Cholesterin und seine Funktionen im menschlichen Körper

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Ausgabe 02-2004
Inhalt
Cholesterin und seine Funktionen im menschlichen Körper
Priv.-Doz. Dr. habil. Rainer Schubert,
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Ernährungsphysiologie
Einfluss von Nahrungs-Cholesterin auf den Cholesterin-Spiegel
im Blut
Priv.-Doz. Dr. habil. Rainer Schubert,
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Ernährungsphysiologie
Kurzfassungen
Redaktionsanfragen: Unter der Internet-Adresse: http://www.cma.de steht eine Farbvariante der
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als hochauflösende Farbgrafiken zur Verfügung gestellt.
Für den Inhalt der Beiträge zeichnen die Autoren selbst verantwortlich.
Abdruck – auch auszugsweise – nur honorarfrei bei Autoren- und Quellen-Nennung.
Ein Belegexemplar wird auch bei Teilveröffentlichungen erbeten.
2
Cholesterin und seine Funktionen im menschlichen Körper
Priv.-Doz. Dr. habil. Rainer Schubert, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für
Ernährungsphysiologie
Cholesterin wurde erstmals im Jahre 1769 von M. Poulletier als ein Fettwachs
beschrieben, welches 1818 von Chevreul in Gallensteinen charakterisiert und 1860
„Cholesterin“ (Chol = Galle, Stearin = Wachs) genannt wurde (3). Für die
chemische Identifizierung erhielt Windaus 1932 den Nobelpreis. Cholesterin ist ein
lebensnotwendiger Bestandteil jeder Zelle bzw. der Zellmembranen und die
Vorstufe für wichtige Wirkstoffe des Körpers. Diese Tatsache wird nach wie vor
oft ignoriert.
Stattdessen wird die Aufnahme von Cholesterin mit Lebensmitteln noch immer
häufig als ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen, obwohl
bereits seit den 90er-Jahren in großem Umfang Ergebnisse aus medizinischen
Studien sowie aus epidemiologischen Untersuchungen veröffentlicht wurden, die
diese Annahme widerlegen. Priv.-Doz. Dr. Rainer Schubert vom Institut für
Ernährungsphysiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellt im folgenden
Beitrag die verschiedenen Funktionen vor, die Cholesterin im menschlichen Körper
erfüllt.
Cholesterin (auch Cholesterol) gehört zur Klasse der Steroide. Dazu zählen
Gallensäuren, Steroidhormone, Calciferole, Sterole und andere. Cholesterin liegt im
Körper entweder in freier Form oder mit Fettsäuren verestert vor (Cholesterinester).
Es kommt nur in tierischen Produkten (auch Fisch) vor. Fleisch enthält im Vergleich
zu anderen tierischen Lebensmitteln oder zu Meerestieren übrigens relativ wenig
Cholesterin und ist dabei etwa mit der Scholle vergleichbar (Tab. 1).
Tabelle 1: Cholesteringehalt verschiedener Lebensmittel
Lebensmittel von
Landtieren
Hirn
Hühnereigelb
Vollei
Leber (Schwein/Geflügel)
Schweinefett
Fleisch (Mittel)
Quelle (6,55)
Cholesterin
mg/100g
2000
1260
582
350/550
85
75
Fische und Meeresfrüchte Cholesterin
mg/100g
Fischöl
500
Kaviar
300
Riesengarnele (Pazifik)
215
Aal
165
Hering
90
Seezunge, Flunder,
50
Kabeljau
3
Cholesterin wird besonders in den Nebennieren, Hirn, Haut, Milz, Eierstöcken, Serum und den Erythrozyten angereichert. Es ist für den Körper sehr wichtig und
deshalb auch in der Muttermilch reichlich vorhanden. Stillkinder sind vielleicht gerade deshalb geistig reger als nicht gestillte (21,37,59). Cholesterin ist Bestandteil
von Hirn, Nerven und Zellmembranen, beeinflusst das Immunsystem und ist Ausgangssubstanz für Hormone, Vitamin D und Gallensäuren (46). Cholesterinsenker
können deshalb viele Nebenwirkungen haben. Die immunmodulierende Wirkung des
Cholesterins konnte an Kaninchen demonstriert werden, bei denen das Blutcholesterin nach Cholesteringaben speziesbedingt auf das etwa 20fache anstieg und
eine Aktivierung immunaktiver Zellen sowie einen Konzentrationsanstieg antioxidativer Stoffe im Blutplasma und speziellen Blutzellen bewirkte (40).
Cholesterinaufnahme im Darm
Das in der Nahrung enthaltene Cholesterin wird zu 25–45 % im Dünndarm
absorbiert (2,41). Mit steigender Cholesterinaufnahme sinkt die Absorbierbarkeit.
Bei Aufnahme von viel gesättigten Fettsäuren ist sie ebenfalls geringer als bei
hohem Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren in der Nahrung (24). Darüber
hinaus gibt es genetische Veranlagungen für eine hohe oder geringe
Cholesterinabsorption (15).
Pro Tag werden vom Dünndarm etwa 300–500 mg Cholesterin aufgenommen. Die
Aufnahme in die Dünndarmwand erfolgt über Mizellen gemeinsam mit Fettsäuren
und anderen fettlöslichen Stoffen. In der Darmwand werden sie in Chylomikronen
(Lipoproteine) verpackt und zur Leber transportiert.
Synthese und Ausscheidung von Cholesterin (Darm-Leber-Kreislauf)
Cholesterin wird entweder im Körper synthetisiert (davon 80 Prozent in der Leber)
oder mit der Nahrung aufgenommen (46):
•
•
•
•
•
Eigensynthese
Nahrung (Absorbierbares)
Abbau durch Darmmikroben
Abbau in der Leber
Ausscheidung mit Stuhl
60 % als neutrale Sterole, Rest als Gallensäuren.
500–1500 mg
bis 500 mg
800 mg
geregelt
1100 mg
In der Leber werden aus Cholesterin Gallensäuren gebildet, die gemeinsam mit
Cholesterin in den Darm abgegeben werden. Pro Tag werden etwa 20 g
Gallensäuren und 500–1500 mg Cholesterin von der Leber über die Gallenblase in
4
den Darm sezerniert. Im Darm vermischt sich das Cholesterin aus Galle und
Nahrung, so dass je nach Cholesteringehalt der Nahrung (300–500 mg) eine
Gesamtmenge von bis zu 2000 mg erreicht werden. Etwa 90 Prozent der
Gallensäuren werden wieder in den Blutkreislauf aufgenommen, wobei auch
Nahrungs-Cholesterin und Pflanzensterole sowie das vorher mit der Galle
sekretierte Cholesterin absorbiert werden (Abb.1; vergl. 27). Diese „Zirkulation“,
die täglich sechs- bis zehnmal stattfindet (51), wird auch „entero-hepatischer
Kreislauf“ (Darm-Leber-Kreislauf) genannt. Vom gesamten im Darm befindlichen
Cholesterin wird mehr als die Hälfte (zumeist als Coprostanol) mit dem Stuhl
ausgeschieden (28).
In der Leber wird vom absorbierten Cholesterin ein Teil für die Gallensäurenproduktion verwendet, ein anderer Teil wird über mehrere Wege zu LDL (sehr kleine Lipoproteinkügelchen) umgebaut und in die peripheren Gewebe transportiert. Es gelangt schließlich nach mehrfachem Umbau über die Blutbahn wieder zur Leber,
wird über LDL-Rezeptoren von den Leberzellen aufgenommen und zur Produktion
des Gallensaftes verwendet.
Abbildung 1: Entero-hepatischer Kreislauf und Stoffwechsel des Cholesterins
(schematisiert nach 53)
S = Schleimhaut
5
Bei zu geringer Anzahl an LDL-Rezeptoren (Gen-Defekt oder andere Faktoren) wird
zu wenig LDL von der Leber aufgenommen und der LDL-Spiegel im Blut steigt.
Wird mehr Cholesterin als die absorbierte bzw. zirkulierende Menge benötigt, so
findet in der Leber eine Neusynthese aus Acetat, das aus dem Kohlenhydrat- oder
Fettabbau stammt, statt (60). Die absorbierte Cholesterinmenge bestimmt bei
Gesunden die Höhe der Cholesterin-Eigensynthese. Wird dem Körper über die
Nahrung mehr Cholesterin zugeführt als dieser benötigt, so sinkt bei gesunden
Menschen die körpereigene Cholesterinproduktion und der Cholesterinspiegel im
Blut steigt nicht an. Etwa 20 % der Bevölkerung verfügen nur eingeschränkt über
diesen Regelmechanismus (5).
Insgesamt beträgt der Cholesteringehalt des Erwachsenen 100–150 g, davon
zirkulieren 6–8 % im Blut. Der größte Teil des Cholesterins wird für den Aufbau
von Zellwänden und Gewebe (zusammen mit den Phospholipiden) gebraucht. Allein
die Gehirnmasse besteht zu 17 % aus Cholesterin.
Arteriosklerose und koronare Herzkrankheiten
Die Arteriosklerose bzw. Atherosklerose (engl.) ist ein Sammelbegriff für anfänglich
nicht entzündliche Veränderungen der Arterien. Die Entstehung der Veränderungen
wird Atherogenese genannt. Die Arteriosklerose ist in Deutschland derzeit eine der
häufigsten Erkrankungen. Jährlich erleiden etwa 260.000 Menschen einen
Herzinfarkt. Insgesamt sterben 180.000 Menschen pro Jahr an den Folgen der
Koronaren Herzkrankheit (KHK). An einem Schlaganfall sterben jährlich 170.000
Menschen.
Ablagerungen (Plaques) an der Gefäßwand bewirken durch bindegewebige (fibrinöse) Wucherung eine Verdickung und zu geringe Elastizität der Arterien. Möglicherweise sind geringe Cholesterineinlagerungen nicht als Ursache sondern als Folge
einer Schutzreaktion des Körpers gegen Perforation der Gefäße zu verstehen (19).
Die Verdickung der Gefäßwand wird auch durch die Bildung von mit Lipid gefüllten
Makrophagen (Schaumzellen) und durch Einwanderung von Muskelzellen verstärkt.
Der Herzinfarkt (Herzkranzgefäße) oder Schlaganfall (Hirngefäße) tritt auf, wenn die
Plaque instabil wird und aufplatzt. Bei der Ruptur treten Gerinnungsfaktoren aus
und es bildet sich ein Pfropf aus Blutplättchen (Thrombozyten), der das Gefäß
teilweise oder ganz verschließt. Arteriosklerose kann jede Arterie betreffen, am
empfindlichsten sind jedoch die feinen Gefäße in der Herzkranz- und Hirnregion.
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Die Entstehung dieser Erkrankung hat viele Ursachen. Sie wurde bislang (und z. T.
auch noch heute) überwiegend einem hohen Verzehr an Cholesterin und Fetten
zugeschrieben. Es wird jedoch immer deutlicher, dass die Nahrung eine nur
untergeordnete Bedeutung dabei besitzt (siehe unten). Atherogenese gilt heute
vielmehr als inflammatorischer (entzündlicher) Prozess (23). Umfangreiche
experimentelle Studien, Untersuchungen an Tiermodellen, epidemiologische sowie
eine Reihe klinischer Studien haben zu der Erkenntnis geführt, dass es sich bei der
Arteriosklerose um einen lokalen, unspezifischen inflammatorischen Prozess
handelt, der von einer systemischen Antwort begleitet wird. Da die Entzündungen
durch Entzündungsmediatoren (Eicosanoide) begünstigt werden, die vom
Menschen aus Arachidonsäure gebildet werden, sollten von Risikopatienten vor
allem Arachidonsäure-reiche Lebensmittel gemieden werden. Da die EicosanoidBildung durch Omega-3-Fettsäuren aus Rapsöl oder Fisch gehemmt wird, kann
auch durch ausreichenden Verzehr dieser Produkte die Atherogenese verzögert
oder vermieden werden.
Bedeutung von Cholesterin in den Blutgefäßen
Die Ursachen für die KHK sind vielseitig: Diabetes mellitus, Hypertonie,
Infektionskrankheiten, genetische Veranlagung, Hyperlipidämie, Übergewicht und
andere. Von den genetisch bedingten Hyperlipidämien gibt es verschiedene Formen
(47), die mit einem z. T. vielfach erhöhten Cholesterinspiegel verbunden sind.
Darunter sind sehr wenige Fälle der heterozygoten bzw. homozygoten „familiären
Hypercholesterinämie“. Bei Patienten mit der schweren homozygoten Form der
familiären Hypercholesterinämie versagen meist diätetische und medikamentöse
Therapieverfahren (1).
Als Faustregel für den Gesamt-Cholesteringehalt je 100 ml Blut gilt: 200 mg +
Alter. Personen mit genetisch bedingten Fettstoffwechselstörungen haben häufig
Cholesterinwerte, die um das zwei- bis fünffache erhöht sind. Im Erwachsenenalter
sind Werte unter 200 mg/100 ml selten physiologisch (18). Die von der American
Heart Association empfohlenen Referenzwerte sind nach Meinung zahlreicher
Mediziner und Ernährungsphysiologen zu gering angesetzt (Personen mit 0–1
Risikofaktoren: LDL <160, HDL >40 (Männer) bzw. >40 (Frauen) mg/100 ml; ≥ 2
Risikofaktoren: LDL <130, HDL >40 (Männer) bzw. >40 (Frauen) mg/100 ml),
damit wurden mehr als 50 % der Bevölkerung zu „Hypercholesterinämikern“
erklärt. Wesentlich ist dabei der LDL:HDL-Quotient, der unter drei betragen sollte.
Nach neueren Empfehlungen wird das koronare Risiko mittels PROCAM-Score
charakterisiert. Hier werden acht Risikofaktoren (Blutdruck, Lebensalter, LDL- und
7
HDL-Cholesterin, Triglyzeride, Diabetes mellitus, Rauchen und familiäre Belastung)
unterschiedlich gewichtet und eine Gesamtpunktzahl angegeben.
Zusammenhang zwischen Serum-Cholesterin und Arteriosklerose
Dem Gesamtcholesterin im Blut wird heute keine Bedeutung mehr für die
Atherogenese beigemessen. Dagegen sind insbesondere eine geringe Konzentration
der HDL-Fraktion sowie eine hohe Konzentration der LDL-Fraktion im Blut (hohes
LDL:HDL-Verhältnis) als Indikatoren für ein erhöhtes Risiko bekannt (63). Beide
Fraktionen sind aber nicht abhängig von der Aufnahme an Nahrungs-Cholesterin.
Vor allem das Fettsäurenmuster der Nahrung, Rauchen, Körpergewicht und
körperliche Aktivität bestimmen in ihrer Gesamtheit das LDL:HDL-Verhältnis und
damit das Risiko koronarer Krankheiten (58). Auch oxidiertes LDL kann die
Plaquebildung und die Pfropfbildung in den Arterien auslösen (13). In diesem
Zusammenhang liegen Ergebnisse an Ratten vor, wonach Nahrungs-Cholesterin die
Peroxidation der LDL-Fraktion im Blut sogar verzögert (36).
Im zweiten Beitrag wird der Einfluss von Nahrungs-Cholesterin auf den SerumCholesterinspiegel näher untersucht. Anhand von Studien wird aufgezeigt, dass
Nahrungs-Cholesterin eine zu vernachlässigende Größe im Zusammenhang mit KHK
ist. Von wesentlich größerer Bedeutung sind diverse andere Faktoren.
8
Einfluss von Nahrungs-Cholesterin auf den Cholesterin-Spiegel im Blut
Priv.-Doz. Dr. habil. Rainer Schubert, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für
Ernährungsphysiologie
Die Diskussion um den „Ungesundheitswert“ des Cholesterins wurde 1953 durch
den amerikanischen Wissenschaftler Ancel Keys eingeleitet (29). Bereits im gleichen Jahr waren zunächst fettreiche Lebensmittel als Verursacher befunden, der
Zusammenhang mit koronaren Herzkrankheiten (KHK) wurde aus statistischen Erhebungen abgeleitet. In die graphische Auswertung wurden jedoch nur die Daten
aus sechs Ländern einbezogen, Informationen aus 16 Ländern, die ebenfalls vorlagen, blieben unberücksichtigt. Bald darauf wurde auch Cholesterin als Verursacher
von KHK befunden.
Die Annahme, dass ein hoher Cholesteringehalt der Nahrung zu Arteriosklerose
bzw. Herzinfarkt führt, ist bis heute heftig umstritten. Dr. Rainer Schubert vom
Institut für Ernährungsphysiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschreibt im folgenden Beitrag, dass aus der Mehrheit ernst zu nehmender Untersuchungen kein Zusammenhang zwischen der Aufnahme an Nahrungs-Cholesterin
und koronaren Herzkrankheiten hervorgeht.
Die mutmaßliche Verbindung zwischen Cholesterin und KHK wurde bereits
frühzeitig hergestellt, nachdem Vogel diese Substanz 1843 als Bestandteil des
Atheroms (auch Plaques = Verdickungen in Arterien) beschrieb. Lange Zeit galt die
Meinung, dass Atherome überwiegend aus Cholesterin bestünden. Die ArterienPlaque besteht nach späteren genaueren Analysen aber nur zu ca. 5 % aus Lipiden
und Cholesterin, der überwiegende Anteil sind Bindegewebe (80 %), Kalk (7 %)
sowie Schaumzellen und Lymphozyten (7 %) (25,31). Die Empfehlungen, das
Risiko durch cholesterinarme Kost zu senken (8,48), werden ungeachtet aller
entgegengesetzten Belege bis heute gegeben.
Die durch diätetische Maßnahmen zu erwartende Senkung des Serum-Cholesterins
beträgt gewöhnlich 5–10 % (47). Im Mittel zahlreicher kontrollierter Studien und
Gesundheitssurveys betrug die Senkung sogar nur 3–6 % (12,66). Dagegen
reduzieren die meisten heute verfügbaren Medikamente (Lipidsenker), wenn auch
mit vielfältigen Nebenwirkungen, die Konzentration des Gesamt-Cholesterins um
10–30 %.
Dazu kommt, dass die oft zitierten Studien an Labortieren (Kaninchen, Ratten,
Meerschweinchen) zur Wirkung von Nahrungs-Cholesterin auf den Serumspiegel
9
nicht auf den Menschen übertragbar sind, da diese Tiere als Herbivoren
(Pflanzenfresser) entgegen den Omnivoren („Allesfresser“ – zu denen auch
Primaten und der Mensch zählen) mit einer vielfach stärkeren Änderung auf die
Serum-Cholesterin-Konzentration reagieren (Tab. 1). Die Reaktion der Blutlipide auf
das Nahrungs-Cholesterin scheint bei Primaten auch genetisch bedingt zu sein, wie
aus Studien mit Pavianen zu schließen war (43).
Tabelle 1: Wirkung von Nahrungs-Cholesterin auf die Cholesterinkonzentration im
Plasma bei verschiedenen Spezies (nach 34)
Spezies
CholesterinAufnahme
(mg/kcal)
Kaninchen
0,5–5,0
Ratten
3–6
Meerschweinchen
5
Affen
3
Verabreichungsdauer (Wochen)
5–16
5–25
5
29
Zunahme des PlasmaCholesterins (%)
200–3000
50–600
50–200
22
Eine Korrektur eines erhöhten Cholesterinspiegels über eine Veränderung der Ernährung allein ist also keine geeignete Maßnahme. Zudem leidet die Nahrungsvielfalt
beträchtlich, lässt Frust- und Verzichtsgefühle sowie Ängste aufkommen (verstärkt
Stress) und führt nicht selten zu Essstörungen. Durch Stress kann der Serumspiegel um 65 mg/100 ml steigen (34).
Wird diesem Personenkreis empfohlen die Cholesterinaufnahme gering zu halten,
dann muss das nicht den Verzicht auf Fleisch oder Fleischerzeugnisse bedeuten.
Die mit diesen Nahrungsmitteln aufgenommene Cholesterinmenge wird oft überschätzt. Mit 150 g Fleisch pro Tag, einem mittleren Cholesteringehalt von 45–65
mg Cholesterin/100 g Rohware (Rind, Schwein, Geflügel) und einer Absorbierbarkeit des Cholesterins von 35–50 % (16) werden zwischen 25 und 50 mg absorbierbares Cholesterin pro Tag aufgenommen. Dabei sinkt die Absorbierbarkeit mit
steigendem Cholesteringehalt und mit dem Anteil an Pflanzensterolen in der Nahrung (63). Zum täglichen Gesamtverzehr käme noch das Cholesterin aus anderen
Lebensmitteln wie Ei-, Milch- und Fisch-Produkten. Von Ei und Milch ist mittlerweile bekannt, dass sie das Gesamt- und LDL-Cholesterin im Blut nicht erhöhen
und z. T. sogar positive Wirkungen auf die Blutfettwerte haben (30,42,49,54,62).
Da der isokalorische Austausch von Kohlenhydraten durch Proteine bei Personen
10
mit erhöhtem Cholesterinspiegel das LDL- und VLDL-Cholesterin sowie die Triglyceride senkt und gleichzeitig den Anteil an HDL-Cholesterin erhöht (64), könnte auch
der angemessene Konsum von Fleisch einen positiven Effekt auf die Blutfettwerte
ausüben.
Nach den aktuellen Empfehlungen der DGE soll zur Vermeidung von hohen SerumCholesterinwerten die tägliche Cholesterinaufnahme nicht wesentlich über 300 mg
je Tag betragen. Die mittlere Aufnahme der Europäer beträgt jedoch 500–750
mg/Tag. Auch nach 30 Jahren empfohlener Cholesterinrestriktion auf unter 300
mg/Tag lassen sich aus den zahlreichen Surveys keine Zusammenhänge zwischen
der Aufnahme an Cholesterin und dem KHK-Risiko ableiten (38). Eine
Mehraufnahme an Nahrungs-Cholesterin um 100 mg/Tag erhöhte im Mittel der
gesichteten Untersuchungen das LDL-Cholesterin im Blut nur um 1,9 mg/100 ml
und das HDL-Cholesterin um 0,4 mg/100 ml. Für eine Person mit einem LDLSpiegel von 120 mg/100 ml und HDL-Spiegel von 50 mg/100 ml bedeutet das eine
Veränderung des LDL:HDL-Verhältnisses von 2,40 auf lediglich 2,42. Damit ist
kein höheres Risiko einer Arteriosklerose verbunden. Auch in einer Studie mit
amerikanischen Frauen nach der Menopause, die sich zehn Wochen lang nach der
„American Heart Association Step 1 diet“ (eine fett- und cholesterinarme Diät, die
für KHK-Risikopatienten entwickelt wurde) ernährten, konnte kein positiver Effekt
auf die Lipoproteinfraktionen festgestellt werden. Im Gegenteil, die sehr
kohlenhydratreiche Kost verminderte sogar den Anteil an HDL im Blut (7). Auch
fettarme Kost vermindert den HDL-Anteil im Blut stärker als den LDL-Anteil (65).
In klinischen Experimenten war zu sehen, dass die Arterienverengungen
unabhängig von einer Diät mit oder ohne Cholesterin verursacht wurden (25). Dass
das Serum-Cholesterin in keinem Zusammenhang mit dem Fettgehalt der Aorta
steht, wurde bereits 1936 in amerikanischen Untersuchungen festgestellt (33 in
45). Deshalb sollte die Arteriosklerose auch eher als „Proliferationskrankheit“ und
nicht als eine durch Cholesterinablagerung bedingte Erkrankung gesehen werden.
11
Führt ein hoher Cholesterinspiegel im Blut zu Herzinfarkt?
Das absorbierbare Nahrungs-Cholesterin kann zwar bei genetischer Veranlagung
das Serum-Cholesterin erhöhen, aber nur bei einer von mehr als 200 Personen folgt
daraus Arteriosklerose (48). Fast alle Studien und Surveys bestätigten, dass eine
Senkung des Serum-Cholesterins die Zahl der Herzinfarkte kaum senkt (20,45). Zu
ähnlichen Ergebnissen kamen Schnohr et al. (52) nach Auswertung einer 21jährigen Beobachtung von 12.000 Frauen und Männern aus Kopenhagen. Hier
waren die höchsten KHK-Risiken bei Männern: Rauchen, Bluthochdruck und nur
gelegentlicher (!) Alkoholkonsum sowie bei Frauen: Rauchen, Bluthochdruck und
Hypercholesterinämie (genetisch bedingt).
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der DHP-Survey (11) eine signifikante Erhöhung der Serum-Cholesterinwerte im Zeitraum von 1984–1989 auswies. Aus Angaben des Statistischen Bundesamtes (56) geht zugleich hervor, dass
im Zeitraum 1979–1992 die Sterbefälle infolge von Kreislaufkrankheiten bis zum
80. Lebensjahr rückläufig waren. Aus den Tabellen geht auch hervor, dass alte
Menschen trotz eines altersbedingt hohen Cholesterinspiegels deutlich seltener an
KHK sterben als jüngere mit niedrigerem Cholesterinspiegel (18).
Cholesterin wirkt aufgrund der Membranstabilisierung „abdichtend“ auf die Gefäße.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Cholesterin-Injektionen (2–3 g intravenös)
bei Intoxikationen und Infektionen erfolgreich angewandt, ohne dass es zu HerzKreislauf-Komplikationen gekommen war (19). Diese membranstabilisierende
Funktion in den Gefäßen wird dadurch gestützt, in dem AIDS-Patienten mit
niedrigem Cholesterinspiegel vermehrt intrakranielle (Kopf) Blutungen hatten.
Andererseits ist bekannt, dass jede ausgeprägte Krebs- und Infektionskrankheit mit
einem erniedrigten Serum-Cholesterinspiegel verbunden ist (19). Die LDL-, HDLund Gesamtcholesterin (TC)-Werte im Serum sind also eher Symptom
verschiedener Stoffwechselstörungen als Ursache der Krankheit (19).
Aus zahlreichen Studien und Gesundheitssurveys ließ sich bei objektiver Auswertung kein Zusammenhang zwischen den Cholesterinwerten (LDL, HDL, TC) und
dem koronaren Herztod feststellen (19,45). Selbst im Ernährungsbericht 2000 der
DGE (10) wird Cholesterin in der Übersicht zu Beziehungen zwischen dem Herzinfarkt und dem erhöhten Verzehr von bestimmten Nahrungsbestandteilen nicht erwähnt. In vielen Studien war erwartungsgemäß die Cholesterinaufnahme von KHKPatienten nicht höher als die von gesunden Personen (Tab. 2).
12
Tabelle 2: Cholesterinverzehr von Patienten mit koronaren Herzkrankheiten (KHK)
und gesunden Kontroll-Probanden
Studien
Chicago
Framingham
Puerto Rico
Hawaii
Niederlande
Iren (aus Irland+USA)
Rancho Bernardo, USA
LCT-Studie
Mittel
Probanden
M
F+M (2 Studien)
F+M (2 Studien)
F+M (3 Studien)
M
M
F+M
F+M (30–79 Jahre)
Cholesterin mg/Tag
KHK-Patienten
Gesunde
721
757
587
574
401
406
521
594
446
429
854
832
348
359
425
386
538
542
Quellen der Studien (47); F = Frauen, M = Männer; LCT = langkettige Fettsäuren
Ähnlich verhielt es sich mit dem Gesamtcholesterin im Serum und dem Auftreten
von KHK. Selbst in der Framinghamstudie, die mit den Anlass für die CholesterinTheorie gab, war das Blut-Cholesterin bei Teilnehmern mit KHK nur sieben Prozent
höher als bei denen ohne KHK (Differenz 16 mg/100 ml).
Besonders deutlich wird der fehlende Einfluss aus den Daten der MONICA-Studie
(Abb. 1). Unter Ausschluss der Fälle aus China und Japan (sehr fettarme,
ballaststoffreiche Nahrung) sind bei Serum-Cholesterinwerten von 210 bzw. 255
mg/100 ml jeweils gleichermaßen wenig und viel KHK-Todesfälle zu verzeichnen.
Die bei Japanern und Chinesen typischen geringen Cholesterinwerte waren zwar
auch mit geringerer Häufigkeit von koronar bedingten Todesfällen verbunden, aus
Studien von Gore et al. (14) an Verstorbenen ist jedoch bekannt, dass Japaner
trotz geringem Cholesteringehalt im Blut (Japaner 170 mg/100 ml, Amerikaner 220
mg/100 ml) in den entsprechenden Altersgruppen die gleiche Sklerose-Ausprägung
in den Arterien des Körpers (nicht des Herzens) und des Gehirns aufwiesen wie
Amerikaner.
13
Abb. 1:
Beziehung zwischen Serum-Cholesterin und KHK-Todesfällen nach
Daten der MONICA-Studie (zusammengestellt nach 45)
Eine von Ravnskov (44) durchgeführte Auswertung von 26 kontrollierten Studien
zum Effekt einer Cholesterinsenkung ergab gegenüber den Kontrollen keine
signifikant geringere Häufigkeit von nicht tödlichen oder tödlichen Herzinfarkten in
den Cholesterin-gesenkten Gruppen. Für das Auslösen von Arteriosklerose ist
neben anderen Faktoren (s. u.) auch der Anteil an mehrfach ungesättigten
Fettsäuren in der Nahrung ausschlaggebend. So ist seit langem bekannt, dass
Eskimos trotz hohem Cholesterinverzehr (790 mg/Tag gegenüber 551 mg/Tag in
Deutschland) selten an KHK erkranken (4).
Die Empfehlung, koronare Risiken durch cholesterinbewusste Ernährung zu senken,
wird oft mit der Begründung des Anstieges von Herzinfarkten in den vergangenen
Jahren gegeben. Die koronaren Todesfälle bis zum 75. Lebensjahr sind jedoch seit
Ende der 60er-Jahre rückläufig und nehmen nur im Greisenalter zu (19). Dazu
kommt, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwar Todesursache Nr. 1 in der westlichen Welt sind, meist aber unerwähnt bleibt, dass vier von fünf Herzinfarkten primär durch Diabetes mellitus ausgelöst wurden (35).
14
Begrenzung von Nahrungs-Cholesterin für alle?
Bei manchen Menschen kommt es genetisch bedingt zur Störung des Cholesterinhaushaltes. Dies kann folgende Ursachen haben:
•
•
•
nicht steuerbare Überproduktion von Cholesterin
Rezeptordefekt: Cholesterin kann dann nicht von den Körperzellen aufgenommen werden
erhöhte Absorption des Nahrungs-Cholesterins.
Dort ist die LDL-Fraktion (oder sind die Gesamt-Lipide) im Blut dauerhaft erhöht
und beträgt meist deutlich über 300 mg/100 ml.
Der überwiegende Teil der Bevölkerung braucht sich keine cholesterinarme Diät zu
„verordnen“, um das Risiko einer Arteriosklerose zu vermindern. Denn das
Cholesterin der Nahrung würde ohnehin keinen Einfluss darauf nehmen. Erst in
2003 wurde eine Auswertung einer 14-jährigen Kohorten-Studie mit 43.732
Männern im Alter von 40–75 Jahren, die zu Beginn der Beobachtungen im Jahre
1986 frei von KHK oder Diabetes waren, veröffentlicht. In der umfangreichen
statistischen Auswertung wurden keine Verbindungen zwischen der Aufnahme an
Gesamtfett, Cholesterin oder spezifischen Typen von Fetten und dem Risiko von
Herzinfarkt oder Schlaganfall gefunden (17).
Ursachen für hohe Serum-Cholesterinwerte (Hypercholesterinämie)
Die symptomatischen Schwankungen des Serum-Cholesterins werden ausgelöst
durch Hunger, Stress, Koffein, Ernährung (Kohlenhydrat- und Eiweißüberschuss,
Fettsäurenmuster), Alter, Geschlecht, körperliche Aktivität (Bewegungsmangel),
genetische Veranlagung, Tagesrhythmus, Klima, Schwangerschaft, Hormonstatus,
verschiedene Medikamente, Pankreas-, Nieren- und Lebererkrankungen,
Alkoholismus, Gicht, Diabetes mellitus, Infektionskrankheiten und andere Faktoren.
Besonders die Intensivierung der körperlichen Aktivität kann einen Anstieg des
positiven HDL-Cholesterins von 10–15 % bewirken bzw. den durch fettarme
Ernährung induzierten Abfall des HDL-Cholesterins (-10 %) kompensieren (65).
Auch Fasten erhöht durch Mobilisierung von Körperreserven die Konzentration an
Gesamt- und LDL-Cholesterin sowie an ApoB (50). Der Einfluss von Proteinen auf
die Atherogenese wurde erst kürzlich in einer Monographie ausführlich beschrieben
(9).
Die Ernährungsfaktoren wurden Ende der neunziger Jahre in einer Auswertung aller
kontrollierten Stoffwechselstudien mit hoher methodischer Qualität aus dem
15
Zeitraum von 1970 bis 1998 (insgesamt 60 Studien mit 1.672 Probanden, davon
30 % Frauen, 70 % Männer) durch die Niederländer Mensink et al. (39) gewichtet.
Die Metaanalyse ergab unerwartete Resultate (Tab. 3).
Tabelle 3: Beeinflussung der Blutlipide durch unterschiedlichen
austausch (nach Angaben von Mensink et al., 39)
energiegleicher Nährstoffaustausch
Kohlenhydrate einfach ungesättigte Fettsäuren Kohlenhydrate gesättigte Fettsäuren Kohlenhydrate gesättigte Fettsäuren Kohlenhydrate gesättigte und ungesättigte Fettsäuren Nährstoff-
Wirkung
HDL * (signifikant)
LDL * (signifikant)
LDL:HDL-Verhältnis *
Triglyceride * (signifikant)
LDL ** (signifikant)
HDL * (signifikant)
LDL:HDL-Verhältnis Triglyceride ** (dosisabhängig)
Triglyceride ** (signifikant)
LDL:HDL-Verhältnis **
(Wertung der Pfeile hinsichtlich Arteriosklerose: * = positiv, **= negativ)
Daraus wurde Folgendes ersichtlich: Die Cholesterinaufnahme spielte bei den
Veränderungen der Blutlipide keine Rolle. Die ungünstigste Einflussnahme auf die
Blutfettwerte (ausgedrückt im LDL:HDL-Verhältnis) erfolgte durch die oft
empfohlene Anhebung der Kohlenhydratzufuhr bei Senkung des Fettkonsums! Die
Erhöhung der LDL-Fraktion durch sehr hohen Kohlenhydratkonsum ist seit längerem
bekannt (26). Ähnliche Ergebnisse fanden Hu et al. (22) in einer prospektiven
Beobachtung von 80.082 Frauen im Zeitraum 1980–1990. Hier ergab sich auch,
dass sich die Senkung der Aufnahme an gesättigten und trans-Fettsäuren günstiger
auf das relative Risiko von Herzkrankheiten äußert als die Senkung der
Gesamtfettaufnahme. Die tägliche Aufnahme an Nahrungs-Cholesterin betrug in
diesen Beobachtungen minimal 183 bis maximal 245 mg/1000 kcal bei einer
täglichen Energieaufnahme von 500 bis 3500 kcal und stand in keinem
Zusammenhang mit dem Risiko an koronaren Herzkrankheiten.
16
Resümee
Bei Übergewicht, jahrelanger viel zu hoher Fettaufnahme, bei Faser- und
Bewegungsmangel und nicht zuletzt bei Dauerstress, dem eine ausreichende
Erholungsphase fehlt, kann der Stoffwechsel der Leber entgleisen, und die
Cholesterinwerte steigen an. Bei angemessener fetthaltiger Kost (auch > 30
Prozent der Energie) mit hohen Anteilen an einfach ungesättigten Fettsäuren sind
günstigere Blutfettwerte zu erzielen als mit einer fettarmen und kohlenhydratreichen Diät. Die ständige (oft unberechtigte) Sorge um ernährungs-bedingte
Krankheiten kann Ängste und Stress auslösen und zu Ess-Störungen führen. Die
große Bedeutung der körperlichen Aktivität für das koronare Geschehen wurde aus
Experimenten mit Affen deutlich (32). Deshalb können Personen mit viel Bewegung
und reichlichem Verzehr von Vollkornprodukten, Gemüse und Obst ein bestehendes
Übergewicht mindern und somit das Mortalitätsrisiko und die Häufigkeit koronarer
Herzerkrankungen senken (57). Werden diese Aspekte berücksichtigt, gibt es
keinen Grund, auf den Verzehr von Fleisch und Fleischwaren in angemessener
Menge zu verzichten.
17
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21
Kurzfassung des ersten Beitrags
Cholesterin und seine Funktionen im menschlichen Körper
Cholesterin (auch Cholesterol) ist ein lebensnotwendiger Bestandteil jeder Zelle
bzw. der Zellmembranen und die Vorstufe für wichtige Wirkstoffe des Körpers. Es
wird besonders in den Nebennieren, Hirn, Haut, Milz, Eierstöcken, Serum und den
Erythrozyten angereichert. Cholesterin ist Bestandteil von Hirn, Nerven und Zellmembranen, beeinflusst das Immunsystem und ist Ausgangssubstanz für Hormone, Vitamin D und Gallensäuren. Ebenso wie Gallensäuren, Steroidhormone,
Calciferole, Sterole und andere Substanzen gehört auch Cholesterin zur Klasse der
Steroide. Die Substanz kommt nur in tierischen Produkten (auch Fisch) vor. Fleisch
enthält im Vergleich zu anderen tierischen Lebensmitteln oder zu Meerestieren
übrigens relativ wenig Cholesterin und ist dabei etwa mit der Scholle vergleichbar.
Cholesterin wird entweder im Körper synthetisiert (davon 80 % in der Leber) oder
mit der Nahrung aufgenommen. Die absorbierte Cholesterinmenge bestimmt bei
Gesunden die Höhe der Cholesterin-Eigensynthese. Wird dem Körper über die
Nahrung mehr Cholesterin zugeführt als dieser benötigt, so sinkt bei gesunden
Menschen die körpereigene Cholesterinproduktion und der Cholesterinspiegel im
Blut steigt nicht an. Insgesamt beträgt der Cholesteringehalt des Erwachsenen 100
bis 150 g, davon zirkulieren 6–8 % im Blut. Der größte Teil des Cholesterins wird
für den Aufbau von Zellwänden und Gewebe gebraucht. Allein die Gehirnmasse
besteht zu 17 % aus Cholesterin.
Die Tatsache, dass Cholesterin für den Köper lebenswichtig ist, wird nach wie vor
oft ignoriert. Stattdessen wird die Aufnahme von Cholesterin mit Lebensmitteln
noch immer häufig als ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen,
obwohl bereits seit den 90er-Jahren in großem Umfang Ergebnisse aus
medizinischen Studien sowie aus epidemiologischen Untersuchungen veröffentlicht
wurden, die diese Annahme widerlegen.
Die Ursachen für koronare Herzkrankheiten (KHK) sind vielseitig: Diabetes mellitus,
Hypertonie, Infektionskrankheiten, genetische Veranlagung, Hyperlipidämie,
Übergewicht und andere. Nach neueren Empfehlungen wird das koronare Risiko
mittels PROCAM-Score charakterisiert. Hier werden acht Risikofaktoren (Blutdruck,
Lebensalter, LDL- und HDL-Cholesterin, Triglyzeride, Diabetes mellitus, Rauchen
und familiäre Belastung) unterschiedlich gewichtet und eine Gesamtpunktzahl
angegeben. Dem Gesamtcholesterin im Blut wird heute keine Bedeutung mehr für
die Atherogenese beigemessen. Dagegen sind insbesondere eine geringe
22
Konzentration der HDL-Fraktion sowie eine hohe Konzentration der LDL-Fraktion im
Blut (hohes LDL:HDL-Verhältnis) als Indikatoren für ein erhöhtes Risiko bekannt.
Beide Fraktionen sind aber nicht abhängig von der Aufnahme an NahrungsCholesterin. Vor allem das Fettsäurenmuster der Nahrung sowie Rauchen,
Körpergewicht und körperliche Aktivität bestimmen in ihrer Gesamtheit das
LDL:HDL-Verhältnis und damit das Risiko koronarer Krankheiten. Auch oxidiertes
LDL kann die Plaquebildung und die Pfropfbildung in den Arterien auslösen.
Nahrungs-Cholesterin ist demnach eine zu vernachlässigende Größe im
Zusammenhang mit KHK.
Kurzfassung des zweiten Beitrags
Einfluss von Nahrungs-Cholesterin auf den Cholesterin-Spiegel im Blut
Lange Zeit galt die Meinung, dass Atherome (auch Plaques = Verdickungen in
Arterien) überwiegend aus Cholesterin bestehen. Die Arterien-Plaque besteht nach
späteren genaueren Analysen aber nur zu ca. 5 % aus Lipiden und Cholesterin, der
überwiegende Anteil sind Bindegewebe (80 %), Kalk (7 %) sowie Schaumzellen
und Lymphozyten. Die Empfehlungen, das KHK-Risiko durch cholesterinarme Kost
zu senken, werden ungeachtet aller entgegengesetzten Belege bis heute gegeben.
Die durch diätetische Maßnahmen zu erwartende Senkung des Serum-Cholesterins
beträgt gewöhnlich 5–10 %. Im Mittel zahlreicher kontrollierter Studien und Gesundheitssurveys betrug die Senkung sogar nur 3–6 %. Die Korrektur eines erhöhten Cholesterinspiegels über eine Veränderung der Ernährung allein ist also keine
geeignete Maßnahme. Zudem leidet die Nahrungsvielfalt beträchtlich, lässt Frustund Verzichtsgefühle sowie Ängste aufkommen (verstärkter Stress) und führt nicht
selten zu Essstörungen. Durch Stress kann der Serumspiegel um 65 mg/100 ml
steigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass man selbst bei geringerer Cholesterinaufnahme nicht auf Fleisch oder Fleischerzeugnisse verzichten
muss. Die mit diesen Nahrungsmitteln aufgenommene Cholesterinmenge wird oft
überschätzt. Mit 150 g Fleisch pro Tag, einem mittleren Cholesteringehalt von
45−65 mg Cholesterin/100 g Rohware (Rind, Schwein, Geflügel) und einer Absorbierbarkeit des Cholesterins von 35−50 % werden zwischen 25 und 50 mg absorbierbares Cholesterin pro Tag aufgenommen. Dabei sinkt die Absorbierbarkeit mit
steigendem Cholesteringehalt und mit dem Anteil an Pflanzensterolen in der Nahrung.
23
Grundsätzlich hat eine Limitierung der Cholesterinaufnahme auf 300 mg pro Tag,
wie sie unter anderem von der DGE empfohlen wird, zahlreichen Surveys zufolge
keine positiven Effekte auf das KHK-Risiko. Eine Mehraufnahme an NahrungsCholesterin erhöht im Mittel der gesichteten Untersuchungen das LDL-Cholesterin
im Blut nur um 1,9 mg/100 ml und das HDL-Cholesterin um 0,4 mg/100 ml. Für
eine Person mit einem LDL-Spiegel von 120 mg/100 ml und einem HDL-Spiegel
von 50 mg/100 ml bedeutet das eine Veränderung des LDL:HDL-Verhältnisses von
2,40 auf lediglich 2,42. Damit ist kein höheres Risiko einer Arteriosklerose
verbunden. In klinischen Experimenten war zu sehen, dass die Arterienverengungen
unabhängig von einer Diät mit oder ohne Cholesterin verursacht wurden.
Für das Auslösen von Arteriosklerose ist neben anderen Faktoren auch der Anteil
an mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Nahrung ausschlaggebend. So ist seit
langem bekannt, dass Eskimos trotz hohem Cholesterinverzehr (790 mg/Tag
gegenüber 551 mg/Tag in Deutschland) selten an KHK erkranken. Bei
angemessener fetthaltiger Kost (auch >30 % der Energie) mit hohen Anteilen an
einfach ungesättigten Fettsäuren sind günstigere Blutfettwerte zu erzielen als mit
einer fettarmen und kohlenhydratreichen Diät. Besonders die Intensivierung der
körperlichen Aktivität kann einen Anstieg des positiven HDL-Cholesterins von
10−15 % bewirken. Deshalb können Personen mit viel Bewegung und reichlichem
Verzehr von Vollkornprodukten, Gemüse und Obst ein bestehendes Übergewicht
mindern und somit das Mortalitätsrisiko und die Häufigkeit koronarer
Herzerkrankungen senken. Werden diese Aspekte berücksichtigt, spricht nichts
gegen den Verzehr von Fleisch und Fleischwaren in angemessener Menge.
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