Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung / X-chromosomale Spastische Paraplegie (Typ 2) (MIM 312080, MIM 312900) Klinik Die Pelizaeus-Merzbacher-Erkrankung (PMD) ist eine dysmyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems, die mit einer reduzierten Anzahl reifer Oligodendrozyten einhergeht. Die Klinik der Patienten beinhaltet eine Spastik, eine psychomotorische Retardierung, Ataxie und Nystagmus bei einem Beginn innerhalb des ersten Lebensjahres. Die konnatale Form der Erkrankung beginnt kurz nach der Geburt und die Kinder versterben meist vor Erreichen des zehnten Lebensjahres. Bei der klassischen Form der PMD ist die motorische und intellektuelle Entwicklungsstörung weniger stark ausgeprägt und die Lebenserwartung länger. Eine allelische Sonderform der Erkrankung, die Spastische Paraplegie Typ 2 (SPG2), überlappt klinisch mit der PMD, die Symptome sind aber milder und der Beginn liegt später. Die beiden Entitäten können als unterschiedlich starke Ausprägungen einer Krankheit betrachtet werden. Genetik Gendefekte, die eine PMD und die SPG2 hervorrufen können, betreffen das Proteolipid Protein (PLP) auf dem X-Chromosom. Entsprechend folgen beide Erkrankungen einem Xchromosomalen Erbgang, bei dem vorwiegend männliche Mutationsträger betroffen sind. Die beobachteten Mutationen sind in den meisten Fällen Duplikationen verschiedener Größe (50%), Punktmutationen der kodierenden Region des Gens (20-30%) oder selten Gendeletionen. In manchen Fällen muß von einem autosomal rezessiven Erbgang ausgegangen werden, der ein anderes Gen betrifft. Bei Überträgerinnen einer PLP-Duplikation wird das X-Chromosom mit der Duplikation präferentiell inaktiviert. Pathophysiologie Die Pathophysiologie der PMD/SPG2 ist in weiten Teilen noch unklar. Das PLP22-Protein macht etwa 50% des Proteinanteils des Myelins aus. Eine falsche Dosis dieses Proteins scheint die korrekte Zusammensetzung des Myelins entscheidend zu beeinträchtigen, so dass die normale Funktion nicht mehr wahrgenommen werden kann. Indikationen Die molekulargenetische Diagnostik kann zum Zweck der Differentialdiagnostik neurologischer Erkrankungen und zum Zweck der pränatalen Diagnostik aus Fruchtwasserzellen oder aus Chorionzotten durchgeführt werden. Außerdem können Mütter Betroffener auf ihren Überträgerstatus untersucht werden. Diagnostik Die genetische Analyse beinhaltet eine quantitative Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Nachweis der Gendosis, und, falls dies unauffällig ist, eine Sequenzierung der gesamten kodierenden Region des PLP-Gens. Untersuchungsmaterial • 7,5 ml EDTA-Vollblut (Versand durch Post oder Boten) Dauer der Untersuchung 4 Wochen Literatur 1. Woodward, K. and S. Malcolm, Proteolipid protein gene: Pelizaeus-Merzbacher disease in humans and neurodegeneration in mice. Trends Genet, 1999. 15(4): p. 125-8. 2. Woodward, K., et al., X inactivation phenotype in carriers of Pelizaeus-Merzbacher disease: skewed in carriers of a duplication and random in carriers of point mutations. Eur J Hum Genet, 2000. 8(6): p. 449-54. 3. Hobson, G.M., et al., Mutations in noncoding regions of the proteolipid protein gene in Pelizaeus-Merzbacher disease. 2000. 4. Hodes, M.E., et al., Additional copies of the proteolipid protein gene causing Pelizaeus- Merzbacher disease arise by separate integration into the X chromosome. Am J Hum Genet, 2000. 67(1): p. 14-22. 5. Inoue, K., et al., A duplicated PLP gene causing Pelizaeus-Merzbacher disease detected by comparative multiplex PCR. Am J Hum Genet, 1996. 59(1): p. 32-9. 6. Hodes, M.E., V.M. Pratt, and S.R. Dlouhy, Genetics of Pelizaeus-Merzbacher disease. Dev Neurosci, 1993. 15(6): p. 383-94.