I Recht und Ökonomie, Vorlesung 3 Ein ökonomischer Ansatz zur Erforschung von Rechtsstreitigkeiten: 1. In einer idealen Welt braucht es keine Rechtsordnung, um Streitfälle beizulegen 2. Aus der Analyse der Hinderungsgründe für die Streitbeilegung im Idealfall ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für die Rechtsökonomie II § 364 ABGB (1) Ueberhaupt findet die Ausübung des Eigenthumsrechtes nur in so fern Statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden. Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen. (2) Der Eigenthümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeiträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. III (3) Ebenso kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das Maß des Abs. 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt. IV Der methodische Ausgangspunkt Externe Effekte und Transaktionskosten: Unterscheidung von negativen und positiven externen Effekten Unterscheidung von technologischen und pekuniären externen Effekten! V A. Negative externe Effekte Eine Handlung, die für Person 1 Nutzen stiftet, beeinträchtigt den Nutzen (Ertrag) einer Person 2, ohne dass diese (zunächst) Einfluss auf die Verursachung nehmen kann. Etwas allgemeiner kann man solche Effekte finden → zwischen Konsumenten und Konsumenten → zwischen Produzenten und Konsumenten → zwischen Produzenten und Produzenten → aber durchaus auch zwischen Konsumenten und Produzenten VI Es kann jeweils einen oder mehrere (viele) Auslöser geben und einen oder mehrere Betroffene Die ökonomischen Probleme dabei sind 1. Offenbar sind die Handlungsrechte einschließlich der Verantwortlichkeiten der Person, die den externen Effekt auslöst, unzureichend spezifiziert. 2. Es entstehen der beeinträchtigten Person Kosten 3. Die Aktivitäten derjenigen Person, die den Effekt auslöst, weisen ein gegenüber dem optimalen Zustand zu hohes Niveau auf → Illustration am Autoverkehr, an einer Schadstoffe emittierenden Fabrik VII → Erster Hinweis auf mögliche Konsequenzen für Recht und Gesetz B. Positive externe Effekte Das Feuerwerk Die Impfaktion Allgemeine Beobachtung: Da Personen davon einen Vorteil erfahren, dass andere etwas tun, profitieren sie ohne zu zahlen. Letztlich könnten mehr der vorteilhaften Aktivitäten erfolgen, wenn sich die Nutznießer alle an den Kosten beteiligen! VIII Transaktionskosten: Unser „Totem der Mikroökonomie“, das Schema von Angebot und Nachfrage in der idealtypischen Situation eines reibungslos funktionierenden Marktes, kennt keine Transaktionskosten. Der Preis besagt, was der Konsument aufzugeben bereit ist, um die Verfügungsrechte über ein Gut zu bekommen, und was der Händler als Entgelt möchte, damit der diese Verfügungsrechte aufgibt. Aber: IX ►Wenn man sich kundig machen muss, wo es besonders hübsche Krawatten gibt; ►wenn man eine Spezialanfertigung möchte und deshalb verschiedene Kostenvoranschläge einholt; ►wenn man dann über die Realisierung der Wünsche mit dem Händler oder Hersteller verhandelt; ►wenn man schließlich die Lieferung erhält, Mängel bemerkt und deren Behebung einmahnen muss entstehen Kosten in Form von Zeit, Fahrtspesen usw., bis hin zu Gerichtskosten! „Time and Trouble“ Kosten (Dales) Tatsächlich ist „Transaktionskostenanalyse“ ein sehr fruchtbares Feld, um konkrete wirtschaftliche Probleme besser verstehen und auch lösen zu können Allerdings wird das Konzept der Transaktionskosten auch immer wieder kritisiert. „Catch – all – phrase for unspecified interferences with the price mechanism” (Dahlmann, Externality, 1979, 144) Konstruktiv dagegen Allen “Transaktionskosten sind die jenigen Ressourcen, die der Errichtung und dem Erhalt von Property Rights dienen. Die umfassen auch die Ressourcen, die für den Schutz und die Erlangung von Property Rights eingesetzt werden, und obendrein alle Zusatzkosten, die sich aus potentiellen Schutzmaßnahmen und aneignungsbemühen ergeben“ Problem dieser Definition: Keine Unterscheidung von - (letztlich und im Prinzip) Beobachtbaren - Intrinsischen Transaktionskosten Dazu Zerbe’s Feststellung, Transaktionskosten seien eine „phänomenologische Kategorie“ Dahlmanns Beispiel dazu: Wie „eingebildete“ Transaktionskosten eine Pareto-Verbesserung verhindern können Unterscheidbarkeit von Transaktionskosten Informationskosten Transportkosten Sidestep: Transaktionskosten und die Erklärung der Exiastenz von Unternehmen mit Binnenstruktur und Einzelunternehmer → Coase „The Nature of the Firm“ Ein wichtiger Befund Externe Effekte lassen sich im Verhandlungsweg „internalisieren“ (d.h. auf ein tragbares Maß reduzieren, gegeben die jeweiligen Kosten und Nutzen), wenn keine Transaktionskosten bestehen (wobei diese in der Terminologie etwa von Richard Zerbe „phänomenologischer Natur“, also ganz subjektiv sind). Das Fortbestehen von Externen Effekten signalisiert also, dass prohibitiv hohe Transaktionskosten dafür maßgeblich sind! Die folgenden Ausführungen dienen der Erhellung und Begründung für diesen Befund X Konfliktlösung im Idealzustand und die Implikationen für die Rechtsökonomik: Das COASE Theorem ► Erste Annäherung: Die Geschichte vom Zahnarzt und der Werkstätte Behandlungsraum Werkstättenbereich HOF Verlegter Behandlungsraum XI ► Zweite Annäherung: Ein einfaches numerisches Beispiel ► Dritte Annäherung: Graphische Darstellung der Lösung ► Die Annahmen: - Zwei (oder sehr wenige) Beteiligte - Vollständig spezifizierte Handlungsrechte - Unabhängigkeit - Wechselseitige Information über den Verlauf von Profitbzw Schadenskurven - Keine Transaktionskosten Zweite Annäherung: ein numerisches Beispiel (Das Vieh eines Ranchers streunt in den Weizenfeldern eines benachbarten Farmers) XII Herdengröße Profit des Verlust Ranchers des Farmers Netto wohlfahrt 9 10 11 12 13 14 15 94 100 105 109 111 112 111 94 98 102 103 101 97 90 0 -1 -3 -6 -10 -15 -21 Rechtsregimes: 1) Der Farmer hat Anspruch auf Ungestörtheit (Schadenersatz) 2) Der Rancher ist in seiner Betätigung frei ( "laisser faire") XIII Dritte Annäherung: COASE Lösung graphisch Marginaler Profit (MP) Marg. Verlust (MV) MP MV MP MV MP = MV XIV COASE Lösung bei mehreren Beteiligten? ("Ärger in der Wohnsiedlung") A B C D E F G H I XV Das COASE Theorem (Fortsetzung) ► Erweiterungsmöglichkeiten: In der Vertragstheorie, auch für politische Verträge… ► Die Probleme: - Pareto-Effizienz, „richtig eingeschätzte“ und „vermeintliche“ Transaktionskosten - Transaktionskosten und die Folgen: Komparative Betrachtung der Lösungsmöglichkeiten - Die Auswirkungen des „Vermögenseffektes“: Für das gleiche Schadensausmaß wird eine Entschädigung gefordert, die höher ist als eine mögliche Zahlung zur Abwehr des Schadens XVI Exkurs: Die (umstrittene) PIGOU-Lösung Nachfrage Priv.+ soziale Grenzkosten Priv.Grenzkosten Steuer XVII Rechtsökonomische Schlussfolgerungen ► Wenn möglich, Herstellung jener rechtlichen Ausgangslage, bei der eine effiziente Allokation selbst dann möglich wird, wenn die Kontrahenten nicht kooperieren (können), durch entsprechende Zuweisung von Handlungsrechten ► Oder allenfalls die Schaffung von Institutionen (Gerichten, außergerichtlicher Streitbeilegung), die dann relativ kostengünstiger operieren müssen, um als Alternative in Betracht gezogen zu werden ►Eine Anleitung für Korrekturmaßnahmen in Richtung allokative Effizienz für die jeweils geschaffenen Institutionen XVIII ►Eine weitere Schlussfolgerung betrifft die Frage von Untersagung vs. Schadenersatz: Dazu: Was kann „Auslöser eines negativen externen Effekts sein: - Schädigung in Folge mangelnde Sorgfalt durch eine identifizierbare Person („Nachbarschaftseffekte“)→ siehe §364 ABGB - Unfallgefahr durch sorgloses Fahren, wobei ex ante Geschädigte nicht identifizierbar XIX Und die Lösungsmöglichkeiten? - Untersagung ist für Gerichte einfacher zu handhaben und schafft einen Anreize zur Verhandlung zwischen Streitparteien - bei hohen Transaktionskosten empfiehlt sich der Schadenersatz XX Wirtschaftstheoretische Reflexionen COASE Theorem und Marktgleichgewicht: Preis als Verhandlungsinstrument und Preis als Datum im vollständigen Wettbewerb Kritik: Spieltheorie Erkenntnistheorie Langfristige Perspektive XXI Empirische Evidenz: Historisch: z.B. Quellenstudium für Kalifornien im 19.Jahrhundert Experimentelle Überprüfung: auffällige Bestätigung von kooperativem Verhalten: Hoffmann und Spitzer 1982, 1985 und 1986