtiger Erkrankungen (bakterielle Lebensmittelvergiftung) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sind, welche die Gefahr mit sich bringt, dass Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Seite 178 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Anhang III Seite 179 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Referenzen 1 BMG Leitlinie zur Sicherung der gesundheitlichen Anforderungen an Personen beim Umgang mit Lebensmitteln, http://www.bmg.gv.at/cms/site/attachments/5/9/5/CH0819/CMS1073644716719/gesu ndheitliche_anforderungen.pdf 2 Preventing person-to-person spread following gastrointestinal infections: guidelines for public health physicians and environmental health officers, http://www.hpa.org.uk/cdph/issues/CDPHvol7/No4/guidelines2_4_04.pdf 3 Report of the Scientific Panel on Biological Hazards on the request from the Commission related to Campylobacter in animals and foodstuffs. Annex to the EFSA Journal (2005) 173,1-105; 4 Walter H. Heeschen: Zoonosen und lebensmittelbedingte Erkrankungen, ISBN 3-89947190-3 5 Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 1998 über die Schaffung eines Netzes für die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der Gemeinschaft. http://eur-lex.europa.eu/pri/en/oj/dat/1998/l_268/l_26819981003en00010006.pdf 6 Entscheidung 2000/57/EG der Kommission vom 22. Dezember 1999 über ein Frühwarnund Reaktionssystem für die Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten gemäß der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. http://eur-lex.europa.eu/pri/en/oj/dat/2000/l_021/l_02120000126en00320035.pdf 7 Entscheidung 2008/426/EG der Kommission zur Änderung der Entscheidung 2002/253/EG der Kommission zur Festlegung von Falldefinitionen für die Meldung übertragbarer Krankheiten an das Gemeinschaftsnetz gemäß der Entscheidung 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32008D0426:DE:HTML 8 Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblatt für Ärzte, http://www.rki.de/cln_006/nn_226738/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/merk blaetter__node.html__nnn=true 9 Bericht über Zoonosen und ihre Erreger in Österreich 2007, http://www.ages.at/uploads/media/Zoonosen_2007_01.pdf 10 Homepage des RKI, http://www.rki.de/ Seite 180 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch 11 Hinweise für Ärzte, Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen und Gesundheitsämter zur Wiederzulassung in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, http://www.rki.de/cln_049/nn_196878/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Wied erzulassung/Mbl__Wiederzulassung__schule.html#Sprung23 12 Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten, http://www.rki.de/cln_100/nn_196658/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe__12 0606,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Steckbriefe_120606.pdf 13 Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit, http://www.bmg.gv.at Seite 181 von 184 Handbuch – Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch Impressum Eigentümer, Herausgeber und Verleger Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Magdalena Arrouas, provisorische stellvertretende Leiterin der Sektion III Bundeskommission für Zoonosen Konzeption, Gesamtleitung, Redaktion: DDr. Reinhild Strauß, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten, Seuchenbekämpfung und Krisenmanagement (BMG) Dr. Günther Kraus, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH., Bereich Daten, Statistik und Risikobewertung Mag. Petra Feierabend, Abteilung für Infektionskrankheiten, Seuchenbekämpfung und Krisenmanagement (BMG) Christine Hain, Abteilung für Infektionskrankheiten, Seuchenbekämpfung und Krisenmanagement (BMG) Layout: Christine Hain Druck Hausdruckerei des BMG ISBN-Nummer: 978-3-902611-19-2 1. Auflage - 2010 Rückfragen per Email an: [email protected] Seite 182 von 184 Das Handbuch „Lebensmittelbedingter Krankheitsausbruch“ soll für Amtsärztinnen und Amtsärzte eine Entscheidungshilfe zur Abklärung, ob vorliegende Daten den Verdacht auf einen lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch bestätigen, darstellen. Es gibt einen Überblick über die behördlichen Zuständigkeiten, die operative Zusammenarbeit der involvierten Fachbereiche sowie die wichtigsten Rechtsgrundlagen und Informationen zu einzelnen Erregern. www.bmg.gv.at