Erläuterung zu den vorgeschlagenen Untersuchungsmethoden bezüglich der Fragestellung: „Blutgefäßschäden“ bei contergangeschädigten Menschen? (Fehlanlage, Nichtanlage, Verengung) Vorbemerkung: Die Untersuchungen sind zum Teil invasiv, das heißt sie können Nebenwirkungen haben. In diesem Text wird sehr vereinfacht und ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen. Dieser Text ersetzt keinesfalls das ausführliche beratende Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt (z.B. Radiologin/Radiologe). Weiterhin muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Hausärztin/der Hausarzt, die Fachärztin/der Facharzt oder die Radiologin/der Radiologe die Indikation zu der Untersuchung stellt und nicht die Betroffene/der Betroffene oder die Stiftung. Normalerweise verursachen diese Untersuchungen Kosten für die Krankenkassen. Dieser Aspekt beeinflusst die Indikationsstellung zu den Untersuchungen zusätzlich. Daher wollten wir eine Situation schaffen, in der die Indikation der Ärzte frei von finanziellen Sachzwangsüberlegungen erfolgen kann. Deshalb übernimmt die Stiftung die Kosten für die Untersuchung. Die vorgeschlagenen Untersuchungsmethoden wurden unter Berücksichtigung der besonderen Situation der contergangeschädigten Menschen herausgearbeitet: - Eingeschränkte Mobilität, aufwändige An- und Ausziehprozedur, wünschenswert sind so wenig Besuche bei der Ärztin/beim Arzt wie möglich. - Vermutlich schlechte Punktierbarkeit von Blutgefäßen an vorgeschädigten Extremitäten. - Unsicherer Verlauf von Arterien und Venen bei geschädigten Extremitäten. 2 I.) Kompletter Körper außer Herz: Eine Blutgefäßdarstellung des kompletten Körpers lässt sich mittels Ganzkörper Angio-MRT darstellen, wobei zur besseren Darstellung der Blutgefäße ein Kontrastmittel verwendet wird. Aus praktischen Erwägungen (Untersuchungszeit) ist bei entsprechender Fragestellung eine Aufteilung in - Untersuchung von Hals, Kopf und Gehirn zur Darstellung der extra – und intrakraniellen Gefäße einerseits sowie - „vom Hals an abwärts“ zur Darstellung der Blutgefäße unterhalb des Halses bis in die Peripherie der Hand- und Fußgefäße andrerseits sinnvoll. Das Prinzip des MRT besteht grob erklärt darin, das „Zurückschwingen“ der Atomkerne in ihre alte Lage, aus der sie durch ein kurzzeitig angelegtes Magnetfeld herausgedreht worden waren, zu messen und daraus Rückschlüsse auf die Art des Gewebes zu gewinnen. Bei der MRT (= MRI = Kernspintomographie) Untersuchung wird dieser Effekt letztlich jeweils für eine dünne Scheibe des menschlichen Körpers berechnet und die Ergebnisse dann zu einem Gesamtbild mittels Computer zusammengesetzt. Um die Blutgefäße besser „zu kontrastieren“ (darzustellen) wird ein Kontrastmittel (Gadolinium) für die Untersuchung intravenös verabreicht. Im Bereich der Hände und Füße sollte mit einer hohen Auflösung gearbeitet werden. Vorteile des MRT im Vergleich zum CT: - Keinerlei Strahlenbelastung - Die Verabreichung des MRT-Kontrastmittels (Gadolinium –Chelat) ist wesentlich besser verträglich als die Verabreichung von jodhaltigem Kontrastmittel, welches bei der Computertomographie verwendet wird. Dennoch wird eine gute Nierenfunktion für die Durchführung der Untersuchung gefordert. 3 Nachteile des MRT im Vergleich zum CT: - eingeschränkte oder kontraindizierte Einsetzbarkeit bei o großflächigen Tattoos (können sich wegen der enthaltenen Eisenpigmente erwärmen) o Metallimplantaten (Cochleaimplantat, Herzschrittmacher, Piercings) - Auflösungsgrenze etwa 1 mm (recht grob) - Bewegliche Objekte (Herz!) in der Regel (noch!) nicht gut darstellbar - Teilweise sehr laut - Im Gegensatz zum CT, welches eher einem Ring entspricht, handelt es sich beim MRT um eine Röhre. Oft haben Patientinnen/Patienten mit Platzangst erhebliche Probleme mit der Untersuchung. - Die Untersuchung dauert länger als beim CT - Mögliche Langzeiteffekte des Magnetfeldes auf den Organismus sind noch nicht bekannt. II.) Herz: Ausgehend von der obigen Fragestellung stehen grundsätzlich folgende Untersuchungsverfahren zur Untersuchung des Herzens zur Verfügung: 1.) EKG: Das EKG hat nur eine Aussagekraft bzgl. der Frage, ob eine Minderdurchblutung vorhanden ist oder nicht. Wenn eine manifeste Minderdurchblutung vorhanden ist, ist eine grobe Aussage möglich, welche der Herzkranzgefäße betroffen sind. Aussagekraft im Sinne der Fragestellung: sehr gering. Keine Nebenwirkungen bekannt. 2.) Echocardiographie: Mit der Echocardiographie lassen sich sehr gut Klappenanomalien darstellen. Ein Rückschluss auf Blutgefäßschäden ist nur indirekt anhand von etwaigen Wandbewegungsstörungen des Herzens in der bildlichen Darstellung möglich, die bei manifesten Durchblutungsstörungen auftreten (können). Wert der Untersuchung im Sinne der obigen Fragestellung: gering. Keine Nebenwirkungen bekannt. 4 3.) Myokardscintigraphie: Hierbei werden minderdurchblutete Stellen des Herzmuskels dargestellt. Ein indirekter grober Rückschluss auf Blutgefäßverengungen ist möglich. Strahlenbelastung: je nach verwendetem Isotop bis zum 7 fachen der natürlichen Jahresstrahlendosis. Wert der Untersuchung im Sinne der obigen Fragestellung: gering. 4.) Herz MRT: Schichtdarstellung des Herzen mit der Möglichkeit, minderdurchblutete Teile und Funktionsstörungen zu erkennen. Wert der Untersuchung im Sinne der obigen Fragestellung: gering. 5.) Cardio-CT: Um eine 3 D Darstellung des Herzens mit den Herzkranzgefäßen in einem Schichtbildverfahren zu realisieren, benötigt man ein ultraschnelles Computertomographie-Gerät, da es Aufnahmen an einem bewegten Objekt (dem Herzen) macht. Dieses bewegt sich bei jedem Herzschlag ein bisschen und eine zu langsame Aufnahme würde ein „Verwackeln“ des Bildes ergeben. Zum Verfahren: Es werden verschiedene Querschnittbilder des Körpers mit Hilfe eines Röntgenstrahles angefertigt. Dieser umkreist den jeweiligen Körperquerschnitt Kreis- bzw. spiralförmig und durchdringt diesen. Die Stärke des noch an der anderen Seite des Körpers eintreffenden Strahles wird zur Errechnung des Querschnittsegmentes verwendet. Aus mehreren Querschnittssegmenten wird dann ein 3D Modell errechnet. Um Blutgefäße darzustellen wird ein jodhaltiges Kontrastmittel verwendet, welches vor der Aufnahmesequenz intravenös verabreicht wird. Da dieses Kontrastmittel mehr Röntgenstrahlen absorbiert als menschliches Gewebe, lassen sich die Blutgefäße sehr gut darstellen. 5 Nachteile: - Strahlenbelastung: Diese entspricht dem 2-15 fachen der natürlichen Strahlendosis, die man über die Umwelt in einem Jahr erhält. - Nierenbelastung: Für die Untersuchung müssen die Nieren in Ordnung sein, da das Kontrastmittel ansonsten eine bestehende Niereninsuffizienz verschlechtern kann. Daher ist die Bestimmung des Nierenleitwertes, des Kreatinin, vor der Untersuchung zwingend erforderlich. - Entgleisung einer Schilddrüsenüberfunktion: Da das Kontrastmittel Jod enthält, kann es eine bestehende manifeste oder latente Schilddrüsenüberfunktion dekompensieren lassen. Dies ist ein gefährliches Krankheitsbild. Aus diesem Grund wird vor der Untersuchung die Bestimmung des schilddrüsenstimulierenden Hormones (TSH) zwingend verlangt. Ist dieses nicht erniedrigt, kann die Untersuchung durchgeführt werden. - Mögliche allergische Reaktionen auf das Kontrastmittel. Wert im Sinne der obigen Fragestellung: relativ hoch. Die Untersuchung hat einen ordentlichen negativen Vorhersagewert. Das heißt, die Untersuchung ist gut geeignet, um eine krankhafte Verengung der Herzkranzgefäße auszuschließen. Sie ist jedoch weniger gut geeignet, eine solche zu belegen. Werden Auffälligkeiten bei dieser Untersuchung sichtbar, so wird zumeist eine anschließende Koronarangiographie erforderlich. Bei einem hochgradigen Verdacht auf eine Herzkranzgefäßverengung sollte besser direkt eine Koronarangiographie durchgeführt werden um der Betroffenen/dem Betroffenen die doppelte Strahlenbelastung zu ersparen. 6.) Koronarangiographie: Hierbei wird – meist über die Leistenarterie - ein dünner Hohldraht innerhalb der Schlagadern bis zu den Herzkranzgefäßen vorgeschoben und dort das Kontrastmittel 6 (jodhaltig) injiziert und anschließend unter dem Bildwandler (sozusagen eine Röntgen Videoaufnahme) die kontrastmittelgefüllten Herzkranzgefäße begutachtet. Vorteil (im Sinne der Fragestellung zu allen obengenannten Untersuchungen): - höchste negative und positive Aussagekraft - Möglichkeit einer therapeutischen Intervention (zum Beispiel Ballonaufdehnung) im Falle von vorgefundenen krankhaften kritischen Veränderungen Nachteile: - Kontrastmittelexposition - Strahlenexposition - Risiko von Blutgefäßverletzungen durch den Draht - Risiko der Blutungskomplikation aus der Punktionsstelle - Risiko von Infektionen