Wahrheit und Erlösung im Christentum: Rechtfertigungslehre in der evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (velkd) zusammengefasst von Eva-Maria Fuhrmann ● Zitat Luther: „Der Artikel von der Rechtfertigung ist der Meister und der Fürst, der Herr, Lenker und Richter über alle Arten von Lehre; er bewahrt und steuert jede kirchliche Lehre und richtet unser Gewissen auf vor Gott. Ohne diesen Artikel ist die Welt nichts als Tod und Finsternis.“ ● Lehre von der Rechtfertigung ist die lebendige Mitte des christlichen Glaubens: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran Glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ (Röm1,16f.) ● Fundamentale Erkenntnis: Der Mensch ist vor Gott ganz und gar Sünder; er ist im Unrecht und kann sogar Gottloser genannt werden. Trotzdem ist er von Gott ganz und gar anerkannt, ohne sich selbst vor ihm zu „rechtfertigen“. ● Rechtfertigung ist eine Handlung Gottes, der sich dem Menschen als seinem Gegenüber zuwendet. Der Sünder kann zu seiner Rechtfertigung nichts beitragen, er kann sich nur anvertrauen und sich Gottes Gnadenurteil gefallen und wohlgefallen lassen ● Gott ist mir dadurch näher, als ich mir selbst nahe zu sein vermag. ● Was bedeutet „Gerechtigkeit Gottes“? ○ Gerechtigkeit als Tugend ordnet die menchlichen Lebensverhältnisse, damit Frieden und Wohlergehen herrschen (Mensch-Mensch, MenschGott, Mensch-sich selbst) ○ Entdeckung Luthers, dass das biblische Verständnis der Gerechtigkeit Gottes ein passives ist, dass er nicht als Richter auf Augenhöhe den Ungerechten verurteilt und den Gerechten belohnt ○ Gerechtigkeit Gottes offenbart sich im Evangelium, nicht im Gesetz! Gott spricht den Ungerechten gerecht, ohne dass dieser auch nur irgendetwas dazu tun könnte! Gott ist Liebe! ● Sünde bedeutet Beziehungslosigkeit und Abkehr von Gott (menschlicher Egozentrismus, Verhärtung auf sich selbst, die Vernunft, scheinbare sündige Freiheit des Menschen) ● Rechtfertigung bedeutet, dass Gott mich in eine Beziehung zu sich stellt und mich von mir selbst befreit; Gott ist immer in Beziehungen zu denken ○ 3 Hypostasen der Trinität: Vater, Sohn und Heiliger Geist – leben erst, wenn man sie in Beziehung zueinander und in ihrem Gegensatz zueinander sieht) ● ● Rechtfertigung geschieht ○ allein durch Christus ○ allein aus Gnade ○ allein durch das Wort ○ allein im Glauben Sagt man „allein“, schließt man etwas anderes aus: Jegliches im Horizont des menschlichen Sein und Handeln – menschliche Seite ist völlig passiv, etwa wie ein Jubilar, der aus den Vorbereitungen des Festes anlässlich seines Jubiläums ausgeschlossen wird, damit er in angemessener Form an der Feier teilhaben kann. ○ Christus ist der Grund der Rechtfertigung: In seiner Geschichte und in seinem Tod ist die Macht der Sünde gebrochen. Es ist deswegen die Person Christi, weil in ihm Schöpfer und Geschöpf eine Person sind („Wahrer Mensch und wahrer Gott“ - Zwei-Naturen-Lehre). Er ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1Tim2,5) Alle anderen religiösen Vermittlungsversuche zwischen dem rechtfertigenden Gott und dem sündigen Menschen sind hierin ausgeschlossen – das gilt in erster Linie für die Verirrungen innerhalb der Christentums, aber auch für alle anderen , nichtchristlichen Vermittlungsversuche. ○ Die Rechtfertigung des Sünders geschieht durch Gottes Gnade, sie ist als Geschenk zu betrachten. Gnade aber nicht im Sinne von „Begnadigung“, die den Begnadigenden unberührt lässt, sondern „von Herzen aus Liebe“. Jede Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung ist ausgeschlossen – es wird keine Leistung eingefordert, sondern Freude aneinander (wie in einer funktionierenden Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen, in der die liebende Tat des einen durch die Freude des anderen belont wird). ○ Mit dem Wort ist das schöpferische Wort Gottes gemeint, das dem Sünder die Rechtfertigung aus Gnade zuspricht. Der Mensch ist angeredet durch Gott, er wird von außen getroffen. Sein Inneres soll so ausgerichtet werden, dass es sich ganz auf das von außen mitgeteilte richtet, nämlich Jesu Passion, Tod und Auferstehung, damit er sich dort selbst neu findet. Nur das Wort kann zwischen dem Inneren und dem Äußeren, kann Unmittelbatkeit zu Gott vermitteln. ○ Der Glaube ist die Pointe der Rechtfertigungslehre, da nun der Mensch, der gar nichts zu seiner Rechtfertigung beitragen kann, in seinem Lebensvollzug positiv mit einbezogen wird. Glaube ist aber nicht als Tat oder Aktivität des Menschen zu verstehen, sondern als Geschenk Gottes: Er ensteht dadurch, dass mich Gott als sein Gegenüber anspricht, er ist mitgeteilt. ■ Glaube ist Vertrauen, heißt „sich verlassen“ - er wird also nicht durch mich selbst hervorgebracht, sondern erst dann, wenn ich mich in einer Beziehung zu Gott stehe ■ Glaube ist Antwort – er ist das von Herzen kommende „Ja“ als Reaktion auf die barmherzige Tat Gottes. Wieder Relation in Liebe grundlegend: „Ein Herz und eine Seele sein“ ■ Glaube ist Leben bei Gott: Der Gläubige „verlässt“ sich ganz und gar, er gibt seine Selbstzentriertheit preis, er lässt sich aus sich herausrufen an den Ort seines Heils bei Gott und ist sich seiner Erwählung gewiss, Mensch bleibt aber gleichzeitig Sünder „simul iustus et peccator“ ■ Glaube ist Heilsgewissheit – Der Gläubige ruht in sich selbst und bei Gott. „Mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk1,38) ● Wie ist das für den Christen erfahrbar? ○ Zunächst einmal bedeutet „in der Gerechtgkeit Gottes leben“ sich seines Lebens zu erfreuen, die neue Seinsweise im Glauben zu genießen – darin ist jede Selbstverwirklichung des Menschen vor Gott absolut ausgeschlossen. ○ Sonntagsruhe (Anlehnung an den Sabbat als Ziel der Schöpfung, Gen1) als Gegensatz zur Tätigkeit der ganzen Woche, als Chance, aus sich herauszutreten und dem Schöpfer für die Erlösung zu danken – Lob und Dank am Tag des Herrn, und zwar im Gottesdienst mit der Gemeinde ist „in der Gerechtigkeit Gottes leben“ ○ Person ist nicht definiert durch ihre Taten oder Untaten, durch ihre Leistungen oder Verfehlungen, sondern dadurch dass sie von Gott anerkannt ist - „in der Gerechtigkeit Gottes leben“ heißt also der Person immer den Vorrang vor der Tat zu geben. Es gibt keine hoffnungslosen Fälle! Konsequenzen fürs Leben und Handlungen, Beispiele: ■ Staatliches Strafrecht darf Menschen keinen Wert zusprechen, keiner darf mehr oder weniger wert genannt werden als ein anderer ■ Verhältnis zu den Trägern der politischen Macht: „in der Gerechtigkeit Gottes leben“ heißt, so viel politische Kultur zu entwicklen, dass man erkennt, dass die politischen Machthaber genauso unzerstörbare Menschenwürde haben wie alle anderen ■ Seelsorge: Das Gewissen darf nicht Gericht halten über die Taten einer Person – darüber entscheidet Christus. Das Gewissen ist für das Tun, für die Person ist allein Christus zuständig ■ Jeder Gläubige hat durch das Bezogensein auf Christus außerhalb von sich selbst unmittelbaren Zugang zu Christus. Jeder Gläubige kann deshalb das Evangelium predigen – der Glaube kommt aus dem Hören der Predigt, die Predigt aber kommt aus dem Wort Christi: Priestertum aller Gläubigen ● „Glauben lernen“ (D. Bonhoeffer): bedeutet, völlig darauf zu verzichten, aus sich selbst etwas zu machen.Man wirft sich Gott ganz und gar in die Arme: Heiligkeit des Menschen bedeutet nicht Sündlosigkeit, sondern Dankbarkeit für die Leiden Gottes durch Christus am Kreuz und die daraus erwachsende Rechtfertigung des Sünders.