02 VL WS 0607 Diagnostik + Bedingungsanalyse gekürzt

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Klinische Psychologie I
WS 2006/07
Allgemeine Aspekte klinischpsychologischer Diagnostik
Operationale Diagnostik
Funktionale Bedingungsanalyse
31.10.2006
Prof. Dr. Renate de Jong-Meyer
Klinisch-psychologische Diagnostik ist wichtig bei:
• der Bestimmung und Beschreibung der Ausgangslage
(Deskription, Klassifikation, Problemdefinition) und des
Zielzustandes (Veränderungen, Zieldimensionen).
• der Entscheidung bzgl. angemessener
Änderungsmethoden (Indikationsstellung,
Kontraindikationen).
• der Überprüfung der Effektivität eingesetzter und
angewandter Methoden (Behandlungskontrolle,
Wirkbereiche, Änderungsprozesse).
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Der diagnostische Kontext
• Beziehungsaufbau und Gewinnung eines allgemeinen
Eindrucks von Patient und Beschwerden
• Erstellen einer klassifikatorischen / kategorialen Diagnose
– Störungsdiagnostik
– Entscheidungsbäume
• Abklärung organischer Ursachen und Komplikationen
• Analyse des Problemverhaltens
– z.B. durch strukturierte Interviews
– Durchführung einer klassischen verhaltenstherapeutischen
Problemanalyse
Der diagnostische Kontext
• Weitere diagnostische Maßnahmen:
– Bewältigungsversuche und –strategien
– hilfesuchendes Verhalten
– Erklärungsmodelle des Patienten für seine Störung
– evtl. zusammenhängende Probleme oder Konflikte
– mögliche Zusammenhänge mit Lebensplänen
– mögliche Zusammenhänge mit Grundannahmen über Selbst oder
Welt
– Lebensereignisse oder Belastungen
– wie reagiert bzw. was weiß die Umwelt?
– Therapieziele
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Datenebenen
• biologische (somatische, physikalische) Ebene
• psychische Ebene
• soziale Ebene
• ökologische Ebene
Datenquellen & Verfahrensgruppen
Datenquellen
• Selbstbeurteilung
• Fremdbeurteilung
Verfahrensgruppen
• Selbstbeurteilungsverfahren
• Fremdbeurteilungsverfahren
• Interview
• Leistungsdiagnostik
• Felddiagnostik
• Projektive Verfahren
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Auswahl standardisierter Interviewverfahren
Checkliste
• MDCL: Münchner Diagnose-Checkliste (Hiller et al.,
1990)
Standardisierte Interviews
• DIS:
National Institutes of Mental Health
Diagnostic Interview Schedule (Wittchen &
Rupp, 1981)
• CIDI:
Composite International Diagnostic Interview
(Wittchen & Semmler, 1990)
Auswahl standardisierter Interviewverfahren
Strukturierte Interviews
• SKID:
•
•
•
•
Strukturiertes Klinisches Interview für
DSM-IV (Wittchen et al., 1997)
SKID-II:
Strukturiertes Klinisches Interview für
DSM-IV Achse II (Persönlichkeitsstörungen)
(Wittchen et al., 1997)
DIPS:
Diagnostisches Interview bei psychischen
Störungen (Schneider, In-Albon & Margraf, 2005)
Mini-DIPS: Diagnostisches Kurz-Interview bei psychischen
Störungen (Margraf, 1994)
Kinder-DIPS:
Diagnostisches Interview bei
psychischen Störungen im Kindes- und
Jugendalter (Unnewehr et al., 1995)
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Trainingshinweise zur Durchführung
strukturierter Interviews
Vor der Anwendung:
• Durchlesen der Durchführungsanweisungen und des
Interviewleitfadens
• Üben der Durchführung mit „Versuchspatienten“ (Kollegen,
Mitstudierende etc.)
• Üben der Durchführung bei echten Patienten
• Überprüfung der Reliabilität der Ergebnisse (falls möglich)
durch einen zweiten Interviewer
Trainingshinweise zur Durchführung
strukturierter Interviews
Bei der Anwendung:
• Verwendung der Originalformulierungen
• Zulassen von zusätzlichen Fragen, Erklärungen,
Umformulierungen
• Wesentlich ist die Einschätzung des Symptoms durch den
Interviewer / die Interviewerin
• Klärung, ob Interviewer und Patient sich auf den gleichen
Zeitraum beziehen
• Beachten der diagnostischen Relevanz vorhandener
Symptome
• Durchführung aller Störungsabschnitte eines Interviews
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Vorbereitung des Patienten auf ein Interview
Ziel:
Vermeidung möglicher Störquellen
• Darstellung des Zwecks des Interviews
(Gewinnung eines Überblicks über die Probleme des
Patienten)
• Hinweis auf das eventuelle Ansprechen unrelevanter
Bereiche (zur Gewährleistung einer sorgfältigen Diagnose)
• Grobe Angabe der Interviewdauer
• Hinweis auf die Benutzung des Leitfadens und die
schriftliche Festhaltung der Antworten
• Hinweis darauf, dass der Interviewer versucht
Abschweifungen zu vermeiden und notfalls den Patienten
unterbricht.
Checkliste störungsübergreifender Aspekte
• Ist die Beteiligung organischer Faktoren
ausgeschlossen bzw. abgeklärt?
• Sind die Beschwerden der Situation unangemessen,
übertrieben oder irrational?
• Verursachen die Beschwerden eine erhebliche
Beeinträchtigung der Lebensführung?
• Ist ein möglicher Zusammenhang mit anderen
psychischen Störungen ausgeschlossen bzw.
abgeklärt?
Die Diagnose erst nach Durchführung des gesamten
strukturierten Interviews stellen!
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Kriterien der Behandlungsbedürftigkeit
• ICD-10 und DSM-IV:
Behandlungsbedürftigkeit wird dann als gegeben
angenommen, wenn die vorhandenen Symptome die
berufliche Leistungsfähigkeit, die üblichen sozialen
Aktivitäten oder die sozialen Beziehungen
beeinträchtigen oder ausgeprägtes Leiden
verursachen.
• Die Diagnose wird nur gestellt, wenn zusätzlich zur
Symptomatik eine solche Beeinträchtigung
festzustellen ist.
Verzerrende Einflüsse auf Diagnosen
• Kontext der Diagnose
• Erwartungen des Therapeuten / der Therapeutin
• Glaubwürdigkeit der Informationsquelle
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Diagnostische Aufgaben im Rahmen einer Psychotherapie
Anmeldung/Zuweisung des Patienten zur Psychotherapie
(vorläufige Indikationsentscheidung des Überweisenden)
Voranalyse, allgemeine Orientierung, Planung der Informationserhebung
Abklärung
körperlicher
Faktoren
Analyse von
Lebens bedingungen
Beschreibung
der Symptome,
Diagnose
Funktionale
Problemanalyse
Status - ,
Eigenschafts diagnostik
Physiologie,
Endokrinologie,
Laboranalysen,
Kooperation mit
Haus- & Fachärzten
Objektive
Bedingungen,
aktueller & chronischer Stress,
Zurechtkommen,
Unterstützung
Ebenen des Denkens,
Fühlens, Verhaltens,
Erlebens, etc.
Schwere & Dauer,
Entwicklung & Verlauf
Komorbidität
Bedingungsanalyse
relevanter Verhaltens - & Problembereiche, Konsequenzen, Zielanalyse,
Selbstkontrolle
Neuropsychologische Diagnostik.
Leistungs - & Fähigkeitsdiagnostik,
Persönlichkeit
Indikationsentscheidung, Prognose, Erfolgsbeurteilung, Therapieplanung,
ausreichendes Veränderungswissen, Therapie- & Veränderungsmotivation
Psychotherapie, Behandlungsdurchführung
Kontrollmessungen, Prozess- & Verlaufsdiagnostik
Erfolgsbeurteilung, Zielerreichung, Wirksamkeit, Effektivität. Misserfolg
Funktionale
Bedingungsanalyse
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Der Problemlöseansatz
Definition „Problem“
Von einem Problem wird dann gesprochen, wenn eine
Person sich in einem unerwünschten Zustand befindet und
mit den momentan verfügbaren Kenntnissen, Fähigkeiten
oder Hilfsmitteln nicht in der Lage ist, einen gewünschten
oder geforderten Zustand zu erreichen.
Hauptkomponenten eines Problems
• Unerwünschter Ausgangszustand (Ist-Zustand)
• Angestrebter Zielzustand (Soll-Zustand)
• Barrieren, die bekannte Operationen zum Erreichen des
Soll-Zustandes scheitern lassen
Prozessmodell des Problemlösens
Problemstellung
nein
abgeschlossen?
ja
Problemanalyse
Zielanalyse
•Klient ist unzufrieden damit, dass...
•Klient möchte erreichen, dass...
•Auswahl eines Problems
Bedingungen für Problem- u. Alternativverhalten:
•förderliche / hinderliche
•innere / äußere
•Verschiedene Ebenen
•Klient strebt konkret an, dass... (Global-/
Teil-/ Nahziele)
•Klient hält Ziel(e) für erreicht, wenn...
Mittelanalyse
- Lösungsalternativen -
Erprobung & Bewertung
Ende
bzw. Arbeit an neuem
Problem oder allg.
Problemlösfähigkeiten
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Die Phase der Problemstellung
Inhaltliche Schwerpunktsetzung
• Orientierung über aktuelle Beschwerden, Anliegen und den
persönlichen Hintergrund.
• Benennung, Abgrenzung und Ordnung der Probleme;
Bestimmung ihres wechselseitigen Verhältnisses.
• Gewichtung der Probleme nach Dringlichkeit,
Belastungsgrad und Veränderungsmotivation bzw.
Erfolgsaussicht.
• Klärung der Einstellung des Klienten zu seinen Problemen.
Die Phase der Problemanalyse
Problemrelevante Verhaltens- und Erlebensweisen können
unter verschiedenen Perspektiven betrachtet werden:
• Verhaltenssteuerung in konkreten Situationen
• Rolle übergreifender Regeln und Pläne
• Wechselwirkung mit Regeln persönlich bedeutsamer
sozialer Systeme
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Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen I
Inhaltliche Schwerpunktsetzung
Analyse von problemtypischen Verhaltensweisen in
konkreten Situationen mit dem Ziel, funktionale
Beziehungen zwischen Verhalten und aktuellen
Bedingungen aufzudecken.
Erfassung des problemtypischen Verhaltens in
verschiedenen Kontexten in allen Modalitäten mit den
jeweiligen situativen, inneren, äußeren, vorhergehenden
und nachfolgenden Bedingungen.
Leitfrage:
Wie kommt es dazu, dass die betreffende Person sich so
und nicht anders verhält?
SORKC-Schema
Abbildung aus:
H.-U. Wittchen & J. Hoyer (Hrsg.) (2006). Klinische Psychologie und Psychotherapie. Heidelberg: Springer
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Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen II
Modell von Bartling et al.:
Situation (S)
ò
Wahrnehmungsprozess (WP)
ò
Innere Verarbeitung (IV)
ò
Handeln / Erleben (V)
ò
Konsequenzen (K)
Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen III
Situation (S)
Überdauernde bzw. akute interne bzw. externe
Vorbedingungen und Ereignisse.
–
–
–
–
–
–
problemrelevante kritische Situationen bzw. Anforderungen
Setting (räumliche, zeitliche und materielle Bedingungen)
Verhalten anderer Personen
eigenes Verhalten
Stimmung und Bedürfnislage des Handelnden
überdauernde u./o. aktuelle Bedingungen des körperlichen
Befindens
– Vorstellungen
– Gedanken und Vorhaben
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Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen IV
Wahrnehmungsprozess (WP)
Orientieren, Aufnehmen und Kodieren von Informationen.
Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen V
Innere Verarbeitung
Interpretation der Situation.
Kausalattribuierung, Bedeutungszuschreibungen, Erwartungen,
Schlussfolgerungen.
Bewertung der Situation
in Bezug auf eigene Bedürfnisse, Ziele, Ansprüche; persönlicher
Bedeutungsgehalt der aktuellen Situation(Vergleichsprozess zwischen Ist und
Soll).
Handlungsvorbereitung
– Wünsche, eigene und fremde Standards, Ziele bzw. Konflikte zwischen den
genannten Komponenten
– Strategien, Handlungspläne, Handlungstendenzen
– Selbstwirksamkeitseinschätzungen (Einschätzung eigener Kompetenz und
Effizienz)
– Entscheidung und Selbstmotivierung (z.B. durch Selbstinstruktionen)
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Bedingungsanalyse von
Verhalten in Situationen VI
Handeln / Erleben (V)
Vm
Ve
Vk
Vph
Motorische Modalität; beobachtbare Verhaltensäußerung
Emotionale Modalität; subjektives Erleben und Fühlen
Kognitive Modalität; Gedanken und bildhafte Vorstellungen
Physiologische Modalität; körperliche Reaktionen und
Körperempfindungen
Konsequenzen (K)
– Zeitpunkt: kurzfristig / langfristig (Kk / Kl)
– Entstehungsort: extern / intern (Ke / Ki)
– Qualität: Entstehen bzw. Wegfall positiver oder negativer
Konsequenzen (+K+, -K+, +K-, -K-)
Analyse der Problemgenese
Analyse der Umstände des ersten Auftretens,
der Veränderungen im Sinne von Verbesserungen
oder Verschlechterungen sowie deren
Bedingungen und damit verbundene Lernprozesse .
Erhebung der wichtigsten biographischen Daten
und Ereignisse nur knapp im Zusammenhang mit
der allg. Orientierung über die verschiedenen
Probleme.
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Die Phase der Zielanalyse
Inhaltliche Schwerpunktsetzung
Drei wesentliche Aspekte:
• Klärung der Veränderungsvoraussetzungen
– Bewertung des derzeitigen Zustandes
– Motivationen und Erwartungen für Veränderungsprozess
• Zielbestimmung
– abhängig von Zielvorstellungen, Einschätzung möglicher
Schwierigkeiten und erwarteter positiver und negativer sowie kurzund langfristiger Konsequenzen
• Reflexion der Therapeut-Klient-Beziehung
– Analyse des Einflusses unterschiedlicher Einstellungen,
Kompetenzen, Erfahrungen, Werthaltungen etc. auf interaktiven
Problemlöseprozess
Literaturhinweis:
Margraf, J. & Schneider, S. (2000). Diagnostik psychischer Störungen mit
strukturierten Interviews. In J. Margraf (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie
(2. Auflage, Band 1, S. 267-290). Berlin: Springer.
Engberding, M. (1996). Problemlösen – Ein Orientierungsmodell für Analyse und
Therapie psychischer Störungen. In F. Caspar (Hrsg.), Psychotherapeutische
Problemanalyse (S. 87-129). Tübingen: dgvt-Verlag.
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie und Psychotherapie.
Heidelberg: Springer.
Daraus das Kapitel 16 („Diagnostische Prozesse“) sowie den Abschnitt 17.2 aus
Kapitel 17 („Verhaltensanalyse und Verhaltensmodifikation“).
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